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Hans Kelsen

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Hans Kelsen (* 11. Oktober 1881 in Prag im damaligen Österreich-Ungarn; † 19. April 1973 in Berkeley, USA) gilt als einer der bedeutendsten Juristen des 20. Jahrhunderts. Er erbrachte insbesondere im Staatsrecht, Völkerrecht sowie als Rechtstheoretiker herausragende Beiträge. Er zählte gemeinsam mit Georg Jellinek und dem Ungar Felix Somlo zur Gruppe der österreichischen Rechtspositivisten.

Leben

Hans Kelsen entstammte einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Prag. Der Vater Adolf Kelsen (1850-1907) stammte aus Brody (Ostgalizien), seine Mutter Auguste Löwy (1860-1950) aus Neuhaus (Böhmen). Die Familie zog später nach Wien, wo er zuerst die evangelische Volksschule, dann das Akademische Gymnasium in Wien besuchte. Kelsen trat aus rein pragmatischen Gründen 1905 zum römisch-katholischen Glauben über.

Kelsen studierte in Wien Rechtswissenschaften und habilitierte 1911 in Staatsrecht und Rechtsphilosophie. Kelsen besuchte auch ein Seminar in Heidelberg, wo er dem Staatsrechtsprofessor Georg Jellinek (1851-1911) begegnete. 1912 verehelichte sich Kelsen mit Margarete Bondi. Das Ehepaar hatte zwei Kinder.

Hans Kelsen war zunächst Professor in Wien (ab 1917 ao Professor, ab 1919 Ordinarius) und Köln (ab 1930) und später, zunächst in Genf (ab 1933) und im folgenden nach seiner Emigration in die USA (1940), in Berkeley.

Kelsen stand politisch der Sozialdemokratie nahe und vertrat nach außen ein interessenpluralistisches Bild der Demokratie.

Kelsen war der Begründer der Reinen Rechtslehre (philosophisch stand er dem Neukantianismus nahe), mit der er den Rechtspositivismus auf eine neue theoretische Grundlage stellte, und ist der Haupt-Verfasser der österreichischen Bundesverfassung von 1920 (B-VG 1920). Die durch ihn maßgeblich beeinflusste Verfassungsgerichtsbarkeit hatte Beispielwirkung für ganz Europa. Er bekam elf Ehrendoktorate (Utrecht, Harvard, Chicago, Mexico, Berkeley, Salamanca, Berlin, Wien, New School of Social Research New York, Paris, Salzburg) für sein Lebenswerk.

Geistige Antipoden waren Carl Schmitt, Hermann Heller oder Rudolf Smend, die ein stärker soziologisches, manchmal auch als "geisteswissenschaftlich" bezeichnetes Rechtsverständnis hatten (s. auch Der juristische und der „soziologische“ Staatsbegriff in der Weimarer Staatstheorie).

Rechtspositivismus

Hans Kelsen vertrat eine rein formalistische Sicht. Für ihn kam es für die Geltung eines Gesetzes nicht auf den Inhalt, sondern nur auf die Form an ("Auch das ungerechteste Gesetz ist für uns verbindlich, solange es nur in der richtigen Form vorbereitet und beschlossen wurde"). Gegner dieser formalistischen Sichtweise wird etwas später unter anderem Gustav Radbruch (1950) sein. Während andere Rechtspositivisten aber angesichts der Eindrücke des Nazi-Regimes abschwächten und bei ihren Begründungen auch auf das Naturrecht mit seinen allgemeingültigen Regeln zurückgriffen, hält Kelsen an der Reinheit fest.

Während dies auf den ersten Blick unverständlich erscheint, muß man bedenken, dass diese klare dogmatische Trennung es ermöglichte, daß Recht und Moral in der Lehre komplett getrennt werden. Kelsen selbst meinte, er stehe für eine "von aller politischen Ideologie und allen naturwissenschaftlichen Elementen gereinigten" Rechtstheorie.

Das Problem der Kontroverse zwischen Form und Inhalt der Gesetze ist in Deutschland durch die Mauerschützenprozesse (Befehlsnotstand) wieder in das Bewusstsein der Menschen gerückt.

Zitate

  • Aber nicht minder häufig kann man hören: Die Reine Rechtslehre sei gar nicht imstande, ihre methodische Grundforderung zu erfüllen und sei selbst nur der Ausdruck einer bestimmten politischen Werthaltung. Aber welcher? Faschisten erklären sie für demokratischen Liberalismus, liberale oder sozialistische Demokraten halten sie für einen Schrittmacher des Faschismus. Von kommunistischer Seite wird sei als Ideologie eines kapitalistischen Etatismus, von nationalistisch-kapitalistischer Seite bald als krasser Bolschewismus, bald als versteckter Anarchismus disqualifiziert ... Kurz, es gibt überhaupt keine politische Richtung, deren man die Reine Rechtslehre noch nicht verdächtigt hätte. Aber das gerade beweist besser, als sie es selbst könnte: ihre Reinheit.
  • Die Suche nach dem Geltungsgrund einer Norm kann nicht, wie die Suche nach der Ursache einer Wirkung, ins Endlose gehen. Sie muß bei einer Norm enden, die als letzte, höchste vorausgesetzt wird. Als höchste Norm muß sie vorausgesetzt sein, da sie nicht von einer Autorität gesetzt sein kann, deren Kompetenz auf einer noch höheren Norm beruhen müßte. ... Eine solche als höchste vorausgesetzte Norm wird hier als Grundnorm bezeichnet.
  • Demokratie ist die jenige Staatsform, die sich am wenigsten gegen ihre Gegner wehrt. Es scheint ihr tragisches Schicksal zu sein, daß sie auch ihren ärgsten Feind an ihrer eigenen Brust nähren muß.

Hauptwerke

  • Reine Rechtslehre (1934; 2.Aufl. 1960)
  • Allgemeine Theorie der Normen
  • Österreichisches Staatsrecht
  • Vom Wesen und Wert der Demokratie (1920; 2.Aufl. 1929)
  • Allgemeine Staatslehre
  • Principles of International Law
  • Was ist Gerechtigkeit?
  • Der soziologische und der juristische Staatsbegriff (1928)
  • Hauptprobleme der Staatslehre, Wien 1993

Siehe auch

Rechtspositivismus

Wiener Schule (Rechtswissenschaft).