Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit ADS als Verhaltungsauffälligkeit. Für weitere Bedeutungen siehe: ADS (Begriffsklärung)
Das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), in der Schweiz auch Psychoorganisches Syndrom (POS), früher bekannt als Hyperkinetisches Syndrom (HKS) oder Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD), entwickelt sich zu einer der bei Kindern am häufigsten als Krankheit diagnostizierten Verhaltensauffälligkeiten. Die häufigen, jedoch ungenauen und widersprüchlichen Presseberichte zu diesem Thema mystifizieren ADHS eher, als die Öffentlichkeit darüber aufzuklären. Doch auch auf dem wissenschaftlichen und politischen Sektor werden zur Zeit hitzige Diskussionen bezüglich ADHS geführt.
ADHS betrifft ca. 3-5 % aller Kinder in Deutschland. Rein rechnerisch bedeutet das, dass in jedem Klassenzimmer mindestens ein bis drei betroffene Kinder sitzen. Und nach neuesten Erkenntnissen geht man davon aus, dass ADHS bei ca. 80 % der Betroffenen auch noch im Erwachsenenalter auftritt.
Überblick
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist ADHS ein erbliches Ungleichgewicht im Dopaminstoffwechsel, vorwiegend in der frontostriatalen Gehirnregion des menschlichen Gehirns. Neuesten Studien zufolge kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass auch Besonderheiten im Norepinephrinstoffwechsel bei ADHS eine Rolle spielen. (vgl. Krause, Dresel, Krause in psycho 26/2000 S.199 ff. m. weit. Nachw.)
Seit den 90ern gibt es den NLP-Ansatz ( D. Blackerby). Die Grundannahme für die Anwendung von NLP-Wissen besteht darin, dass die Symptome durch die „INNERE WAHRNEHMUNG“ des Einzelnen verursacht werden. Mit NLP-Wissen wird die Struktur der INNEREN WAHRNEHMUNG erforscht und auch gezielt beeinflusst.
Symptome
- Im Kindesalter zeigt sich die Störung durch vermehrte Unaufmerksamkeit, deutlich erhöhte Impulsivität und motorische Unruhe.
- Bei Erwachsenen steht die Desorganisiertheit im Vordergrund. Die Betroffenen können zumeist ihren Alltag nicht angemessen planen und haben Probleme mit Strukturierung und Durchführung täglicher, oft einfachster Aufgaben. Unaufmerksamkeit und motorische Unruhe, nicht aber Impulsivität, sind also meist sekundäre Probleme der Betroffenen.
Medizinische Sicht
Anerkannte Krankheit oder Modediagnose?
Während bei einer funktionellen Kernspintomographie an ADHS-Patienten eine verringerte Aktivierung im rechtsseitigen präfrontalen System sowie eine erhöhte frontale und verringerte striatale Aktivierung bei go/no-Aufgaben festgestellt wurden, liefern normale nicht-studiengebundene Methoden wie Computertomographie (CT) und (normale) Kernspintomographie (MRT) keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen von ADHS bei einem Betroffenen.
Bei der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) wurde ein um 8,1 % verminderter Glucoseumsatz im linken Frontallappen und bei der Single Photon Emissionscomputertomografie (SPECT) eine geringe Durchblutung des Frontallappens und des Striatums sowie eine erhöhte Dopamintransporter-Konzentration im Striatum festgestellt. (Dougherty et al. in Lancet 354 (1999) 2132-2133; Dresel et al. in Eur.J.Nucl.Med. 25 (1998) 31-39).
Aus den Ergebnissen unzähliger Zwillingsstudien kann zudem geschlossen werden, dass ADHS erblich ist und im familiären Verband selten einmalig auftritt.
Tiefenpsychologische Sicht
Aus Sicht der Entwicklungspsychologie ist es als unwahrscheinlich anzusehen, dass die entsprechenden Symptome ausschließlich neurologisch erklärbar sind, vielmehr müssen mitunter auch frühkindliche lebensgeschichtliche Faktoren mit einbezogen werden.
"Wirksame Therapieformen sind beziehungsorientierte kinderpsychiatrische Therapien (entwicklungsfördernde, übende, strukturierende, lösungsorientierte, systemisch und tiefenpsychologisch orientierte Methoden) sowie anerkannte Psychotherapien (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte und analytische Therapie). Psychopharmakotherapie ist wirksam und sollte ggf. unterstützend eingesetzt werden."
zit: Stefan Kette: Diagnostik und Therapie bei Aufmerksamkeitsstörung aus tiefenpsychologischer Sicht, vorgetragen auf der Konsensus-Konferenz des BKJPP, Würzburg 2001
Weblink: http://www.kinderpsychiater.org/forum/for201/adhd.htm.
Die Behandlung von ADHS
Voraussetzung für jede Behandlung von AD(H)S ist eine fundierte Diagnose durch einen mit der Materie vertrauten Arzt, Psychiater oder Psychotherapeuten, die auch Differentialdiagnosen und eventuelle begleitende Krankheiten (z.B. Depression, Angststörungen->Angstkrankheit) berücksichtigt.
Ziel der Behandlung ist es, das vorhandene, individuelle und oft sehr große Potential auszuschöpfen, die sozialen Fähigkeiten auszubauen und eventuelle Begleitstörungen zu behandeln. Im Allgemeinen sollte die Behandlung "multimodial" erfolgen, das heißt, es sollten parallel mehrere Behandlungsschritte durchgeführt werden.
Information
Eingehende Information über AD(H)S ist ein wesentlicher Bestandteil der Therapie. Das gilt für Erwachsene mit AD(H)S, für Eltern und auch für Kinder mit AD(H)S. Betroffene sollten Bescheid wissen über die Art der Störung (AD(H)S ist keine Geisteskrankheit, kein Schwachsinn und keine Faulheit), die Symptome, die konkreten Schwierigkeiten, die durch AD(H)S im Alltag verursacht werden können und Behandlungsmöglichkeiten. Ebenso sollten sie aufgeklärt sein bezüglich der diversen wissenschaftlich nicht fundierten Behauptungen über AD(H)S (sie werden im Alltag bestimmt damit konfrontiert werden). Auch bei Kindern ist eine altersgemäße Aufklärung sehr wichtig.
Neben dem ärztlichen Gespräch gibt es gute Bücher, sowohl für Eltern als auch für betroffene Erwachsene und Kinder, wobei diese Bücher oft auch im Aufbau auf die Art der Störung Rücksicht nehmen (wenig Fließtext, viele Zeichnungen, etc.).
Pharmakotherapie
Meistens werden bei AD(H)S Stimulanzien eingesetzt. Im deutschen Sprachraum handelt es sich dabei gewöhnlich um Methylphenidat (Ritalin, Equasym, Medikinet) oder Dextroamphetamin. Ebenfalls in Frage kommen gewisse Antidepressiva, die jedoch erst in zweiter Linie eingesetzt werden, da sie bei einem kleineren Prozentsatz der Betroffenen wirken.
In vielen Studien wurde gezeigt, dass Stimulanzien bei AD(H)S dazu führen, dass die Hyperaktivität und Impulsivität reduziert sind, dass der Betroffene weniger ablenkbar ist und Aufgaben besser abschließen kann. Die Betroffenen sind weniger agressiv und emotional und können besser an Gesprächen teilnehmen. Bei Kindern verbessert sich oft auch die Handschrift.
Psychotherapie
AD(H)S ist bekanntlich nicht heilbar. AD(H)S tut auch nicht weh, wenn man damit umzugehen weiß. Man fragt sich also, weshalb man mit AD(H)S überhaupt zum Psychologen/Therapeuten laufen muss. Kaum jemand wird ausschließlich wegen AD(H)S den Therapeuten aufsuchen. Aber ein Betroffener hat ja sein AD(H)S nicht erst seit gestern, er hat es schon sein Leben lang. Und nie hat ihm jemand gezeigt, wie man damit umgeht. Wer also eine Diagnose AD(H)S bekommt, hat deswegen schon viele Rückschläge, viel Ablehnung, viele Misserfolge erlebt. So etwas kratzt natürlich auch beim Stärksten am Selbstwertgefühl. Und bei vielen ergibt sich daraus sogar eine handfeste Persönlichkeitsstörung. Ziel der Therapie ist also nicht, AD(H)S "wegzutherapieren", sondern die schädlichen Folgen, die sich dadurch ergeben haben, zu beseitigen und eventuelle Parallelstörungen (Depressionen, Angstzustände, etc.) zu behandeln. Am häufigsten werden dabei verhaltenstherapeutische Psychotherapien wie kognitive Verhaltenstherapie angewandt.
Coaching
Beim Coaching geht es darum, gemeinsam mit dem Betroffenen Strategien für die Organisation und Bewältigung des Alltags und das Erreichen von persönlichen Zielen zu entwickeln.
Diskussion
ADHS - eine Gabe?
ADHS wird offiziell als ernstzunehmende Störung eingestuft, doch sind viele (auch Betroffene) anderer Ansicht. Sie betrachten ADHS als Gabe. In seinem Buch Eine andere Art die Welt zu sehen hat Thom Hartmann die Theorie aufgestellt, dass die Betroffenen des ADHS aus genetischer Sicht "nur" die Nachfahren der steinzeitlichen Jäger und Sammler (Hartmann nennt sie daher "Hunter") seien. In seinem 2000 erschienenen Buch ADD: Veränderungen selbst bewirken plädiert Hartmann dafür, ADD als eine Eigenschaft zu sehen, die durchaus verändert/behoben werden kann.
Die Vertreter dieser Ansicht finden angebliche Hinweise auf ein Vorliegen von ADHS in der Lebensgeschichte vieler berühmter Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Beispiele sind Hans Christian Andersen, Ludwig van Beethoven, Winston Spencer Churchill, Walt Disney, Thomas Edison, Albert Einstein, Benjamin Franklin, Robert und John F. Kennedy, Theodore Roosevelt, Jules Verne und die Gebrüder Wright. Allerdings sind solche post mortem-Diagnosen natürlich "mit Vorsicht zu genießen".
Eine Störung wie ADHS als Gabe zu betrachten mag dem Leser suspekt erscheinen, jedoch ist es ein Aspekt, den man bei der Diskussion um ADHS nicht aus den Augen verlieren sollte.
Literatur
- Don Blackerby Rediscover the Joy of Learning, 1996 (erhältlich per amazon); Auszug in MultiMIND/NLP aktuell, 1/2004
- Hallowell und Ratey, Zwanghaft zerstreut. Die Unfähigkeit aufmerksam zu sein. ISBN 3499607735
- Paul Wender, Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, ISBN 317017097X
- Sari Solden, Die Chaos-Prinzessin ISBN 3933067022 - Spezifisch über ADHD bei Frauen
- Thom Hartmann, Eine andere Art, die Welt zu sehen, ISBN 3795007356
- Thom Hartmann, ADD: Veränderungen selbst bewirken, Schmidt-Römhild 2000
- Lynn Weiss, Eins nach dem anderen... Das ADD-Praxisbuch für Erwachsene ISBN 387067833X
- Sponsel, Rudolf (2003). Handbuch der AD-H-D-Diagnostik und Differentialdiagnostik bei Erwachsenen. AD-H-D-Test, verbale Grundschul-Zeugnis-Analyse, DSM-IV-Rückblick mit Teil-Leistungs-Schwächen, Alltagsauswirkungen und Lebenszufriedenheitskurve. Differential-diagnostische Diskussion und Fallbesprechungen, auch schwieriger Komorbiditäts-, Grenz- und Problemfälle. Erlangen: IEC-Verlag.
- Sponsel, Rudolf (2003). Prozentrangnormen und Kennwerte zur Handanweisung des AD-H-D-Tests für Erwachsene (enthält auch DSM-IV-Rückblick Prozentrangnormen [Schnelltestprüfung]). Erlangen: IEC-Verlag.
Weblinks
- ADD-Online Website von einem Kinderarzt und einem Psychologen
- ADHS-Info
- Hypies - Aus der Sicht von Betroffenen
- J. Martinus: Aufmerksamkeitsdefizitstörung, hyperaktiv, verhaltensgestört oder was? http://www.paediatrica.de/dat_med/ads.htm
- Internationale Konsensus-Erklärung zur ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) Stand der Wissenschaft, 2002
- http://www.sgipt.org/gipt/hypak/info0.htm (IP-GIPT AD-H-D Überblicksseite)
- http://lenz.uni-koblenz.de/enzyklopaedie/bin/view/ADHS/Start (AD(H)S in der Enzyklopädie der Kontroversen)