Bundesmeldegesetz
Die Meldegesetze sind die Landesgesetze, die in Deutschland das Meldewesen regeln. Die Länder müssen sich dabei an die Vorgaben im Melderechtsrahmengesetz des Bundes halten. Seit der September 2006 inkraft getretenen Föderalismusreform hat der Bund für das Meldewesen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 GG).
Bundesmeldegesetz
Im April 2008 legte das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf für ein Bundesmeldegesetz vor, das jedoch wegen „unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Struktur des Meldewesens“ nicht eingebracht wurde.[1][2] Das darin vorgesehene umfangreiche Bundesmelderegister sollte zunächst noch einmal zu einem Bürgerinformationssystem verschlankt werden, was jedoch vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit noch immer als zu umfangreich für eine bundeszentrale Datenspeicherung bewertet wurde. Anfang 2011 war weder ein Bundesmeldegesetz noch ein bundeszentrales Melderegister absehbar.[3] Drucksache 17/7746 vom 16. November 2011, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG), sieht die Schaffung eines Bundesmeldegesetzes vor.[4]
Kontroverse um das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens
Kritik entzündet sich an Paragraf 44 des neuen Bundesmeldegesetzes, das nach der Föderalismusreform die bisherigen Landes- und Bundesregelungen zusammenfasst. Der Paragraf ermöglicht es Inkassofirmen, Adresshändlern oder der Werbewirtschaft, in großem Umfang Daten aus den amtlichen Registern abzufragen – nicht nur Namen und Titel, sondern auch Anschriften, Geburtstage und frühere Namen. Verbraucher können zwar (wie bisher) schriftlich beim Amt Widerspruch einlegen. Eine Ausnahmeregelung im neuen Gesetz weicht das Widerspruchsrecht auf: Es gilt nicht, wenn die Informationen dazu dienen, bereits vorliegende Daten zu bestätigen bzw. zu korrigieren, was allerdings regelmäßig der Fall sein könnte. Dann bliebe dem Verbraucher nur, direkt beim Unternehmen zu widersprechen. Dafür müsse er erst einmal beim Meldeamt in Erfahrung bringen, an wen die Daten überhaupt weitergegeben wurden.[5]
Die Drucksache 17/10158 vom 27. Juni 2012 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) wurde kritisiert,[6][7][8][9][10] da für die Weitergabe der „Daten für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels“[11] keine Zustimmung der betroffenen Person mehr vorliegen muss.[11] Einen Tag nach der Beschlussempfehlung des Innenausschusses wurde der Gesetzentwurf am 28. Juni 2012 in in zweiter und dritter Beratung im Bundestag gegen die Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei[9] angenommen.[12][13] Es wurde festgehalten, dass „[...] zum Zeitpunkt der Abstimmung (EM-Spiel Deutschland – Italien) kaum noch [Abgeordnete] anwesend“ waren.[10]
Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau, die die Abstimmung für beschlussfähig erklärte, obwohl nur 26 [14]Abgeordnete anwesend waren, ist der Meinung: "Der Ausverkauf des Datenschutzes geht weiter. Und das mit Zustimmung der FDP, die sich selbst als freiheitlich und demokratisch rühmt." [15] [16] „Das staatliche Melderegister ist kein Vorratsdatenspeicher für Zwecke der Wirtschaft“, bekräftigte SPD-Chef Sigmar Gabriel, der das Gesetz als gefährlichen Unsinn bezeichnet. Gabriel weiter: "Ich will nicht, dass meine Heimatstadt meine Adresse an Werbefirmen oder professionelle Datensammler verkaufen kann(…). Ich wundere mich ein bisschen, dass der öffentliche Aufschrei der Empörung bislang ausgeblieben ist(…). Leider erfährt die Öffentlichkeit, also der betroffene Bürger, erst NACH der Verabschiedung eines solchen Gesetzes davon. Dann ist es für den Aufschrei leider schon zu spät(…). Eigentlich hatten Union und FDP versprochen, den Datenschutz zu stärken. Die Weitergabe der Daten aus den Einwohnermeldeämtern sollte nur nach ausdrücklicher Erlaubnis der Bürger möglich sein. Doch dann ist die Bundesregierung der Lobby der Datensammler gefolgt: Jetzt wollen Union und FDP den Verkauf von Daten immer erlauben - es sei denn der Bürger widerspricht. Und selbst bei einem glasklaren Widerspruch können Datensammler vorhandene Informationen mit denen in den Einwohnermeldeämtern abgleichen.[17] [18]
Schleswig-Holsteins Landes-Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert kritisierte in der Süddeutschen Zeitung, das neue Recht ermögliche "den privaten Handel mit vom Staat zwangsweise erhobenen Daten in großem Stil". Der Landesbeauftragte für Datenschutz in Bayern Thomas Petri forderte die Landesregierung auf, die neue Vorschrift im Bundesrat zu stoppen. [19]
Andrea Nahles kritisiert in „abgeordnetenwatch.de“, die Regierungskoalition von Union und FDP sei „wieder einmal vor der Adresslobby eingeknickt“. Mit dem Gesetz werde der Datenschutz „für Wirtschaftsinteressen geopfert“. [20] Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die sich von dem neuen Meldegesetz distanziert sagte, im Regierungsentwurf sei ursprünglich "aus guten Gründen" vorgesehen gewesen, dass die Bürger der Weitergabe ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen. "Diese Einwilligungslösung halte ich nach wie vor für den besseren Weg." Außerdem sagte sie: "Nach dem Beschluss des Bundestags sehe ich hier noch Diskussionsbedarf". [21]
Auch der Deutsche Städtetag lehnt das neue Meldegesetz ab: "Unser Interesse geht nicht dahin, mit Adressen zu handeln", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer, Helmut Dedy, der Süddeutschen Zeitung. Der Schutz der Daten der Bürger sei für die Städte ein kostbares Gut. Ein Entgegenkommen gegenüber den Werbern im neuen Bundesmeldegesetz wäre "für uns problematisch". [22] Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, kündigte an, dass seine Partei das Gesetz im Bundesrat aufhalten werde. Auch Grüne und Linkspartei kündigten Widerstand an. [23]
Ummeldung

Die Meldegesetze der Länder haben verschiedene Fristen, in denen ein Umzug beim Einwohnermeldeamt angezeigt werden muss. Üblich ist dabei die Meldepflicht zur Ummeldung innerhalb einer Woche − im Einzelnen fordern die Ländergesetze eine unverzügliche Ummeldung in Rheinland-Pfalz, die Ummeldung innerhalb einer Woche in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen, oder die Ummeldung innerhalb von zwei Wochen in Berlin, Brandenburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen. Seit 1. Januar 2007 ist die Pflicht zur Abmeldung beim alten Einwohneramt entfallen, dies wird durch elektronischen Abgleich durch das Einwohneramt der Anmeldung durchgeführt − die Abmeldung ist nur noch bei einem dauernden Aufenthalt außerhalb Deutschlands notwendig. Von der Ummeldung befreit sind bestimmte Berufsangehörige wie Armeeangehörige − für Schiffer gelten Sonderbestimmungen, nach denen in freier Wahl ein Heimathafen bestimmt werden kann, dessen Meldeamt für die Verwaltung zuständig ist.
Quellen
- ↑ Infobrief der Bundesregierung: Auswirkungen der Föderalismusreform
- ↑ BT-Drucks. 16/7205 Stand der Reform des Melderechts sowie Einführung des Datenaustauschformats X-Meld (3. Dezember 2007)
- ↑ Tätigkeitsbericht 2009 und 2010 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit S. 157, Punkt 12 22. TB Nr. 5.2 und 6.5 Bundesmeldegesetz
- ↑ Drucksache 17/7746 vom 16. November 2011
- ↑ http://www.taz.de/Kritik-am-neuen-Meldegesetz/!96890/
- ↑ "Tritt Aigner jetzt aus dem Meldeamt aus?" heute.de, 8. Juli 2012, abgerufen am 8. Juli 2012.
- ↑ Meldeämter mischen beim Datenhandel mit. tagesschau.de, 4. Juli 2012, abgerufen am 4. Juli 2012.
- ↑ Städte dürfen Daten ihrer Bürger verkaufen. sueddeutsche.de, 7. Juli 2012, abgerufen am 7. Juli 2012.
- ↑ a b Datenschützer rebellieren gegen neues Meldegesetz. Spiegel Online, 7. Juli 2012, abgerufen am 7. Juli 2012.
- ↑ a b Die Heimatstadt soll zum Adresshändler werden. swr.de, 7. Juli 2012, abgerufen am 7. Juli 2012.
- ↑ a b Drucksache 17/10158 vom 27. Juni 2012 unter Buchstabe n)
- ↑ Stenografischer Bericht der 187. Sitzung vom 28. Juni 2012
- ↑ Video zur 187. Sitzung vom 28. Juni 2012 TOP 21 Fortentwicklung des Meldewesens
- ↑ http://www.welt.de/debatte/kommentare/article108124972/Bundestag-verkauft-Buergerrechte-in-nur-57-Sekunden.html
- ↑ http://www.gulli.com/news/19275-bundestag-beschliesst-neues-meldegesetz-2012-07-08
- ↑ http://www.taz.de/Kritik-am-neuen-Meldegesetz/!96890/
- ↑ http://www.spd-net-sh.de/sl/silberstedt/
- ↑ http://me-magazine.info/2012/07/07/neues-melderecht-wenn-die-eigene-gemeinde-zum-adressenhandler-wird/
- ↑ http://www.sueddeutsche.de/digital/handel-mit-daten-aigner-distanziert-sich-von-meldegesetz-1.1406256
- ↑ http://www.derwesten.de/politik/auf-heimliches-meldegesetz-folgt-sturm-der-entruestung-id6857629.html
- ↑ http://www.sueddeutsche.de/digital/handel-mit-daten-aigner-distanziert-sich-von-meldegesetz-1.1406256
- ↑ http://www.sueddeutsche.de/digital/handel-mit-daten-aigner-distanziert-sich-von-meldegesetz-1.1406256
- ↑ http://www.sueddeutsche.de/digital/handel-mit-daten-aigner-distanziert-sich-von-meldegesetz-1.1406256
Weblinks
- Meldegesetz für das Land Baden-Württemberg in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Februar 1996
- Meldegesetz für den Freistaat Bayern in der Fassung vom 8. Dezember 2006
- Meldegesetz für das Land Berlin von 1985 einschließlich Änderungen bis 7. September 2006 (pdf; 195 kB)
- Meldegesetz für das Land Brandenburg in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Januar 2006
- Meldegesetz für das Land Bremen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Dezember 2006
- Meldegesetz für das Land Hamburg in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. September 1996
- Meldegesetz für das Land Hessen in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 2006
- Meldegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Januar 2007
- Meldegesetz für das Land Niedersachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Januar 1998
- Meldegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. September 1997
- Meldegesetz für das Land Rheinland-Pfalz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1982
- Meldegesetz für das Saarland in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Februar 2006 (pdf; 89 kB)
- Meldegesetz für das Land Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Juli 2006
- Meldegesetz für das Land Sachsen-Anhalt in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 2004
- Meldegesetz für das Land Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2004
- Meldegesetz für das Land Thüringen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006