Zum Inhalt springen

Wahn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. April 2004 um 11:09 Uhr durch Bernhard55 (Diskussion | Beiträge) (typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Dieser Artikel befasst sich mit der Erkrankung Wahn. Weiteres siehe: Köln (Wahn).


Als Wahn bezeichnet man eine Überzeugung, die objektiv der Realität widerspricht und die nicht von der Mehrheit der Menschen geteilt wird, von der der Betroffene aber trotz aller Gegenbeweise nicht abzubringen ist. Es gibt auch Wahnthemen bei denen kein Gegenbeweis möglich ist ("ich bin ein Prophet und Gott hat mich ausgewählt der Menschheit zu predigen"). Ein wichtiges Merkmal ist die extreme Gewissheit mit der der Betroffene daran festhält. Ein Wahn ist, etwa im Gegensatz zum Aberglauben, auch nicht durch den soziokulturellen Hintergrund des Betroffenen erklärbar. Wahngedanken werden in der Psychiatrie auch als inhaltliche Denkstörungen bezeichnet.

Ursachen

Wahnsymptome sind Zeichen einer psychischen Störung, beispielsweise bei einer schizophrenen Psychose, jedoch ebenso bei einer Vielzahl anderer psychischer Störungen wie der (endogenen) Depression, Manie, anhaltenden wahnhaften Störung (entspricht in etwa der älteren Bezeichnung Paranoia), ebenso auch bei Demenzen und weiteren psychischen Erkrankungen mit diagnostizierbarer organischer Ursache. Für Schizophrenien sind eher bizarre Wahninhalte, meist ohne wirklich logischen Zusammenhang typisch, ebenso Erklärungswahn der andere Symptome der Schizophrenie (wie akustische Halluzinationen) für den Betroffenen plausibler macht.

Ausprägungen

Teilweise werden von den Betroffenen ausgefeilte und umfassende "Wahngebäude" errichtet, in die das alltägliche Erleben einbezogen und umgedeutet wird ("das parkende Auto da draußen dient nur dazu, eine Abhöranlage zu tarnen"). Man spricht dann auch von systematisiertem Wahn, der in sich durchaus eine gewisse Logik aufweisen kann. Manchmal beschränkt sich die Wahnsymptomatik aber auch auf ein einziges und scharf umgrenztes Gebiet ("Frau X ist eine Hexe"), und die Betroffenen stehen ansonsten durchaus "auf dem Boden der Tatsachen". Häufig sind auch Verfolgungswahn (z.B. "ich werde von Agenten verfolgt und beobachtet"), Beziehungswahn (der Betroffene bezieht Dinge auf sich, die mit ihm gar nichts zu tun haben, etwa: "die Nachrichten enthalten versteckte Anspielungen auf mich"), Sendungswahn ("ich muss die Menschheit erlösen").

Bei der anhaltenden wahnhaften Störung ist der Wahninhalt in sich relativ schlüssig und nicht bizarr. Tatsächliche Ereignisse werden einbezogen. Es kann ein komplexes, in sich geschlossenes Wahnsystem entstehen, dann spricht man auch von Paranoia. Es handelt sich in diesem Fall nicht um eine schizophrene Psychose; die Betroffenen weisen keine sonst für die Schizophrenie typischen Symptome auf (Halluzinationen, Ich-Störungen, formale Denkstörungen usw.). Sie erscheinen geordnet, logisch und bis auf den Wahn psychisch völlig unauffällig. Typisch ist z.B. eine Überzeugung, dass andere Menschen sich gegen die betroffene Person verschwören, hinter dem Rücken über sie reden und Komplotte schmieden. Dies alles wird mit logischen Argumenten und tatsächlichen Ereignissen ausgebaut. Die anhaltende wahnhafte Störung ist oft chronisch und kaum behandelbar.

Für eine Depression mit Wahnsymptomen sind z.B. ein Verarmungswahn (der Betroffene glaubt sich völlig verarmt, obwohl sich an seiner finanziellen Situation objektiv nichts verändert hat), ein Schuldwahn, d.h. der Betroffene meint er habe Schuld an einer Katastrophe ("das World Trade Center ist meinetwegen eingestürzt) oder ein Versündigungswahn ("ich bin der schlimmste Sünder dieser Welt und ich verdiene die Strafe Gottes") typisch.

Für eine Manie dagegen sind eher Größenwahn und ähnliche Themen kennzeichnend. Ein Maniker glaubt etwa, er sei der genialste und begabteste Mensch, ein hochbegabter Künstler, ein genialer Musiker mit großem Talent, und kauft sich daraufhin einen teuren Flügel, obwohl er noch nie im Leben Klavier gespielt hat oder er mietet ein Atelier. Auch Erfinderwahn kommt vor.

Wenn der Wahninhalt in dieser Weise mit der Stimmung des Betroffenen übereinstimmt, spricht man auch von einem synthymen Wahn. Ein dysthymer Wahneinfall passt dagegen inhaltlich nicht zur psychischen Gestimmtheit.

Eifersuchtswahn (grund- und maßlose Eifersucht bezüglich des Lebenspartners) ist häufig bei fortgeschrittener Alkoholkrankheit.

Personen mit Demenzen können ebenfalls Wahnsymptome zeigen. Häufig ist dabei die wahnhafte Überzeugung, von anderen Menschen bestohlen zu werden, aber auch andere Wahnthemen.

Ebenfalls möglich ist ein so genannter induzierter Wahn, eine sehr seltene Störung. Hier übernimmt ein enger Angehöriger, der viel Zeit mit einem unter einer Wahnsymptomatik (unterschiedlicher Ursache) leidenden kranken Menschen verbringt, meist also der Lebenspartner, die Wahnideen des Kranken. Bei einer vorübergehenden Trennung der Personen bildet sich dann die wahnhafte Symptomatik bei der Person mit dem induzierten Wahn rasch zurück.

Umgang mit Wahn

Es ist sinnlos, einen Betroffenen von seiner wahnhaften Überzeugung abbringen zu wollen. Für den Erkrankten besteht eine "Wahngewissheit", er braucht keine Beweise für seinen Wahn. Gegenbeweise werden unerschütterlich ignoriert oder in den Wahn eingefügt ("die haben die Kamera, die mich ausspioniert, jetzt woandershin gebracht"). Es ist ja gerade das Kennzeichen des krankhaften Wahns, dass sich dieser vom Betroffenen nicht rational überprüfen lässt.

Man sollte also den Wahn weder angreifen, noch sich auf den Wahninhalt einlassen und so tun, als ob er real sei (dies kann allenfalls zu einer kurzfristigen Entspannung führen). Stattdessen sollte man anerkennen, dass der Wahninhalt für den Betroffenen eine Realität darstellt, und dass dieser dadurch meistens sehr belastet und geängstigt ist.

Falls der Betroffene sich aggressiv oder ablehnend verhält, sollte man dies also keinesfalls auf sich persönlich beziehen; die Überzeugung, etwa verfolgt, bedroht oder unrettbar verloren zu sein, löst beim Betroffenen natürlich dramatische psychische und emotionale Folgen aus.

Eine Behandlung ist aufgrund der fehlenden Einsicht nicht immer einfach. Gelegentlich kann ein Patient durch Angehörige oder den Arzt trotz Uneinsichtigkeit dennoch zur Behandlung motiviert werden. Teilweise besteht auch eine so genannte doppelte Buchführung, d.h. der Patient hält am Wahn fest (und meint beispielsweise, er würde von außerirdischen Wesen verfolgt) hat aber gleichzeitig eine gewisse Krankheitseinsicht, begibt sich selbst in Behandlung und nimmt seine Medikamente regelmäßig. Wenn eine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht und keine Einwilligung zur Behandlung vorliegt, muss diese zwangsweise erfolgen.

Behandlung

Die Behandlung ist je nach zugrundeliegender Erkrankung (z.B. Schizophrenie, Depression, Manie) unterschiedlich. Wichtig ist, dass die genaue Diagnose abgeklärt wird, um eine sinnvolle Behandlung zu gewährleisten. Prinzipiell kommen bei Wahn unterschiedlicher Art Neuroleptika aufgrund ihrer antipsychotischen Wirkung in Frage. Bei Erkrankungen wie Depression und Manie erfolgt dies dann meist zusätzlich zur antidepressiven bzw. antimanischen Medikation. Mit Hilfe von Neuroleptika lässt sich oft eine rasche Besserung der Wahnsymptomatik erzielen. Bestimmte Wahnformen, wie z.B. Wahn im Rahmen einer anhaltenden wahnhaften Störung können aber auch weitgehend therapieresistent sein.