Matthias A. K. Zimmermann

Matthias Alexander Kristian Zimmermann (* 6. Mai 1981 in Basel) ist ein Schweizer Medienkünstler.
Leben
Matthias Zimmermann wurde in Basel geboren und ist im Kanton Aargau aufgewachsen. Er studierte an der Hochschule der Künste Bern Komposition, an der Hochschule Luzern Kunst & Vermittlung und an der Zürcher Hochschule der Künste Game Design und Art Education. Sein medienkünstlerisches Werk fand eine Rezeption in internationalen Ausstellungen, unter anderem im Aargauer Kunsthaus und im Kunstmuseum Luzern,[1] in wissenschaftlichen und reflexiven Texten diverser Autoren über Epistemologie, virtuelle Raumrepräsentation, Game Art - Remedialisierung digitaler Spielwelten, Atmosphärenkonstruktion und Japanische Gartenarchitektur.
![]() |
Die gefrorene Stadt |
---|
Matthias Zimmermann, 2006 |
Leinwand auf Keilrahmen |
140 × 140 cm |
![]() |
Die fünf Sektoren eines Inselpanoramas |
---|
Matthias Zimmermann, 2012 |
Leinwand auf Keilrahmen |
100 × 280 cm |
![]() |
Die vernetzte Stadt |
---|
Matthias Zimmermann, 2005 |
Leinwand auf Keilrahmen |
100 × 280 cm |
Werk
Inhalt, Konzept und Ausführung
Matthias Zimmermanns grssformatige Gemälde, die er als «Modell-Welten» bezeichnet, zeigen atmosphärisch geprägte Landschaften als panoramaartige, multiperspektive Raumkonstruktion. Weiche, wie punktuelle Lichtquellen erhellen den Bildraum, in dem unterschiedlich abstrahierte Objekte mit fotorealistischen Abbildungen Wechselwirkungen eingehen und unwirkliche, traumartig-bizarre, düstere wie heitere Welten, im Sinne theatralischer Kulissen zeigen. Wasserflächen, Japanische Gärten, mittelalterliche Burgen, Industrie- und Sakralbauten und weitere Gebäude bilden in seinen Gemälden ein Sammelsurium aus entfremdeten Eindrücken unseres Planeten, die häufig Vorgänge von Urbanisierung an menschenlosen Orten zeigen, welche technologische Stadtzivilisation ausstrahlen.
Mittels dieser Utopien und Dystopien reflektiert und kontextualisiert Zimmermann digitale Raumrepräsentation, virtuelle Distanzauflösung und veranschaulicht die Verzerrung von Realität, die sich im Internet, insbesondere in Computerspielen/Videospielen ergeben kann: Der digitale Raum als virtuelle Bühne, die darauf verorteten Objekte dem Prinzip eines variablen Baukastens folgend, die dem User ein Schauspiel von Realität, verzerrter Realität und Unwirklichkeit bietet. Die Darstellung seiner Objekte lassen sich in drei Abstufungen gliedern: 1. «Konkrete Objekte», 2. «Variierte konkrete Objekte», 3. «Nicht konkrete Objekte». Die «Konkreten Objekte» lassen Gebäude, Landschaften und Orte erkennen, die eindeutig auszumachen sind und ein photographisches Abbild zeigen. Bei den «Variierten konkreten Objekten» handelt es sich um Gebäude, Landschaften und Orte, die ebenfalls existent sind, abgewandelt wurden und nur ungefähr erkennbar sind. Die «Nicht konkreten Objekte» bezeichnen Gebäude, Landschaften und Orte, die so weit von ihrer Vorlage entfernt wurden, dass sie mit dieser nicht mehr in Verbindung gebracht werden können.[2] Strikt festgelegte Formen bilden den Code, mittels dessen Zimmermann Bildinhalte in ein Raumkonstrukt übersetzt, um Informationen der Welt, Kultur und Natur auf einer Fläche zu reinszenieren und eine bestimmte perfekte Welt zu bauen, die nur durch den Artefakt, durch Simulation konstruiert werden kann. Neben frei erfundenen Puzzleformen, findet oftmals das chinesische Tangram, seltener die Steine aus dem Computerspiel Tetris, Verwendung. Matthias Zimmermanns «Modell-Welten» setzen auf eine vollständige Nachbildbarkeit der Phärnomene, in dem visuelle in der Welt gemachte Erfahrungen in einem zweidimensionalen Raum in Szene gesetzt sind und aktive Reproduktion des Vorhandenen, Vermittlung und Ordnung zeigen.[3]
Der Herstellungsprozess seiner Gemälde bildet ein Hybrid aus Skizzierung, analogem Handwerk (Malerei, Airbrush) und digitaler Überarbeitung oder ist gänzlich mittels Grafik- und 3D-Modellingprogrammen im virtuellen Raum generiert. Um das digital geschaffene Bild auf Leinwand zu realisieren, werden die Daten mittels Kunstdruck auf Leinwand verwirklicht; in einem letzten Schritt auf Keilrahmen aufgespannt und mit einem Firnis versehen.[4]
Bildbeschreibungen
Die einer Kältestarre anmutende Atmosphäre im Gemälde «Die gefrorene Stadt» wird von einem hell gleissenden Leuchtstrahl horizontal durchzogen, dessen Energie sich im Zenit kreisförmig konzentriert. Im Umfeld der Seefläche und des Bergmassivs wird Energiegewinnung durch teilweise heftigen Rauchausstoss von Kohlekraftwerken und Schornsteinen von Häusern repräsentiert. Auf der linken Seite befindet sich ein Bahnhof mit Zügen, welche auf einem vertikal abgerundeten Viadukt einfahren, während sich im Hintergrund zahlreiche kleinere Fahrzeuge im Formenspiel einer abstrahierten Grossstadt abzeichnen. Ein Zug fährt hinter dem strahlenden Energiezenit durch, derweil die Fortbewegung im Bergmassiv durch einen Schnellzug und einer Lokomotive erfolgt; auf der Seefläche durch ein grosses Dampfschiff und U-Boote. Der beobachtbare Fortschritt der Bebauung einer unberührten Landschaft ist in dieser Stadt in einer vertikalen Zeitachse auszumachen: Während im unteren Bereich des Bildes eine weitgehend von technischem Fortschritt verschonte Berg-Natur zu erkennen ist, technisiert sich diese Landschaft zunehmend, je weiter man aufwärts blickt zu einer abstrakten Mega-City, die an eine Metropole wie Tokyo oder Shanghai denken lässt. Dass diese Raumlandschaft von Wind durchzogen wird, zeigt sich am Dampf- und Rauchausstoss der Industrieanlagen und Häusern, der sich in die Flexion dieses Raumkonstruktes einfügt. Ein Gemisch aus «Variierten konkreten Objekten» und «Nicht konkreten Objekten» zeichnen sich im Zytglogge-Turm von Bern, Schloss Chillon am Genfersee, der Hofkirche, dem Bahnhof und der Verbrennungsanlage von Luzern ab. Im Vordergrund des Bildes weitet sich als «Konkretes Objekt» das von der Aussichtsplattform des Bundeshauses gesehene Alpenpanorama des Berner Oberlands, das auf skurrile Weise, in ungewohnter Form, eine neue Anordnung erfahren hat.
Eine punktuelle, fluoreszierende Lichtquelle durchleuchtet den dunklen Äther im Gemälde «Die fünf Sektoren eines Inselpanoramas», in dem auf einer Insel abstrahierte Objekte («Nicht konkrete Objekte)» mit fotorealistischen Abbildungen («Konkrete Objekte») Wechselwirkungen eingehen. Eine sternenlose Himmelssphäre, Meereswogen silbriger, zähflüssig wirkender Konsistenz, eine wie in mittelalterlichen Gemälden anmutende Burg (dargestellt in der umgekehrten Fluchtpunktperspektive), ein Leuchtturm mit Dorf, die Nacht-Skyline von Durban, zentrieren ein Kohlekraftwerk, das wie ein Energiequell agiert. Der als Blendfleck dargestellte Mondschein referiert auf die fotorealistisch dargestellte Stadt Durban und stellt die Frage, ob die Landschaft mehr als eine malerische Allüre oder als eine fotografisch festgehaltene Wiedergabe, deren Mondschein ein Blendfleck im Objektiv bewirkt hat, verstanden werden soll. Der Titel «Die fünf Sektoren eines Inselpanoramas» verweist auf die Fünfteiligkeit des Bildraums, der von links nach rechts folgend, aus Meereswogen mit grosser Lichtquelle, einem Dorf mit Leuchtturm, einem Kohlekraftwerk, einer Burg und Meereswogen mit zahlreichen Lichtern einer Grossstadt, besteht.
Das um eine Parkanlage gebogene Formenspiel in dem Gemälde «Die vernetzte Stadt» bildet den Mittelgrund, der den schwarz umrissenen Vordergrund mit dem ebenfalls frontal dargestellten Hintergrund verbindet. Wie viele von Zimmermanns Gemälden, referiert auch dieses mit der Realität (in diesem Gemälde ohne die Verwendung von photorealistischen Elementen, «Konkrete Objekte»). Betrachtet man die rote, im Zenit stehende Mittagssonne, verbirgt sich in dieser die Flagge vom Land der dargestellten Stadt: Japan. Der am Horizont zu sehende Umriss vom heiligen Berg Fujisan und die Angrenzung ans Meer lassen auf die Mega-City Tokyo schliessen. Im Sinne japanischer Auffassung – Komplexität in einfache Schlichtheit zu überführen – porträtiert Zimmermann das endlos scheinende und unüberschaubare Tokyo als einfach geschachteltes Raumkonstrukt. Zwölf selbst erfundene Puzzleformen bilden den Code, mittels dessen er fotografische Eindrücke in ein Raumkonstrukt übersetzt. Durch diese Abstraktion möchte er Klarheit schaffen und überwiegende Charakteristika von Tokyo verdeutlichen: Den Kontrast von Beton- und Grünflächen, die Aussicht auf den Fujisan, Unterschiede der Gebäudegrössen. Indem Zimmermann die Stadt als zwölfteiliges Puzzle darstellt, spielt er auf die Problematik der stetig wachsenden Bevölkerungspopulation an, welche insbesondere in Städten wie Toyko eine Raumoptimierung zur Folge hat und jeden zur Verfügung stehenden Raum zur Bebauung nutzen muss. Die Vernetzung von zwölf Puzzlesteinen versinnbildlichen ein miniaturisiertes Tokyo deren reale Vorlage aus einer Vielzahl von Komponenten ein komplexes Netz bilden.[5]
Publikationen
Wissenschaftliche und reflexive Texte über Matthias Zimmermann (Auswahl)
- René Stettler: Die Verbindung von Wissen, Erfahrung und Anschauung – Zur Epistemologie von Matthias Zimmermanns «Modell-Welten»
- publiziert in New Gallery Lucerne - Foundation for Art & Science Switzerland, Schweiz
- Urs Bugmann: Eine Welt in extremer Künstlichkeit
- publiziert in Neue Luzerner Zeitung, Schweiz
- Davis Schrapel: Die digital konstruierte Alltagswelt
- publiziert in Games Art, Deutschland
- Davis Schrapel: Die konstruierte Atmosphäre
- publiziert in Games Art, Deutschland
- Davis Schrapel: Die Raummaschine 1-3 – Videospiele im Aspekt einer «Baukasten-Welt»
- publiziert in Games Art, Deutschland
- Davis Schrapel: Die Raummaschine 4 – Die Perspektive der Inspiration und Geometrie
- publiziert in Games Art, Deutschland
- Davis Schrapel: Das «2D side-scrolling Level» als künstlerisches Konzept
- publiziert in Games Art, Deutschland
- Kristina Piwecki: Bildbetrachtung der Modell-Welten
- publiziert in Das KulturSchweizer Blog Magazin, Schweiz
- Anna Chugunova: «Modell-Welten»_Matthias Zimmermann (russisch)
- publiziert in Winzavod Journal – Moscow Centre of contemporary art, Moskau
- Maria Ledneva: Matthias Zimmermann - Einzelausstellung in der Galerie «11.12» (russisch)
- publiziert in The Village, Moskau
- Schweizer Botschaft in Moskau: Moscow. Matthias Zimmermann at Winzavod (englisch & russisch)
- publiziert in swiss kul'tura - Aktuelles zur Schweizer Kulturpräsents in Russland, Moskau
- Anna Baumgartner: Digitale Romantik menschenloser Welten
Literatur
- Matthias Zimmermann: Modell-Welten, Nordlicht + Norrsken Verlag, 2010, ISBN 978-3-9521196-2-4
Anmerkungen und Einzelnachweise
- ↑ Aargauer Kunsthaus (Webseite, Ausstellungskatalog), Kunstmuseum Luzern (Webseite, Ausstellungskatalog)
- ↑ Vgl. Matthias Zimmermann: Modell-Welten, Nordlicht + Norrsken Verlag, 2010
- ↑ Vgl. René Stettler: Die Verbindung von Wissen, Erfahrung und Anschauung – Zur Epistemologie von Matthias Zimmermanns «Modell-Welten», publiziert in New Gallery Lucerne - Foundation for Art & Science Switzerland, 2012
- ↑ Vgl. Urs Bugmann: Eine Welt in extremer Künstlichkeit, publiziert in Neue Luzerner Zeitung, 2011
- ↑ Vgl. Davis Schrapel: Die gefrorene Stadt & Das «2D side-scrolling Level» als künstlerisches Konzept, publiziert in Games Art, 2012, Deutschland
Weblinks
- Literatur von und über Matthias A. K. Zimmermann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zimmermann, Matthias. In: Sikart
- Webseite von Matthias Zimmermann (deutsch, english, 日本語). Abgerufen am 10. Juni 2012.
- New Gallery Lucerne - Foundation for Art & Science Switzerland, Essay: Matthias Zimmermann
Personendaten | |
---|---|
NAME | Zimmermann, Matthias |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Künstler |
GEBURTSDATUM | 6. Mai 1981 |
GEBURTSORT | Basel |