Agfa
Die Agfa AG (heute Agfa-Gevaert AG) ist ein Unternehmen aus der Fotowirtschaft. Das Börsenkürzel lautet AGE, die ISIN ist BE0003755692.
Agfa war über Jahrzehnte einer der größten europäischen Hersteller von fotografischen Filmen und Laborausrüstungen nach den weltweit führenden Konkurrenten Kodak und Fujifilm. Die Agfa-Gevaert AG verkaufte jedoch Mitte 2004 den unrentabel gewordenen Geschäftsbereich Fotografie, der früher das Kerngeschäft der Agfa AG darstellte und nun unter AgfaPhoto GmbH selbständig ist und einem Insolvenzverfahren unterliegt. Bei der AG verblieben sind die Unternehmensteile GraphicSystems (u. a. Druckplattenherstellung) und HealthCare.
1954 bis 1964 existierte in der DDR parallel die Firma VEB Filmfabrik Agfa Wolfen (auch VEB Film- und Chemiefaserwerk Agfa Wolfen), die ebenfalls aus der alten Agfa AG als Neugründung hervorgegangen war, nachdem sie nach dem zweiten Weltkrieg zunächst von US-Streitkräften und später von der sowjetischen Verwaltung SMAD übernommen wurde.
Unternehmens- und Produktgeschichte



Agfa wurde 1867 durch die Chemiker Paul Mendelssohn Bartholdy (1841 – 1880) und Carl Alexander von Martius in Rummelsburg bei Berlin als Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation, kurz AGFA (seit 1897 als Warenzeichen eingetragen), gegründet.
Das erste Fotoprodukt war 1889 eine Entwicklerflüssigkeit (der berühmte Rodinal, ein bis heute verwendeter SW-Entwickler auf Paraaminophenol-Basis). 1899 begann Agfa mit der Fertigung von fotografischen Filmen auf Zelluloidbasis, der ursprünglich von Hannibal Goodwin für Edison 1897 entwickelt und patentiert worden war.
Ab 1904 stellte Agfa auch Blitzbeutel zum Selbstfüllen her sowie ab 1907 Blitzlampen (Agfa Blitzlampe I). 1908 führte Agfa den Sicherheitsfilm ein, bei dem die leicht entflammbare Nitrozellulose, ein Nebenprodukt der Schießbaumwolle, durch die schwer entflammbare Acetatcellulose ersetzt wurde.
Die 1909 von Agfa erbaute Filmfabrik Wolfen (später ORWO) war seinerzeit die größte Filmfabrik Europas und nach Eastman Kodak in Rochester USA die zweitgrößte der Welt.
1916 stellte Agfa die erste Farbenplatte nach dem Kornrasterverfahren vor; dabei werden Harzpartikel als Lichtfilter verwendet.
1925 war die damalige Actiengesellschaft für Anilinfabrikation Berlin – neben BASF und Bayer (sog. Dreibund) – an der Gründung der IG Farbenindustrie AG beteiligt.
Einen weiteren Meilenstein in der Unternehmensgeschichte bildet die erfolgreiche Rollfilmkamera Billy im Jahr 1928. Ein weiterer Kamera-Bestseller folgt 1932 mit der Preis-Box; im selben Jahr stellte Agfa auch den ersten Agfacolor Linienrasterfilm vor.
Eine der wichtigsten Innovationen kam 1936: Der erste "richtige" Farbfilm, Agfacolor, der nach dem bis heute in der klassischen Fotografie verwendeten Prinzip funktioniert (drei farbempfindliche Schichten für Blau, Grün und Rot übereinander, darin eingelagerte Farbkuppler für die chromogene Entwicklung), kam auf den Markt.
Weitere Verbesserungen in der Farbfotografie ermöglichte das 1941 vorgestellte Colorpapier auf chromogener Entwicklungsbasis. Ebenfalls 1941 kam der auf Agfacolor-Film gedrehte Spielfilm „Frauen sind doch bessere Diplomaten“ in die Kinos; es handelte sich dabei um den ersten Spielfilm der Welt nach dem farbigen Positiv-Negativ-Verfahren.
1952 wird die Agfa AG in Leverkusen als 100-prozentige Tochter der Bayer AG neu gegründet.
1954 wird in der DDR die VEB Filmfabrik Agfa Wolfen in Wolfen gegründet. Früher war die Agfa Filmfabrik Wolfen einer der Leitbetriebe von Agfa. Wegen eines Markenstreites wird sie 1964 umbenannt und produzierte Filme unter dem neuen Markennamen "ORWO" (ORiginal WOlfen).
1956 bringt Agfa mit der Mittelformatkamera Automatic 66 die erste vollautomatische Kamera heraus und stellt mit dem Labomat K die erste Entwicklungsmaschine für Colorpapier vor.
1964 schliessen sich die Agfa AG und die belgische Gevaert Photo-Producten N. V. zur Agfa-Gevaert-Gruppe zusammen. 1981 übernahm Bayer die Gruppe zu 100 Prozent und führte sie 1999 an die Börse; seitdem ist die Agfa-Gevaert AG, Leverkusen, eine Tochtergesellschaft der Agfa-Gevaert N. V., Mortsel/Antwerpen (Belgien); Großaktionäre sind die Bayer AG (30 Prozent) und die Gevaert N. V. (25 Prozent).
1969 werden in Oberbayern die Zweigwerke Peißenberg und Peiting gegründet. Sie dienen hauptsächlich der Geräteproduktion.
1982 will der damalige Vorstandsvorsitzende Andre Leysen das "Camerawerk München" schliessen. Aus Kostengründen wird die eigene Kameraproduktion aufgegeben, die Geräteproduktion wird aufgrund guter Produkte in der Pipeline weitergeführt.
1991 wird die Magnetbandproduktion an die BASF verkauft.
2000 liegt der Netto-Umsatz bei 5.260 Mio. Euro. Der anteilige Umsatz der Photosparte beträgt rund 1.250 Mio. Euro und sinkt bis 2004 auf 693 Mio. Euro.
Nachdem Agfa 2004 für die Schliessung der hoch defizitären Photosparte intern Kosten von Mio. 480 Euro ermittelt hatte, trennte sich Agfa im August 2004 formal von der Film- und Fotopapierproduktion. Dieser Geschäftsbereich wurde für angabegemäß 175 Mio. Euro an eine Investmentgesellschaft verkauft, blieb jedoch buchhalterisch und hinsichtlich des Vertriebs in Agfa integriert. Der Kaufpreis für die eigentliche Photosparte betrug jedoch tatsächlich nur 2 Mio. Euro, während der Preis im übrigen für ein mitübertragenes Leasingportfolio zu zahlen war. Der Produktname AgfaPhoto durfte von der ebenfalls neu geschaffenen Agfaphoto-Holding GmbH, nicht jedoch von deren Tochtergesellschaft Agfaphoto GmbH unmittelbar auf unbeschränkte Zeit verwendet werden, die ab dem 1. November 2004 als formal eigenständige, organisatorisch jedoch weiter engverbundene Gesellschaft, mit Produktionsstätten in Leverkusen, Köln, München, Peiting, Windhagen (Rheinland-Pfalz) und Vaihingen an der Enz (Baden-Württemberg), operiert.
Am 20. Mai 2005 stellte die AgfaPhoto GmbH überraschend beim Amtsgericht Köln den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wegen Zahlungsunfähigkeit und bestellte in der Folge den Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch zum Geschäftsführer. Bis dahin war das Unternehmen von externen Beobachtern stets als solide eingeschätzt worden. Laut Presseberichten war dem Film- und Fotopapierhersteller den Boom der Digitalfotografie und dem damit verbundenen Preisverfall im Filmbereich zum Verhängnis geworden sowie die unzureichende Liquiditätsausstattung des übertragenen Geschäftsbereichs. Ein weiterer Grund dürfte die Komplexität der auch faktischen Herauslösung der Photosparte aus Agfa gewesen sein, die erst im Anschluß an den Verkauf stufenweise erfolgen sollte.
Der Versuch, die insolvente AgfaPhoto GmbH im Ganzen zu verkaufen, schlug fehl. Übernahmeverhandlungen mit dem Finanzinvestor Cerberus waren gescheitert, da eine Weiterverwendung der Marke Agfa nur gegen erhebliche Lizenzgebühren an die Agfaphoto Holding gewährt worden wäre, welche die Rechte hielt. Zuletzt hatte die britische Photo-Me, nach eigenen Angaben weltweit größter Betreiber von Fotoautomaten, ein Angebot abgegeben, dass jedoch von der Geschäftsführung und dem Gläubigerausschuss abgelehnt wurde. Das Angebot galt insbesondere deswegen als inakzeptabel, weil Photo-Me keine werthaltigen Garantien zur Übernahme von 400 der zum Verkaufszeitpunkt noch 1.050 verbliebenen Mitarbeiter abgeben wollte.
Am 19. Oktober 2005 wurde die Abwicklung des Unternehmens zum 31. Dezember 2005 bekannt gegeben. Insgesamt verlieren voraussichtlich über 1.700 Arbeitnehmer durch die Insolvenz ihren Arbeitsplatz. Es gibt jedoch verschiedene Interessenten für einzelne Firmenteile.
Mitbewerber
Siehe auch
Literatur
- Albert Nürnberg: Agfa-Photomaterialien für Wissenschaft und Technik. Eigenschaften und Anwendungsbebiete, Hilfsmittel und Verarbeitungsvorschriften. Halle: Knapp 1954
- Erich Stenger: 100 Jahre Photographie und die Agfa 1839-1939. München: Knorr & Hirth 1939
Weblinks
AGFA - Geschichte eines deutschen Weltunternehmens 1867-1997 /Günther Kadlubek