Parlamentswahl in Frankreich 2012

Die Französischen Parlamentswahlen 2012 sind für den 10. und 17. Juni angesetzt und führen zur Wahl der 14. Nationalversammlung der Fünften Republik Frankreichs.[1] Nur etwas mehr als einen Monat zuvor fand die Französische Präsidentschaftswahl 2012 statt, deren Stichwahl-Termin für den 6. Mai 2012 angesetzt war und aus der François Hollande als Sieger hervorging. Gewählt werden nun 577 Abgeordnete aus allen Landesteilen, auch aus den überseeischen Gebieten.
Besonderheiten der jetzigen Wahl

Die Wahlen sind von zwei Neuerungen gekennzeichnet. Die Wahlkreise wurden mit Hinblick auf den demografischen Wandel im Lande neu aufgeteilt. Die Gesamtanzahl der Parlamentssitze bleibt dabei allerdings unverändert. Laut Gesetz soll die Einwohneranzahl je Département die Anzahl der Sitze, die je Département gewählt werden, widerspiegeln, was bei der letzten Wahl 2007 jedoch nicht eingehalten werden konnte: So hatte bei der letzten Wahl eine Stimme eines Einwohners im Département Lozère mehr Gewicht als drei Stimmen der Wähler im Département Bouches-du-Rhône, drei Stimmen in Saône-et-Loire entsprachen fünf auf La Réunion.[2] Eine Studie wies darauf hin, dass durch die Neuaufteilung bei gleichem Wählervotum die Zahl der Sitze der Mitte-Rechts-Koalition unter der UMP gegenüber den Sitzen der Linken um etwa zwei Prozent bzw. neun Sitze zunehmen würde.[3]
Zum zweiten dürfen bei dieser Wahl zum ersten Mal die 1,5 Millionen Franzosen außerhalb Frankreichs nach Artikel 24 der im Jahre 2008 reformierten Verfassung an der Wahl teilnehmen und elf Sitze stellen. In der Vergangenheit waren diese französischen Bürger nur durch zwölf Senatoren parlamentarisch vertreten, die von der Versammlung der Franzosen im Ausland (Assemblée des Français de l’étranger (AFE)) gewählt werden. Die zwölf Senatoren bleiben unverändert erhalten. Für die Wahl der 11 Sitze in der Nationalversammlung werden elf Wahlkreise gebildet, die jeweils mehrere Staaten umfassen. Die Schweiz und Liechtenstein bilden den 6. Wahlkreis, Deutschland und Österreich gehören mit weiteren Staaten zum siebten Wahlkreis.[4] In jedem Wahlkreis wird ein Abgeordneter gewählt. Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreicht, sofern seine Stimmenzahl mindestens 25 % der Zahl der Wahlberechtigten des Wahlkreises beträgt.[5] Wird kein Bewerber im ersten Wahlgang gewählt, findet eine Woche später (17. Juni) ein zweiter Wahlgang statt. An diesem können die Kandidaten teilnehmen, die bis zum Dienstag nach dem ersten Wahlgang ihre Kandidaturerklärung einreichen und deren Stimmenzahl im ersten Wahlgang mindestens 12,5 % der Zahl des Wahlberechtigten des Wahlkreises beträgt. Erreicht diese Hürde kein oder nur ein Kandidat, können die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang am zweiten Wahlgang teilnehmen (Stichwahl).[6] Im zweiten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit.[7]
Parteien und Wahlkampf
Kandidaten, die sich einer der 44 beim französischen Innenministerium registrierten Parteien anschließen, können in den Genuss einer staatlichen Parteienfinanzierung gelangen. Insgesamt wurden 6611 Kandidaten registriert, darunter 2641 (40 %) Frauen.[8]
Die zur Wahl stehenden größeren Parteien sind im Wesentlichen dieselben wie bei der Präsidentschaftswahl:
- Union pour un mouvement populaire (UMP) – konservativ
- Parti Socialiste (PS) – sozialdemokratisch
- Mouvement démocrate (MoDem) – zentristisch-liberal
- Front National (FN) – nationalistisch
- Front de gauche (FDG) – linkssozialistisch-kommunistisch
- Parti radical de gauche (PRG) – linksliberal
- Europe Écologie-Les Verts (EELV) – grün
Am 12. Mai kündigte Jean-Luc Mélenchon, der ehemalige Präsidentschaftskandidat der linksradikalen Front de gauche an, im ersten Wahlkreis des Départements Pas-de-Calais als Kandidat anzutreten. In diesem Wahlkreis kandidiert auch Marine Le Pen, die Vorsitzende des rechtsextremen Front National.[9] Am 18. Mai 2012 gab die Front de gauche auch bekannt, dass sie ihre Kandidaten in zwei Wahlkreisen (siebter Wahlkreis im Département Moselle und erster Wahlkreis im Département Aube) zurückziehen wolle, um nicht den Erfolg eines Kandidaten aus dem linken Spektrum durch zu starke Aufsplitterung der Stimmen zu gefährden.[10]
Die meisten Meinungsumfragen vor der Wahl sagten einen Sieg der linken Parteien voraus.
Trotz eines Stimmenanteils von 17,9 % im ersten Wahlgang der im April 2012 vorangegangenen Präsidentschaftswahl ist es aufgrund des Mehrheitswahlrechts durchaus nicht unwahrscheinlich, dass der Front National keinen einzigen der 577 Parlamentssitze bekommen wird. Ähnliches gilt auch für Mouvement démocrate, deren Kandidat 9,1 % der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl erhielt. Die grüne Partei hat mit der PS jedoch ein Wahlabkommen geschlossen, nach dem die Sozialisten in 60 Wahlkreisen auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichten und den Kandidaten der Grünen unterstützen wollen, so dass diesen mindestens 15 Abgeordnete fast sicher sind. Dies ist die Mindestzahl für die Bildung einer Fraktion in der Nationalversammlung.[11][12]
Ergebnisse

Im ersten Wahlgang erreichten insgesamt 36 Kandidaten die absolute Stimmenmehrheit in ihrem Wahlkreis und waren damit gewählt. Zu diesen 36 Abgeordneten zählten 22 Kandidaten der Parti socialiste. Im zweiten Wahlgang fand dann eine Stichwahl in den verbliebenen 541 Wahlkreisen statt. Dabei hatten die Wähler in 495 Wahlkreisen zwischen zwei Kandidaten und in 46 Wahlkreisen zwischen 3 Kandidaten zu entscheiden. Einiges Aufsehen in der französischen Presse erregte der guerre des roses (Rosenkrieg) zwischen der Ex-Lebensgefährtin des französischen Präsidenten und Mutter seiner 4 Kinder, Ségolène Royal und dessen jetziger Partnerin Valérie Trierweiler. Durch die Sozialistische Partei war Royal im vermeintlich sicheren Wahlkreis La Rochelle als Kandidatin aufgestellt worden. Allerdings waren nicht alle sozialistischen Politiker vor Ort mit dieser aus Paris dekretierten Kandidatin einverstanden und stellten Olivier Falorni als lokalen sozialistischen Gegenkandidaten auf. Landesweite Brisanz erhielt die Angelegenheit, als bekannt wurde, dass Trierweiler über Twitter Falorni "viel Glück" in seinem Wahlkampf und sein "selbstloses Engagement an der Seite der Leute von La Rochelle" gelobt hatte.[13][14]
politische Parteien |
Stimmen (erster Wahlgang) |
Stimmen (zweiter Wahlgang) |
Sitze | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
absolut | in % | absolut | in % | absolut | in % | |||
Extreme Linke | 253.580 | 0,98 | ||||||
Front de gauche (FG) | 1.792.923 | 6,91 | ||||||
Parti socialiste (PS) | 7.617.996 | 29,35 | ||||||
Parti radical de gauche (PRG) | 429.059 | 1,65 | ||||||
Verschiedene linke Parteien (Divers gauche) | 881 339 | 3,40 | ||||||
Europe Écologie-Les Verts (VEC) | 1.418.141 | 5,46 | ||||||
Regionalparteien | 145.825 | 0,56 | ||||||
Grüne Parteien | 249.205 | 0,96 | ||||||
Andere | 133.729 | 0,52 | ||||||
Le Centre pour la France (CEN) | 458.046 | 1,76 | ||||||
Alliance centriste (ALLI) | 156.026 | 0,60 | ||||||
Parti radical valoisien (PRV) | 321.054 | 1,24 | ||||||
Nouveau Centre (NCE) | 569.890 | 2,20 | ||||||
Union pour un mouvement populaire (UMP) | 7.037.471 | 27,12 | ||||||
Verschiedene rechte Parteien (Divers droite) | 910.392 | 3,51 | ||||||
Front National (FN) | 3.528.373 | 13,60 | ||||||
Extreme Rechte | 49.501 | 0,19 | ||||||
Registrierte Wähler | 46.083.260 | 100,0 | ||||||
Nichtwähler | 19.709.961 | 42,77 | ||||||
Abstimmende insgesamt | 26.373.299 | 57,23 | ||||||
Ungültige Stimmen und leere Stimmzettel | 420.749 | 0,91 | ||||||
Wählerstimmen gesamt | 25.952.550 | 56,32 | ||||||
Quelle: [1] |
Einzelnachweise
- ↑ Les dates de la présidentielle 2012 fixées in: Le Figaro vom 11. Mai 2011
- ↑ Le Conseil constitutionnel valide le redécoupage législatif, Agence France-Presse, 18. Februar 2010
- ↑ Étude sur le redécoupage électoral: Une initiative de Regards Citoyens, 14. Dezember 2009
- ↑ Elections législatives. Votre circonscription pour l’élection des députés. France Diplomatie, abgerufen am 9. Mai 2012 (französisch).
- ↑ Code électoral, Artikel L126
- ↑ Code électoral, Artikel LO162
- ↑ Code électoral, Artikel L126
- ↑ Législatives : 40% de femmes candidates. Le Figaro, 19. Mai 2012, abgerufen (französisch). 9. Juni
- ↑ « Mélenchon officialise sa candidature contre Marine Le Pen à Hénin-Beaumont ». L'Express, 12. Mai 2012, abgerufen am 9. Juni 2012 (französisch).
- ↑ Le PG se retire de 2 circonscriptions. Le Figaro, 18. Mai 2012, abgerufen am 9. Juni 2012 (französisch).
- ↑ 2012 : le PS plébiscite l'accord avec EELV. Le Nouvelle Observateur, 15. November 2011, abgerufen am 10. Juni 2012 (französisch).
- ↑ Johannes Duchrow: Parlamentswahlen in Frankreich: Erste Bewährungsprobe für Hollande. tagesschau.de, 9. Juni 2012, abgerufen am 9. Juni 2012.
- ↑ Valérie Trierweiler: Die rebellische Première Dame. Bonner Generalanzeiger, 15. Juni 2012, abgerufen am 16. Juni 2012.
- ↑ Trierweiler - Royal : la presse britannique ironise sur «la guerre des roses». Le Parisien, 13. Juni 2012, abgerufen am 16. Juni 2012 (französisch).