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Heine Steenhagen wöll ju dat wiesen! Die Geschichte eines Ehrgeizigen

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Manuskript – Erste Seite

Heine Steenhagen wöll ju dat wiesen! Die Geschichte eines Ehrgeizigen ist ein Roman von Friedrich Ernst Peters aus dem Jahr 1925. Das Werk ist ein zweisprachiger plattdeutsch-hochdeutscher Bildungsroman und als solcher ein Novum in der Geschichte der Gattung. Erzählt wird die Geschichte von Aufstieg und Fall eines unehelichen Kindes, das in einem holsteinischen Dorf der Jahrhundertwende, dem fiktiven Vollstedt, aufwächst und als Ausgleich für die in der Jugend erlittenen Demütigungen eine militärische Karriere anstrebt, mit der er es seinem Heimatdorf zeigen will („Ik wöll ju dat woll wiesen!“). Als er beginnt, die Sprossen der sozialen Leiter zu erklimmen, wird sein Jugendfeind Jürgen Grootholm zu einem Hindernis auf dem Weg nach oben. Um ihn zu „überholen“, sich an den Vollstedtern zu rächen und die berechnende Margot Kandelhardt heiraten zu können, denunziert Heinrich Steinhagen den Konkurrenten wegen einer Urlaubsüberschreitung in der Hoffnung, dessen Beförderung zu vereiteln. Damit leitet er sein eigenes Ende ein.

Der Roman gliedert sich in zwei Teile, einen plattdeutschen, Heine Steenhagens Jugend auf dem Land (dreizehn Kapitel), und einen hochdeutschen, Heinrich Steinhagens militärische Karriere (acht Kapitel). Das Ende des hochdeutschen Teils und damit auch des Romans ist wieder in niederdeutscher Sprache verfasst. Damit verweist die kreisförmige Anlage des Romans den Leser wieder zurück auf die Herkunft des Helden und seine sprachlichen Wurzeln. Die perspektivische Verschiebung, die damit einhergeht - die Dorfgemeinschaft rückt in den Vordergrund, der Held verliert an Bedeutung - zitiert über den Vergleich Heines mit Ikarus das berühmte Gemälde Landschaft mit dem Sturz des Ikarus.

Inhalt

Plattdeutscher Teil

Der Roman beginnt mit dem Hinweis auf die erste wichtige Zäsur im Leben Heine Steenhagens, den anstehenden Eintritt in die Berufs- und Erwachsenenwelt. Er ist 11 Jahre alt und sollte eigentlich schon mit 10 als Dienstjunge bei einem Bauern arbeiten: „En Daglöhnerkind, dat möss mit teihn Johr na 'n Buern, so hürss sik dat nu eenmal.“. Die ersten drei Kapitel bestehen aus einer Rückblende auf seine Kindheit. Der Dorfklatsch offenbart dem Leser, dass Heine ein „beslapen“, also ein uneheliches Kind ist und dass sein Vater vermutlich Hinnerk Grootholm ist, der Sohn des mächtigen Amtsvorstehers Detelt Grootholm. Heines Mutter Gretjn schweigt sich zwar zu der Identität des Vaters aus, aber die Gerüchte lassen nicht nach und sie muss, schwanger, das Dorf verlassen. Nach zwei Jahren kehrt sie zurück mit ihrem Sohn und dessen Stiefvater, Hannes Schröder, einem Tagelöhner, den ein Vollstedter Bauer trotz des Widerstandes des Amtsvorstehers einstellt. Der kleine Heine wächst in Vollstedt auf und lebt in der Phantasiewelt seiner Märchenbücher. Schnell erlebt er erste Demütigungen, die seine seelische Entwicklung und seinen späteren Lebensweg bestimmen werden. Der gleichaltrige Jörn Grootholm, der Sohn des Amtsvorstehers aus zweiter Ehe, verhöhnt ihn wegen seiner Armut. Es folgt eine Reihe weiterer Kränkungen: der Amtsvorsteher versetzt dem ahnungslosen Jungen einen brutalen Peitschenhieb ins Gesicht, weil er sich durch ihn provoziert fühlt, eine hochmütige Bauerntochter weigert sich, mit Heine zu tanzen und Jörn Grootholm erklärt ihm, dass Bauernsöhne, die keinen Hof erben, sich „infreen“, d.h. eine Erbin heiraten können, aber: „Infreen künnt sik doch bloß Buerjungs.“, eine weitere Demütigung für Heine, das Tagelöhnerkind. Als der Protagonist durch die Näherin Lena Wiem Einblick in die Skandalchronik Vollstedts bekommt, lernt er, sein Heimatdorf zu verachten. Trotzdem scheint sich durch Jochen Suhr, einen Großknecht und väterlichen Freund, doch noch alles zum Guten zu wenden. Heine erarbeitet sich durch seine guten Leistungen den Respekt der Dorfgemeinschaft und Jochen Suhr bewahrt ihn vor Ausschweifungen. Beide Bezugspersonen, Lena Wiem und Jochen Suhr, empfehlen Heine eine Karriere beim Militär, das einen Aufstieg unabhängig vom sozialen Status ermöglicht. Heine fühlt sich angezogen durch diesen Berufsstand, der in dem Ruf steht, Bauern keine Vorteile einzuräumen. Schließlich verliebt er sich in Anna Pahl und macht ihr in einer erotischen Fensterszene Avancen. Seine Eifersucht verleitet ihn später, eine Prügelei mit Jörn Grootholm anzufangen, bei der Anna sich sofort auf die Seite des Bauernsohnes Jörn schlägt. Jochen Suhr trennt die beiden und die Sache verläuft im Sand. Der Amtsvorsteher lässt Heine jedoch ausrichten, dass er sich zu entschuldigen habe. Dieser lehnt ab und droht, ihm das Haus über dem Kopf anzuzünden. Anna Pahl wird schwanger von Heine und muss sehr schnell den jungen Sohn eines Meiereiverwalters aus dem Nachbardorf heiraten. Der Bauer regelt die Angelegenheit mit Geld und Heine betrinkt sich aus Verzweiflung. Er will, wie Jörn Grootholm, zur Artillerie, um sich mit diesem messen zu können. In der Hoffnung, den Amtsvorsteher zu ärgern, geht Heine mit einem Freund fischen, obwohl Grootholm die Fischerei gepachtet und ein Fischereiverbot (De Fischeree, de ruht!) erlassen hat. Die beiden hängen eine Fischkopfgirlande über dessen Tür. Der Amtsvorsteher verdächtigt sofort Heine und beauftragt einen Gendarmen, der ihn abführt. Der Gang durch das Dorf in Begleitung des Gendarmen ist eine neue Schmach für Heine. Aber er hält den Verhören stand und man kann ihm nichts nachweisen. Am 14. März brennt Grootholms Scheune ab. In der Zeitung wird der Brand auf einen Racheakt zurückgeführt und natürlich erinnert sich jeder an die Drohung Heines, dem Amtsvorsteher das Haus über dem Kopf anzuzünden. Dementsprechend fällt der Verdacht auf ihn, obwohl die Meinungen diesbezüglich auseinandergehen. Letztlich kann man ihm auch hier nichts nachweisen und der Leser wird nicht abschließend über die Schuldfrage aufgeklärt. Heine wartet sehnsüchtig auf seinen letzten Tag in Vollstedt und schwört Vergeltung, während das Dorf hofft, dass das Militär einen „anständigen Menschen“ aus ihm macht.

Hochdeutscher Teil

Heinrich Steinhagen ist bei der Artillerie in Bahrenfeld. Er hat sich in einen autoritätsgläubigen Vertreter der kaiserlichen Armee verwandelt, ein „Schwein“, das seine Mannschaften quält, die Bewunderung der Zivilbevölkerung genießt und sich „schneidige“ Vertreter des Militärs zum Vorbild nimmt. Er spricht nur noch hochdeutsch, obwohl sein lückenhaftes künstliches Berlinern sich auf die Wiedergabe abgegriffener Floskeln reduziert und zwingt auch die Bauernsöhne zum Hochdeutsch. Er selbst versucht seine Bildung durch die Lektüre der „Klassiker“, insbesondere Schillers zu vervollkommnen. Nach zwei Jahren lässt er sich nach Rendsburg versetzen, wo auch Jürgen Grootholm stationiert ist, da er immer noch hofft, sich an ihm und an seinem Heimatdorf rächen zu können und es allen durch eine glänzende Karriere „zeigen“ zu können. Jürgen Grootholm hingegen begegnet ihm mit großer Freundlichkeit und hat die Kindereien aus Jugendtagen längst vergessen. Er bietet Heinrich Steinhagen wiederholt erfolglos die Versöhnung an. Auf einem Frühlingsball lernt Heine die „vornehme“ Margot Kandelhardt kennen, die Schwester von Frau Wachtmeister Müller, die große Begeisterung für „klassische“ Bildung simuliert und sich affektiert als Angehörige der höheren Gesellschaft zu geben versucht. Heine ist tief beeindruckt und fängt an, sich regelmäßig mit ihr zu treffen. Sie hält ihn aber mit klugem Kalkül auf Distanz und verspricht ihm schließlich die Verlobung nur unter der Voraussetzung, dass es ihm gelingt, sich zum Wachtmeister befördern zu lassen, denn sie möchte es ihrerseits „ihrer Schwester zeigen“. Sie weist ihn kalt darauf hin, dass Jürgen Grootholm, der mit Heine zusammen zum Sergeanten befördert worden ist, sein einziger Konkurrent ist und dass es gilt, „ihn aus dem Weg zu räumen“. Heine entschließt sich dazu, Jürgen Grootholm wegen einer Urlaubsüberschreitung zu denunzieren, kurz nachdem dieser einen letzten Versuch gemacht hat, sich mit ihm zu versöhnen.

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Manuskript – Letzte Seite

Zeitgeschichte / Sprache

Für die Untersuchung der norddeutschen Kultur- und Mentalitätsgeschichte der Jahrhundertwende stellt dieser Roman eine wertvolle Quelle dar. Im plattdeutschen Teil werden die damals auf dem Land üblichen Feste beschrieben, so der Tag vor dem Schülerbier mit dem Ringfahren der Mädchen und dem Wettschießen der Jungen, das Schülerfest selbst oder auch das Erntefest im Krug. Es finden sich darüber hinaus zahlreiche Hinweise auf Sitten und Bräuche, auf das Ringreiten und dessen Verlierer, den „Sandreiter“, das Hochzeitsritual des “ Strickens“, das Schülersingen bei einem Begräbnis oder die Zusammenkünfte anlässlich einer Taufe (das „Kindsfoot“). [1] Die auf dem Umfang des bäuerlichen Besitzes (der Hufe fußende Gesellschaftsordnung wird deutlich aufgezeigt und gleichzeitig das zunehmende Aufbegehren der Bevölkerung gegen soziale Benachteiligungen thematisiert. Beim Ringfahren rebellieren die Frauen gegen eine Bevorzugung der Bauerntöchter und am Anfang des Romans kommt Gretjn Steenhagen nur deswegen zurück nach Vollstedt, weil Heines Stiefvater Arbeit auf einem Hof findet, dessen sozialdemokratisch gesinnter Knecht zur besten Erntezeit das Dorf im Streit verlassen hat. Im hochdeutschen Teil findet man eine kritisch-satirische Darstellung des wilhelminischen Kleinbürgertums und des kaiserlichen Militärs, die an den Roman von Heinrich Mann Der Untertan (1914) erinnert. Das hohe Ansehen des Deutschen Heeres, sein Ehrenkodex, der militärische Prunk und dessen Kehrseite, die sozialen Probleme der Soldaten (Syphilis-Erkrankungen, Spielschulden, Trunksucht, risikoreiche Wiedereingliederung in die Zivilgesellschaft), deren ignorantes Renommieren am Stammtisch und das gefährliche Prägen wohlfeiler Feindbilder beherrschen die Beschreibung von Heines Umfeld in der Rendsburger Kaserne. Der Protagonist selbst lernt den Umgang mit der Macht schnell und diese Schule des Lebens ist der wichtigste Teil seines Bildungsweges: „Wenn Fräulein Margot durch eisigen Widerstand ihrem Kavalier das Gefühl seines Nichts einmal wieder durchbohrend gemacht hatte, so half es dem am nächsten Tage auf die Beine, wenn er einen der „Kerls“ vor sich im Staub oder Regenschmutz liegen sah. Man war doch immer noch ein nicht zu unterschätzender Faktor! „Hinlegen – auf! Hinlegen – auf!“ Spaßig, wie der Hampelmann mit Armen und Beinen um sich schlug! Und wie ein Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen kann, so lange an seinem Hampelmann zerrt, bis die Drähte reißen, so setzte der Sergeant Steinhagen seinen Scherz fort, bis dem Soldaten die Zunge aus dem Munde hing. Auf solche Weise musste er sich das Selbstbewusstsein wiederverschaffen, wenn Fräulein Margot ihn gedemütigt hatte.“ (235)

Sprachlich kennzeichnend für den Roman und die beiden so unterschiedlichen Welten der Bauern und des Militärs ist die gemeinsame Lust an der Phraseologie, an dem Verwenden fester Redewendungen. Besonders der plattdeutsche Teil illustriert Peters Vortrag über „Die Formelhaftigkeit des Plattdeutschen“, indem er gerne ritualisierte Unterhaltungen zwischen den Figuren inszeniert, z.B: beim Fischen „Ümmer Tog üm Tog“, sä Heine. „Denn mal 'n Heek un denn mal 'n Pogg“, bröch Kröschen Sass de Saak to Enn.“, (130). Der hochdeutsche Teil entlarvt hingegen die sinnentleerte, hierarchiebetonte Rhetorik des Militärs und dokumentiert die hohlen Sprüche, die Heine, das Landei, aufschnappt und wie ein Papagei reproduziert: „Da hatte Heinrich ganz kalt und überlegen gesagt: „Herr Einjährig-Freiwilliger von Reißwitz, wollen Sie vielleicht die Gewogenheit zeitigen und lassen das Grinsen nach?“ So kann man aber natürlich diese eingebildeten Laffen nur abfahren lassen, wenn man Bildung besitzt.“(177)

Intermedialität

Heine Steenhagen wöll ju dat wiesen!“ ist eingebettet in eine Vielzahl von intertextuellen und intermedialen Bezügen. Das Werk ist durchsetzt mit realen und fingierten Zitaten (Klassikerzitaten und Pastiches von Unterhaltungsliteratur der Jahrhundertwende); in seiner Gesamtstruktur verweist es auf das Genre des Bildungsromans, dessen gattungsspezifische Merkmale es aufgreift und verarbeitet. Die klassischen Zitate sind hauptsächlich im hochdeutschen Teil präsent und stammen vorwiegend aus Schillers Wallenstein und Lessings Minna von Barnhelm. Sie dokumentieren den Bildungsanspruch des aufstiegsbesessenen Helden und den seiner mittelmäßigen Umgebung. Die positiven, aber auch negativen Vorbilder (z.B. den militärischen Ehrenkodex, die „Schneidigkeit“, die kleinbürgerliche „Vornehmheit“), an denen sich der Protagonist im Laufe seiner „Bildungsgeschichte“ orientiert, werden auch durch sie transportiert. Auf die literarhistorische Tradition des Bildungsromans verweisen u.a.: [2]

  • der Vorname des Helden: Heine/Heinrich ist auch der Vorname der Protagonisten der großen Bildungsromane des 19. Jahrhundert, u.a. Heinrich Lee in Der grüne Heinrich (1854/55) und Heinrich Schaumann in Stopfkuchen (1891).
  • der Durchlauf der typischen Bildungsstufen: die Auseinandersetzung mit dem Elternhaus (hauptsächlich in Teil II), die Einwirkung von Mentoren (Jochen Suhr, Lena Wiem) und Erziehungsinstitutionen (das Militär), die Begegnung mit der Sphäre der Kunst (Lena Wiems „Romanböker“, der Deutschunterricht bei Lehrer Hamann), erotische (Seelen)Abenteuer (Anna Pahl, Margot Kandelhardt), die Selbsterprobung in einem Beruf und der Kontakt zum öffentlich-politischen Leben (beides beim Militär). [3]
  • die Struktur des Romans: als negativer Bildungsroman ist Heine Steenhagen nicht, wie der klassische Bildungsroman, dreigeteilt nach dem Muster des Wilhelm Meister (Jugendjahre – Wanderjahre – Meisterjahre), sondern beschränkt sich auf die Jugend- und Wanderjahre, da Heines Bildungsgeschichte abbricht und am Ende weder eine Integration in die Gesellschaft noch eine Versöhnung mit der Welt stattfindet. Heine, der rückwärtsgewandte Held, bleibt gefangen in seinem Rachefeldzug, in dem Kampf mit seinem Heimatdorf und der Vergangenheit.
  • die Gegenwart von Erzieherfiguren, die den Helden beraten (Jochen Suhr, Lena Wiem oder Hauptmann Goesch) und gelegentlich das Geschehen auch für den Leser kommentieren.
  • schließlich die ständige und zentrale Thematisierung von Bildung, nicht nur im Sinne des humanistischen Bildungsideals, sondern auch im Sinne des von Bourdieu geprägten soziologischen Begriffes der Distinktion. [4]


Am Ende des Romans wird die gescheiterte Bildungsgeschichte, der selbstverschuldete Absturz Heinrich Steinhagens von Hauptmann Goesch mit der Bemerkung „auch ein Ikarus“ quittiert. Dieser Vergleich verweist nicht nur auf Ovids Metamorphosen (Buch 8), sondern baut auch, intermedial, eine Text-Bild-Relation zwischen „Heine Steenhagen“ und dem rätselhaften Gemälde „Landschaft mit dem Sturz des Ikarus“ auf, das lange Bruegel dem Älteren zugeschrieben wurde und dessen Entdeckung 1912 die Schlagzeilen in der Kunstwelt beherrschte. Die Besonderheit dieses Bildes besteht in seiner außergewöhnlichen Behandlung des Ikarus-Stoffes, in der Kühnheit, mit der der Sturz der mythologischen Figur als Fußnote des Weltgeschehens dargestellt und seine existentielle Tragik durch die Gleichgültigkeit der Beobachter (eines Bauern, eines Anglers, eines Hirten, eines Rebhuhns) als Nebensächlichkeit eingestuft wird. Das Schicksal des Einzelnen hält den Lauf der Welt und den Rhythmus der Jahreszeiten nicht auf. Dieser Botschaft entsprechend unterhalten sich am Ende von „Heine Steenhagen“ die Vollstedter Bauern auch naiv erstaunt über das Scheitern des Protagonisten und die Identität des Ikarus, zu dem sie den Priester befragen wollen. Sehr bald aber beschäftigt sie viel mehr eine Kindstaufe bei Eggert Reimers, Sinnbild für den Kreislauf des Lebens und dessen Sieg über den Tod des Einzelnen.

  1. Heimatbuch des Kreises Rendsburg. Hrsg. von Jürgen Kleen u.a. Rendsburg, Möller, 1922.
  2. Vgl. hier Selbmann, Rolf: Der deutsche Bildungsroman. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Metzler 1994, S. 31ff.
  3. Jacobs, Jürgen/Markus Krause: Der deutsche Bildungsroman: Gattungsgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. München, Beck 1989, S. 37
  4. Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main, Suhrkamp 1987.