Junge Freiheit
Die Junge Freiheit ist eine überregionale deutsche Wochenzeitung aus Berlin für Politik und Kultur. Sie bezeichnet sich selbst als rechtskonservativ, wird aber von Beobachtern wie Hartwig Möller, Thomas Pfeiffer und Wolfgang Gessenharter als konservativ, neurechts bis rechtsextrem beschrieben. So schreiben zahlreicher bekannte Vertreter der Neuen Rechten regelmäßig für das Blatt. Zwei von 16 Verfassungsschutzbehörden observieren die Publikation wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Dies tat viele Jahre auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Gegen das Land Nordrhein-Westfalen prozessiert das Blatt seit 1996. Im Jahre 2005 entschied das Bundesverfassungsgericht, die Einstufung der Jungen Freiheit als rechtsextremistisch stelle eine Verletzung der Pressefreiheit dar, auch wenn die Publikation dem "rechten Spektrum" zuzuordnen sei und möglicherweise selbst dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung vorlägen. Die Entscheidung dieser fachrichterlichen Beurteilung verwies das Bundesverfassungsgericht zurück an das zuständige Verwaltungsgericht
Geschichte
Die Junge Freiheit wurde im Mai 1986 von Chefredakteur Dieter Stein in Freiburg gegründet. Sie erschien anfangs alle zwei Monate als Schüler- und Studentenzeitung mit einer Auflage von 400 Stück. Seit dem 21. Januar 1994 erscheint sie als Wochenzeitung in einem Umfang von 20 bis 28 Seiten mit einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren. Mit einer Druckauflage von 35000 Exemplaren erreicht die Junge Freiheit nach eigenen Angaben heute weltweit 50000 Leser pro Woche.
Der Verlag zog 1993 nach Potsdam, von da aus 1995 in den Hohenzollerndamm nach Berlin-Wilmersdorf um. Anlass für den zweiten Umzug war ein Anschlag von Linksextremisten auf die Druckerei, bei dem ein hoher Sachschaden (ca. 1,5 Millionen DM) entstand. Die Berliner Tageszeitung taz veröffentlichte dazu das Bekennerschreiben einer "revolutionären Lesbenfrauengruppe", die mit "Brandsätzen gegen die Druckerei, einen Kiosk und gegen Fahrzeuge von Vertriebsfirmen das Ende dieses Machwerks" zu beschleunigen beabsichtigte. Infolge der Anschläge initiierte die Junge Freiheit den Appell "Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden", den unter anderen Peter Gauweiler (CSU) und Daniel Cohn-Bendit (Grüne) unterstützten.
Der Verlag hat die Rechtsform einer GmbH. Außer durch den Verkaufspreis und Abonnements finanziert sich die Zeitung durch Anzeigen und private Spenden.
Aufbau und Themenbereiche
Die Zeitung enthält 11 Themenrubriken:
- eine Titelseite mit aktuellen Schlagzeilen und Tagesberichten,
- eine zweite Seite mit redaktionellen Kommentaren dazu,
- die dritte Seite ("Im Gespräch") bietet ein jeweils aktuelles Interview.
- Es folgen etwa vier Seiten zu Politik der Gegenwart im In- und Ausland.
Dieser vordere Bereich macht etwa ein Drittel des Blattes aus. Ihm folgen je
- eine Seite zu Wirtschaft und Umwelt sowie
- Hintergrundberichte, dann
- etwa vier Seiten zu Kultur,
- etwa zwei Seiten zu Literatur,
- eine Seite zu Geschichte und Wissen. Den Abschluss bildet
- ein Leserforum sowie
- die Rubrik "Zeitgeist und Medien".
Im Kommentar-, Interview- und Politikteil widmet die Junge Freiheit sich tagesaktuellen Ereignissen. Die Rubrik "Kultur" beansprucht die Reflexion von gesellschaftspolitischen Themenfeldern, etwa die Problematisierung der Gesellschaftsumbrüche der Jahre 1968 und 1989. Diese werden aus Sicht der Junge-Freiheit-Autoren in den meisten Medien vernachlässigt oder einseitig behandelt.
Zu speziellen Ereignissen druckt die Junge Freiheit teils umfangreiche Sonderbeilagen. Im Rahmen der Erinnerung an den 60. Jahrestag des Kriegsendes wurden auf 20 Seiten Zeitzeugenberichte abgedruckt, welche die teils divergierende Wahrnehmung des Kriegsendes dokumentierten.
Das Blatt hat 2003 gegen den Irakkrieg Stellung bezogen.
Die Junge Freiheit hat sich die Kritik an der Rechtschreibreform von 1996 zu eigen gemacht und erscheint weiter in der alten Rechtschreibung.
Autoren und Interviewpartner
In der Zeitung publiziert ein breites Spektrum von Autoren aus dem konservativen, rechten und rechtsextremistischen Spektrum, darunter:
- Alain de Benoist, der Begründer der französischen Nouvelle Droite (Neue Rechte),
- Ivan Denes, jüdischer Publizist,
- Horst Mahler, Rechtsanwalt, früheres RAF-Mitglied und verurteilter Volksverhetzer
- Friedrich Karl Fromme, Journalist (FAZ),,
- Klaus Hornung,
- Heinrich Lummer (CDU), Bürgermeister a.D.,
- Andreas Mölzer (FPÖ), MdEP,
- Armin Mohler, Publizist und Autor,
- Günter Maschke, freier Publizist
- Klaus Motschmann,
- Bernd-Thomas Ramb,
- Fritz Schenk, Journalist (ZDF),
- Wolf Jobst Siedler, Verleger,
- Alexander von Stahl (FDP), Nationalliberaler und Anwalt der Zeitung in ihrem Rechtsstreit mit den Bundesbehörden,
- Eberhard Straub,
- Carl Gustaf Ströhm, Journalist (Die Welt),
- Günther Zehm, Philosoph und Publizist.
Diese Stammautoren bestimmen die politische Ausrichtung und öffentliche Wahrnehmung der Zeitung.
Es ist eine hohe Konvergenz bezüglich der Themen und Autoren mit anderen rechten Publikationen wie Criticon, Staatsbriefe und Nation und Europa erkennbar.
Auch einzelne Autoren anderer politischer Herkunft - wie Franz Alt - schreiben regelmäßig oder - wie Peter Scholl-Latour - nur gelegentlich für das Blatt. Hinzu kommen Interviews der Rubrik "Im Gespräch" mit prominenten Autoren, Professoren oder Politikern verschiedener Parteien, darunter:
- Egon Bahr (SPD, Miterfinder der Entspannungspolitik und Ko-Autor der Ostverträge unter Willy Brandt),
- Ernst Benda (CDU, Präsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.),
- Andreas von Bülow (SPD),
- Peter Harry Carstensen (CDU, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein),
- Kurt Faltlhauser (CSU, bayerischer Finanzminister),
- Peter Gauweiler (CSU-MdB, Autor einer Kolumne in der Bildzeitung),
- Peter Glotz (SPD, Programm-Autor und "Querdenker"),
- Doris Janicki (Grüne) (nach Angaben gegenüber dem Berliner Tagespiegel verwechselte sie die Junge Freiheit mit der Jungen Welt),
- Ephraim Kishon (israelischer Schriftsteller),
- Charlotte Knobloch (Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland),
- Vera Lengsfeld (ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin),
- Ernst Gottfried Mahrenholz, (SPD, ehemaliger niedersächsischer Kultusminister und Richter am Bundesverfassungsgericht a.D.),
- Peter Müller (CDU, Ministerpräsident des Saarlands),
- Elisabeth Noelle-Neumann (Demoskopin),
- Günter Rexrodt (FDP, bis zu seinem Tod MdB und Schatzmeister der FDP),
- Arundhati Roy (indische Menschenrechtlerin),
- Jörg Schönbohm (CDU, brandenburgischer Innenminister),
- Dietrich Schwanitz (Literaturwissenschaftler und Autor),
- Hermann Otto Solms (Bundesschatzmeister der FDP und finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion),
- Immanuel Wallerstein (US-amerikanischer Sozialwissenschaftler und Globalisierungskritiker),
- Helmut Zilk (SPÖ, ehemaliger Wiener Bürgermeister),
- Christoph Zöpel (SPD, Staatsminister a.D.).
Skandale
Manche Interviewpartner erregten mit ihren Äußerungen in der Jungen Freiheit Aufsehen. So beklagte der damalige nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli im Zusammenhang der von Jürgen Möllemann ausgelösten Antisemitismusdebatte 2002 den Einfluss einer „zionistischen Lobby“. Als dies kritisiert wurde, erklärte er, nicht gewusst zu haben, dass die Junge Freiheit eine rechte Zeitschrift sei.
Auch der als linksliberal geltende Dramatiker und Buchautor Rolf Hochhuth löste am 18. Februar 2005 mit seiner Interview-Äußerung über den rechtmäßig verurteilten Holocaustleugner David Irving Befremden aus:
- Irving ist ein fabelhafter Pionier der Zeitgeschichte; der Vorwurf, er sei ein Holocaust-Leugner, ist einfach idiotisch.
Auf die Frage, ob er das Einreiseverbot für Irving in der Bundesrepublik und anderen Staaten nicht kenne, antwortete Hochhuth:
- Das ist grotesk, immer wieder war er bei uns zu Hause zu Besuch, wir telefonieren miteinander, ich kenne ihn wirklich gut.
Kritisieren wollte er Irving nur dafür, dass er eine Zeit lang „dem Wahn aufgesessen" sei, Hitler habe bis Oktober 1943 nichts von der Judenvernichtung gewusst. Später erklärte Hochhuth, der bereits als Autor für die Junge Freiheit gearbeitet hatte, er habe das Interview in seiner Wohnung gegeben und nicht gewusst, mit was für einer Zeitung er es zu tun habe.
Ebenso reagierte der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel, der der Jungen Freiheit 2002 ein Interview zur Arbeitsvermittlung in Deutschland und zu den Vermittlungsstatistiken der Bundesagentur für Arbeit gab. Sein Parteichef und Vorgänger Guido Westerwelle hatte den damaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel (SPD), wegen eines Interviews mit der Jungen Freiheit im Jahr 2000 im Bundestag scharf angegriffen und festgestellt: Es geht nicht darum, was er gesagt hat. Es geht darum, dass er ein solches Blatt aufwertet. Im Unterschied zu Niebel verteidigte Zöpel seinen Beitrag für die Junge Freiheit in der taz (27. September 2000) und verwies darauf, dass die Formulierungen des Verfassungsschutzberichtes keine eindeutigen Zuordnungen zum Rechtsextremismus seien. Was dort stehe, sei früher auch über Publikationen der Linken geschrieben worden.
Zu den Interviewten des Jahres 2004 (Ausgabe 40) gehörte auch der NPD-Vorsitzende Udo Voigt, der seine rechtsextremen Positionen ausführlich darlegte. Er sagte unter anderem, Adolf Hitler sei "zweifellos" ein "großer deutscher Staatsmann" und betonte, es müsse eine "nationale Wende" und "revolutionäre Veränderung" hin zu einer "Volksgemeinschaft" herbeigeführt werden. Dazu sei "die nationalsozialistische Strömung zu integrieren". Ziel sei es, "die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat". In weiteren Interviews, u.a. mit der Tageszeitung Die Welt (12. Februar 2005), bekräftigte Voigt seine Aussagen.
Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin Ermittlungen u.a. wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen ihn ein. Die Redaktion der Jungen Freiheit distanzierte sich mit kritischen Kommentaren von Voigt, in denen der "extremistischen Partei" etwa vorgeworfen wurde, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu vertuschen.
Am 19. November 2004 gab der rechtsextreme belgische Politiker Frank Vanhecke der Jungen Freiheit ein Interview, in dem er bekräftigte, die von ihm neu gegründete Partei „Vlaams Belang“ habe "dieselben Menschen und dasselbe Programm" wie die Vorgängerpartei Vlaams Blok. Diese Partei hatte sich aufgelöst, nachdem das belgische oberste Gericht am 10. November 2004 sie schwerer Verstöße gegen das Rassismusbekämpfungsgesetz anklagte.
Andere Interviews der Jungen Freiheit mit ausländischen Politikern, die aufgrund ihrer bekannt gewordenen Ansichten ebenfalls als rechtsextrem charakterisiert werden könnten, fanden hingegen praktisch keinerlei Beachtung. Beispielsweise bekräftigte der inzwischen zum polnischen Staatspräsidenten gewählte nationalistische und antikommunistische Politiker Lech Kaczynski in der Jungen Freiheit Nr. 34/05 vom 19. August 2005 seine umstrittenen Positionen zu Fragen der Homosexualität, die Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe und seine grundsätzliche Bereitschaft, den in Polen lebenden Deutschen in Zukunft mehr Rechte einzuräumen.
Kritik
Die Junge Freiheit wird von einigen Wissenschaftlern und von zwei Verfassungsschutzbehörden als maßgebliches Publikationsorgan der Neuen Rechten angesehen und in einer "Grauzone" zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus angesiedelt. Extremismusforscher wie Thomas Pfeiffer und Wolfgang Gessenharter weisen wie auch Autoren der Jungen Welt der Jungen Freiheit eine Scharnierfunktion zwischen diesen beiden Lagern zu und sehen in vielen ihrer Artikel eine Tendenz, die Grenzen zwischen ihnen zu verwischen und neu zu definieren. Diese Einschätzung vertraten auch die Jahresberichte der Verfassungsschutzbehörden des Bundes, Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs zwischen 1994 und 2004. Sie sahen stetige, rechtsextremistische Argumentationsmuster bei Redakteuren und Stammautoren der Jungen Freiheit. Sie sei ein wichtiges Sprachrohr für die Bemühungen von Neuen Rechten und Rechtsextremisten, im konservativen Lager und unter Intellektuellen Fuß zu fassen. Sie benutze Beiträge und Interviews von Personen aus dem demokratischen Spektrum, um ihr Image zu verbessern und damit Werbung für sich zu machen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schrieb in seinem vorletzten Jahresbericht von 2003 unter der Überschrift »Intellektualisierungsbemühungen im Rechtsextremismus«:
- Mitunter deuten rechtsextremistische Intellektuelle in ihren Texten extremistische Positionen nur an und sind um verbale Mäßigung bemüht, um auf diese Weise zu einer Erosion der Abgrenzung zum demokratisch-konservativen Lager beizutragen. So wollen sie ihren Positionen den Anschein von Seriosität geben und eine größere Breitenwirkung erreichen. [...] Ein Beispiel dafür ist die Wochenzeitung 'Junge Freiheit' (JF)."
Die Zeitung hätte unverändert einzelnen rechtsextremistischen Autoren ein Forum gegeben.
Wurde dies zuvor von anderen Medien kaum beachtet, so rückte die Junge Freiheit nach dem Interview mit Voigt ins kritische Blickfeld der Öffentlichkeit. Ungeachtet der redaktionellen Distanzierungen wurde kritisiert, dass die Junge Freiheit Rechtsextremisten damit ein Forum zur Selbstdarstellung biete. Hochhuth und anderen Gelegenheitsautoren der Jungen Freiheit wird vorgeworfen, durch ihre Interviews die rechtsextreme Orientierung des Blattes zu verschleiern, und dessen Bemühung um ein konservativ-liberales Erscheinungsbild zu fördern.
Das jüdische Online-Magazin Hagalil wirft der Jungen Freiheit vor, antisemitisches Gedankengut zu verbreiten. Sie verschleiere dies hinter 'Alibi-Juden' wie dem Stammautor Ivan Denes oder Interviews mit israelischen Staatsbürgern wie Uri Avnery, Ephraim Kishon oder Martin van Creveld. Michel Friedman zog ein bereits fest zugesagtes Interview mit ihm vor ein paar Jahren aus "grundsätzlichen Erwägungen" wieder zurück.
Kritiker sehen bei der Jungen Freiheit den Versuch, Themen, die sonst überwiegend von Rechtsextremisten benutzt würden, zu enttabuisieren und in einen breiten Diskurs zu überführen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Extremismus der Mitte", den auch sonst demokratische Politiker mit Interviews in der Jungen Freiheit förderten.
Verteidigung
Die Verfassungsschutzbehörden aus Sachsen, Hamburg und Bayern verneinen jeglichen Zusammenhang der Jungen Freiheit zum Rechtsextremismus.
Die Junge Freiheit setzt sich auf verschiedene Weise gegen ihre Einordnung als rechtsextremes Blatt zur Wehr. Ihre Kommentatoren bezeichnen einige Kritiker als ideologisch voreingenommen und werfen ihnen ihrerseits mangelnde Distanz zum Linksextremismus vor: so auch einigen Gutachtern, auf deren Einschätzungen die früheren Berichte des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes basierten.
Auf Anfrage des SPD-Abgeordneten Ritter bemerkte der Verfassungschutz Bayern:
- Die Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen der Schrift reichen nicht aus, um die JF insgesamt als rechtsextremistische Publikation einstufen zu können.
Die Junge Freiheit wird daher in einer Gesamtschau als "rechtskonservatives Blatt am rechten Rand des demokratischen Spektrums" eingeordnet.
In einem Interview mit der Jungen Freiheit im Jahre 2001 bemerkte der israelische Bestseller-Autor Ephraim Kishon:
- Sie sind 'rechtsgerichtet', weil sie nicht 'linksgerichtet' sind. Ihr niveauvolles Blatt ist nicht radikal, es ist nicht einmal das, was man 'rechts' nennt, sonst hätte ich Ihnen kein Interview gegeben.
Ähnlich äußerte sich auch Focus-Chefredakteur Helmut Markwort im Tagesspiegel, worin er 2001 konstatiert:
- Ich sehe eine Tendenz, dass man rechte Positionen mit rechtsextremen in einen Topf wirft. Für mich ist die Junge Freiheit ein Medium, das innerhalb des demokratischen Systems steht.
Dem NRW-Verfassungsschutz wirft Markwort im selben Jahr vor, alles zu beobachten, was nicht auf dem linken Flügel der SPD beheimatet sei.
An die Frankfurter Rundschau schrieb Andreas von Bülow (SPD) 2002, die ihm zugesandten Exemplare der Jungen Freiheit ließen eine Verfassungswidrigkeit auch nicht im Ansatz erkennen.
Im Juni 2002 startete die Junge Freiheit unter dem Titel "Appell für die Pressefreiheit" eine Anzeigenkampagne, um gegen die Auswertung ihrer Artikel durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zu protestieren. Zu den Erstunterzeichnern gehörten Martin Hohmann und Otto von Habsburg.
Gegen die These einer Erosion der Grenzen zwischen demokratischer und extremer Rechte durch die Junge Freiheit, die das Bundesamt für Verfassungschutz 2003 vertrat, erklärte der Extremismusforscher Eckhard Jesse:
- Als linksextremistisch gilt vielfach nur noch eine gewalttätige Variante, als rechtsextremistisch hingegen bereits jede Form der 'neuen Rechten'.(...)Wer der Jungen Freiheit ein Interview gibt, provoziert eine Kampagne. Die Erosion der Abgrenzung zwischen demokratisch und extremistisch geschieht am linken, nicht am rechten Rand, wie gemeinhin behauptet.
Den Begriff "Extremismus der Mitte" sieht die Junge Freiheit als Versuch, das gesamte bürgerlich-konservative Spektrum zu diskreditieren und in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken. Damit solle der Bereich dessen, was öffentlich diskutiert werden darf, durch Tabus begrenzt und seine Deutung dominiert werden.
Die Junge Freiheit wirft ihren Kritikern eine selektive Wahrnehmung ihrer journalistischen Aktivitäten vor: Sie würden extrem rechte Politiker Westeuropas willkürlich hervorheben, zugleich aber entsprechende Gesprächspartner oder Autoren aus dem früheren Ostblock nicht erwähnen, obwohl deren völkisch-separatistische Gesinnungen im Kern deckungsgleich seien und man zu ihren Vertretern eine gleichmäßige Distanz erkennen lasse.
Leserschaft
Im November 2004 führte die Junge Freiheit eine Befragung in eigener Sache durch, an der 1151 Leser teilnahmen. Die Ergebnisse wurden in Ausgabe Nr. 07/2005 veröffentlicht. Nach Darstellung des Blattes ergab sich, dass 78,4 Prozent der Leserschaft einen höheren Bildungsabschluss haben. Vier Fünftel sollen ein Nettomonatseinkommen von mindestens 1500 Euro beziehen, 55,5 Prozent einer der christlichen Kirchen angehören, 62 Prozent seien verheiratet. Auf die Frage, warum sie diese Zeitung lesen, hätten 30,5 Prozent aus mehreren vorgegebenen Antworten (Multiple Choice) diese gewählt: um Informationen zu bekommen, die in anderen Medien nicht zu finden sind. 18,4 Prozent der Leser wollten sich bewusst gegen die Political Correctness stellen. Je rund 9 Prozent beanspruchten als Motiv, eine andere Sicht der Dinge [zu] bekommen bzw. Denkanstöße zu erhalten.
Rechtsstreit
In einem jahrelangen Rechtsstreit klagte die Junge Freiheit vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen das Land Nordrhein-Westfalen unter anderem auf
- Unterlassung der Verbreitung der Verfassungsschutzberichte von 1994 und 1995, falls die Passagen über die Zeitung nicht entfernt würden;
- Feststellung, dass das Land nicht befugt sei, die Zeitung in die Rubrik "Rechtsextremismus" einzuordnen, solange es nur Anhaltspunkte für einen Verdacht habe;
- Richtigstellung, dass die Einordnung nicht gerechtfertigt gewesen sei sowie
- Widerruf von Behauptungen.
Rechtsanwalt der Zeitung in diesem Verfahren war der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Nachdem die Junge Freiheit in den Instanzgerichten unterlegen war, legte er als ihr Bevollmächtigter erfolgreich eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil der letzten Instanz ein. Am 28. Juni 2005 hob das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bisherigen Urteile auf, da die Behauptung des Rechtsextremismus nicht ausreichend auf ihre Vereinbarkeit mit Artikel 5 des Grundgesetzes (Pressefreiheit) geprüft worden sei. Die Sache wurde an das Verwaltungsgericht Düsseldorf zur erneuten Einzelentscheidung zurückverwiesen.
Obwohl das BVerfG die Einordnung der Jungen Freiheit als rechtsextremes Medium vorerst zurückgewiesen hat, hat es ihre Beobachtung und Berichte der Verfassungsschutzämter über sie nicht verboten, sondern nur gefordert, verfassungsfeindliche Positionen der Redaktion und ihr Verhältnis zu solchen Positionen externer Autoren genauer darzulegen. Dabei stellten die Richter klar, dass aus ihrer Sich Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt sei wie die Äußerung von Forderungen, "tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern".
Die Verfassungsschutzberichte von Baden-Württemberg und vom Bundesamt für Verfassungsschutz erwähnen die Zeitung weiterhin. Der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen zog seine die Junge Freiheit betreffende Passage aus seinem letzten Jahresbericht jedoch inzwischen zurück. Sein Leiter, Hartwig Möller, ließ aber keinen Zweifel daran, dass er die Junge Freiheit weiter als rechtsextrem einschätze und beobachten werde: "Wir werden weiterhin darauf aufmerksam machen, welche Gefahren der Demokratie durch den intellektuellen Rechtsextremismus drohen [...] Hinter ihrem gemäßigten Duktus verbergen sich oft antidemokratische und fremdenfeindliche Konzepte."
Nach der Bekanntgabe des BVerfG-Urteils prüft das Blatt eine Schadensersatzklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Es sei der Jungen Freiheit durch ihre Beobachtung über die Jahre ein Schaden "in Millionenhöhe" entstanden.
(siehe dazu Junge-Freiheit-Urteil)
Literatur
Kritische Literatur:
- Helmut Kellershohn (Hrsg.): Das Plagiat. Der Völkische Nationalismus der Jungen Freiheit. Duisburg: DISS [= Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung], 1994, 352 S., ISBN 3927388440
- Martin Dietzsch, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Alfred Schobert: Nation statt Demokratie - Sein und Design der »Jungen Freiheit«. Duisburg: Edition DISS [= Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung], Bd. 4, 2003, 246 Seiten, ISBN 3897717336
- Alexander Ruoff: Verbiegen, verdrängen, beschweigen. Die Nationalgeschichte der „Jungen Freiheit“. Auschwitz im Diskurs des völkischen Nationalismus. Münster: Verlag Unrast, April 2001, 204 S., ISBN 389771406X
Literatur von Autoren der Jungen Freiheit:
- Alexander von Stahl: Kampf um die Pressefreiheit. Chronologie eines Skandals. Die Verfassungsbeschwerde der Wochenzeitung 'Junge Freiheit' wegen Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit durch Verfassungsschutzberichte des Landes NRW. Reihe Dokumentation, Berlin: Edition JF, 2003/2004, Band 5-7: ISBN 3929886154, ISBN 3929886170, ISBN 3929886189
- Dieter Stein: Phantom „Neue Rechte“ - Die Geschichte eines politischen Begriffs und sein Mißbrauch durch den Verfassungsschutz. Reihe Dokumentation, Band 10, Berlin: Edition JF, 2005, 190 S., ISBN 3929886227
Weblinks
- www.junge-freiheit.de Homepage der Jungen Freiheit
- www.jf-archiv.de Online-Archiv der Zeitung
- Kuratel und Subventionen: Meinungsfreiheit so und anders Richter am Landgericht Hamburg i.R. (Staatsschutzkammer) Günter Bertram zur Jungen Freiheit
- Wenn die "Junge Freiheit" das Gespräch sucht... Zur Interviewpraxis der Zeitung (Auszug aus der Studie "Nation statt Demokratie" des Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS)
- lexikon.idgr.de Artikel des Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus
- Jahresbericht 2004 des Bundesamts für Verfassungsschutz (PDF)
- Jahresbericht 2004 der Abteilung Verfassungsschutz des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen (Pressefassung) (PDF)
- Jahresbericht 2004 des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (Pressefassung) (PDF)
- Die Kultur als Machtfrage Zur Fachtagung des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes am 08.10.2003 zur Neuen Rechten
- Nationale Zeitungen und die Friedensbewegung - eine kritische Betrachtung
- Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes - erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Jungen Freiheit
- Auszug aus dem Buch Nation statt Demokratie - Sein und Design der "Jungen Freiheit" von Martin Dietzsch/Siegfried Jäger/Helmut Kellershohn/Alfred Schobert(s. "Literatur")
- "Junge Freiheit" weiter im Visier, Taz NRW, 29.6.2005