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Ekke Nekkepenn

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Ein „Meermann“ in einer Abbildung aus dem 17. Jahrhundert

Ekke Nekkepenn (auch: Eke Nekepen, daneben in weiteren unterschiedlichen Schreibungen) ist eine nordfriesische Sagengestalt. Der Namensteil Nekke kommt vom althochdeutschen nihhus, niccus oder nichessa, was jeweils Wassergeist bedeutet und auch als Niss, Neck oder Nöck und in der weiblichen Form als Nixe bekannt ist. In der seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlichsten, auf den Sylter Heimatforscher, Volkskundler und Graphiker Christian Peter Hansen (* 1803 in Westerland1879 in Keitum) zurückgehenden literarischen Ausformung stellt er einen Meermann dar, der gemeinsam mit seiner Frau Rahn (vergleiche die Göttin Ran) auf dem Grunde der Nordsee lebt und mit Seeleuten und Bewohnern der nordfriesischen Inseln Schabernack treibt.

Stoffgeschichte

C. P. Hansens Meermann Ekke Nekkepenn

Die heute wohl bekannteste Umsetzung des Ekke-Nekkepenn-Stoffes geht auf C. P. Hansen zurück, der verschiedene Sagen aus dem nordfriesischen Raum in seinen 1858 veröffentlichten Sagen und Erzählungen der Haidebewohner auf Sylt zu einer eigenen, fortlaufenden Erzählung verdichtete und umformte. Der erste Abschnitt dieser Erzählung trägt den Titel „Der Meermann Ekke Nekkepenn“.

Die Erzählung beginnt damit, dass Ekke Nekkepenn die Frau des Kapitäns eines im Sturm nach England laufenden Sylter Schiffes um Hilfe bei der Geburt seines Kindes bittet. Die schöne und hilfsbereite Kapitänsfrau wird vom Meermann zu seiner auf dem Grunde der Nordsee lebenden Frau Rahn geführt und kommt nach gelungener Geburt reichbeschenkt mit Gold und Silber an die Meeresoberfläche zurück. Der Schiffer und seine Frau können ihre Reise bei bestem Wetter fortsetzen und gelangen später sicher und wohlbehalten in die Heimat nach Rantum auf Sylt zurück. Viele Jahre später erinnert sich Ekke Nekkepenn an diesen Vorfall und beschließt – angesichts der Tatsache, dass Rahn inzwischen „alt und faltig“ geworden ist –, die Kapitänsfrau an ihrer statt zur Frau zu nehmen. Als er eines Tages das Schiff des Rantumer Kapitäns sichtet, überredet er die auf dem Meeresgrund sitzende Rahn, Salz zu mahlen und der Sylter Schiffer kommt mitsamt seiner Besatzung in dem dabei entstehenden starken Strudel um. Auf dem Weg zur Frau des Kapitäns begegnet Ekke Nekkepenn, der sich in einen stattlichen Seefahrer verwandelt hat, am Strand bei Rantum deren jungfräuliche Tochter Inge. Gegen ihren Willen steckt er ihr an jeden Finger einen goldenen Ring, hängt ihre eine goldene Kette um den Hals und erklärt sie zu seiner Braut. Als ihn das Mädchen unter Tränen bittet, es freizugeben, antwortet er, dies könne er nur tun, wenn es ihm am nächsten Abend seinen Namen sagen könne. Doch niemand auf der Insel kennt den unbekannten Fremden. Als Inge in ihrer Verzweiflung am nächsten Abend wieder am Strand entlanggeht, hört sie an der Südspitze der Insel bei Hörnum eine Stimme aus dem Berg, die singt:

Heute soll ich brauen;
Morgen soll ich backen;
Übermorgen will ich Hochzeit machen.
Ich heiße Ekke Nekkepenn,
Meine Braut ist Inge von Rantum,
Und das weiß Niemand als ich allein.

auf Sylterfriesisch:

Delling skel ik bruu;
Miaren skel ik baak;
Aurmiaren wel ik Bröllep maak.
Ik jit Ekke Nekkepen,
Min Brid es Inge fan Raantem,
En dit weet nemmen üs ik aliining.

Daraufhin läuft sie zu dem verabredeten Treffpunkt und ruft dem dort eintreffenden Fremden zu: „Du heißt Ekke Nekkepenn und ich bleib Inge von Ramtum.“ Der auf diese Weise genarrte Meermann hegt seit jener Zeit eine große Wut gegen die Sylter Inselbewohner und treibt immer, wenn ihm danach ist, sein Unwesen. Er vernichtet ihre Schiffe im Sturm, lässt sie in Rahns Mahlstrom untergehen und beschädigt die Sylter Küste durch die von ihm entfesselten Fluten.

Ekke Nekkepenn und die nordische Mythologie

C. P. Hansen beschäftigte sich bereits im Rahmen seiner Arbeit an der Chronik der Friesischen Uthlande (1856) mit der nordischen Mythologie und griff dazu nach eigenen Angaben auf das 1847 in Leipzig erschienene Werk Die nordische Mythenlehre nach einer Reihe von Vorlesungen von Johannes Carsten von Hauch (* 1790 † 1872) zurück. In seinen 1850 erschienenen „Materialien zu einer friesischen Mythologie“ schreibt Hansen: „Der Gott des Meeres hieß bei den Deutschen Ögis, bei den Dänen Eiger, bei den Friesen Eie oder Eia, auch Ekke oder Nekke. [...] Seine Gemahlin war die Göttin Ran, welche den Strand segnete, die Schiffbrüchigen in ihre Netze zog und nach welcher das alte Strand- und Dünendorf Rantum vielleicht den Namen erhielt. Rane heißt übrigens im Nordischen so viel als rauben. Einer friesischen Sage nach hätte der Ekke einst zu einer Rantumerin, Namens Inge, gefreiet, doch einen Korb bekommen.“ Tatsächlich handelt es sich bei allen dieser von Hansen hergestellten Bezüge – wie Willy Krogmann in seinem Nachwort zu einem Band Sylter Sagen 1966 überzeugend dargelegt hat – um Irrtümer. Weder lässt sich der Ortsname Rantum auf das altnordische Wort Rān zurückführen, noch gibt es Belege für einen etymologischen Zusammenhang zwischen dem Namen des altnordischen Meeresgottes Ægir und dem Wort „Ekke“. Krogmann bezeichnet die Figur Ekke Nekkepenn deshalb auch als Erfindung Hansens.

Zur Entstehungsgeschichte: Hansens Vorlagen

Hansens Meermann Ekke Nekkepenn beruht auf zwei unterschiedlichen Sagen, zwischen denen ursprünglich keine Verbindung bestand. Der erste Teil der Erzählung fußt auf einer Sage von einem Wassermann (bei Krogmann, Sylter Sagen, Nr. 36, S. 17), während der zweite Teil eine nordfriesische Variante des bekannten Rumpelstilzchen-Stoffes darstellt (bei Krogmann, Nr. 27, S. 13). Die ursprüngliche Wassermann-Sage gleicht in weiten Zügen der Darstellung bei Hansen, endet aber mit der glücklichen Rückkehr der Kapitänsfrau an Bord ihres Schiffes. Hansen verband sie mit der nordfriesischen Rumpelstilzchen-Variante, indem er aus dem ursprünglichen Zwerg den „Meermann“ Ekke Nekkepenn machte. Als verbindendes Glied erfand er das Motiv hinzu, dass Ekke Nekkepenn den Sylter Kapitän umkommen lässt, um dessen Frau zu heiraten. Um die Erzählung realistischer erscheinen zu lassen, fügte Hansen die genauen Ortsbezeichnungen auf Sylt hinzu. Dass es sich bei Ekke Nekkepenn ursprünglich um einen Zwerg handelte, wird deutlich, wenn Hansen ihn in einem Berg singen lässt, was für einen Meermann eine eher unmotivierte Verhaltensweise darstellt.

Die von Hansen verwendete Rumpelstilzchen-Variante gehört zu einem weitverbreiteten Märchen- und Sagenkomplex. In den meisten dieser Märchen hilft ein Zwerg oder anderes Wesen einem Mädchen beim Spinnen einer bestimmten Menge Flachs. Die nordfriesische Urform des Stoffes – der Hansen bei seiner Ausgestaltung folgt – enthält genau dieses Element nicht. Damit ist sie einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Ausformungen zuzurechnen, zu der Sagen aus Pommern, Niedersachsen, Tirol, Niederösterreich und Schleswig-Holstein gehören. Allen Märchen aus dem genannten Komplex gemein ist die Ähnlichkeit in der Bildung des Namens des Zwerges. Hier tauchen neben „Rumpelstilzchen“ Namen wie „Siperdintl“, „Zirkzirk“, „Ettle-Pettle“, englisch „Tom Tim Tot“ oder schwedisch „Titelituri“ auf. Der Begriff „Ekke Nekkepenn“ reiht sich in diese Linie ein.

Literatur

  • Gundula Hubrich-Messow: Von Ekke Nekkepenn bis Martje Floris: Märchen und Sagen Nordfrieslands, in: Thomas Steensen (Hrsg.): Das große Nordfriesland-Buch, Hamburg 2000, ISBN 3-89234-886-3
  • Willy Krogmann: Nachwort, in: Sylter Sagen: In der ursprünglichen Fassung nach C.P. Hansen u.a., Göttingen 1966, 29–64
  • Christian Peter Hansen: Sagen und Erzählungen der Sylter Friesen: nebst einer Beschreibung der Insel Sylt als Einleitung, Unveränderter Neudruck der Ausgabe Garding 1875, Wiesbaden 1972, ISBN 3-500-25510-8
  • Christian Peter Hansen: Sagen und Erzählungen der Haidebewohner auf Sylt, in: Friesische Sagen und Erzählungen, Altona 1858, S. 148–194

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