Tragschrauber
Ein Tragschrauber auch Autogyro genannt, ist ein Drehflügelflugzeug bei dem ein nicht durch ein Triebwerk, sondern durch den Fahrtwind in Autorotation angetriebener Rotor für den Auftrieb sorgt. Für den Vortrieb muss ein Zug- oder Schubtriebwerk sorgen. Der Rotor ersetzt den starren Tragflügel des Tragflügelflugzeugs.
Tragschrauber wurden zwischen den Weltkriegen in Großbritannien (z. B. Cierva), USA (z. B. Pitcairn, Kellet), Deutschland (z. B. Focke-Wulf), Russland (ZaGI) und Frankreich (SNCASO) entwickelt. Als der Erfinder des Autogyro gilt der Spanier Juan De La Cierva 1923.
Der Drehflügler ist v.a. bekannt durch den James Bond-Film Man lebt nur zweimal ("Little Nelly").
Funktionsweise
Bei den Tragschraubern dreht sich der Rotor (Tragschraube) durch den Effekt der Autorotation. Der dadurch drehende Flügel erzeugt den nötigen Auftrieb. Im Unterschied zum Hubschrauber, wird der Rotor also nicht aktiv angetrieben, sondern nur durch die Anströmung des Rotors.
Die Autorotation kommt dadurch zu Stande, dass das Rotorblatt im inneren Bereich der Rotorebene einen so hohen Anstellwinkel hat, dass eine das Blatt beschleunigende Kraft resultiert. Im äußeren Durchmesser hingegen bremst die Resultierende das Blatt. Diese Kräfte sind im stationären Flug im Gleichgewicht. Erhöht man den Anstellwinkel der Rotorebene, verschiebt sich die Grenze zwischen beschleunigendem Bereich und abbremsendem nach außen, es entsteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Beschleunigung, ergo: der Rotor erhöht seine Drehzahl. So wird verständlich, wie der Tragschrauberrotor stets automatisch die nötige Rotordrehzahl einnimmt, um die Maschine zu tragen.
Sicherheit und Stabilität
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Die Tatsache, dass man zum Fliegen eines Gyroplane nur den Propeller antreiben muss, macht dieses Fluggerät äußerst stabil und sicher.
Sollte es zu einem Ausfall des Motors kommen, so würde der Gyroplane durch die Autorotation des Rotors sicher zu Boden schweben, vergleichbar mit den Samen eines Ahornbaumes.
Durch die Autorotation des Rotors kann der Gyroplane viel langsamer fliegen als ein Flugzeug mit festen Tragflächen und weist trotzdem ein stabiles Flugverhalten auf. Der "Hawk 4 Homeland Defender" war genau durch diese Flugeigenschaft ein gutes Mittel zur Überwachung des Hauptflughafens von Salt Lake City zur Zeit der Olympischen Winterspiele 2002.
Vertiefte Auseinandersetzung mit der Technik von Gyroplanes
Der Tragschrauber mit Druckpropeller erhält seinen durch den Propeller erzeugten Schub über dem Schwerpunkt. Das dadurch entstehende Drehmoment muss durch eine verstärkte Neigung des Rotormastes ausgeglichen werden. Die dadurch hervorgerufene Instabilität kann zu unerwünschten Effekten wie dem "Power Pushover" führen, wenn die Trägheitsmomente der einzelnen Komponenten nicht auf einander abgestimmt sind.
Power Pushover bedeutet nicht mehr, als dass die Nase des Gyroplanes "überkippt", und der nahezu unbelastete Rotor durch seine Trägheitsmasse den Kreiselgesetzen folgt. Dadurch wird der Rotor einem Luftstrom von oben ausgesetzt, womit die Drehzahl zusammenbricht. Dies führt zur Selbsterhaltung des Effekts und macht diesen unwiderruflich, was in einem Absturz des Gyroplanes resultiert.
Bei schlechten Wetterbedingungen kann es vorkommen, dass der Rotor "entlastet" wird, das heißt, dass die nötige Rotordurchströmung ausfällt. Dies kann z.B. durch ein Luftloch verursacht werden. Wenn dieser Fall eintritt, fällt die Rotordrehzahl ab. Hiermit verringern sich auch die Luftkräfte am Rotor, die z. B. dem Motordrehmoment und dem Propellerschub entgegenwirken.
Bei Tragschraubern mit durch den Schwerpunkt verlaufender Propellerschubachse kann zwar auch ein Drehzahlabfall eintreten, doch sind unerwünschte Effekte wie der Power Pushover ausgeschlossen, da bei schwerpunktzentralem Schub kein Drehmoment um den Schwerpunkt entstehen kann, weil der Kraftarm gleich Null ist.
Geschichte
Erfunden wurde der Gyroplane von dem Spanier Juan de la Cierva, welcher sein Fluggerät Autogiro nannte. Nach einem Absturz eines von ihm gebauten Gleiters, des ersten Gleiters mit drei Motoren, beschloss de la Cierva ein stabileres und sichereres Fluggerät zu entwickeln, das ohne Strömungsabriss (engl. Stall) betrieben werden kann.
1920 begann er mit "rotierenden Flügeln", wie er sie nannte, zu experimentieren. Das Resultat war der erste erfolgreiche Flug eines Autogiro, der C4, am 9. Januar 1923 in Getafe, Spanien.
In den 1930ern wurden viele Autogyro-Manufakturen eröffnet, die meisten ohne hohes technisches Verständnis des Autogiro-Konzepts. Harold Pitcairn und sein Kollege Walter Kellett eröffneten nach Lizenzierung durch de la Cierva eine der wichtigsten Autogyro-Manufakturen. Die Pitcairn Werkstatt stand auf amerikanischem Boden, daher kam es dazu, dass Pitcairn das US Post Office mit Autogyros versorgte, welche als das "Flugzeug der Zukunft" gehandelt wurden.
Die Depression des 2. Weltkrieges ließ die "Zukunft" allerdings warten. Die finanziellen Mittel zur Weiterentwicklung und Vermarktung des Gyroplane waren nicht gegeben, auch wenn die Militärs einiger Staaten noch in den Gyroplane investierten. Es kam bald der Umschwung mit der Serienfertigung des Helikopters von Igor Sikorsky, welcher durch die Möglichkeit zu Schweben bei den Militärs der verschiedensten Staaten, besonders aber bei dem amerikanischen, großen Gefallen fand.
1954 begann eine Entwicklung in ganz anderer Richtung. Anstatt eines Gyroplane-Massentransporters fing Igor Bensen, ein Studienkollege von Sikorsky, in diesem Jahr an seine Pläne für einen Homebuilt-Gyroplane zu vermarkten.
Dr. Bensen verließ 1953 die Kaman Aircraft Corporation und gründete seine eigene Firma in Raleigh, North Carolina. In dem Glauben, dass der Autogyro unter Privatpiloten Gefallen finden würde, entwickelte er die B-8, einen kleinen Kit-Gyrocopter welcher mit einfachen Mitteln zusammengebaut werden konnte. Gestartet wurde dieser indem er von einem Auto an einer Leine gezogen wurde.
Durch die Dominanz des Helikopters und seinen Erfolgen im Kriegseinsatz wurde der Tragschrauber vom Markt verdrängt.
Inzwischen ist der Tragschrauber als Ultraleichtflugzeug wieder in das Interesse des Luftsports gelangt.
Gebrauch in der Armee
Im Zweiten Weltkrieg führten einige deutsche U-Boote den unmotorisierten Schlepp-Tragschrauber Focke-Achgelis FA 330 „Bachstelze“ mit, der, bemannt an einer Leine hinter dem aufgetaucht Fahrt machenden Boot hergezogen (um den nötigen relativen Wind herzustellen), als Ausguck diente. (Heutige U-Boote führen eine entweder mit Blattspitzenantrieb oder mit gegenläufigen Rotoren, für den nötigen Drehmoment-Ausgleich, ausgestattete Aufklärungsplattform mit eigenem Triebwerk mit sich. Diese kann man, wie früher Fesselballone, in weitem Höhenbereich aufsteigen lassen und dient, auf Grund diverser eingebauter passiver und aktiver Sensorik, weitreichenderer Aufklärung und Bedrohungsanalyse. Treibstoff-Versorgung und Datentransfer erfolgt über ein multifunktionelles aufgetrommeltes Schleppseil. Bei der deutschen Bundesmarine gibt es seit längerem dafür die von MBB gebaute Rotor-Plattform „Kiebitz“. In Großbritannien erfolgte während des Zweiten Weltkrieges die gesamte Kompensation der Radarüberwachung mit Hilfe von Tragschraubern. Hierzu wurden Tragschrauber des britischen Musters Cierva C.30 „Rota“ in einer geheimen Flugstaffel eingesetzt. Bis weit nach Kriegsende blieb das Geheimnis um dem Erfolg des britischen Radars durch den Einsatz von Tragschraubern ungelüftet.
Tragschrauber im Vergleich zu Hubschrauber und Flugzeug
Vorteile eines Tragschraubers sind:
- Die Wartung und der Betrieb eines Hubschraubers ist doppelt bis drei Mal so teuer wie jener eines Tragschraubers. Hauptgrund ist die kompliziertere Mechanik des Hubschraubers - mehr Teile müssen angetrieben werden.
- Die Bauart eines Tragschraubers ist viel simpler als die des Hubschraubers. Sie besitzen nur einen Motor, der relativ einfach konstruiert sein kann. Ein Hubschrauber hat auch nur einen Motor, jedoch muss dieser den Haupt- und den Heckrotor antreiben; und dies bedingt eine technisch aufwändige Übersetzung. Die zyklische und kollektive Blattsteuerung des Hubschraubers ist ebenfalls weit aufwändiger als die bei kleinen Tragschraubern übliche Kopfkippsteuerung. Bei größeren Tragschraubern nimmt aber auch die komplexität der Rotoranlage zu, erreicht aber meist nicht den Komplexitätsgrad von Hubschraubern.
- Anders als beim Hubschrauber ist der Ausfall des Antriebs relativ ungefährlich. Der Hubschrauber geht bei Motorausfall zur Autorotation über - aber eine Notlandung mit Autorotation gilt als sehr schwierig. Der Tragschrauber indessen befindet sich ständig in Autorotation, hierdurch entfällt die beim Hubschrauber entstehende Umschaltzeit, in der der Hubschrauberrotor an Drehzahl verliert.
- Der Tragschrauber kennt keinen Strömungsabriss wegen zu geringer Fahrt, da die Drehzahl des Rotors wichtiger ist als die Vorwärtsfahrt. Im Vergleich mit Flugzeugen kann der Gyrocopter eine kürzere Startstrecke und eine bei weitem kürzere Landerollstrecke von nur zehn Metern haben. Die geringe Fahrt beim Landen macht auch die Notlandung ungefährlicher als bei Flächenflugzeugen, da sich die Landerollstrecke extrem verkürzt. Auch sind steilere Anflüge möglich.
- Der Tragschrauber ist einfacher zu beherrschen als der Hubschrauber und nicht schwieriger als Flugzeuge zu fliegen.
- Der Tragschrauber ist, anders als der Hubschrauber und das Flächenflugzeug, sehr unempfindlich gegen Turbulenzen und fliegt daher ruhiger als Flächenflugzeuge, insbesondere als ultraleichte.
- Der Platzbedarf im Hangar ist nur ein Bruchteil dessen, was ein Flugzeug benötigt.
Nachteile
- Ein reiner Tragschrauber kann nicht schweben und nicht senkrecht starten und landen. Der Hubschrauber jedoch kann schweben, was ihm einen klaren Vorteil in Rettungs- und Kriegseinsätzen bietet.
- Ein höherer Leistungsbedarf im Vergleich zu Flugzeugen bei gleicher Masse. Tragschrauber sind in diesem Punkt etwa gleichwertig wie Hubschrauber.
Tragschrauber werden heute fast nur noch von Hobbypiloten geflogen. Wegen ihres niedrigen Anschaffungspreises (ein Autogyro kostet etwa 10% eines Hubschraubers) und der geringen Betriebskosten sind sie recht beliebt.
Seit Mai 2004 sind in Deutschland Tragschrauber als Ultraleicht-Flugzeuge zugelassen und dürfen, nach dem Ablegen der Zusatzprüfung, auch mit Ultraleichtflug-Lizenz geflogen werden. Für den Erwerb der Sportpiloten-Lizenz "Tragschauber" ist es möglich die Ausbildung ausschließlich auf Tragschraubern zu machen, ohne erst den Umweg über die Flächenflugzeugausbildung machen.