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Wandervogel

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Als Wandervogel wird eine in ihren Anfängen 1896 entstandene Bewegung bürgerlicher Jugendlicher und junger Erwachsener bezeichnet, die angeregt durch die Ideale der Romantik vor dem autoritären Druck der Gesellschaft in die Natur flüchteten, um dort mehr nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben. Dies war der Beginn der Jugendbewegung.

Datei:Greif.gif
Wandervogel-Greif

Etymologie

Die Bezeichnung Wandervogel für die Wanderbewegung wurde 1901 auf Vorschlag von Wolfgang Meyen gewählt. Nach der Auskunft von dessen Vetter Albrecht Meyen (vgl. Idee und Bewegung 56, 2001, S. 53/54) stammt der Begriff aus einem Gedicht Otto Roquettes (1824-1896), das in der Steglitzer Gruppe als Lied gesungen wurde:

Ihr Wandervögel in der Luft,
im Ätherglanz, im Sonnenduft
in blauen Himmelswellen,
euch grüß' ich als Gesellen!
Ein Wandervogel bin ich auch
mich trägt ein frischer Lebenshauch,
und meines Sanges Gabe
ist meine liebste Habe.

Eine andere Deutung macht die Herkunft von Walt Whitmans Grashalmen (1855) abhänging, dessen Buch XVII den Titel Birds of Passage = Wandervögel trägt. Johannes Schlaf hat dann 1907 in seiner Auswahlübersetzung für Reclam den zweiten Gesang, den Gesang der Pioniere mit Wandervögel überschrieben:

Alle Pulse dieser Erde
Fallen ein und schlagen mit uns, schlagen mit des Westen Vormarsch;
Einzeln und allzusammen; immer vorwärts, alles für uns!
Pioniere! Pioniere!

Eine dritte Herleitung verweist auf den Grabstein von Kaethe Branco, geb. Helmoltz in Berlin-Dahlem, dessen Grabinschrift folgendermaßen lautet:

Wer hat Euch Wandervögeln
Die Wissenschaft geschenkt,
Daß Ihr auf Land und Meeren
Nie falsch die Flügel lenkt?
Daß ihr die alte Palme
Im Süden wieder wählt,
Daß ihr die alten Linden
Im Norden nicht verfehlt?

Geschichte

Bald nach der Entstehung zerfiel der Wandervogel in verschiede Gruppen, die jedoch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit bewahrten. Die verschiedenen "Horten" (Gruppen) organisierten sich in "Ringen" und in noch größeren "Bünden".

Am 11. Oktober 1913 fand auf dem Hohen Meißner bei Kassel der Erste Freideutsche Jugendtag statt. Dieser war als Protestveranstaltung gegen die patriotischen Veranstaltungen des Kaiserreiches zur Hundertjahrfeier der Völkerschlacht bei Leipzig gedacht. In der Meißner-Formel wurde das Wunschbild aller Beteiligten in Worten festgelegt.

Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einer immer stärkeren Vermischung von Wandervogel und Pfadfindern, aus denen die bündische Jugend hervorging.

In diesem Sinne versteht man den Wandervogel als die erste Phase der deutschen Jugendbewegung, während man die Bündische Jugend als ihre zweite und die Jungenschaft als ihre dritte Phase ansieht.

Während bei der bündischen Jugend (z.B. Pfadfinder) auch politische Aktivitäten immer stärker wurden, blieb der Schwerpunkt bei den Wandervögeln die Natur bzw. das naturnahe Erleben.

Wirkungsgeschichte

Die stark anwachsende Wandervogelbewegung begann schon bald auf die Gesellschaft zurückzuwirken.

Das heute weltumspannende Jugendherbergswerk und die Reformpädagogik, wie man sie etwa von den Waldorfschulen kennt, haben zu einem erheblichen Teil ihre Wurzeln in der Wandervogelbewegung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden viele dieser Gruppierungen neu und existieren bis in die heutigen Tage in verschiedensten, voneinander unabhängigen Gruppierungen. (Siehe dazu in den Artikeln Jugendbewegung oder Bündische Jugend.)

Ein studentischer Ableger der Wandervogelbewegung ist die 1923 gegründete Deutsche Gildenschaft (siehe Studentenverbindung).

Literatur

  • Hans Blüher: Wandervogel. Geschichte einer Jugendbewegung. Nachdruck der 2. Auflage von 1913/14. dipa, Frankfurt am Main 1976. ISBN 3-7638-0210-X
  • Werner Helwig: Die Blaue Blume des Wandervogels. Überarbeitete Neuausgabe. Deutscher Spurbuchverlag, Baunach 1998. ISBN 3-88778-208-9
  • Werner Kindt: Dokumentation der Jugendbewegung. Band II: Die Wandervogelzeit. Quellenschriften zur deutschen Jugendbewegung 1896 bis 1919. Diederichs, Düsseldorf 1968
  • Nerohm (Fritz-Martin Schulz): Die letzten Wandervögel. 2. Auflage. Deutscher Spurbuchverlag, Baunach 2002. ISBN 3-88778-197-X
  • Marion E. P. de Ras: Körper, Eros und weibliche Kultur. Mädchen im Wandervogel und der Bündischen Jugend 1900 - 1933.. Centaurus, Pfaffenweiler 1988. ISBN 3-89085-286-6
  • Sabine Weißler: Fokus Wandervogel. Der Wandervogel in seinen Beziehungen zu den Reformbewegungen vor dem ersten Weltkrieg. Jonas Verlag, Marburg 2001. ISBN 3-89445-290-0
  • Gerhard Ziemer, Hans Wolf: Wandervogel und freideutsche Jugend. Voggenreiter Verlag, Bad Godesberg 1961

Siehe auch