Schlacht an der Jakobsfurt
Die Schlacht an der Jakobsfurt an einer Furt über den Jordan auf dem Gebiet des heutigen Israel dauerte vom 24. bis 30. August 1179. Sie markierte den Wendepunkt bei der Rückeroberung des Heiligen Landes durch die Truppen Saladins.[1] Die noch im Bau befindliche Kreuzfahrerburg Chastellet du Gué de Jacob, deren Bau erst 1178 begann und den Übergang des Jordans beschützen sollte, wurde im Verlauf dieser Schlacht von Saladins Truppen erobert und bis auf die Grundmauern zerstört.
Vorgeschichte
Der seit 1169 in Ägypten regierende arabische Feldherr Saladin war für die Franken einer der potentesten Gegner. Nach der erfolglosen Belagerung von Gaza 1170 und Vorstößen in den Jemen gelang es Saladin 1174, auch in Damaskus eine Herrschaft zu etablieren.[2] Zeitgleich erodierte die Führungskraft der Franken, da 1174 der König von Jerusalem Amalrich I. verstarb. Sein noch minderjähriger Sohn Balduin IV., der daraufhin den Thron bestieg, konnte nur eingeschränkt den Regierungsgeschäften nachgehen.[3] Innere Machtstreitigkeiten bezüglich einer zukünftigen Thronfolge, da Balduin IV. aufgrund einer Lepraerkrankung als heiratsunfähig galt, banden zusätzliche Kräfte. Die Chancen, Saladin wirksam entgegenzutreten, waren unter diesen Umständen gering.[4] Trotz allem konnte Balduin IV. am 25. November 1177 bei Montgisard anfänglich einen großen Schlachterfolg verbuchen, in dessen Folge Saladin die Flucht nach Ägypten antrat und von dort erst im Spätfrühling 1178 nach Damaskus zurückkehrte, um mit dem dortigen Heer fränkische Gebiete unter Druck zu setzten.[5]
Geostrategische Bedeutung
Hauptaufgabe der Kreuzfahrerburgen war die Absicherung der von den Franken eroberten Gebiete an strategisch günstigen Stellen. Da die Überquerung des Jordans, der eine natürliche Verteidigungslinie bildete, durch eine heranrückende Streitmacht nur an einigen Furten möglich war, war die Positionierung von Kreuzfahrerburgen an diesen Stellen strategisch besonders günstig. Die nördlich des Sees Genezareht gelegene Jakobsfurt, die für die Kreuzfahrer zudem religiöse Bedeutung besaß, da nach biblischer Überlieferung Jakob seinen Bruder Esau an dieser Stelle traf,[6] war in mehrfacher Hinsicht von strategischer Bedeutung. Zum einen lag sie für die damalige Zeit nur eine Tagesreise von Damaskus entfernt und setzte somit das dort von Saladin stationierte Heer unter Druck, zum anderen war die Furt der Überquerungspunkt für einen der Hauptverkehrswege von Damaskus nach Akkon. In dieser Funktion konnte eine Kontrolle der Furt die Kommunikation zwischen Damaskus und Saladins Hauptstützpunkten in Ägypten empfindlich beeinträchtigen.[6] Darüber hinaus hätte eine wirksame Kontrolle der Jakobsfurt ein schnelles Eindringen feindlicher Kräfte in Galiläa verhindert und die südwestlich gelegene Templerburg Safed vor einer direkten Bedrohung bewahrt.
Chastellet an der Jakobsfurt

Die Planungen, den Übergang an der Jakobsfurt mit einer mächtigen Kreuzfahrerburg nach den damals modernsten Maßstäben zu sichern, wurden von Balduin IV. ab dem Jahre 1178 mit großer Anstrengung vorangetrieben.[7] Nach Wilhelm von Tyrus versuchte Balduin seit dem Oktober 1178, unter Einsatz eines Großteils des Jerusalemer Heeres und noch vor der Mobilisierung von Saladins Truppen in Damaskus, das Westufer des Jordans mit der neu gegründeten Burg Chastellet zu sichern. Auf einem kleinen Hügel gelegen, mit dem Haupttor zur Südseite und drei weiteren Toren zu den anderen Seiten, sollte die Burg vermutlich eine doppelte Ummauerung erhalten.[8] Vorbildcharakter bei den Planungen dürfte die uneingenommene Festung Krak des Chevaliers gehabt haben, die mit ihren Verteidigungstürmen und kaum zu erobernder doppelter Ummauerung als eine der bestgeschützten Festungen galt. Zu einer Fertigstellung kam es jedoch nie, da Saladin die Bedrohung erkannte und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriff. Zwar wird in dem mittelalterlichen Bericht des Wilhelm von Tyrus die Fertigstellung der Festung etwa sechs Monate nach Baubeginn postuliert, jedoch kann diese Darstellung nicht durch neuere archäologische Untersuchungen gestützt werden, die darauf hindeuten, dass die Festung vor der Belagerung durch Saladins Truppen nur notdürftig und in großer Eile abgedichtet wurde.[9] Die Existenz von mehreren Verteidigungstürmen und einer zweiten Mauer konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden und erscheint angesichts der Bauzeit als nicht sehr wahrscheinlich. Zur Zeit der Belagerung war vermutlich nur ein Turm fertiggestellt.[10]
Die Schlacht bei der Jakobsfurt und der Sieg Saladins
Bevor Saladin sich zu einer direkten Konfrontation gegen das an der Jakobsfurt stationierte Heer entschloss, welche eventuell hohe Verluste mit sich gebracht hätte, versuchte er auf diplomatischem Wege Balduin IV. von dem weiteren Ausbau der Festung abzuhalten. Da eine vollständig ausgebaute Festung wie Krak des Chevaliers eine ernsthafte Bedrohung sowohl für Damaskus als auch für den weiteren Fortgang der Eroberungen darstellte, versuche Saladin Balduin IV. mit der Zahlung von hohen Geldsummen von dem Bauvorhaben abzubringen. Ein erstes Gebot von 60.000 Dinaren lehnte Balduin ab, sodass Saladin sich genötigt sah, die Summe auf 100.000 Dinar zu erhöhen.[11] Als auch dieses Angebot von Balduin abgelehnt wurde, entschloss sich Saladin, so schnell wie möglich mit seinen Truppen aus Damaskus einzugreifen und die Burg zu belagern. Aufgrund der Erfahrung bei Montgisard scheute Saladin einen unüberlegten Frontalangriff auf das vollständig versammelte Jerusalemer Heer. In den Monaten vor der eigentlichen Belagerung versuchten deshalb beide Seiten, die Stärke des Gegners einzuschätzen, indem sie kleinere Kampfhandlungen im Umland austrugen.[12] Ende April 1179 unternahm Saladin zum ersten Mal den Versuch, die an der Jakobsfurt gelegene Burg Chastellet zu belagern, musste jedoch aufgrund starker Gegenwehr bereits nach wenigen Tagen den Rückzug in sein vor Banyas gelegenes Feldlager antreten. Von dort aus startete er Überfallangriffe auf die Nahrungsmittelversorgung in Galiläa und den Libanon.[13] Balduin sammelte sein Heer und versuchte, Saladin daran zu hindern, musste jedoch in zwei Schlachten so große Verluste hinnehmen, dass er sich nach Jerusalem zurückzog, um sein Heer neu aufzustellen. Beispielsweise wurde der Großmeister des Templerordens Odo von St. Amand zusammen mit 270 Tempelrittern gefangen genommen.[14] Dieses Zeitfenster nutzte Saladin, um die Burg Chastellet, noch vor dem Eintreffen von Balduins Heer, welches von der nahe gelegene Stadt Tiberias am See Genezareth mit Truppenverstärkung angreifen sollte, einzunehmen. Am 24. August 1179 attackierte Saladin mit einem groß aufgestellten Heer aus Damaskus die mit dem Bau beschäftigten Arbeiter von Chastellet. Schätzungen zu Folge verschanzten sich darauf hin 1500 Mann des Jerusalemer Heeres in der noch unausgebauten Burg und leisteten den Truppen Saladins mittels Fernkampfeinheiten Widerstand.[15] Auch wurden noch nicht fertiggestellte Mauerbereiche notdürftig barrikadiert. Saladin eröffnete die Belagerung und setzte die in der Burg befindlichen Franken einem massiven Pfeilbeschuss durch arabische Bogenschützen aus, die sich östlich und südlich der Burg positionierten. Auf der östlichen Seite des Jordans ließ er ein Zeltlager errichten, um einerseits Holz für die Belagerung zu sammeln und anderseits die Burg mit schweren Belagerungswaffen zu beschießen.[16] Während sich die Franken innerhalb der Burg verbarrikadierten, wurde die Mauer auf der nordöstlichen Seite von den muslimischen Truppen unterminiert. Die hölzernen Stützbalken des in kürzester Zeit angelegten Tunnels ließ Saladin in Brand stecken, woraufhin der Tunnel beim zweiten Versuch kollabierte und die darüber befindliche Mauer zum Einsturz brachte.[17] Der erste Versuch schlug fehl, da der Tunnel nur eine ungenügende Länge und Breite aufwies. Zur schnellen Löschung des ersten Brandes versprach Saladin jedem Wasserträger einen Dinar für jede Wasserladung, da die Zeit drängte, denn Balduin IV. war bereits mit einem großen Heer unterwegs.[18] Nach nicht einmal fünftägiger Belagerung gelang es am 29. August 1179 dem arabischen Heer schließlich, durch die geschlagene Mauerbresche in die Festung einzudringen und die dort befindlichen Franken noch vor Ankunft der Verstärkung aus Tiberias zu überwältigen.[19] Angenommen wird, dass im Verlauf der Schlacht etwa 800 Franken getötet und 700 gefangen genommen wurden, darunter auch viele Handwerker, die vorher noch mit dem Ausbau der Burg beschäftigt gewesen waren.[19] Wie hoch die Verluste auf Seiten der Truppen Saladins waren, ist bis heute unbekannt.
Nach der Schlacht
Ein großer Teil der gefangen genommenen Franken wurde von Saladin, welcher sonst einen eher milden Umgang mit Gefangenen pflegte, exekutiert. Gerade Fernkämpfer konnten von Saladin kein gnädiges Urteil erwarten, da sie für die hauptsächlichen Verluste auf muslimischer Seite verantwortlich waren. Die Vernehmung der Gefangenen übernahm Saladin persönlich und verurteilte neben fränkischen Kämpfern ebenfalls Muslime zum Tode, die zum Christentum konvertiert und den Templern behilflich waren.[19] Um die Festung nachhaltig zu zerstören, ließ er die toten Körper seiner Feinde in die Zisterne der Burg werfen, um das Wasser zu vergiften.[19] Ebenso ließ er die Mauern der Burg schleifen und den Rest in Brand setzen und verkündete somit der heranrückenden Verstärkung aus Tiberias, die lediglich 6 Stunden zu spät kam,[20] ihre Niederlage. Für Balduin IV. bedeutete der Verlust von Chastellet eine tiefe persönliche Niederlage. Ein erneuter Versuch, die Jakobsfurt zu befestigen, wurde nicht mehr unternommen.
Literatur
- Ronnie Ellenblum: Frankish Rural Settlement in the Latin Kingdom of Jerusalem. Cambridge University Press, Cambridge 1998, ISBN 0521521874, S. 270–277.
- David Nicolle: Crusader Castles in the Holy Land 1097–1192. Osprey, Oxford 2004, ISBN 1841767158, S. 53–56.
- Joshua Prawer: The Latin Kingdom of Jersusalem. European colonialism in the Middle Ages. Weidenfeld and Nicolson, London 1972. ISBN 0297993976
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ronnie Ellenblum: Crusader Castles and Modern Histories. Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 0521860830, S. 273.
- ↑ Hans Eberhard Mayer: Geschichte der Kreuzzüge. Kohlhammer, Stuttgart 2005, ISBN 3170186795, S. 151–152.
- ↑ Mayer, S. 156–157.
- ↑ Mayer, S. 160–161.
- ↑ Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge. C.H.Beck, München 2005, ISBN 3423046708, S. 718–719.
- ↑ a b Malcolm Barber: Jacob's Ford. In: Alan V. Murray: The Crusades. An Encyclopedia. ABC-CLIO, Santa Barbara 2006, ISBN 1576078620, S. 649.
- ↑ Ellenblum, S. 264.
- ↑ Ellenblum, S. 264–265.
- ↑ Ellenblum, S. 264.
- ↑ Thomas Asbridge: The Crusades. War for the Holy Land. Simon & Schuster, London 2010, ISBN 0743268601, S. 312.
- ↑ Asbridge, S. 312.
- ↑ Runciman, S. 719–720.
- ↑ Runciman, S. 720.
- ↑ Asbridge, S. 313.
- ↑ Ellenblum, S. 271–273.
- ↑ Ellenblum, S. 271.
- ↑ Asbridge, S. 313.
- ↑ Ellenblum, S. 272.
- ↑ a b c d Ellenblum, S. 273.
- ↑ Asbridge, S. 314.