Organspendeskandal in Deutschland

Der Göttinger Organspendeskandal bezeichnet eine Affäre um Fälschungen von Krankenakten am Universitätsklinikum Göttingen. Ärzte sollen dies getan haben, um bestimmte Patienten unberechtigterweise bei der Vergabe von Spenderorganen zu bevorzugen. Die Ermittlungen sollen bis in die 1990er-Jahre zurückreichen.[1][2] Auch wegen fahrlässiger Tötung bzw. bedingt vorsätzlicher Tötung[3] wird ermittelt.[4][5] Der Skandal löste teils heftige Kritik aus und fiel mit der Einführung eines neuen Transplantationsgesetzes in Deutschland zusammen.[6][7] Als Konsequenz wurden daraufhin schärfere Kontrollen gefordert.[8]
Vorwürfe der fahrlässigen Tötung
Weil Mediziner ihre Patienten durch Manipulationen des MELD-Scores – Krankenakten mit Laborwerten sollen so verändert worden sein, dass bestimmte Patienten unberechtigt ein Spenderorgan erhielten – an die Spitze der Wartelisten setzten, könnten auch andere Patienten gestorben sein. Dem ehemaligen Leiter der Transplantationschirurgie in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Aiman Obed, wird Aktenfälschung vorgeworfen. Sogar eine bedingt vorsätzliche Tötung hält die Justiz für nicht ausgeschlossen.[4][5]
Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft untersucht die Vorfälle. Der Organspende-Skandal betrifft neben Göttingen auch Regensburg, wo Obed zuvor als Oberarzt tätig war.[9][10] Insgesamt werden 23 Fälle aus den Jahren 2010 und 2011 untersucht. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer anonymen Anzeige seit Anfang 2012 wegen möglicher Korruption gegen einen leitenden Arzt. Der Leiter der Abteilung Gastroenterologie, Giuliano Ramadori, ist der zweite Beschuldigte. Auch gegen ihn wird ermittelt, er wurde von der Uniklinik beurlaubt.[11] Die beiden Ärzte machten bisher keine Angaben zu den Vorwürfen.[12] In zumindest einem Fall gab es einen auffälligen Geldfluss vom Konto des 45-jährigen Transplantationschirurgen, der der Organ-Schieberei verdächtigt wird. Der ehemalige Angestellte des Uniklinikums Göttingen habe für einen Patienten 8765 Euro an die Deutsche Stiftung Organtransplantation gezahlt.[13]
Folgen des Organspende-Skandals
Der Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft sprach sich deutlich gegen Organhandel und Transplantationstourismus aus. Damit seien Patienten gemeint, die nie in Deutschland gelebt haben und nur ins Land einreisen, um ein neues Organ transplantiert zu erhalten, und sich mit der Adresse eines Hotels beziehungsweise einer Klinik auf die Organspendeliste setzen lassen.[14] Nach dem Organspende-Skandal forderten Politiker Konsequenzen, vor allem Kontrollen sollten eingeführt werden. Die SPD kritisiert auch umsatzabhängige Gehälter von Medizinern.[8] Das Universitätsklinikum Göttingen zog Konsequenzen: Die Höhe der Ärzte-Gehälter ist seither nicht mehr an die Zahl der Transplantationen gekoppelt. Auch der Vorschlag, dass Laborwerte künftig von zwei Ärzten geprüft und unterschrieben werden sollen, wurde in Betracht gezogen.[15] Nach Meinung von Experten hätte auch das neue Transplantationsgesetz, das grundsätzlich die Rechte der Organspender stärkt und am 1. August 2012 in Kraft trat,[6][7] den Organspende-Skandal nicht verhindern können.[16]
Weblinks
- Spiegel Online: Organspende-Reform: Das bringt das neue Transplantationsgesetz.
- faz.net: „Die Unverfrorenheit ist erschütternd“. – Interview mit Wolfram Höfling, Institut für Staatsrecht der Universität Köln
Einzelnachweise
- ↑ Organspende-Skandal: Auffälligkeiten schon im Jahr 1995. faz.net. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspendeskandal: Ermittler prüfen bis in 90er Jahre. orf.at. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspende-Skandal: Zwei Staatsanwaltschaften ermitteln hna.de. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ a b Göttinger Ärzte der fahrlässigen Tötung verdächtigt. zeit.de. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ a b Organspendeskandal: Ermittlungen wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung. spiegel online. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ a b Neues Transplantationsgesetz tritt in Kraft. ndr.de. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ a b Das neue Transplantationsgesetz tritt in Kraft. radioeins.de. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ a b Göttinger Klinikum: Politiker fordern Konsequenzen aus Organspende-Skandal. zeit online. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspende-Skandal weitet sich aus: Manipulations-Verdacht nun auch an Uniklinik Regensburg. focus.de. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ 23 Verdachtsfälle in Regensburg: Organspende-Skandal weitet sich aus. berliner-kurier.de. Abgerufen am 2. August 2012.
- ↑ Organspendeskandal: Ermittler durchsuchen Wohnung von zweitem Arzt. spiegel online. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ D: Organspende-Skandal weitet sich aus. kurier.at. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspende-Skandal in Göttingen: Auffälliger Geldtransfer. sueddeutsche.de. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspendeskandal in Göttingen: "Dafür ist kriminelle Energie nötig". spiegel online. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Organspende-Skandal in Göttingen: Klinikum beschließt Aus für Leistungsprämien. spiegel online. Abgerufen am 1. August 2012.
- ↑ Medizinrechtler: Neues Gesetz hätte Organspende-Skandal nicht verhindert. aktuell.evangelisch.de. Abgerufen am 1. August 2012.