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Weimarer Verfassung

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Die Weimarer Verfassung (auch Weimarer Reichsverfassung) war die Verfassung der Weimarer Republik und somit die erste demokratische Verfassung Deutschlands. Sie begründete eine parlamentarisch-demokratische und föderative Republik.

Teile der Weimarer Verfassung sind bis heute Bestandteil des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Der Prozess der Verfassungsgebung

Am 19. Januar 1919 fanden die Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt. Es waren die ersten demokratischen Wahlen in Deutschland, Frauen besaßen sowohl das aktive als auch passive Wahlrecht. Die Sitzverteilung erfolgte nach dem Verhältniswahlrecht. Die SPD erreichte nicht die absolute Mehrheit und bildete deswegen mit dem Zentrum und der DDP die Weimarer Koalition.

Am 6. Februar 1919 trat die Nationalversammlung das erste Mal in Weimar zusammen. Berlin war nicht der Tagungsort, weil dort Unruhen die Unabhängigkeit und Sicherheit der Abgeordneten gefährdeten. Die Wahl Weimars war vielleicht aber auch ein Zeichen für die Anknüpfung an die Humanitätsideale der Weimarer Klassik. Am ersten Entwurf für eine Verfassung war der spätere Reichsinnenminister Hugo Preuß maßgeblich beteiligt. Da fast alle politischen Elemente der Kaiserzeit wegfielen oder bedeutungslos wurden, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Parteien. Am 31. Juli 1919 wurde die Verfassung in ihrer endgültigen Form von der Nationalversammlung mit 262 zu 75 Stimmen beschlossen, wobei 84 Abgeordnete abwesend waren. Am 11. August 1919 wurde die Weimarer Verfassung vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnet und trat mit ihrer Verkündung in Kraft. Der 11. August wurde zum Nationalfeiertag der Weimarer Republik, weil er an die "Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland" erinnern sollte.

Aufbau der Weimarer Verfassung

  • Präambel
  • Erster Hauptteil: Aufbau und Aufgaben des Reiches
    • Erster Abschnitt: Reich und Länder
    • Zweiter Abschnitt: Der Reichstag
    • Dritter Abschnitt: Der Reichspräsident und die Reichsregierung
    • Vierter Abschnitt: Der Reichsrat
    • Fünfter Abschnitt: Die Reichsgesetzgebung
    • Sechster Abschnitt: Die Reichsverwaltung
    • Siebter Abschnitt: Die Rechtspflege
  • Zweiter Hauptteil: Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen
    • Erster Abschnitt: Die Einzelperson
    • Zweiter Abschnitt: Das Gemeinschaftsleben
    • Dritter Abschnitt: Religion und Religionsgesellschaften
    • Vierter Abschnitt: Bildung und Schule
    • Fünfter Abschnitt: Das Wirtschaftsleben
  • Übergangs- und Schlussbestimmungen

Inhalt der Verfassung

Präambel

Die Präambel der Weimarer Verfassung lautet: "Das Deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu festigen, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen und den gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern, hat sich eine Verfassung gegeben." Sie ist zwar sehr patriotisch, enthält aber auch den Verweis auf den zu fördernden Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt.

Erster Hauptteil: Aufbau und Aufgaben des Reiches

Erster Abschnitt: Aufbau und Aufgaben des Reiches

Der erste Abschnitt des ersten Hauptteiles enthält die Festschreibung der Republik und der vom Volk ausgehenden Staatsgewalt (Art. 1). Des weiteren soll das Völkerrecht ein Bestandteil der Verfassung sein (Art. 4). Jedes Land, das Bestandteil des Deutschen Reiches ist, soll eine Freistaatliche Verfassung haben und seine Volksvertretung sollte in einer allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Verhältniswahl von Männern und Frauen bestimmt werden (Art. 17). Der erste Abschnitt regelt außerdem die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen auf das Reich und seine Länder.

Zweiter Abschnitt: Der Reichstag

Der zweite Abschnitt regelt unter anderem Abstimmungen im Reichstag. Seine Abgeordneten, die in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Verhältniswahl von Männern und Frauen bestimmt werden (Art. 22), sind als Vertreter des Volkes nur ihrem Gewissen unterworfen und nicht an Aufträgegebunden (Art. 21). Der Reichstag kann vom Reichspräsidenten aufgelöst werden, aber nicht zweimal aus dem selben Anlass (Art. 25).

Dritter Abschnitt: Der Reichspräsident und die Reichsregierung

Im dritten Abschnitt der Weimarer Verfassung wird festgelegt, dass der Reichspräsident vom Volk gewählt wird und älter als 35 Jahre sein muss (Art. 41). Die Amtszeit des Präsidenten beträgt sieben Jahre, der Reichstag kann ihn aber schon vorher mit einer 2/3 Mehrheit absetzen (Art. 43). Der Reichspräsident ist völkerrechtlicher Vertreter des Reiches (Art. 45), Oberbefehlshaber der Wehrmacht (Art. 47) und kann zur Wiederherstellung des Reichsfriedens die Grundrechte außer Kraft setzen (Art. 48).

Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und Ministern, die vom Reichspräsidenten ernannt werden (Art. 52 und 53). Sowohl der Reichskanzler, als auch seine Minister müssen zurücktreten, wenn der Reichstag ihnen das Vertrauen entzieht (Art. 54).

Vierter Abschnitt: Der Reichsrat

Der vierte Abschnitt regelt unter anderem die Zusammensetzung des Reichsrates. Er vertritt die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches (Art. 60).

Fünfter Abschnitt: Die Reichsgesetzgebung

Im fünften Abschnitt wird die Gesetzgebung geregelt. So kann der Reichspräsident bestimmen, dass ein Gesetz durch einen Volksentscheid bestätigt werden muss (Art. 73). Außerdem wird festgesetzt, dass eine Verfassungsänderung nur mit 2/3-Mehrheit von mindestens 2/3 der Mitglieder des Reichstages beschlossen werden kann (Art. 76).

Sechster Abschnitt: Die Reichsverwaltung

Der sechste Abschnitt enthält unter anderem die Regelungen des Zollrechts, des Kolonialrechts, des Post- und Telegraphenwesens, sowie des Verkehrswesens.

Siebter Abschnitt: Die Rechtspflege

Im siebten Abschnitt findet man die Regelungen für Richter und Gerichte. Demnach soll ein richter unabhängig und nur an das Gesetz gebunden sein (Art. 102).

Zweiter Hauptteil: Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen

Erster Abschnitt: Die Einzelperson

Der erste Abschnitt des Zweiten Hauptteiles erklärt die Gleicheit aller Deutschen vor dem Gesetz und die Abschaffung der Standesunterschiede (Art. 109). Es werden keine weiteren Adelstitel verliehen und kein Deutscher darf ausländische Titel oder Orden annehmen (Art. 109). Es werden weiterhin die Unantastbarkeit der Wohnung (Art. 115) und das Recht auf freie Meinung(säußerung) versichert.

Zweiter Abschnitt: Das Gemeinschaftsleben

Der zweite Abschnitt setzt den Schutz von Ehe und Mutterschaft (Art. 119), sowie die Versammlungsfreiheit (Art. 123), die Wahlfreiheit (Art. 125) und die Gleichberechtigung weiblicher Beamter (Art. 128) fest.

Dritter Abschnitt: Religion und Religionsgesellschaften

Im dritten Abschnitt werden Glaubensfreiheit und Gewissensfreiheit garantiert. Außerdem wird auf eine Staatskirche verzichtet.

Vierter Abschnitt: Bildung und Schule

Der vierte Abschnitt erklärt, dass der Staat das Schulwesen beaufsichtigt. Es gibt öffentliche Schulen und eine allgemeine Schulpflicht. Zudem wird in diesem Abschnitt der Denkmalschutz als Aufgabe des Staates festgesetzt.

Fünfter Abschnitt: Das Wirtschaftsleben

Im fünften Abschnitt wird die wirtschaftliche Freiheit versichert, so lange sie niemanden beeinträchtigt. Außerdem enthält dieser Abschnitt die Regelung des Erbrechtes und die Schaffung von einheitlichem Arbeitsrecht. Der Schutz von Urheberrechten (Art. 158) und von Arbeitnehmerrechten wird garantiert, was auch die Bildung von Betriebsräten beinhaltet (Art. 161 bis 165).

Übergangs- und Schlussbestimmungen

Die Übergangs- und Schlussbestimmungen regeln das Inkraftreten der einzelnen Artikel der Verfassung. Es wird außerdem bestimmt, dass die Nationalversammlung bis zum Zusammentritt des ersten Reichstages seine Position übernimmt.

Das aus der Verfassung resultierende politische System und seine Probleme

Die Weimarer Verfassung enthielt parlamentarische, präsidiale und plebiszitäre Elemente.

Der Parlamentarismus war dadurch gegeben, dass der Reichstag der Regierung das Vertrauen aussprechen und auch wieder entziehen konnte. Dazu kam die Mitwirkung bei der Gesetzgebung in der Weimarer Republik.

Der Reichspräsident nahm in der Weimarer Republik eine übermächtige Stellung ein und war praktisch eine Art "Ersatzkaiser". Er konnte mit dem Artikel 48 der Verfassung gegen ein Bundesland vorgehen, dass die Gesetze oder die Verfassung missachtete, und die Grundrechte außer Kraft setzen. Dadurch, dass er auch den Reichstag auflösen konnte, den Oberbefehl über die Wehrmacht inne hatte und Notverordnung erteilen konnte, wurde die in der Verfassung beschriebene gegenseitige Kontrolle der Staatsorgane aus dem Gleichgewicht gebracht.

Das Volk konnte sich über Volksentscheide und Volksbegehren direkt an der Politik beteiligen; und verfügte damit über ein Gesetzesinitiativerecht.

Das in der Verfassung festgeschriebene Verhältniswahlrecht war das wahrscheinlich größte Problem der Weimarer Republik. Es bedeutete auf der einen Seite, dass die Zusammensetzung des Parlamentes das Wahlergebnis exakt wiederspiegelte. Aber auf der anderen Seite ermöglichte es die Aufsplitterung der Parteienlandschaft. Da es keine Sperrklausel gab, waren selbst kleine Parteien im Reichstag vertreten. Bei bis zu 20 verschiedenen Parteien wurde das Bilden einer handlungsfähigen Regierung schwierig, da man sich mehr auf Kompromisse einlassen musste.

Sowohl das Wahlrecht, als auch das Recht des Präsidenten den Reichstag aufzulösen führte dazu, dass es innerhalb von 14 Jahren 20 Regierungswechsel gab. Elf der Regierungen waren sogar Minderheitenkabinette.

Fortgeltung der Verfassung nach 1933

Die Weimarer Verfassung blieb nach der Machtergreifung durch Adolf Hitler am 30. Januar 1933 weiterhin gültig. Sie wurde jedoch mit Gesetzen und Verordnungen blockiert, Die beiden wichtigsten sind die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat, besser bekannt als Reichstagsbrandverordnung, vom 28. Februar 1933 und das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933.

Als der Parlamentarische Rat zwischen dem 1. September 1948 und dem 23. Mai 1949 in Bonn das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeitete, orientierte er sich an der Weimarer Verfassung. Man lernte sozusagen aus ihren Fehlern. Das Grundgesetz ähnelt der Weimarer Verfassung in vielen Punkten, enthält aber auch große Unterschiede. So spielt der Bundespräsident nicht die herausragende Rolle wie der Reichspräsident. Insgesamt wurde ein Gleichgewicht der Staatsorgane herbeigeführt.

Im Artikel 140 des Grundgesetzes wird weiterhin verfügt, dass die Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Verfassung Bestandteile des Grundgesetzes sind. Sie sind die sogenannten "Religionsartikel", die unter anderem die Religionsfreiheit enthalten.

Literatur

  • Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.August 1919, 14. (letzte) A., Berlin 1933 (fotomechanischer Nachdruck Wissensch. Buchgesellsch., Darmstadt 1960)
  • Fritz Poetzsch-Heffter, Handkommentar der Reichsverfassung vom 11. August 1919 Ein Handbuch für Verfassungsrecht und Verfassungspolitik, 3.A., Berlin 1928


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siehe auch