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Pocken

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Pocken, auch Blattern genannt, sind eine gefährliche Infektionskrankheit, die durch Viren übertragen wird. Seit 1977 sind keine Pockenfälle mehr aufgetreten. Dies konnte durch ein konsequentes Impf- und Bekämpfungsprogramm der WHO und anderer Gesundheitsorganisationen erreicht werden.

Erreger

Die Erreger der Pocken beim Menschen sind Viren aus der Gattung Orthopoxvirus. Es gibt verschiedene Varianten der Pocken:

Pockenkrankheiten beim Menschen

Erkrankung


medizinischer Name

Erreger

Sterblichkeit

echte Pocken

Variola vera,
Variola major

Orthopoxvirus variola

10-90%, je nach Stamm

Weiße Pocken

Variola minor,
Alastrim

Orthopoxvirus alastrim

1%

Ostafrikanische Pocken

?

?

5%

Neben den menschlichen Pockenerkrankungen gibt es auch bei einer Reihe von Tieren Erkrankungen von verwandten Viren, z.B. Affen-, Büffel-, Esel-, Kamel-, Kaninchen-, Katzen-, Maulesel-, Mäuse-, Pferde-, Schaf-, Schweine-, Vogel- und Ziegenpocken. Einige dieser Viren können auch den Menschen befallen, lösen aber nur leichte Erkrankungen aus.

Von besonderer Bedeutung ist der Erreger der Kuhpocken Orthopoxvirus vaccinia, der mit dem Variolavirus eng verwandt ist, beim Menschen aber nur eine leichtere Krankheit auslöst. Dafür ist der Patient nach einer Ansteckung mit Kuhpocken gegen die echten Pocken immunisiert. Deshalb wurden Varianten von Vaccinia für die Pockenimpfung verwendet.

Krankheitsverlauf

Datei:Pocken.jpg

Pocken können direkt von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion beim Husten übertragen werden. Daneben kann die Ansteckung auch durch Einatmen von Staub erfolgen, der z.B. beim Ausschütteln von Kleidung oder Deckung von Pockenkranken entsteht.

Die Inkubationszeit beträgt ein bis zweieinhalb Wochen, meistens jedoch 12-14 Tage. Die Viren befallen zunächst den Nasen- und Rachenbereich und werden danach vom Blut über den ganzen Körper verteilt, wodurch starkes Fieber und Schüttelfrost ausgelöst werden. Etwa vier Tage nach den ersten Anzeichen tritt der typische Ausschlag auf. Es bilden sich Bläschen an fast allen Stellen des Körpers, wobei Kopf, Hände und Füße am stärksten, Brust, Bauch und Oberschenkel nur schwach betroffen sind, während in den Achselhöhlen und Kniekehlen praktisch keine Bläschenbildung auftritt.

Die Flüssigkeit in den Bläschen trübt sich und es entstehen eitrige Pusteln, die einen sehr unangenehmen Geruch verbreiten. Bei einem weniger schweren Krankheitsverlauf trocken die Pusteln etwa zwei Wochen nach Ausbruch der Krankheit nach und nach ein und hinterlassen deutlich erkennbare Narben. In schwereren Fällen können Erblindung, Taubheit, Lähmungen oder Hirnschäden auftreten. Oft genug verläuft die Krankheit jedoch tödlich. ( Geschätzte Mortalität der unbehandelten Pocken ca 30 % )

Gegen Pocken gibt es kein Heilmittel, nur eine vorbeugende Impfung ist möglich. Die Impfung kann auch noch circa 5 Tage nach der Infektion schützen.

Die Pockenimpfung ist eine Lebendimpfung und ist durch eine Reihe von Impfkomplikationen belastet, so dass nur bei eindeutigen Pockenausbrüchen geimpft werden sollte.

Nach Meinung von Experten würde eine Massenimpfung der deutschen Bevölkerung mehr Opfer fordern als eine früh erkannte Pockeninfektion, die dann konsequent und unter Quarantäne behandelt werden würde. Eine Massenimpfung ist z.B. in den USA gar nicht vorgesehen - die dortigen Notfallpläne sehen nur eine Impfung der gefährdeten Personen vor.

Quarantänemaßnahmen ( = Isolierung von Kranken und Krankheitsgebieten ) haben sich gegen die Pocken bewährt und sind eine notwendige Maßnahme der Eindämmung der Erkrankung.

Historisches

Pocken sind schon seit Jahrtausenden bekannt. Die Mumie von Pharao Ramses II. von Ägypten zeigt deutliche Pockennarben. Die europäischen Eroberer brachten die Pocken nach Amerika mit, wo sie unter den Ureinwohnern (Indianer) verheerende Epidemien auslösten, die Millionen von Toten forderten. In Nordamerika wurden die Pocken auch als Waffe eingesetzt, indem Decken von Pockenopfern an Indianer verschenkt wurden.

In Europa galten Pocken teilweise als Kinderkrankheit. Ab dem 18. Jahrhundert häuften sich die Pockenfälle und lösten die Pest als schlimmste Krankheit ab. Nach Schätzungen starben jedes Jahr 400.000 Menschen an Pocken. Oft zählten Kinder erst zur Familie, wenn sie die Pocken überstanden hatten. Berühmte Persönlichkeiten wie Mozart, Haydn, Beethoven oder Goethe blieben von der Krankheit nicht verschont.

Einfache Formen der Impfung sind schon lange bekannt. Die vorbeugende Ansteckung mit geringen Mengen von Variolaviren, heute Variolation genannt, ist schon seit mindestens 3000 Jahren aus China bekannt, wo zerriebener Schorf der Pusteln geschnupft wurde. In Indien dagegen wurde dieses Material in die Haut eingeritzt. In Europa führte Lady Montagu, die Frau des britischen Diplomaten in Istanbul, die Variolation durch Einritzen von etwas Flüssigkeit aus den Pockenbläschen in die Haut ein.

Die zweite, sicherere Impfmethode wurde 1796 von Edward Jenner in England eingeführt. Er glaubte der Landbevölkerung, die berichtete, dass Menschen, die von Kuhpocken angesteckt worden waren, nicht mehr die echten Pocken bekommen könnten. Zur Überprüfung dieser These infizierte Jenner einen Jungen zunächst mit Kuhpocken und, nach Abklingen der Krankheit, mit den echten Pocken. Der Junge überlebte. Dieses Verfahren wird, nach den verwendeten Vaccinia-Viren, Vakzination genannt. Das Wort vaccination bedeutet heute im Englischen Impfung ganz allgemein, auch bei uns werden Impfstoffe Vakzine genannt. In vielen Ländern wurde die Impfung von Kleinkindern und auch die Nachimpfung nach etwa 12 Jahren gesetzlich vorgeschrieben.

Noch in den 50er und 60er Jahren gab es in verschiedenen europäischen Ländern Pockenepidemien, so z.B. 1950 in Glasgow, 1957 in Hamburg oder 1967 in der Tschechoslowakei. Ab 1967 wurde mit groß angelegten Impfaktionen ein weltweiter Feldzug zur Ausrottung der Pocken gestartet. Der letzte Pockenfall in Deutschland trat 1975 (nach anderen Quellen 1972) auf, der weltweit letzte Fall wurde in Somalia 1977 dokumentiert. Am 8. Mai 1980 wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, dass die Pocken ausgerottet sind.

Seitdem gibt es, zumindest offiziell, nur noch zwei Orte, an denen Pockenviren lagern, nämlich das Forschungszentrum der amerikanischen Seuchenbehörde CDC (Center for Disease Control) in Atlanta und ihr russisches Gegenstück in der Nähe von Nowosibirsk. Über eine Vernichtung der letzten Bestände wird nachgedacht, wegen der hohen Eignung der Pockenviren für Biowaffen konnte man sich jedoch noch nicht dazu durchringen.

Die meisten Staaten hoben ab den 70er Jahren die Pockenimpfpflicht wieder auf (in Deutschland 1975 die Erstimpfung für Kleinkinder und ein Jahr später die Wiederimpfung für Zwölfjährige), da auch die Impfung nicht völlig risikofrei ist. Nach Erfahrungswerten aus den 50er und 60er Jahren rechnet das CDC mit 15 lebensbedrohlichen Komplikationen und zwei Todesfällen pro einer Million Geimpfter.