Beowulf

Beowulf (altengl. für "Bienen-Wolf", poetische Kenning für "Bär") ist ein episches Heldengedicht in angelsächsischem Stabreim. Mit seinen 3182 Versen stellt es das bedeutendste erhaltene Einzelwerk angelsächsischer Sprache dar; gleichzeitig macht es 10% des gesamten Textguts der Sprache aus. Wie im Mittelalter üblich, ist für das Epos kein zeitgenössischer Titel überliefert; seit dem 19. Jahrhundert ist der Name des Helden, Beowulf, gleichzeitig als Name des Gedichts in Gebrauch.
Überlieferung und Entstehung
Beowulf ist nur in einem einzigen, in der British Library aufbewahrten Manuskript überliefert. Dieses Manuskript wird aufgrund seiner Herkunft aus der Bibliothek des Handschriftensammlers Sir Robert Cotton, der Cotton Library, als Cotton Vitellius A.XV bezeichnet. Es überstand 1731 etwas beschädigt ein Feuer im Burnham House. Der isländische Gelehrte Grímur Jónsson Thorkelin ließ 1787 vom British Museum eine erste Abschrift des Manuskriptes anfertigen und fertigte ca. 1789 selbst eine zweite an. Aufgrund des schlechten Zustands des Originalmanuskripts sind diese Abschriften in der modernen Forschung von großer Bedeutung.
Die Beowulf-Abschrift ist Teil einer Sammelhandschrift, des sogenannten Nowell Codex, der zusammen mit dem Southwick Codex den Band Cotton Vitellius A. XV bildet. Der Nowell Codex enthält daneben noch vier weitere altenglische Prosa- und Verstexte, unter anderem das nur fragmentarisch erhaltene Gedicht Judith.
Der Nowell Codex wurde von zwei verschiedenen Schreibern niedergeschrieben; der erste schrieb die drei Prosastücke und den Beowulf bis Zeile 1939. Als Entstehungsdatum des Manuskripts wird aufgrund von paläographischen Indizien die Zeit um 1000 angenommen, das Gedicht selbst dürfte jedoch älter sein.
Der Entstehungszeitpunkt des Gedichts ist in der Forschung umstritten. Altertümliche Wörter im Text lassen eine Entstehung in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts möglich erscheinen; aber auch etwas spätere Daten (bis hin zur Zeitgleichheit mit der Entstehung des Manuskripts) werden diskutiert.
Die Sprache des Gedichts ist West Saxon (Spätwestsächsisch), jedoch mit Spuren von anderen Dialekten des Angelsächsischen. Es gibt Hinweise, dass das Gedicht ursprünglich in einem Dialekt der Angeln, wahrscheinlich in Merzisch, verfasst war.
Inhaltliches
Das im Wesentlichen fiktionale Gedicht ist in ein historisches Umfeld im Dänemark und Schweden des 5. und 6. Jahrhundert eingebettet, spielt also selbst nicht in England. Insofern wirft es Licht auf einige historische Personen (Hygelac, Offa) und Ereignisse (Schlacht von Finnsburg). Nach England gelangte das Gedicht eventuell durch dänische Auswanderer, wo es in Folge übersetzt oder umgeschrieben wurde.
Die Erzählung folgt dem Schicksal des jungen Helden Beowulf vom Volk "Geatas". Die Identität der "Geatas" ist nicht sicher geklärt; es könnte sich um die Gauten, Goten oder auch Jüten handeln. In der Forschung ist aber die Deutung als Gauten allgemein anerkannt. Er fährt mit 14 Gefährten nach Dänemark, um Hrodgar, dem König der Dänen, beizustehen. Dieser wird von Grendel, einem menschenverschlingenden Ungeheuer (eventuell in der Tradition nordischer Trolle), heimgesucht. In zwei Kämpfen besiegt Beowulf zuerst Grendel, und danach dessen (Grendels) nach Rache strebende Mutter. Hrodgar zeichnet Beowulf durch die Gabe reicher Gastgeschenke aus. Der zweite Teil des Gedichts spielt viele Jahre später. Der zum König der "Geatas" aufgestiegene Beowulf sieht sich einem feuerspeienden Drachen, der seine Lande verwüstet, gegenüber. Wie im ersten Teil versammelt er eine Schar von Gefolgsleuten, und zieht der Gefahr entgegen. Diesmal muss er jedoch seinen Einsatz mit dem Leben bezahlen; von den Gefährten steht ihm nur einer im entscheidenden Moment bei.
Die im Gedicht beschriebene Gesellschaft legt Wert auf Ehre, Mut und Tapferkeit; Kämpfer sind hoch angesehen, und erreichen bedeutende Positionen. Der König, der seine Position als Beschützer des Landes erreicht, erwartet den Kriegsdienst seiner Mannen; selbige werden von ihm für ihren Einsatz mit Waffen, Wertgegenständen und Ländereien belohnt.
Daneben sieht sich der Einzelne unter dem Einfluss eines übermächtigen Schicksals (vgl. Heil); Beowulf etwa geht in die Auseinandersetzungen mit der Einstellung, dass nicht er selbst, sondern das Schicksal letztendlich den Ausgang entscheiden wird - eine in der nordischen Kriegertradition tief verwurzelte Philosophie.
Das Gedicht vermischt nordische mit christlichen Traditionen. Die Personen zeigen alle traditionell germanische und nordische Charaktereigenschaften. Moralische Entscheidungen werden jedoch oft durch eine christliche Sichtweise ergänzt. Auch Grendel wird als Nachkomme des Brudermörders Kain in eine christliche Werteordnung gestellt. Es wird spekuliert, dass Beowulf die christianisierte Form eines traditionell nordischen Stoffes darstelle.
Der literarische Einfluss des Beowulf
- Der irische Literaturnobelpreisträger Seamus Heaney verfasste 1999 eine vielbeachtete neuenglische Übersetzung des Beowulf (in Stabreimen)
- John Gardner erzählt die Sage aus Sicht des Monsters in seinem Roman Grendel.
- Michael Crichtons Roman Eaters of the Dead verknüpft Beowulf mit den Reiseberichten des Ahmad Ibn Fadlān und wurde als Der 13. Krieger mit Antonio Banderas in der Hauptrolle verfilmt.
- J. R. R. Tolkien übernahm Namen und Motive aus Beowulf für seine Mittelerde-Romane, insbesondere die Beschreibungen der Kultur von Rohan, und schrieb daneben noch die Kritik Beowulf: The Monsters and the Critics.
- Auch George Lucas griff Elemente aus Beowulf für Star Wars auf.
- Die Episode "Helden und Dämonen" von Star Trek: Raumschiff Voyager basiert auf dem ersten Teil von Beowulf.
- 1999 entstand der Film "Beowulf" mit Christopher Lambert in der Hauptrolle, dieser lehnte sich jedoch nur ungefähr an den ursprünglichen Text an: die Handlung ist in eine postapokalyptische Zukunft verlegt und in verschiedenen Einzelheiten variert.
- Neil Gaiman schrieb eine futuristische Neuinterpretation in Form eines Erzählgedichts unter dem Titel "Baywolf", auf deutsch in dem Band "Die Messerkönigin" (bei Heyne) erschienen.
- Larry Niven, Jerry Pournelle und Steven Barnes schrieben das Buch "Heorots Vermächtnis" (alternativer Titel: "Der Held von Avalon") in dem eine Gruppe von Kolonisten einen fremden Planeten besiedeln. Zuerst scheint es ein Paradies zu sein, aber die fremde Biologie bringt ein Monster hervor - das Grendel. Und nur einer hat die Ausbildung dieses Monster zu bekämpfen.
Alexander Arms modifizierte ein M 16 (Standardsturmgewehr der US-Streitkräfte) auf ein Kaliber namens .50 Beowulf Diese Waffe findet u.a. Verwendung auch bei Polizei und Militärverbänden und wird z.B auch bei der US Coast Guard eingesetzt. Speziell für das Stoppen von Fahrzeugen (Treffer im Motorblock) findet dieses Kaliber Verwendung.
Der Einfluss des Beowulf in der Musik
- Die schottische Rockband Marillion widmete - inspiriert von John Gardners Roman - dem Ungeheuer Grendel 1981 ein fast 20-minütiges Rock-Epos, in dem der Terror Grendels gegen König Hrodgar und sein Volk aus der Perspektive des Ungeheuers beschrieben wird. Text und Erklärungen dazu (engl.)