Tatort: Abschaum
| Folge 562 der Reihe Tatort | |
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Abschaum ist ein Fernsehfilm aus der Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde von Radio Bremen produziert und am 4. April 2004 erstmals ausgestrahlt. Es handelt sich um die Tatort-Folge 562. Für Kriminalhauptkommissarin Inga Lürsen, alias Sabine Postel, und Kriminalkommissar Stedefreund, alias Oliver Mommsen, ist es der elfte Fall, in dem sie ermitteln.
Handlung
Die zwölfjährige Miriam Meinfeld wird tot im Bremer Stadtteil Tenever aufgefunden. Zwischen Daumen und Zeigefinger hat sie ein seltsames Zeichen. Das Mädchen hatte auffällige Substanzen im Blut, außerdem fällt dem obduzierenden Arzt auf, dass sie unerklärlich viele Knochenbrüche hatte. Des Weiteren ist Miriam mehrfach sexuell missbraucht worden, zwar nicht unmittelbar vor ihrem Tod, aber in der Vergangenheit. Die Eltern des Mädchens erzählen den Kommissaren Inga Lürsen und Nils Stedefreund, dass sie ein Einzelgänger gewesen sei. Auf die Knochenbrüche angesprochen, meint der Vater, dass sie beim Rumtoben immer wieder gestürzt sei. Die Eltern werten die Fragen der Beamten als Angriff. Die Mutter Miriams, Sigrid Meinfeld, hetzt gegen geistig Behinderte, die in einem Heim in der Nähe untergebracht sind. Dahin sollten die Beamten gehen und den Schuldigen suchen. Miriams behandelnder Arzt, der Kind und Eltern seit Jahren kennt, meint, dass er Misshandlungen so gut wie ausschließen könne, die sähen anders aus. Kaum hat Kommissarin Inga Lürsen sein Zimmer verlassen, ruft er jemanden an und meint, dass man vorsichtig sein müsse.
Als Inga Lürsen und Nils Stedefreund die Behinderteneinrichtung aufsuchen, stößt Inga überraschend auf ihre Tochter Helen, die dort ein Praktikum macht. Svenja, Miriams elfjährige Schwester, ist von zu Hause weggelaufen. Im Behindertenheim sucht sie einen Mann mittleren Alters auf, der ihr eine Tasse Milch einschenkt. Dann beginnt Svenja zu zeichnen. Miriams Lehrerin erzählt Inga Lürsen, dass das Kind sehr verschlossen gewesen sei und sehr oft verletzt war, der Verdacht auf Misshandlungen sei ihr zwar gekommen, aber es habe ja nichts Konkretes gegeben. Sie zeigt der Kommissarin Bilder Miriams. Alle sind in dunklen Farben gehalten und wirken bedrohlich. Ähnliche Bilder malt auch ihre Schwester Svenja.
Als Lürsen und Stedefreund weitere Ermittlungen in einer Kneipe im Bezirk anstellen, gibt es Ärger, die Anwohner, die sich dort versammelt haben, empören sich lautstark gegen die Behinderten, ihrer Meinung nach seien sie „Abschaum“. Inga Lürsen sagt ihnen kräftig die Meinung. Stedefreund sucht unterdessen nach dem Zeichen, das Miriam zwischen Daumen und Zeigefinger hatte. Er stößt auf die Bibliothekarin Karin Melzer. Sie meint, warum er erst jetzt komme. Stedefreund stutzt. Sie dachte, er käme wegen der Journalistin Waltraud Löbing, die vor zwei Jahren bei einem Autounfall umgekommen sei, weil sie zu viel von diesen Leuten wusste. Man habe sie umgebracht. Dieses Zeichen gehöre zur Kirche des Satans. Sie glaubt nicht daran, dass die Polizei tatsächlich etwas gegen diese Leute ausrichten könne, es seien Leute mit Einfluss von ganz oben. Sie meint, dass kaum einer bereit sei, den Opfern zu glauben, weil das, was sie erzählen, zu ungeheuerlich sei. Waltraud Löbing habe die Kopie eines Videobandes ihrer Recherchen bei ihr hinterlegt. Sie werde sie ihm geben, wenn er vergessen würde, von wem er sie habe.
Svenjas Lehrerin versucht Inga Lürsen und Stedefreund zu unterstützen, indem sie Svenja, die von den Eltern abgeschottet wird, zu sich ruft, damit die Kommissare mit ihr sprechen können. Gerade als das Kind sich öffnen will, kommt Svenjas Vater mit einem Anwalt. Er wirkt insistierend auf die Kleine ein, so dass sie nur noch schweigt. Vor Gericht tritt er in ähnlich großspuriger Art auf. Die Medikamente, die man in Miriams Körper gefunden hatte, sollen von einem Bewohner des Behindertenheims erstanden worden sein. Daraufhin durchsuchen Beamte das Behindertenheim. Als Inga Lürsen in Harald Markwarts Zimmer sehen will, sagen ihr die Bewohner, dass Haralds Zimmer verboten sei, da dürfe niemand hinein. Sie finden dort Zeichnungen ähnlich denen, die Miriam gemalt hatte, die alle das Zeichen des Satans enthalten. Als sie weitere Dinge in einem Kästchen finden, versuchen sie mit Harald zu reden. Er hat eine Nahkampfausbildung und war Offizier bei einer Sondereinheit der Bundeswehr, dem KSK. Eine schwere Kopfverletzung beendete seine Karriere. Inga spricht sehr verständnisvoll mit dem Mann und bedeutet ihm, dass sie nicht glaube, dass er Miriam etwas getan habe, aber wenn sie ihm irgendetwas bedeutet habe, dann solle er ihr doch bitte helfen.
Stedefreund geht erneut zu Karin Melzer. Nach kurzem Zögern spricht sie mit ihm, lässt ihn aber wissen, dass dieses Gespräch nie stattgefunden habe. Sie beschwört den Kommissar, dass diese Leute wirklich böse seien, abgrundtief böse und gefährlich. Sie würden glauben, dass sie über dem Gesetz stehen. Es seien Leute mit Macht, Geld und genügend Einfluss, dass nichts von dem, was sie tun, nach außen dringe. Und sie hätten es geschafft, jedes Mitgefühl oder Mitleid mit anderen Kreaturen abzulegen. Die Kirche des Satans sei 1966 in den USA gegründet worden. Es gäbe geheime Rituale, Tieropfer und Menschenopfer. Diese Leute seien Sadisten und Pädophile, die unter dem Deckmantel der Kirche ihre Neigungen ausleben würden. Man benutze das Internet, um untereinander Erfahrungen auszutauschen, Kinderpornohandel usw. in die Wege zu leiten.
Harald Markwart, den Inga Lürsen, auch zum eigenen Schutz, vorläufig festgenommen hatte, ist auf Anweisung des Oberstaatsanwalts Mertens aus der Haft entlassen worden. Der Mob dringt in das Heim ein und prügelt ihn zusammen. Svenja verletzt ihren Vater mit einem Messer als dieser sie aufhalten will, sie will zu Harald. Richard Brenner, der Kneipenwirt, äußert gegenüber Bodo Meinfeld, „dass er nicht wisse, ob der Orden noch lange stillhalten würde.“
Karin Melzer äußert bei einem erneuten Treffen gegenüber Stedefreund, dass der Orden sich seine Opfer bei den Ärmsten der Armen holen würde. Die Eltern der betroffenen Kinder waren schon Opfer und könnten sich aus dieser Rolle nur befreien, indem sie nun ihre Kinder dazu machen würden. Diese Menschen hätte eigene Anwälte und ihre Ärzte würden selbstverständlich dafür sorgen, dass Behauptungen von Verletzungen aufgrund okkulter Handlungen gar nicht erst publik würden, die Opfer würden mit Drogen vollgepumpt, sodass sie „nach außen“ als Verrückte abgestempelt würden. Karin Melzer zitiert berührend aus Paul Celans Gedicht Nachtstrahl. Sie rät Lürsen und Stedefreund, „nach denen zu suchen, die helfen.“ Draußen wird sie von einem Auto kaltblütig überfahren. Sie kann Inga noch zuflüstern, dass sie gelogen habe und dass das Mädchen aus dem Film, das sie suchen würden, noch lebe. Im Krankenhaus sieht Inga aus dem Augenwinkel die kleine Svenja und gibt Anweisung, sie durchzulassen. Svenja geht zu Harald Markwart, der nach dem Angriff des Mobs in der Klinik liegt. Harald ist ihr Freund. Sie erzählt Inga, dass er ihr und ihrer Schwester immer geholfen habe. Miriam habe die Tabletten genommen, die Harald wegen alter Verletzungen brauche, er wollte nicht, dass sie das tat. Als sie mit Inga auf dem Krankenhausgang ist, sieht sie einen Arzt und verletzt die Kommissarin mit ihrem mitgebrachten Messer an der Hand, um weglaufen zu können. Sie hat ganz offensichtlich Angst. Der Arzt erzählt den Kommissaren, dass er der eingelieferten Frau leider nicht mehr habe helfen können.
Als Lürsen und Stedefreund zur Wohnung Meinfeld gehen, finden sie Sigrid und Bodo Meinfeld „hingerichtet“ in ihrer Wohnung in Blutlachen vor. Die Kinder sind nicht da. Svenja wurde bei ihrer Flucht aus der Klinik von Richard Brenner in sein Auto gezogen. Die Kommissare erhalten die Akten über Satanismus. Inga Lürsen und Nils Stedefreund suchen die bedauernswerte Frau aus dem Video auf, es handelt sich um Gudrun Wehling. Sie ist kaum ansprechbar, auf einer Zeitung zerkratzt sie ein Profil. Wie die Kommissare später herausfinden, ist es das des Kneipenwirts Brenner. Inga Lürsen und Stedefreund ermitteln weiter, dass in 20 Verfahren, die mit Satanismus zu tun hatten, jedes einzelne von Oberstaatsanwalt Mertens niedergeschlagen wurde.
Nachdem Harald Markwart im Fernsehen vom Verschwinden der Kinder erfahren hat, ist es ihm gelungen, aus der Klinik zu flüchten. Inga Lürsen und ihre Kollegen wissen nicht, wo er hin ist. Als erstes schaltet Markwart Richard Brenner, der ihn angreifen will, aus. Durch Zeichnungen der Kinder kommt Inga drauf, wo Markwart wahrscheinlich ist. Auf den Zeichnungen tauchte immer wieder der Bogenschütze vor der Jepsen Villa auf. Die leerstehende Villa ist angemietet von der Anwaltskanzlei Lohmann und Partner, dem Anwalt, der auch für die Eltern von Svenja aufgetreten ist. In der Villa soll wohl gerade wieder eine Opferung o. ä. stattfinden. Die Mitglieder laufen mit obskuren Masken herum und haben es auf die ängstlich in eine Ecke gedrückten Kinder abgesehen. Harald Markwart streckt einen nach dem anderen mit seiner Waffe nieder. Dann setzt er sich zu Svenja und Björn in eine Ecke des „Opfersaals“ und legt schützend seine Arme um die Kinder. Als Inga Lürsen, Nils Stedefreund und weitere Beamte eintreffen und die Erschossenen demaskieren, finden sie den Oberstaatsanwalt Mertens, den Anwalt des Ordens, den Kinderarzt und auch den Arzt aus der Klinik, der angeblich nichts mehr für Karin Melzer tun konnte, und weitere „Honoritäten“. Als Harald, der sich widerspruchslos festnehmen lässt, abgeführt wird, stürzen die Kinder auf ihn zu und umarmen ihn, er war ihre einzige Zuflucht.
Produktionsnotizen
Die Dreharbeiten fanden vom 30. September bis zum 4. November 2003 in Bremen und der näheren Umgebung statt. Produktionssender war Radio Bremen (RB) in Koproduktion mit Degeto Film.
Die Church of Satan (CoS) existiert tatsächlich, sie wurde am 30. April 1966 von Anton Szandor LaVey in San Francisco gegründet, ihr Hauptsitz befindet sich mittlerweile in New York City. Sie vertritt einen atheistischen Standpunkt, wonach es keinen allmächtigen, gütigen Schöpfer-Gott gibt. Die Figur Satans wird als Archetyp gedeutet.
Im Film rezitiert Monica Bleibtreu aus Paul Celans Gedicht Nachtstrahl: Ein schöner Kahn ist der Sarg, geschnitzt im Gehölz der Gefühle. Auch ich fuhr blutabwärts mit ihm, als ich jünger war als dein Aug. Nun bist du jung wie ein toter Vogel im Märzschnee, nun kommt er zu dir und singt sein französisches Lied. Ihr seid leicht, ihr schlaft meinen Frühling zu Ende. Ich bin leichter, ich singe vor Fremden. Das Gedicht ist enthalten in Paul Celan Werke Mohn und Gedächtnis.[1]
Quote und Audio-CD
Bei seiner Erstausstrahlung am 4. April 2004 erreichte der Film 7,96 Mio. Zuschauer, was einem Marktanteil von 22,60 % entspricht.[2]
Die Folge gibt es, gelesen von Sabine Postel, als Audio-CD, erschienen am 1. August 2009 bei Der Audioverlag.[3]
Nominierung und Auszeichnung
Diese Folge war für den 1. Deutschen Fernseh-Krimipreis 2005 nominiert. Monica Bleibtreu wurde für ihre Darstellung der Bibliothekarin Karin Melzer als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.[4]
Kritiken
Der katholische Satanismus-Experte Matthias Neff, Referent für Sekten und Weltanschauungsfragen im Bistum Trier, lobte den Film im Hamburger Abendblatt als „spannend und gut recherchiert. Der gelungene Krimi zeige deutlich die Brisanz und die menschenverachtenden Hintergründe des Satanismus.“[5]
TV Spielfilm urteilte: „Umstritten, aber ein Tatort-Highlight. […] Der Bremen-“Tatort” erhielt für die Behandlung des Themas viel Lob - nur das Ende schockte viele.“[6]
Rainer Tittelbach (tittelbach.tv) meint: „Manch ein Zuschauer wird “satanistischen Kindesmissbrauch” im “Tatort” nicht sehen wollen. Für den wird es wenig ändern, dass Thorsten Näters “Abschaum” ein hoch spannender Krimi mit sozialkritisch-aufklärerischem Habitus und ohne die geringste Spur von Voyeurismus geworden ist. Wer sich drauf einlässt - für den gibt es kein Entrinnen.“[7]
Weblinks
- Vorlage:IMDb Titel
- Abschaum in der Online-Filmdatenbank
- Abschaum auf den Internetseiten der ARD
- Vorlage:Tatort-Fundus
- Trailer Tatort-Folge 562 Abschaum
- Tatort: Abschaum Interview mit dem Autor und Regisseur Thorsten Näter
Einzelnachweise
- ↑ Paul Celan Nachtstrahl
- ↑ Tatort: Abschaum Quote
- ↑ Tatort: Abschaum - Sabine Postel liest den Fall
- ↑ Tatort: Abschaum bei Radio Bremen.de. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ Tatort: Abschaum bei Spiegel de. kultur. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ Tatort: Abschaum bei TV Spielfilm. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ Tatort: Abschaum bei tittelbach.tv Rainer Tittelbach. Abgerufen am 2. August 2012.