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Würzburger Lügensteine

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Bei den Würzburger Lügensteinen handelt es sich um gefälschte Fossilien, die Anfang des 18. Jahrhunderts in erheblicher Anzahl dem ahnungslosen Würzburger Professor Johannes Bartholomäus Adam Beringer, vermutlich von seinen Kollegen J. Ignatz Roderick und Georg von Eckhart untergeschoben wurden.

Beringer war Doktor der Medizin und Philosophie sowie Leibarzt des Fürstbischofs von Würzburg, ein begeisterter Naturalien- und Kuriositätensammler und hatte eine große Sammlung von Fossilien angelegt, die er ankaufen ließ oder von Exkursionen in die nahegelegenen Steinbrüchen mitbrachte. Im Jahre 1725 wurden ihm von zwei Jungen (oder Studenten) mehrere gefälschte Versteinerungen aus Kalkstein zugetragen. Später fand Beringer selbst solche Steine, die eigens dazu an seinen Steinbrüchen versteckt worden waren. In der Folge wurden immer mehr davon gefunden - insgesamt bis zu 2000 Stück, von denen bis heute ca. 450 Exemplare erhalten sind.

Die Steine zeigen Pflanzen, Tiere, aber auch andere Motive wie z.B. Sterne, mythologische Zeichen etc., die per Hand in Kalkstein gefeilt waren. Die Herkunft der Steine ist bis heute nicht geklärt, aufgrund ihrer hohen Zahl ist aber wahrscheinlich, daß ihre Anfertigung bei Handwerkern in Auftrag gegeben wurde. Manche dieser Steine weisen humoristische Motive auf, wie beispielsweise kopulierende Frösche oder Fliegen, die nicht im Skelett, sondern in Form naiver Relief-Arbeiten gestaltet sind. Viele Insekten sind zu sehen, darunter eine versteinerte Made, die genau in eine Bohrung im Gestein paßt, sowie Wirbeltiere, die aus einem Loch aus dem Stein hervor schauen. Auf einen heutigen Betrachter wirken diese Fälschungen plump, ja geradezu lächerlich. Berücksichtigt man jedoch, dass in der damaligen Zeit nur die bloße Existenz von Fossilien bekannt war, aber niemand etwas über ihre wahre Natur wußte, erklärt sich, weshalb auch Beringer die Fälschungen zunächst nicht erkannte. Auch die Fossilisationslehre war nicht entwickelt, sodaß einem damaligen Naturalisten ein versteinertes Skelett als ebenso möglich erschien wie die Versteinerung eines vollständig erhaltenen Körpers oder auch eines Symbols.

Beringer selbst hat zunächst an der Echtheit der Steine fest gehalten und sie mit allen ihm verfügbaren Argumenten verteidigt. Im Jahre 1726 veröffentlichte er seine „Entdeckungen“ in einem aufwendig gestalteten Buch mit dem Titel „Lithographiae Wirceburgensis“, in dem er die Funde mit detailreichen Zeichnungen katalogisierte und gemeinsam mit echten Fossilien beschrieb. Der Vorwurf der Fälscherei muß ihm zu diesem Zeitpunkt aber bereits bekannt gewesen sein, denn er wies darauf hin, daß die Steine nicht nur von ihm, sondern auch von „Ungläubigen“ selbst im Steinbruch gefunden wurden, die er auf Exkursionen eingeladen hatte. Erst als er einen Stein entdeckte, der seinen eigenen Namen trug, erkannte er den Schwindel schließlich. Durch diese Blamage war der wissenschaftliche Ruf Beringers vollständig ruiniert. Er resignierte, zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück, versuchte verzweifelt, sein Werk zurück zu kaufen und ließ viele in seinem Besitz befindlichen Exemplare vernichten. Dennoch konnte er die Häme der Presse und der Kollegen nicht verhindern. Ältere Publikationen sprechen auch von Beringerschen Lügensteinen, so als ob Beringer bewußt Lügen über eine nicht existierende Urwelt verbreitet hätte. Nach Beringers Tode wurde der Restbestand seines Werkes von einer Leipziger Bibliothek gekauft und mit neuem Titel 1767 herausgegeben. Bis heute sind etwa 450 Exemplare dieser Lügensteine erhalten, meist in Museen. Auch der Dichter Eduard Mörike besaß seinerzeit drei solcher Steine.

Der Betrug an Professor Beringer gilt heute als die bekanntestes Geschichte für gefälschte Fossilien, nicht zuletzt, weil die Fälschungen heute einen recht niedlichen und humoristischen Eindruck machen. Nahzu alle weiteren, spätestens ab Mitte des 19.Jahrhunderts alle Vorfälle von Fossilienbetrug waren selbstsüchtigen Interessen der Autoren selbst entsprungen.

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