Reinkarnation
Der Begriff Reinkarnation /Seele nach dem Tod (Exkarnation) auf dieser Erde oder anderen Existenzbereichen wieder als empfindendes Wesen geboren (inkarniert) wird. Dieses Konzept wird auch als Wiedergeburt, Seelenwanderung, Transmigration oder Metempsychose bezeichnet. Die außerkörperliche Erfahrung steht in engem Zusammenhang mit dem Begriff Reinkarnation. In einigen, aber keineswegs allen Reinkarnationslehren steht auch der Begriff des Karma damit in einem engen Zusammenhang.
/ (lateinisch Wiederfleischwerdung) bezeichnet die Idee, dass die menschlicheDie Vorstellung eines neuen Lebens nach dem Tod ist (in Verbindung mit animistischen und/oder gnostischen Vorstellungen) in vielen Kulturen und religiösen Lehren verbreitet: im Griechenland der Antike, im römischen Kaiserkult, im Manichäismus und weiteren gnostischen Strömungen, in der jüdischen Kabbala, in der Mystik des Islam und in der modernen Esoterik. Eine systematische Reflexion erfuhr die Reinkarnationslehre vor allem aber in den östlichen Religionen Hinduismus, Jainismus und Buddhismus sowie in oft verfremdeter Art und Weise in diversen New-Age-Religionen.

Hinduismus
Im Hinduismus entwickelte sich die Reinkarnationslehre (Sanskrit: punarbhava = beständiges Werden) erst nach dem Ende der vedischen Zeit und mit dem Aufkommen der Literatur der Upanishaden (ab 700 v.Chr.). Die klassische Ausformulierung der hinduistischen Reinkarnationslehre vom Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) ist in der Bhagavadgita enthalten.
Nach hinduistischer Vorstellung ist der Mensch eine unsterbliche Seele (Atman), die sich nach dem Tode des Körpers in einem neu in Erscheinung tretenden Wesen – dies können auch Tiere sein – wieder verkörpert. Die Qualität der Wiedergeburt oder Seelenwanderung ist abhängig von den in der/den Vorexistenz/en gewirkten Taten (Karma). »Wie einer handelt, wie einer wandelt, ein solcher wird er. Aus guter Handlung entsteht Gutes, aus schlechter Handlung entsteht Schlechtes«, lehren die Upanishaden. Karma (die Tat) ist verknüpft mit der Vorstellung an eine sittliche Weltordnung (Dharma), wodurch alle Handlungen gemäß dem Prinzip von Ursache und Wirkung die Voraussetzung für die künftige Wiedergeburt darstellen. Ein jedes Wesen besteht aufgrund seines in früheren Daseinsformen angesammelten Tatenpotenzials, welches also das Gesamtergebnis einer jeden Existenz bewirkt. Folglich ist der Tod nicht der Abschluss des Lebens, sondern lediglich der Übergang zu einer neuen Daseinsform. Erhalten bleibt der durch den Atman (ewige Seele) begründete, ewige und unveränderliche Wesenskern des Menschen. Der Jiva - das ist der Atman (ewige Seele) zusammen mit Vernunft, Gefühlen und Wünschen, der sich stets aufs neue manifestiert. Wohin der Jiva (individuelle Seele) nach dem Tod des Körpers geht, darüber bieten hinduistische Schriften keine eindeutigen Berichte an. Aber wie in allen Kulturen gibt es auch bei den Hindus den Begriff von Himmel und Hölle. Die Schriften schildern verschiedene Himmel, wo der Jiva mit gutem Karma sich eine Weile in überirdischen Freuden aufhalten kann; die Mythologie malt ebenso Bilder aus von schrecklichen Höllen, in der er solange großes Leid erfährt, bis sein schlechtes Karma verbraucht ist. Doch der Aufenthalt ist in beiden Fällen nicht ewig: Nach einiger Zeit kehrt das Individuum auf die Erde zurück, um wieder und wieder geboren zu werden - bis zur endgültigen Erlösung, Moksha. Dieser Kreislauf der Wiedergeburten gilt als Naturgesetz, Kategorien wie Strafe oder Belohnung gelten hier nicht.
Während einige hinduistische Richtungen das Gesetz des Karma, wonach das Individuum ausschließlich selbst für seine Erlösung verantwortlich ist, als unerbittlich ansehen, vertrauen andere Hindus auf Gottes Gnade, die Karma vernichten und das Individuum erretten kann (vgl. Bhakti). Diese göttliche Hilfe ist ein Hauptthema in hinduistischen Gebeten.
Das Ziel des Hindu besteht darin, den ewigen und mit ständigen Leiderfahrungen verbundenen Kreislauf von Werden und Vergehen (Samsara) zu überwinden. Die Tradition kennt drei klassische Wege durch die Erlösung, genannt (Mukti oder Moksha), erlangt werden kann und damit verbunden den Austritt aus dem Geburtenkreislauf Samsara: Dazu gehören der Weg des Wissens Jnana Yoga, der Weg der Tat Karma Yoga, der Weg der Gottesliebe Bhakti Yoga. Viele Denker (etwa Swami Vivekananda) zählen noch einen vierten Weg dazu, Raja Yoga, den "Königsyoga" der mit Yogaübungen und Meditation verbunden ist.
Buddhismus
Im Buddhismus (entstanden etwa 500 v.Chr.) ist Karma die den Wesen innewohnende Fähigkeit zu gezieltem, absichtsvollem Handeln ("Die Absicht nenne ich Karma, ihr Mönche" Buddha). Auf individueller Ebene bedeutet Karma Tat, Handeln, Wirken, weshalb Karma immer auch das willentliche Tun des Menschen umfasst. Jede positive oder negative Erfahrung ist durch eine frühere positive oder negative Tat -- als körperlicher, sprachlicher und gedanklicher Ausdruck -- bedingt und führt ihrerseits wieder zu positiven oder negativen Auswirkungen, die keineswegs zufällig sind, aber auch keinem überseienden (göttlichen) Diktat wie etwa Fügung, Vergeltung usw. unterliegen.
Vor allem in der Frage der Reinkarnation geht der Buddhismus grundlegend andere Wege als der Hinduismus. In Ablehnung einer geschöpften, individuellen Seele kennt der Buddhismus keinen Übergang einer seelischen Substanz von der einen auf die andere Existenz, keine Transmigration, keine Wanderung der Seele. Wiedergeburt wird verstanden als eine Kontinuität der Geistesprozesse, als Fortsetzung der beim Ableben eines Individuums noch nicht erloschenen mentalen Kräfte, die sich in einer neu in Erscheinung tretenden Existenz aufs Neue reaktualisieren. Die Ursache der Wiedergeburt liegt im Begehren nach Sinnesbefriedigung, im Trieb nach Sein und Verwirklichung. Wiederwerden ist also solange gegeben, als verursachende, nach Realisierung drängende Triebkräfte vorhanden sind. Da dieses Begehren, der unstillbare Werdetrieb, im Buddhismus gleichgesetzt wird mit Leiden, besteht das Ziel darin, diesen leidvollen Daseinskreislauf (samsâra) zu durchbrechen und aufzuheben. Dazu führt der "achtfache Pfad". Ziel ist der Zustand des Nirvana, das Ende allen Leidens und der Abschluss der Wiedergeburten.
Antikes Griechenland und Rom
Die am Anfang der klassischen Antike stehenden, um 800 v. Chr. verfassten Epen von Homer -- die Ilias und die Odyssee -- kennen noch keine Reinkarnationslehre. Bekannte Vertreter der Reinkarnationstheorie innerhalb der griechischen Philosophie waren Pythagoras (um 600 v.Chr.), Empedokles und Platon (beide 5. Jh. v.Chr.). Sie alle lehrten, dass die unsterbliche Seele sich reinkarnieren müsse, sei es aufgrund einer inneren Notwendigkeit oder zum Zwecke ihrer moralischen Läuterung in einer neuen Daseinsform, die auch die Tierwelt oder die Pflanzenwelt umfasst. Bei Platon spielte jedoch nur das moralische Kriterium eine Rolle. Seiner Auffassung nach wird man allein aufgrund früheren Verhaltens wiedergeboren.
In den nachfolgenden Strömungen des Neuplatonismus und des Neupythagoreismus lebte der Reinkarnationsgedanke weiter, doch schieden sich die Geister an der Frage, ob die Einkörperung in Tiere wörtlich (Plotin) oder metaphorisch (Porphyrius) zu verstehen sei, dieweil das von Platon angeführte moralische Motiv vor allem von Plutarch und dem Römer Vergil vertreten wurde.
Judentum
Der Reinkarnationsgedanke kommt im orthodoxen Judentum nicht vor, es findet sich weder Zustimmung noch Ablehnung. Das Judentum entwickelte nie eine eindeutige Vorstellung über das Geschehen nach dem Tode. Es haben sich vielmehr wesentlich zwei Lehrmeinungen herausgebildet, die sich auf eine unbestimmte Menge von Hinweisen im Tanach beziehen.
- Die eine Lehrmeinung nimmt die Auferstehung der Toten an, d. h. die Menschen sterben mit Leib und Seele, aber werden in der messianischen Zeit wiederbelebt und leiblich auferstehen (Daniel 12,2; Sanhedrin 10,1), d.h. reinkarniert. Diese Auffassung von einer Auferstehung der Toten entwickelte sich im nachexilischen Judentum. In der jüdischen Apokalyptik wurde diese Vorstellung zu einer Auferstehung in Verbindung mit einem Gericht Gottes über die Welt ausgebaut . Hiermit war nach jüdischen Begriffen eine körperliche Auferstehung gemeint - entweder die körperliche Auferstehung aller Menschen oder die körperliche Auferstehung der Menschen, die im Bund Israels mit Gott eingeschlossen sind. Das Schicksal des einzelnen Menschen trat in dieser kollektiven Sicht zurück, war aber zugleich mit eingeschlossen. Zur Zeit Jesu bejahte das Pharisäertum den Glauben an eine Auferstehung; das herrschende Priestertum - vorwiegend aus der Gruppe der Sadduzäer - lehnte sie ab.
- Die andere Lehrmeinung nimmt an, dass die reine Seele, unbefleckt durch Geburt, Leben und Tod, wieder rein zu Gott zurückkehrt. Sie geht von der Unsterblichkeit der Seele aus und davon, dass diese nach dem Tod unabhängig vom Körper weiterlebt (Schabbat 152b, Proverbien 12,28).
- Weiterhin gab es eine Vermengung dieser beiden Lehrmeinungen; hierbei wurde angenommen, dass die Seele nach dem Tod des Menschen bis zur messianischen Zeit weiterlebe und sich schließlich mit dem leibhaftig auferstehenden Körper neu vereinige.
In der Kabbala, der jüdischen Mystik, ist die Wiederverkörperung eine göttliche Strafe. Diese dient dazu, die Seele in einem neuen Körper der Vervollkommnung zuzuführen. In Teilen des Chassidismus und anderen Strömungen innerhalb des orthodoxen Judentums werden heute am Rande der Lehren auch Varianten der Reinkarnation vertreten.
Islam
Innerhalb des Islam bildet die Reinkarnationslehre allein bei den Drusen eine zentrale Rolle. Die Drusen bilden eine kleine Minderheit, stammen von den Ismaeliten ab und sind in Syrien, Libanon, Israel und Jordanien beheimatet. Wegen ihrer sehr speziellen Lehren ist es jedoch umstritten, ob sie überhaupt noch als Muslime angesehen werden können. Nach der Lehre der Drusen gibt es eine Reinkarnation von Menschen nur wiederum als Menschen, nicht als Tiere.
So ist die Reinkarnationsvorstellung im Islam dem Bereich der Mystik zuzuordnen. Ihr bekanntester Vertreter war Dschalal ad-Din Rumi [Jalâl’ud-Dîn Rûmî ] (1207-1273), der einen Aufstieg der Seele über das Menschliche hinaus und ihr Aufgehen im »Nichtsein«, im unaussprechlichen göttlichen Wesen, beschrieb. Doch solchen Lehren haftete im Islam immer das Merkmal der Häresie an, weshalb sie nicht selten verfolgt wurden.
Christentum
Die christlichen Konzepte von Wiedergeburt und Auferstehung, die von allen christlichen Hauptrichtungen gelehrt werden, sind völlig verschieden vom Konzept der Reinkarnation. Es gab jedoch zu allen Zeiten einzelne christliche Splittergruppen oder Personen, die das Konzept der Seelenwanderung in ihrer Lehre vertraten. Zu ihnen gehörte etwa die antike Gnosis, einige spekulieren auch über eine solche Auffassung bei den mittelalterlichen Katharern.
Die Synode von Konstantinopel (543) verurteilte den Philosophen Origenes als Ketzer. Dabei wurde festgelegt: Si quis dicit aut sentit, praeexistere hominum animas [...] demissasque esse in corpora supplicii causa: anathema sit. (Übersetzung: Wer sagt oder denkt, die Seelen der Menschen hätten präexistiert [...] und seien zur Strafe in die Körper (hinab)geschickt worden, der sei ein Verfluchter., vgl. Anathema). Diese Entscheidung wurde von Papst Vigilius bestätigt und auf dem 5. ökumenischen Konzil von Konstantinopel (553) auf Betreiben Kaiser Justinians erneut bekräftigt.
Auf dem Konzil von Braga (in Portugal) wurde die Präexistenzlehre Priscillians mit folgenden Worten verurteilt: Si quis animas humanas dicit prius in caelesti habitatione peccasse et pro hoc in corpora humana in terra deiectas, sicut Priscillianus dixit, anathema sit. (Übersetzung: Wenn wer sagt, die menschlichen Seelen hätten früher in ihrer himmlischen Wohnung gesündigt und seien dafür auf der Erde in menschliche Körper geworfen worden, wie Priscillian sagte, so sei er ein Verfehmter.)
Die Folge dieser Entscheidungen war, dass die Reinkarnationslehre im Christentum weiter als der christlichen Lehre widersprechend festzementiert wurde. Logisch sprechen diese Festlegungen allerdings nicht gegen die Reinkarnation, weil die zwar zwingend mit einer Präexistenz, nicht aber mit einer strafweisen Inkarnierung verbunden ist. Es wird aber in den Entscheidungen nur verurteilt, beides zu behaupten.
Sonstige Reinkarnationslehren
Theosophie
In der Theosophie wurde zuerst von Helena Petrovna Blavatsky die Reinkarnation der östlichen Religionen mit dem Konzept der Evolution kombiniert - die Einzelseele entwickelt sich von Leben zu Leben weiter und steigt zu immer höheren Seinszuständen auf, wobei es, im Gegensatz zum Hinduismus und Buddhismus, keine Rückschritte sondern höchstens Stillstand gibt. Ebenfalls im Gegensatz zu den traditionellen östlichen Religionen ist das Ziel der Weiterentwicklung gewöhnlich eine Vervollkommnung des Individuums, das ein Individuum bleibt und nicht im Brahma oder Nirwana aufgeht.
Dieses Konzept wurde, mit leichten Abwandlungen, von den meisten neueren Richtungen der Esoterik übernommen, z.B. von der Anthroposophie, den Rosenkreuzern, Eckankar, Christengemeinschaft und im New Age ebenso wie von einigen (nicht allen) Vertretern von Wicca und Okkultismus.
Esoterik und New Age
In der Esoterik und im New Age wird das Konzept der Reinkarnation vielen Richtungen vertreten, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Thorwald Dethlefsen entwickelte die Münchner Schule der Reinkarnationstherapie.
In bestimmten New Age-Kreisen wird behauptet, dass das frühe Christentum an Reinkarnation geglaubt habe. Die Argumente, die aufgeführt werden, sind spezifische Auslegungen von Bibelstellen (Mt 11,14, Mt 17,12f, Joh 9,1ff., die Anhängerschaft einzelner Kirchenväter (z.B. Origenes), oder die Verschwörungstheorie, der Papst oder ein Konzil habe alle ursprünglichen Hinweise auf eine Reinkarnationslehre aus sämtlichen Bibeln getilgt. Alle Argumente können leicht widerlegt werden: Origines vertrat keine Reinkarnationslehre, sondern das davon klar unterschiedene Konzept der Präexistenz der Seele, die Tilgung aller Bibelstellen aus den unzähligen erst heute entdeckten historischen Bibeltexten war der Kirche damals völlig unmöglich.
Totalitäre religiöse Gruppen
In einigen totalitär ausgerichteten Gruppen wie dem Universellen Leben oder Scientology wird ebenfalls Reinkarnation gelehrt. Der geistliche Aufstieg zu höheren Seinszuständen ist dabei angeblich nur innerhalb der jeweiligen Gruppe möglich; außerhalb der Vereinigung drohe eine "Hölle des ewigen Abstiegs".
Reinkarnationsforschung
Siehe Hauptartikel: Reinkarnationsforschung
Reinkarnationsforschung versteht sich als Parawissenschaft, die versucht wissenschaftlich die Frage nach der Existenz von Reinkarnationen zu beantworten. Dazu werden Fälle untersucht, in denen Menschen behaupten, sich an frühere Leben zu erinnern. Die zugrundeliegende eigenständige Vorstellung von Reinkarnation unterscheidet sich dabei stark von hinduistischen und buddhistischen Konzepten, die meist keine Erinnerung an Vorleben vorsehen.
Literatur
- Perry Schmidt-Leukel (Hrsg.): Die Idee der Reinkarnation in Ost und West. Mit Beiträgen zahlreicher Wissenschaftler. München 1996
- Helmut Zander: Geschichte der Seelenwanderung in Europa. Alternative religiöse Traditionen von der Antike bis heute. Darmstadt 1999
- Rudolf Steiner: Die Offenbarungen des Karma. GoetheanumVerlag, Dornach
Siehe auch
- Inkarnation
- Inkorporation
- Tibetisches Totenbuch
- Pachisi (aus Indien stammendes Brettspiel, das den Weg des Menschen nachzeichnen soll)
- Portal Religion
Weblinks
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- Buddhismus und Reinkarnation
- Michael Schröter-Kunhardt: Reinkarnationsglaube und Reinkarnationstherapie
- Die Reinkarnationslehre aus der Sicht des christlichen Glaubens
- http://www.gwup.org/themen/texte/reinkarnation/
- Warum ich nicht an Reinkarnation glaube, Theologischer Diskussionsbeitrag
- Krishna im Bhagavadgita zur Reinkarnation
- Moderne Mystik und das Leben nach dem Tod