Gotthard-Basistunnel
Der Gotthard-Basistunnel ist ein im Bau befindlicher Eisenbahntunnel in der Schweiz. Nach Fertigstellung im Jahr 2015 wird er mit 56,978 km (Weströhre) und 57,091 km (Oströhre) der längste Tunnel der Welt sein. Mit allen Quer- und Verbindungsstollen werden insgesamt 153,5 km Tunnelstrecke gebaut.
Geschichte und Bedeutung
Nach ersten Überlegungen 1947 plante ab 1962 eine Studiengruppe des Eidgenössischen Departements des Innern einen Basistunnel durch das Gotthardmassiv. Hintergrund waren der immense Anstieg des Verkehrsaufkommens und die schwierige Alpenquerung. 1992 wurde der Beschluss für die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) verabschiedet. Nach vielen Planungsänderungen begann der Anstich des Tunnels am 4. November 1999.
Er wird nach Fertigstellung (voraussichtlich 2015) der längste Tunnel der Welt sein. Er soll in Verbindung mit dem Zimmerberg-Basistunnel und dem Ceneri-Basistunnel die Fahrzeit Zürich - Mailand durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen (200-250 km/h) um über eine Stunde verkürzen (derzeit 3 h 40') und wird damit nicht nur zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz zum Auto/LKW, sondern auch zum Flugzeug.
Durch den Gotthard-Basistunnel soll die Transportleistung auf der Schweizer Nord-Süd-Achse verdoppelt werden. Dies wird möglich durch die sogenannte Flachbahn. Heute verhindern die Steigung und die engen Kurvenradien der Steigungstunnel das Befahren der Strecke mit schweren Güterzügen. Zudem müssen jeweils mehrere Lokomotiven eingesetzt werden, die die maximal 2000 t schweren Züge das Urner Reusstal bzw. die Leventina hochschleppen und -stossen. Die neue Alpenquerung jedoch wird einen Scheitelpunkt von nur noch 550 m.ü.M. haben, bei der Bestehenden liegt dieser Punkt 600 m (!) höher. Das heisst, dass die Alpen fast ebenerdig durchfahren werden können was das Zusammenstellen spezieller Güterzugskompositionen erübrigt und Güterzüge bis 4000 t Gesamtgewicht ermöglicht. Zudem wird durch den Wegfall der spiralförmigen Steigungstunnel und zahlreicher weiterer Kurven sowie einer direkteren Streckenführung die Route um 40 km kürzer. Dieses Angebot soll die rollende Landstrasse (ROLA) attraktiver machen und nicht nur den chronisch verstopften Gotthard-Strassentunnel, sondern die gesamte Nord-Süd-Achse vom überbordenden Schwerverkehr entlasten.
Lage und Geologie
Der Gotthard-Basistunnel nimmt seinen Anfang in Erstfeld und führt nach Bodio. Ergänzt wird er durch den 20 km langen Zimmerberg-Basistunnel und den 15 km langen Ceneri-Basistunnel. Vier Probebohrungen sowie Temperaturmessungen und seismische Untersuchungen sollten die geologischen Verhältnisse klären. Es fanden sich unterschiedliche Gesteinsarten, vom harten Granit bis zu nachgiebigen Phylliten und Schiefern des Tavetscher Zwischenmassivs.
Bauphase

Gesamtverantwortlich für das Projekt ist die AlpTransit Gotthard AG, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Zu Beginn der Bauarbeiten wurden von vier verschiedenen Stellen Zugangsstollen gegraben. Erst von dort begannen die eigentlichen Bauarbeiten am Basistunnel. Ein fünfter Bauabschnitt folgte später. Durch diese Arbeitsteilung war eine Halbierung der Bauzeit möglich.
Man entschied sich für zwei einspurige Tunnelröhren mit etwa 180 Querstollen. An zwei direkt von aussen zugänglichen und klimatisierten Multifunktionsstellen (Sedrun + Faido) sind Spurwechsel sowie Nothalte auf separaten Gleisabschnitten möglich, auch technische Räume für den Bahnbetrieb und Lüftung sind angegliedert. Die MFS Faido ist durch einen 2,7 km langen Querstollen mit einem Gefälle von 13% mit der Aussenwelt verbunden.
Für die Multifunktionsstelle Sedrun war ein höherer Aufwand nötig: zuerst wurden ein knapp ein Kilometer langer Zugangsstollen und ein 450 m langer Entlüftungsstollen waagrecht in den Berg getrieben. Von dieser Stelle führen zwei Schächte 800 m tief auf das Niveau des Eisenbahntunnels, die von der südafrikanischen Spezialfirma Shaft Sinkers gebohrt wurden.
Sowohl mit Tunnelbohrmaschinen als auch mit Sprengstoffen wird der Vortrieb erzielt. Ein mindestens 30 cm dickes Tunnelgewölbe aus Ortbeton sichert die Tragfähigkeit. Anfallendes Bergwasser wird durch einen Kanal (Ø 60cm) unterhalb des Tunnels abgeführt. Die erwartete Temperatur von 35 Grad Celsius erfordert einen permanenten Luftaustausch. Die durchfahrenden Züge sollen durch den Kolbeneffekt die Luft herauspressen. Sollte dies nicht ausreichen, werden mechanische Lüftungen nachgerüstet.
Die auf der Tessiner Seite eingesetzten Tunnelbohrmaschinen haben einen Bohrkopf mit einem Durchmesser von 8,8 Metern, welcher mit 58 Rollenmeißeln versehen ist und verfügen über einen 5.000 PS starken Motor. Die von der Firma Herrenknecht im badischen Schwanau stammenden Geräte tragen den Namen Heidi (I + II) und sind inklusive Nachläufer rund 400 m lang. Sie bohren vom Südportal bei Bodio her nördlich in Richtung Faido und haben bereits je über 10 km zurückgelegt, wobei der Durchbruch in die Multifunktionsstelle Faido für Sommer 2006 erwartet wird. Danach werden die beiden TBM erstmal generalrevidiert, bevor es Richtung Sedrun weitergeht. Vom Zwischenangriff Amsteg her bohren die zwei Tunnelbohrmaschinen Gabi I + II in südlicher Richtung zur Multifunktionsstelle Sedrun, wobei immer wieder Störzonen mit lockerem Gestein durchfahren werden müssen, was den Vortrieb teilweise massiv behindert. Der Durchbruch in die MFS Sedrun ist für Ende 2006 geplant. Der endgültige Durchschlag ist dann für Anfangs 2010 irgendwo zwischen den MFS Sedrun und Faido vorgesehen.
Im Bereich des Nordportals bei Erstfeld sind die Vorbereitungsarbeiten für die Montage der Tunnelbohrmaschinen ebenfalls in vollem Gange. Im Innern des Berges werden zusätzliche Verzweigungen gebaut für eine mögliche Weiterführung des Tunnels in der sogenannten Bergvariante (wobei zwei Projekte zur Diskussion stehen: 'Berg lang' und 'Berg lang offen', einer von der Urner Regierung und Bevölkerung geforderten Lösung zum Schutz der Reussebene vor weiterem Lärm und Emissionen). Das Komitee 'NEAT in den Berg' hat sich gebildet und ist im Volk breit abgestützt. Die Doppelspur käme auf einem hohen Bahndamm zu liegen, welcher das Tal in zwei Hälften teilen würde und die Lebensqualität im bereits stark belasteten, engen Bergtal weiter senken würde. Der neue Tunnel im Raum Altdorf würde mit dem ebenfalls noch zu bauenden Axentunnel verbunden werden, was den Gotthard-Basistunnel faktisch um viele Kilometer verlängern würde. Die Unwetter im August 2005 in der Innerschweiz haben aber einmal mehr gezeigt wie fragil dieser Transitkorridor ist weshalb einer Linienführung im Tunnel wohl der Vorzug gegeben wird.
Insgesamt 153 km Tunnel, Stollen und Schächte sind für das Projekt zu errichten, von denen am 3. August 2005 etwa 49,9 Prozent ausgebrochen waren. Da man in Faido, wo es immer wieder infolge des enormen Bergdrucks zu kleineren Einstürzen kommt, im Zeitplan zurückliegt wird erwogen, das 'Los' Sedrun zu vergrössern und den dortigen Vortrieb über den vereinbarten Endpunkt hinaus Richtung Faido (Süden) voranzutreiben um den Rückstand in Faido aufzuholen. Dies ist jedoch nicht ohne weiteres möglich da armdicke Verträge mit den Konsortien angepasst werden müssten.
Porta Alpina
Ein Einsatzzweck der Multifunktionsstelle Sedrun ist, als Nothaltestelle zu dienen. Es existiert mit der Porta Alpina jedoch ein Vorschlag, diese Multifunktionsstelle zu einem unterirdischen Bahnhof auszubauen. Via Lift würden die Gäste dann nach Sedrun transportiert. Bei der Verwirklichung dieser Vision wäre die Surselva von den grossen Zentren in Italien und der Schweiz viel schneller erreichbar. Dadurch könnte der Tourismus in der Region stark gefördert werden.
Baustellentourismus
Im Bereich der Baustellen Amsteg, Sedrun, Faido und Bodio hat sich ein regelrechter Baustellentourismus entwickelt. Wurden anfänglich nur Führungen bis tief in den Berg hinein angeboten, wurden aufgrund des grossen Informationsbedürfnisses Infozentren erstellt und in Pollegio bei Bodio gar ein Besucherzentrum gebaut. Der jeweils alljährlich stattfindende Tag der offenen Tür auf den Grossbaustellen zieht jeweils mehrere tausend Besucher an. Die Gesamtzahl aller Besucher beläuft sich mittlerweile auf mehrere 100.000 und die Führungen sind lange im Voraus ausgebucht, wobei alle Veranstaltungen kostenlos sind. Für die Standortgemeinden stellt dieser Tourismus mittlerweile einen nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, welcher zusätzliche Restaurantumsätze und Übernachtungen in diese Randregionen bringt. Die Gemeinden profitieren jedoch auch von Übernachtungen durch auswärtige Montageleute und Firmenvertreter sowie von Umsätzen durch die Bergleute und von deren Quellensteuern und weiterer Abgaben.
Bahntechnik
Über 228 km Schienen und 190.000 Betonschwellen für den schotterlosen Oberbau werden im Gotthard-Basistunnel verlegt. Vorgesehen ist ein Mischbetrieb mit Hochgeschwindigkeitszügen bis zu 250 km/h und schweren Güterzügen (bis 4.000 Tonnen). Mehr als 250 Züge sollen pro Tag auf der Relation Zürich – Mailand verkehren. Die Hochgeschwindigkeitszüge sollen dafür rund 2:40 Stunden Fahrtzeit brauchen.
Weiterhin sollen 2.800 Kilometer Kabel für Stromversorgung und Datenübertragung verlegt werden. Es werden keine optischen Signale installiert. Für die Zugsicherung soll das standardisierte ERTMS/ETCS (European Rail Traffic Management System / European Train Control System, siehe GSM-R) zum Einsatz kommen. Dabei werden die Informationen und Fahranweisungen drahtlos in den Führerstand geleitet.
Zahlen und Fakten
- Baubeginn: 4. November 1999
- Fertigstellung: vor 2018
- Länge: 57 Kilometer
- Züge/Tag: 200-250
- Transportleistung: 40 Mio Tonnen/Jahr
- Durchschnittsgeschwindigkeit 160 km/h
- Maximalgeschwindigkeit: 250 km/h
- bewegte Gesteinsmasse: 24 Mio. Tonnen
- geschätze Baukosten: 5,2 Mrd. Euro
Literatur
Rolf E. Jeker: Gotthard-Basistunnel, Der längste Tunnel der Welt Werd Verlag, 2002. ISBN 3859324209