Bürgerrechtsbewegungen
Im Allgemeinen versteht man unter einer Bürgerrechtsbewegung eine soziale Bewegung, die versucht, Menschen- und Bürgerrechte von ausgegrenzten oder diskriminierten Teilen der Bevölkerung durchzusetzen.
USA
Die Bürgerrechtsbewegung in den USA (Civil rights movement) setzte sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts für die Gleichberechtigung der farbigen US-Amerikaner und die Überwindung des Rassismus ein. Seit dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 war die Sklaverei in den USA zwar abgeschafft. Dennoch blieben die Afroamerikaner vor allem in den Südstaaten der USA weiterhin unterdrückt. Von vielen dortigen öffentlichen Einrichtungen wie höheren Schulen und Universitäten wurden sie ausgegrenzt. Die Wahrnehmung der amerikanischen Bürgerrechte wurde ihnen erschwert und teilweise verwehrt. Immer wieder kam es zu gewaltsamen und teilweise tödlichen Übergriffen des rassistischen Ku Klux Klan gegen afroamerikanische Bürger, oft ohne dass solche Übergriffe juristisch verfolgt wurden. Neben Versuchen, die Rechte der Farbigen auf gerichtlichem Weg durchzusetzen, gab es Demonstrationen und Boykott-Kampagnen gegen die Rassentrennung in den Südstaaten der USA. Ende der 1950er Jahre nahmen die Proteste nach einem erfolgreichen 7-monatigen Busboykott zur Aufhebung der Rassentrennung in den öffentlichen Verkehrsmitteln von Montgomery / Alabama, zu. Unter der Führung des Baptistenpfarrers Dr. Martin Luther King (1929 - 1968) wuchs die Bürgerrechtsbewegung zu einer gewaltlosen Massenbewegung heran. Mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams und unterschiedlichen Formen des friedlichen Protests, wobei sich King und seine Anhänger auch an den Methoden Mahatma Gandhis im gewaltfreien Kampf um die Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialmacht orientierten, konnte die Bürgerrechtsbewegung die Aufhebung der institutionellen Segregationspolitik in den US-Südstaaten durchsetzen. 1964 trat die Bürgerrechtsgesetzgebung in Kraft. Im selben Jahr wurde Martin Luther King für sein Engagement und seine beispielgebende Politik der Gewaltfreiheit der Friedensnobelpreis zuerkannt. Ab Mitte der 1960er Jahre kam es zur Abspaltung der Black Power-Bewegung unter Malcolm X, die radikaler und militanter gegen den Rassismus auftrat. Für Teile der Öffentlichkeit wurde der gewaltfreie Widerstand dadurch diskreditiert. Die Black Power-Bewegung legitimierte ihre Militanz mit der nach wie vor existenten rassistischen Gewalt gegen farbige Menschen in den USA. Dieser rassistischen Gewalt fiel auch Martin Luther King, der sich Ende der 1960er Jahre zunehmend auch gegen den Vietnamkrieg wandte, zum Opfer. 1968 kam er bei einem Attentat auf ihn um´s Leben.
Südafrika
Ebenfalls gegen die rassistische Apartheitspolitik wandte sich die Bürgerrechtsbewegung in Südafrika. Eine Symbolfigur des Widerstands dort war der farbige Bürgerrechtler und langjährige Vorsitzende des ANC (African National Congress) Nelson Mandela. 1964 - 1990 als politischer Gefangener inhaftiert, wurde Mandela schließlich auf Druck einer internationalen Öffentlichkeit aus dem Gefängnis entlassen. Nach Aufhebung der Apartheid erhielt Mandela zusammen mit dem damaligen Staatspräsidenten Frederic Willem de Klerk 1993 den Friedensnobelpreis und wurde 1994 selbst Staatspräsident von Südafrika.
Europa und osteuropäische Staaten
Auch in Europa gab und gibt es verschiedene Bürgerrechtsbewegungen.
Nordirland
In Nordirland setzt sie sich für die Gleichberechtigung der katholischen Minderheit ein.
Osteuropa allgemein
In den 1970er und 1980er Jahren traten in den osteuropäischen kommunistischen Staaten des Warschauer Paktes zunehmend verschiedene oppositionelle Gruppen in Erscheinung, die unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 die Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte im damaligen Ostblock forderten.
UdSSR
Schon seit Anfang der 1960er Jahre wandten sich in der UdSSR einige systemkritische Schriftsteller und Wissenschaftler gegen die sowjetische Zensur, indem sie beispielsweise ihre Werke illegal im Selbstverlag veröffentlichten (Samisdat). Bekannte intellektuelle Bürgerrechtler in der ehemaligen Sowjetunion waren beispielsweise der Schriftsteller Aleksandr Solschenizyn oder der Wissenschaftler Andrej Sacharow
Tschechoslowakei und Tschechische Republik
In der damaligen Tschechoslowakei wurde die Bürgerrechtsbewegung nach der gewaltsamen Niederschlagung des reformkommunisitischen Prager Frühlings durch die Rote Armee der UdSSR 1968 zunächst ausgeschaltet. Jedoch wurde 1977 von einer tschechoslowakischen Gruppe die Charta 77 veröffentlicht, die erneut Reformforderungen im Sinne der Bürgerrechtsbewegung formulierte. Einer der Sprecher der Charta 77 war der Schriftsteller Vaclav Havel, der nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks zum Staatspräsidenten Tschechiens gewählt wurde.
Polen
In Polen leitete 1980 die Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc (1981 unter Kriegsrecht verboten , 1989 wieder zugelassen) den Anfang vom Untergang des dortigen kommunistischen Systems ein. Deren Vorsitzender Lech Walesa wurde 1990 ebenfalls zum polnischen Staatspräsidenten gewählt.
DDR
Neben anderen kommunistischen Ostblockstaaten traten auch in der DDR seit den 1960er Jahren Prominente wie der Wissenschaftler und Reformkommunist Robert Havemann, der jahrelang in staatlich verordneten Hausarrest leben musste; oder der Liedermacher Wolf Biermann, dem 1976 die Wiedereinreise in die DDR verwehrt wurde, für die Ziele der Bürgerrechtsbewegung ein und forderten die Beendigung der Unterdrückung staatsbürgerlicher Rechte in der DDR. Ende 1989 kam es nach zahlreichen Massendemonstrationen zum Fall der Berliner Mauer. Die Ereignisse führten 1990 zum Untergang des SED-Regimes und der DDR, die sich mit dem Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland auflöste.
Volksrepublik China
In der Volksrepublik China verstärkte sich ab Mitte der 1980er Jahre eine vor allem von Studenten getragene Bürgerrechtsbewegung (Demokratiebewegung), die durch Demonstrationen und Wandzeitungen mehr Freiheiten und demokratische Reformen forderte. Trotz mehrfacher Aufforderungen der Regierung, die Demonstrationen zu beenden, erhielten diese immer mehr Zulauf. 1989 versammelten sich auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking etwa 100 000 Studenten und Arbeiter, um den Forderungen nach mehr Demokratie Nachdruck zu verleihen. Der Platz wurde schließlich unter Einsatz von massiver militärischer Gewalt geräumt. Mehrere Tausend Demonstranten kamen dabei um´s Leben . Weitere Tausende wurden verletzt. Nach dieser Niederschlagung der chinesischen Bürgerrechtsbewegung folgte eine mehrjährige Phase der politischen Repression in China, die ein neues Aufflackern der demokratischen Bewegung bis dato verhinderten.