Patriarchat von Serbien
Christliche Anfänge
Wie die heutige Geschichte lehrt, besiedelten serbische Stämme im 6., spätestens aber im 7. Jahrhundert die Balkanhalbinsel. Das Kerngebiet ihrer Besiedlung lag im heutigen Südwestserbien, Ostbosnien, in der Herzegowina und im nördlichen Montenegro. Aus diesem Kerngebiet sickerten serbische Stämme weiter nach Norden in Richtung Donau und Save, nach Süden in das südliche Montenegro und Kosovo, und nach Osten zur Morava hin.
Der byzantinische Kaiser und Historiker Konstantin VII. Porphyrogenetos schrieb im 10. Jahrhundert als erster eine genaure geographische Abhandlung über die serbischen Stämme und deren Ländern in seinem Werk De administrando imperio. Kaiser Konstantin nannte als serbisches Länder Servia, das spätere Raszien (Raška), das neben dem südwestlichem Serbien und nördlichem Montenegro auch das damalige Bosnien (heute zentrales und östliches Bosnien) umfasste; zudem Travunien und Zahumlien in der Herzegowina, und Pogamien bzw. Paganien in Dalmatien südlich von Split bis zur Mündung der Neretva.
Die serbischen Stämme kamen wahrscheinlich schon im 6. Jahrhundert mit dem Christentum in Kontakt, aber es sollte mehrere Jahrhunderte dauern, bis die Stämme gesamt den christlichen Glauben annahmen. Zur Zeit des Fürsten Mutimir im 9. Jahrhundert soll das frühe Serbien endgültig christianisiert worden sein. Für die Serben war damals der orthodoxe Erzbischof von Ohrid zuständig. Doch zugleich kam eine neue christliche Glaubensrichtung, die auf viele Südslawen eine starke Faszination ausübte: die der Bogumilen. Die Bogumilen kamen ursprünglichen aus dem Osten Bulgariens, und in ihrer Lehre verbanden sie christliche Mystik mit volkstümlichen Elementen.
Da die Bogumilen die Vorherrschaft von Byzanz ablehnten und ihre Lehre zugleich als Alternative zur Kirche der Griechen anboten, konnten sie viele Slawen für sich gewinnen. Für das Erzbistum von Ohrid, das immer mehr von Griechen dominiert wurde, war es nicht leicht, in die Glaubenswelt der Bogumilen mit ihren altslawischen Mythen vorzudringen. Mit viel Geduld konnte die Ostkirche trotzdem Erfolge erzielen. Jedoch zum Nachteil wurde, daß sich ein Misstrauen gegen Slawen entwickelte, so daß die meisten Bischöfe von Griechen gestellt wurden. Das empfanden Slawen wiederum als eine Domination der Griechen, und bei den Serben gewann insbesondere die Römische Kirche sehr starken Einfluss. Schon 1089 wurde ein eigenes serbisch-katholisches Erzbistum in Bar (Montenegro) eingerichtet.
Der erste serbische König, Mihailo von Zeta, wurde Katholik. Genau wie sein Sohn und Nachfolger Konstantin Bodin, die raszischen Fürsten Uroš und Uroš II., wie auch selbst Stefan Nemanja, der Stammvater der Nemanjiden. In dieser Zeit verlor die Ostkirche immer mehr an Bedeutung in Serbien.
Als das katholische Ungarn einen Kreuzzug gegen die Bogumilen beschloss, begann auch Stefan Nemanja mit der Verfolgung der Bogumilen. Viele Bogumilen flohen nach Bosnien, deren Fürst zwar ofiziell katholisch war, insgeheim aber die Bogumilen unterstützte. Mit der Verfolgung der Bogumilen kam es endgültig zum Bruch zwischen Raszien, dem serbischen Hauptland, und Bosnien. Bosnien sollte fortan eigene Wege gehen, unabhängig von Raszien und ideologisch oft gegen Raszien eingestellt.
Beginn:
Diese Verfolgungen erlebte vielleicht auch Rastko Nemanjić (geb. um 1175, gest. 1236), der jüngste Sohn Nemanjas mit, der spätere Heilige Sava, erster Erzbischof von Serbien.
Ob über das Vorgehen gegen die Bogumilen entsetzt oder aus anderen Gründen, jedenfalls flüchtete der damals 16-jährige und tiefgläubige Rastko nach Athos, der Mönchsrepublik in Griechenland. Auf seiner Flucht wurde Rastko von zwei russischen Mönchen unterstützt, die damals durch Serbien reisten. Er trat in das Kloster Panteleimon (Russiko) und wurde Mönch mit dem Namen Sava. Das erregte in Athos Verwunderung und zugleich Bewunderung für den ehemals katholischen Fürstensohn, dem ja schon die Herzegowina zur Herrschaft anvertraut wurde.
Sava war nicht nur tiefst gläubig, er genoss auch über eine gute Bildung, und schon bald wurde Sava einer der führenden Persönlichkeiten der Athos-Bruderschaft.
Das Kloster Vatoped, das damals bedeutendste Athos-Kloster, wählte ihn ob seiner Jugend zum Abt.
In Serbien begann Stefan Nemanja immer mehr an die katholische Glaubenslehre zu zweifeln. Er war an sich ein sehr gläubiger Mensch, was auch seine Schriften und Botschaften zeigen. Wohl auch als Sühne für seine früheren Taten entsagte Stefan Nemanja 1196 dem Fürstenthron, und folgte seinem Sohn Rastko-Sava auf den Athos. Nun waren Vater und Sohn, Fürst und Fürstensohn, Mönche im Kloster Vatoped. Stefan Nemanja vestarb als Mönch Symeon auf dem Athos im Jahre 1200.
Aus seinem Grab entsprang eine Traubenrebe, die im Glauben vieler orthodoxer Christen Wunder bewirken kann. Wer im tiefen Glauben und von den Tauben dieser Rebe kostet, dem kann bei Kinderlosigkeit geholfen werden. Das Athos-Kloster Hilandar, von Sava und Symeon 1198 erneuert, bewahrt mehrere Tausend Dankbriefe, wo das Wunder von Symeon dem Mönch (Simeon Mirotočivi) geholfen haben soll.
Auf dem serbischen Fürstenthron wurde von Stefan Nemanja sein zweiter Sohn Stefan Nemanjić eingesetzt, der spätere serbische König Stefan der Erstgekrönte.
Sein Erstgeborener Vukan, der die Nachfolge seines Vaters antreten hätte sollen, bekam Montenegro und Dalmatien. Das war im frühen Serbien nicht üblich, das der zweite Sohn die Nachfolge antrat, und nach dem Stefan Nemanja verstorben war, lehnte sich Vukan mit Unterstützung vieler serbischer Stammesältester gegen seinen Bruder Stefan auf.
Vukan wurde auch von Ungarn und der Römischen Kirche unterstützt, da Stefan immer mehr Sympatien für die Ostkirche zeigte. Stefan wurde vertrieben, kam aber mit bulgarischer Hilfe wieder auf den Thron zurück. Da Stefan Nemanja seinerzeit den bulgarischen Aufstand gegen Byzanz unterstützt hatte, herrschte damals eine tiefe Freundschaft zwischen Serbien und Bulgarien. Die Bulgaren gehörten der Ostkirche an und waren zugleich mit Ungarn befeindet, insofern war es für sie ganz natürlich, daß sie Stefan Hilfe gewährten. Vukan musste in sein Vatererbe in Montenegro zurück, bereitete aber erneut einen Aufstand. Das bewirkte, daß Sava um 1208 von Athos nach Serbien zurückkehrte, begleitet mit den Gebeinen Stefan Nemanja-Symeons. Sava beschwor vor den Gebeinen des verstorbenen Vaters seine Brüder zur Versöhnung und schaffte tatsächlich, daß Frieden einkehrte in das von Bruderkriegen ausgebluteten Serbien. Die nächsten Jahre blieb Sava in Serbien und half bei der Überwindung der Wunden des Bürgerkriegs. Diese Jahren gelten als die bedeutendsten in seinem Wirken.
Da die Kreuzritter 1204 Konstantinopel eroberten und einen großen Teil von Byzanz unter sich aufteilten, wurde der katholische Druck auf Serbien immer stärker. Insbesondere Ungarn machte Ansprüche auf Serbien, da Stefan Nemanja einst als Unterstützung gegen Byzanz die Oberhoheit des ungarischen Königs Belá III. anerkannt hatte. Stefan entschloss sich, den römischen Papst Honorius III. um die Königskrone zu ersuchen, was dieser auch gewährte. Ob Sava mit dem einverstanden war, darüber streiten sich die Historiker. Die einen behaupten, daß dies die gemeinsame Idee beider Brüder war. Andere stützen sich auf die Schüler und Biografen Savas, Teodosije und Domentijan, und meinen, wonach Sava absolut nicht einverstanden war mit dem Vorhaben seines Bruders. Sava verließ Serbien mitsamt den Gebeinen Stefan Nemanja-Symeons und kehrte laut seiner Biografen verbittert auf den Athos zurück. Sein Bruder Stefan bekam vom Papst Honorius 1217 die Königskrone. Die Römische Kirche begann ihre Position in Serbien wieder zu festigen, weswegen orthodoxe Serben auf den Athos kamen und dieses Sava und den anderen Mönchen mitteilten. Das beunruhigte die Athos-Mönche. Die Athos-Mönche saßen Rat und beauftragten Sava, den ökumenischen Patriarchen der Ostkirche um eine eigenständige Kirchenorganisation für Serbien zu bitten. Eine Delegation Athos-Mönche mit Sava unter ihnen reiste 1219 nach Nikaia, wohin der damalige ökumenische Patriarch Manuel Sarantena nach der Eroberung von Konstantinopel ausgewandert war. Patriarch Manuel stimmte dem Vorhaben der Athos-Mönche zu, eine eigene Kirchenorganisation für Serbien ins Leben zu rufen, nur bedurfte es dafür einen Kandidaten. Die Athos-Mönche hatten ihre Wahl schnell getroffen: Sava wurde zum Erzbischof für Serbien und der Küstenländer gewählt und schließlich von Patriarch Manuel geweiht.
1220 folgte die zweite Rückkehr des Sava nach Serbien, diesmal als Erzbischof von Serbien, begleitet von den fähigsten Athos-Mönchen. Dem konnte sich selbst König Stefan nicht wiedersetzen, oder er wollte es gar nicht. Zu Pfingsten 1221 wurde eine Volksversammlung berufen und Sava als Erzbischof bestätigt. Sava krönte danach seinen Bruder ein zweites Mal zum König, diesmal nach orthodoxem Ritus.
Damit wurde die Serbisch-orthodoxe Kirche ins Leben gerufen.
Im Grunde entstand die Serbisch-orthodoxe Kirche auf dem Athos, unter den Athos-Mönchen, weswegen orthodoxe Serben heute noch sehr eng verbunden sind mit der Mönchsrepublik.
Sava verstarb 1235 und wurde im Kloster Mileševa bestattet. Die Osmanen verbrannten seinen Leichnam 1594.
Geschichte:
Von Beginn an war die Serbisch-orthodoxe Kirche sehr eng verbunden mit dem einfachen Volk. Während der Königszeit im Mittelalter oblag der Kirche im Grunde die soziale Fürsorge für das Volk. Alle größeren Klöster - und die gab es viele in Serbien - waren zugleich Schulen und Heilstätten. Im Athos-Kloster Hilandar war die erste serbische Hochschule. Das um 1190 gegründete Kloster Studenica beherbegt das älteste Krankenhaus Serbiens. Der Feudalisierungsprozess in Serbien insbesondere im 14. Jahrhundert erreichte auch die Kirche, und diese wurde zum größten Grundbesitzer im Staate - gut ein Drittel des serbischen Staatsgebietes gehörte der Kirche. Doch gerade auf dem Kirchenbesitz lebten die damaligen einfachen Menschen oft am Besten. Ihr einziger Fron war, sofern sie einen hatten, zwei Tage in der Woche für die Kirche bestimmte Dienste zu errichten.
1346 wurde von Zar Stefan Dušan der serbische Erzbischof in den Rang eines Patriarchen eingesetzt. Dieses Recht aber hatte Zar Dušan gar nicht. Obwohl Zar Dušan wie auch den Patriarchen Joanikije der Kirchenbann des ökumenischen Patriarchen traf, kam die größte Kritik wegen ihrer Tat nicht etwa aus Konstantinopel, sondern gerade aus Serbien. Viele Serben waren gegen diese eigenmächtige Einsetzung eines serbischen Patriarchen. Die Versöhnung brachten wieder die Athos-Mönche, und 1375 erkannte der ökumenische Patriarch das serbische Patriarchat an.
Während der Jahrhunderte osmanischer Fremdherrschaft war die Orthodoxe Kirche das Rückgrat der serbischen Nation. Die Osmanen verboten anfangs sowohl einen serbischen Patriarchen wie einen Erzbischof, und unterstellten die Serbisch-orthodoxe Kirche dem ökumenischen Patriarchen. Doch 1557 gestatteten sie wieder einen Patriarchen für Serbien, und dieser war oftmals Vorsprecher der Serben bei der Pforte. Das serbische Patriarchat umfasste neben Serbien und Montenegro auch Bosnien-Herzegowina, Dalmatien und Slawonien in heutigen Kroatien, Nordmakedonien und Südostbulgarien, sowie Ungarn und Siebenbürgen.
Viele Patriarchen arbeiteten an einer Befreiung von der osmanischen Fremdherrschaft, und die ersten Aufstände der Serben gegen die Osmanen wurden von Bischöfen geleitet: von Bischof Todor in der Vojvodina 1593-1606/1607, Bischof Visarion in der Herzegowina 1597-1609, Patriarch Arsenije III. 1688/1689 in Zentralserbien und Herzegowina und andere. Das kleine Montenegro wurde Jahrhunderte von Bischöfen geleitet und von der osmanischen Fremdherrschaft bewahrt. 1766 verboten die Osmanen wieder die Serbisch-orthodoxe Kirche, doch die Kirche blieb sich treu in der Vojvodina und in Montenegro, wo die Osmanen eben nicht herrschten.
Mit der Erneuerung des serbischen Staates in Zentralserbien durch die Karadjordjević, und Obrenović wurde auch das Erzbistum von Belgrad erneuert. Aufgrund politscher Verhältnisse war die Serbisch-orthodoxe Kirche jedoch nicht vereinigt. Neben dem Erzbistum von Belgrad gab es das Erzbistum von Sremski Karlovci in der Vojvodina und Südungarn, das Erzbistum von Montenegro, und die Serbisch-orthodoxe Kirche in Bosnien-Herzegowina und Dalmatien Österreich-Ungarns, deren Leitung dem orthodoxen Erzbischof der Bukowina und Galizien oblag.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde mit der Vereinigung der Südslawen auch die Vereinigung der Serbisch-orthodoxen Kirche möglich. 1920 wurde der Erzbischof von Belgrad, Dimitrije Pavlović, erster Patriarch des erneuerten serbischen Patriarchats.
Im 2. Weltkrieg hatte die Serbisch-orthodoxe Kirche schwerste Opfer zu beklagen. Allein in Kroatien der Ustascha-Faschisten wurden 3 Bischöfe und
etwa 515 Priester umgebracht. Der serbische Patriarch Gavrilo Dožić wurde zuerst in ein Kloster inhaftiert, und 1944 ins Kz-Dachau verschleppt. Weit schlimmer traf die Kirche aber die Ermordung von über 700.000 orthodoxen Serben, davon allein 600.000 in Kroatien.
Dem faschistischen Terror folgte die Zeit der Kommunisten. Obwohl die Verhältnisse der jugoslawischen Kommunisten zur Serbisch-orthodoxen Kirche nicht unbedingt die Besten waren, so hatte die Kirche trotzdem viele Freiheiten, von der andere Kirchen in anderen Ostblock-Staaten nur geträumt hätten.
In die politschen Wirren mit dem Zerfall Jugoslawiens 1991 wurde auch die Serbisch-orthodoxe Kirche mitgezogen. Einerseits versteht sich die Kirche als Hüterin der serbischen Nation, andererseits muss sie sich zugleich gegen eine nationalistische Umklammerung wehren, da viele serbische Nationalisten die Kirche für ihre Zwecke zu missbrauchen versuchen. Immerhin genießt die Serbisch-orthodoxe Kirche das höchste Ansehen in der serbischen Gesellschaft, und selbst serbische Atheisten kommen nicht hinweg, die Serbisch-orthodoxe Kirche als ihr kulturelles Erbe zu betrachten.
Gegenwart:
Heute gehören der Serbischen-orthodoxen Kirche 40 Diözesen in der ganzen Welt an mit gut 3.600 Gemeinden und 2.000 Priestern. Über 80% der 11 Millionen Serben weltweit bekennen sich zur Orthodoxen Kirche. In der Kirche gibt es über 200 aktive Klöster mit etwa 230 Männern und 1.000 Frauen, die ihr weltliches Leben dem mönchischem Dasein geweiht haben. Weiters gibt es sechs theologische Schulen (in Belgrad - Serbien, Kragujevac - Zentralserbien, Sremski Karlovci - Vojvodina, Cetinje - Montenegro, Srbinje/Foča - Bosnien u. Herzegowina, und in Prizren - Kosovo, das seit 1999 nach Niš versetzt wurde), zwei theologische Hochschulen (in Belgrad, und in Libertyville in den USA), ein theologisches Institut in Belgrad und eine geistliche Akademie in Srbinje/Foča. Erzbischof von Belgrad und Sremski Karlovci und serbischer Patriarch ist seit 1991 Pavle Stojčević.
Verfasst zu Ostern 2004
Serbisch-orthodoxen Kirche http://www.spc.org.yu/
Serbisch-orthodoxe Kirche in Mitteleuropa http://www.serbische-diözese.org/
Athosklöster http://www.athoskloester.de/