Heinrich Anton Wolf
Heinrich Anton Wolf, genannt Heinz Wolf (* 3. März 1908 in Limburg an der Lahn; † 1. Oktober 1984 ebenda) war ein deutscher Jurist und Politiker (CDU). Er war von 1939 an zunächst Staatsanwalt in Danzig. Ab 1944 war Wolf als Staatsanwalt in Frankfurt am Main und Limburg tätig, bevor er ab 1962 Landtagsabgeordneter der hessischen CDU wurde. Ab 1964 war Wolf schließlich Landrat im Landkreis Limburg-Weilburg.
Leben und politischer Werdegang
Wolf besuchte das humanistische Gymnasium in Limburg, studierte von 1927 bis 1932 Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Frankfurt[1] Mit Beginn seines Studiums wurde er aktiv bei der Frankfurter Burschenschaft Arminia. Am 1. Mai 1933 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.497884)[2] 1935 war er Rechtsreferendar in Limburg und Kreisobmann des NS-Rechtswahrerbundes.[3] Nach dem Zweiten Staatsexamen 1936 trat er in den Staatsdienst ein und machte, zunächst in Frankfurt am Main, dann im NS-Justizapparat in Danzig rasch Karriere. Nach 1947 erfolgte seine Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Dort verblieb er bis zu seiner Pensionierung, lediglich unterbrochen durch die Wahrnehmung diverser Ämter und Funktionen als Politiker der CDU.
1939 bis 1945: Staatsanwalt in Danzig und Traunstein
Von November 1939 bis August 1944 war Wolf Staatsanwalt in Danzig, und vertrat dort gelegentlich den Justizmörder und Generalstaatsanwalt Kurt Bode. Vor allem aber wirkte er als Anklagevertreter vor dem Sondergericht Danzig und vor dem OLG-Senat Danzig des Arno Beurmann. Die Sondergerichte in Danzig, Bestandteil der neuen, nach dem Polenfeldzug errichteten Verwaltungsstruktur im Reichsgau Danzig-Westpreußen , wurden von Seiten des Reichsjustizministeriums vorrangig mit „zuverlässigen Beamten“ besetzt. Es war das erklärte Ziel der neu geschaffenen Verwaltungsstruktur, mit allen Mitteln für eine rasche Implementierung der NS-Doktrin im Reichsgau zu sorgen. Im Justizapparat wurde, flankierend zum Terror der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD , die angestrebte Massenvernichtung der polnischen Bevölkerung durch systematische Rechtsbeugung umgesetzt. In der Publikation Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches[4] beschreibt der Autor Hans Michelberger die Forderung nach „schnellen und scharfen“ Urteilen gegen die polnische Zivilbevölkerung. Aus dieser Zeit sind bisher[5] sechs Todesurteile[6] gegen polnische Zivilisten unter Mitwirkung Wolfs bekannt, die allesamt aufgrund von Kleinstdelikten, aber mit dem Zusatz des Vorwurfs der Wehrkraftzersetzung und ohne die Möglichkeit eines Gnadenersuchs vollstreckt wurden. Mit seinem Vorgesetzten Kurt Bode[7] hatte Wolf einen engagierten Förderer seiner Karriere. So setzte sich Bode mit großem Eifer und unter Hinweis auf den „tadellosen Nationalsozialisten“ Wolf, der sich bei „allen Danziger Justizbehörden ... großer Beliebtheit“ erfreue und sein „bester Mitarbeiter in Danzig“[8] sei, für die Beförderung seines Schützlings Wolf zum 1. Staatsanwalt ein. Die Beförderung wurde zum Juli 1944 [9] wirksam, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits offenbar geworden war, dass Wolf unter Berufung auf gesundheitliche Gründe seine Versetzung nach Süddeutschland betrieb. In den 50er Jahren wird sich Wolf für diese Unterstützung bei Bode revanchieren, indem er ihm durch eine "eidesstattliche Erklärung" den Persilschein verschafft und Bode so die Verbeamtung auf Lebenszeit erhält. Im August 1944 trat Wolf eine Stelle als Staatsanwalt in Traunstein an, wo er auch das Ende des Krieges erlebte. Sein Entnazifizierungsverfahren [10] wurde am 26. September 1947 in Bad Reichenhall mit dem Urteil "Entlasteter nach Art. 13" abgeschlossen.
1945 bis 1962: Staatsanwalt in Frankfurt und Limburg, Krupp-Prozess
Wolf war im Nürnberger Prozess als Verteidigerassistent für den NS-Repräsentanten Alfried Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, den wichtigsten Rüstungslieferanten des NS-Regimes tätig (siehe: Krupp-Prozess).
In den Medien wird seit Jahren berichtet, dass Wolf im Mordfall von Rosemarie Nitribitt eine undurchsichtige Rolle deshalb gespielt habe, weil er unklare Kontakte zu dem von der Polizei vernommenen Harald von Bohlen und Halbach unterhielt.[11] [12]
ab 1962: Landtagsabgeordneter und Landrat
Von 1962 bis 1966 war Wolf Abgeordneter der CDU im Hessischen Landtag , in dieser Zeit vom 1. Dezember 1962 bis zum 30. November 1964 auch justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Im Jahre 1964 war er Mitglied der 4. Bundesversammlung. Vom 1. Juli 1964 bis 3. Februar 1975 war er Landrat im Landkreis Limburg, zuletzt im neu zusammengelegten Landkreis Limburg-Weilburg.[1] [3] 1964 Neueröffnung der Kreisberufsschule.[11] Wolf ist Ehrenbürger der Stadt Limburg, und war lange Zeit Namensgeber der dortigen Kreissporthalle.[3]
Politische Einstellung
Die politischen Ansichten Wolfs und sein Verhalten zur Zeit des Dritten Reichs waren immer wieder Gegenstand der Diskussion. Mit Hartnäckigkeit hält sich das Gerücht, ein Limburger SPD-Mann, der sich niemals öffentlich dazu bekannte sei, als es um die Benennung der Sporthalle nach Wolf gegangen sei, beim damaligen Landrat Georg Würmeling vorstellig geworden, und habe unter Hinweis auf die Nazi-Vergangenheit Wolfs dringlichst von dieser Entscheidung abgeraten. Etwa um das Jahr 2000 flammte die Diskussion wieder auf, die seither mit unterschiedlicher Intensität fortgeführt wurde. Die Fraktion "Die Linke" im Kreistag Limburg-Weilburg stellte ab dem Jahr 2010 wiederholt Anträge zur NS-Vergangenheit von Heinz Wolf. In dem in der Folge durch die Kreisheimatpflegerin Dr. Marie-Luise Crone erstellten, und am 13. Februar 2012 abgeschlossenen Gutachten zur Thematik "Heinz Wolf und seine Rolle während der NS-Zeit" kommt diese zu folgendem Ergebnis:" ... Die Auswertung zeichnet Wolf als einen überzeugten Nationalsozialisten, der nach Kriegsende einen Salto geschlagen hat. Man muss ihm großen Opportunismus bescheinigen, gepaart mit einem starken Karrieredrang. Es war nicht einfach nur Parteimitglied, er hat sich "öffentlich" für das Regime engagiert. Seine bis heute nachzulesenden Aussagen zur Entlassung einer Jüdin und seine Stellungnahme zur Schwangerschaftsunterbrechungen bei Erbkranken fallen schwer -gegen ihn- ins Gewicht. Es geht jetzt eigentlich nur noch darum, die "Schwere" seiner Verstrickung offenzulegen. Hierzu fehlen ... noch stichhaltige Aussagen für die Danziger Zeit ... . Aber es wird immer deutlicher: er hat keinen Vorbildcharakter (daher ist die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Limburg wie auch die Benennung der Sporthalle nicht vertretbar.) "[13]
Eine weitere Untersuchung des Falles Wolf wird durch eine Historikerkommission, angesiedelt beim Hessischen Landtag, im Laufe des Jahres 2012 erfolgen. Im Rahmen einer Überprüfung soll vor allem der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise sowohl Wolf, als auch viele andere Landtagsabgeordnete trotz einer möglichen oder erwiesenen Verstrickung in das NS-Regime nach 1945 die politische Karrierelaufbahn beschreiten konnten.
Mitgliedschaften in NS-Organisationen
Heinz Wolf war Mitglied in zahlreichen NS-Organisationen. In seiner Entnazifizierungsakte gibt er nach 1945 an, der NSDAP "unter Zwang" [14] beigetreten zu sein. Folgende Mitgliedschaften sind im Berliner Bundesarchiv Lichterfelde (Signatur ZB II 1653 A.1) dokumentiert: NSDAP-Mitglied seit 1. Mai 1933 (Mitgliedsnummer 3497884); SA-Sturmmann im Sturm 1/87 Limburg (Ausweisnummer 20)seit 1.09. oder 1.11 1933. Mit der Führung eines Trupps beauftragt, auch Presse- und Fürsorgewart des SA-Sturms; N.S.-Richterbund seit 1.3. 1934 (Mitgliedsnummer 19394); BNSDJ (Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen) bzw. dem 1936 daraus hervorgegangenen NSRB (Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund) seit 1. 3. 1934 (Bundesnummer 019394). Bezirksgruppenführer Junge Rechtswahrer, seit 1936 Gaupresseleiter in Frankfurt. SA-Sportabzeichen Nr. 431912; Reichsjugendabzeichen Nr. 1316; Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) seit 1.11. 1937; Reichskolonialbund (RKB) seit 1. März 1938 (Mitgliedsnummer 54045)
"Erbgesundheitsgesetz" von 1933
Die Haltung Wolfs gegenüber dem Erbgesundheitsgesetz vom 14.Juli 1933 geht aus seiner folgenden Veröffentlichung in der Beilage zu einer Regionalzeitung hervor:[15]
- ... Das Erbgesundheitsgericht hat festgestellt, daß Bestand und Gesundheit des deutschen Volkes ein geschütztes Rechtsgut sind und durch die die Geburt erbkranker Kinder gefährdet werden. Es hat weiter festgestellt, daß diese Gefahr nicht abgewendet werden kann, wenn eugenische Schwangerschaftsunterbrechungen unterbleiben und daß das Leben eines erbkranken Kindes ein geringeres Rechtsgut ist als der Bestand und die Gesundheit des ganzen Volkes. Es ist daher zu dem Schluß gekommen:
- „Es entspricht nicht dem in Deutschland geltenden Recht, daß die Erbkranke selbst und der sie behandelnde Arzt gegen den § 218 StGB verstoßen und sich strafbar machen, wenn die Schwangerschaft der Erbkranken hier unterbrochen wird.“
- Mit anderen Worten: Das deutsche Recht ist nicht so unsinnig zu verlangen, daß die Schwangere gegen ihren Willen ein erbtaubstummes Kind und auch erblindetes Kind zur Welt bringt. Die Schwangerschaft kann daher ohne Bedenken unterbrochen werden.
Haltung in der Rassenfrage
Wolf kommentierte als Rechtsreferendar entsprechend der NS-Parteilinie zustimmend das Urteil eines Arbeitsgerichts, das die Widerrufsklage einer Jüdin zurückwies, welcher von ihrer „deutschen Firma“ - wie sie meinte - wegen ihrer „Rassenzugehörigkeit“ gekündigt worden war. Er veröffentlichte diesen Kommentar in einer Beilage zur "Lahnzeitung" vom 29. Juli 1935 unter dem Titel „Die entlassene Jüdin“. Dabei kam er zu dem Schluss, dass eine solche Kündigung bereits aus wirtschaftlichen Gründen „niemals sittenwidrig“ sein könne. Dies begründete er mit dem Argument, dass mehrere Kunden nur deswegen der Firma den Rücken gekehrt hätten, weil sie noch diese Jüdin beschäftigt hätte. Außerdem bemängelte er in seinem Artikel, dass viele Richter sich in der „Judenfrage“ noch[3] [16]
- „von einer gewissen Humanitätsduselei leiten lassen und es noch nicht recht verstehen, der nationalsozialistischen Einstellung zur Rassenfrage bei der Urteilsfindung vollauf gerecht zu werden.“
Karriere im NS-Regime und Beurteilung durch Vorgesetzte von 1933 bis 1945
Im Falle von Heinz Wolf liegt die vollständige, von Vorgesetzten der unterschiedlichen Dienststellen geführte Personalakte vor. Diese befindet sich im Berliner Bundesarchiv Lichterfelde.[17] Diese Beurteilungen weisen Wolf als einen von Beginn an überzeugten Nationalsozialisten aus, der sich aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im System bediente, um rasch Karriere zu machen. Bereits bei der Erstellung der Akte, die um das Jahr 1934 angelegt worden ist, wird Wolf als "..tüchtiger, fleißiger und zuverlässiger Arbeiter" bezeichnet, dessen "Stellung zum nationalsozialistischen Staate ... unbedingt zuverlässig" sei. [18] Besonders aufschlussreich ist die Beurteilung Wolfs durch seine Ausbilder im Lager Hanns Kerrl / Kreis Jüterbog. Wolf hielt sich dort vom 15. Juli bis 31. August 1935 auf. In dem paramilitärischen Ausbildungslager erhielten junge Juristen weltanschaulichen und politischen Unterricht gemäß der NS-Ideologie. Über Wolf heißt es: "Parteigenosse seit 1. Mai 1933 und ... Angehöriger der S.A. ... . Sein Fleiß beim Arbeitsdienst war vorbildlich. Wolf wird überall dort, wo er hingestellt wird, seinen Mann stehen. Sein Sinn für Kameradschaft zeigte sich besonders dann, wenn es hieß, für andere Kameraden einzustehen. Werden Freiwillige gesucht für Sonderaufträge, so war Wolf einer der Ersten, der sich meldete." [19] Die Treue Wolfs zum System und das konsequente, reibungslose Funktionieren in einem Beamtenapparat wird durch Wolfs Vorgesetzte meist mit dem Begriff der "Zuverlässigkeit" testiert - eine Formulierung, die gerade im Justizapparat, in dem die Rechtsbeugung gemäß der NS-Ideologie Alltagsgeschäft war, immer politisch gemeint war. So auch im Rahmen der 1939 erfolgten Verbeamtung. Die Gauleitung Hessen-Nassau bescheinigt Wolf am 29. September 1938: "Seine Einstellung zum heutigen Staat und der Volksgemeinschaft ist bejahend, politische Zuverlässigkeit ist gegeben." [20] Noch deutlicher die Beurteilung seines Vorgesetzten in Danzig, wohin Wolf auf Anordnung des Reichsjustizministeriums Reichsjustizministerium mit Wirkung zum 25. November 1939 versetzt wurde. Schon im Februar 1942 steigt Wolf zum Kreisfachschaftsleiter der NSDAP, im Oktober zum Beisitzer des Gaugerichts Gaugericht Danzig-Westpreußen auf. Diese Karriereschritte erfolgen regelmäßig im Kontext einer an das Reichsjustizministerium geschickten Beurteilung, die Wolf bescheinigen, ein "tadelloser Nationalsozialist" zu sein, oder, wie sein Vorgesetzter Kurt Bode es formuliert: "mein bester Mitarbeiter in Danzig" [21] . Die grundsätzlich positive Haltung aller Vorgesetzten gegenüber Wolf drückt sich indirekt auch dadurch aus, dass der im Jahr 1908 geborene Wolf zu keinem Zeitpunkt Kriegsdienst ableisten musste, sondern vielmehr am 23. November 1940 durch Generalstaatsanwalt Curt Graßmann aus "zwingenden Gründen der Reichsverteidigung zur Erfüllung kriegswichtiger, behördlicher Aufgaben" vom Wehrdienst freigestellt worden war. [22]
Falsche Angaben und Meineide in der Entnazifizierungsakte
Anlässlich seines Entnazifizierungsverfahrens [23], das Wolf im September 1947 in Bad Reichenhall durchlief, musste er sämtliche dort gemachten Angaben durch einen Eid bekräftigen. Im Kontext der Daten und Angaben der Personalakte ergeben sich solcherart gravierende Widersprüche, dass von bewusster Täuschung ausgegangen werden muss. Wolf behauptet, „Verfolgter des Naziregimes gewesen zu sein“ , und sich „nach Kräften“ für jüdische Mitbürger eingesetzt zu haben. Die durch Wolfs Tätigkeit als Staatsanwalt für das NS-Regime angenommene Vermutung seiner aktiven Verwicklung in NS-Gräueltaten wird in der Fragestellung an ihn nicht thematisiert. Zur Diskussion stehen seine Mitgliedschaften wie oben aufgeführt. Der NSDAP, so Wolf, sei er "gegen seine Überzeugung" aufgrund "äusserster persönlicher und wirtschaftlicher Zwangslage, auf dringenden Rat seiner Vorgesetzten" [24] beigetreten. Die Mitgliedschaften Wolfs in den zahlreichen anderen NS-Organisationen wurden im Verfahren offenbar nicht thematisiert. Die von Wolf mehrfach in der Akte angeführte Hilfe für jüdische Mitbürger ist weder durch Namen, Ortsangaben oder Zeitzeugenberichte belegt. Wolf musste in Kenntnis der Tatsache gewesen sein, dass die jüdischen Mitbürger der Stadt Limburg an der Lahn entweder geflohen, oder im KZ ermordet worden waren. Eine Widerlegung der von Wolf angeführten "Entlastungsargumente" schien somit äußerst unwahrscheinlich. In der Entnazifizierungsakte führt Wolf aus, er sei "nach Kriegsausbruch" aufgrund der "Sabotage von Kriegsmaßnahmen" von der "Partei" verhaftet worden, und habe "vom Strassenpöbel ständig verhöhnt öffentlich schwere körperliche Arbeiten" [25] verrichten müssen. Wo dies stattgefunden haben soll, erläutert Wolf nicht. Auch macht er keine konkreten Angaben über den Charakter der "Strafmaßmnahmen". Besonders auffällig ist die Auslassung oder Veränderung konkreter Daten. Erst im Abgleich mit der Personalakte wird deutlich, dass die in der Entnazifizierungsakte gemachten Angaben nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die Chronologie der Abläufe falsch sind, und diese falschen Angaben offenbar einzig zu dem Zweck gemacht wurden, die Verwicklung Wolfs in NS-Gräueltaten zu verschleiern und die Mär vom "Verfolgten des Nazi-Regimes" zu stützen. So führt er in der Entnazifizierungsakte aus, er sei von 1941-1944 in Danzig gewesen. Die Personalakte weist jedoch eindeutig den 25. November 1939 als Tag des Dienstantritts aus, wobei hier sogar das Reisedatum, nämlich der 24. November 1939 dokumentiert ist. Selbstverständlich steht diese falsche Angabe, die aufgrund der politischen Situation der 50er Jahre in Europa nur schwer nachprüfbar war, im Kontext der Behauptung der "Verhaftung" durch die Partei im Spätherbst 1939; die Schilderung der Demütigungen und Strafmaßnahmen, denen Wolf nach eigenen Angaben ausgesetzt gewesen sein soll, passen schlichtweg nicht in einen Zeitkorridor von weniger als zwei Monaten. Im Jahr 1957 wird Wolf einen detaillierten Fragebogen hinsichtlich seiner Tätigkeiten in der Zeit von 1938 bis 1957 ausfüllen. Hier geht es nicht um die Wertung seiner Tätigkeit, sondern um seine Ernennung zum Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main. [26] In diesem Dokument, das 10 Jahre nach dem Entnazifzierungsverfahren in Bad Reichenhall entsteht, trägt Wolf die Daten mit exakter Angabe jedes einzelnen Datums einer Verändrung korrekt ein - diese Angaben korrespondieren exakt mit jenen aus der Personalakte, die bis 1944/1945 geführt wurde.
Wolf gab des Weiteren an, er sei zwischen dem 25. Mai 1945 und dem 30.09.1946 "interniert" gewesen. Weder gibt er den Namen eines Internierungslagers an, noch ist ein solcher in der Entnazifizierungsakte genannt. Auch in dem Personalbogen aus dem Jahr 1957, sonst detailgenau geführt, verzichtet er auf diesbezügliche konkrete Angaben. Im Anschreiben des Staatsarchives München [27] anlässlich der Übersendung der Spruchkammerakte zu Heinz Wolf weist die Mitarbeiterin auf folgenden Sachverhalt hin: "Eine Internierung Wolfs lässt sich anhand unserer Unterlagen in unserem Haus nicht nachweisen. Durchgesehen wurden die Interniertengesamtdatei, die Karteien der Lager Moosburg, Dachau, Garmisch und Regensburg sowie die mit Sicherheit nicht vollständig überlieferten Interniertenakten diverser bayerischer Internierungslager." Somit ist höchst zweifelhaft, ob Wolf hier richtige Angaben gemacht hat. Ein weiterer Aspekt zieht Wolfs Glaubwürdigkeit stark in Zweifel: Wiederholt führt er aus, eine starke Anbindung an die Familie zu haben, deren "Haupternährer" er sei. Angaben, weswegen er sich zunächst noch lange fernab seiner Herkunftsstadt aufhielt, machte er nicht. Womöglich wären die in der Spruchkammerakte gemachten Angaben bezüglich seiner politischen Haltung hinterfragt worden? Sicher ist, dass der Standort Bad Reichenhall dem Anliegen einer raschen Entnazifizierung entgegenkam. Im Roman "Verzeih, wenn Du kannst (1965) von Erich Ebermayer schildert dieser den authentischen Fall eines höheren SS-Offiziers und "Euthanasie"- Massenmörders, dessen Entnazifierung in Bad Reichenhall gerade einmal 20 Minuten in Anspruch genommen habe.
Kontroverse
Auf Antrag der Fraktion Die Linke im Kreistag Limburg Weilburg wurde im Februar 2011 der Antrag gestellt, die mögliche Verwicklung des ehemaligen Landrates Wolf in NS-Verbrechen aufzuklären. Im Januar 2012 ließ der Landkreis Limburg-Weilburg über die Presse mitteilen, dass die Nachforschungen noch liefen, bisher gegen Wolf aber „keine belastenden Hinweise gefunden“ worden seien.[28] Der SPD - Fraktionssprecher Frank Schmidt führte in der Debatte der Kreistagssitzung am 9. März 2012 aus, Wolf habe sich für jüdische Mitbürger eingesetzt, und aus diesem Grund sei seine Strafversetzung nach Danzig erfolgt. Er bezog sich dabei auf Angaben, die Wolf selbst im Jahr 1947 machte, um sich im Rahmen seines Entnazifierungsverfahrens in Bad Reichenhall zu entlasten. Für dessen Behauptungen existieren in seiner Entnazifierungsakte allerdings keine Belege; auch können sich Überlebende und Nachkommen der Limburger jüdischen Gemeinde nicht an derlei Vorkommnisse oder Hilfestellungen erinnern. Um den Sachverhalt zu klären, wurde auch die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Christa Pullmann im März 2012 angefragt, die bei Überlebenden und Nachkommen aus Limburg, sowohl in den USA als auch Israel nachfragte, ob der Name Heinz Wolf im Zusammenhang mit Hilfestellungen für die Verfolgten der Limburger jüdischen Kultusgemeinde bekannt sei. Dies wurde von allen Angefragten verneint. Auch führte der Historiker Schmidt aus, dass Wolf wohl Mitglied der NSDAP gewesen sei, dies jedoch nicht bedeuten müsse, dass er "etwas Schlimmes" getan habe.[29] In einem Leserbrief vom 12. März 2012[30] titulierte Schmidt diejenigen Bürger, welche durch Zeitungsveröffentlichungen und Archivarbeit zur Klärung der Angelegenheit Wolf beigetragen hatten als "populistische Hobby-Historiker" und mahnte ein gründliches Aktenstudium an. Das Gutachten der Historikerin Dr. Marie-Luise Crone (s.o.) und ihre für Wolf vernichtende Expertise lag zu diesem Zeitpunkt bereits einen Monat lang vor.
Durch Recherchen wurde bekannt, dass die in Monheim am Rhein lebende Autorin Helga Panitzky als Halbwaise aufwachsen musste, da ihr Vater aufgrund eines Kleinstdeliktes, dem die Ankläger den Charakter der Wehrkraftzersetzung beigemessen hatten, in Danzig hingerichtet worden war. Heinz Wolf fungierte in diesem Verfahren (1943) Als Staatsanwalt. Helga Panitzky, die über ihre Lebensgeschichte ein Buch mit dem Titel "Sie nahmen mir meinen Vater" [31] verfasst hat, und die in ihrem Buch den Faksimile-Abdruck des Todesurteils gegen ihren Vater veröffentlicht hat, wurde als unmittelbares Opfer des ehemaligen Landrates Heinz Wolf, auf Antrag der "Linken" Rederecht in der Kreistagssitzung am 27. April 2012 eingeräumt. [32]
Infolge einer öffentlichen Debatte in Leserbriefen und Zeitungsbeiträgen über die Verstrickung Wolfs in das NS-Regime, die auch aufgrund von Presseveröffentlichungen aus Archiven angestoßen wurde, entschied der Kreistag des Landkreises Limburg-Weilburg in seiner Sitzung am 27. April 2012 einstimmig, den Namen „Heinz-Wolf-Halle“ vorerst ruhen zu lassen, und die größte Sporthalle des Kreises vorerst „Kreissporthalle Limburg“ zu nennen.[33] Obwohl diese Entscheidung vorerst nur provisorischen Charakter haben sollte, wurden die Ausschilderungen nach kurzer Zeit entsprechend geändert. http://www.hr-online.de/website/condlink_gate.jsp?key=standard_document_44763830&xtmc=Heinz wolf&xtcr=2 [34] Über die politische Diskussion sowie die Sitzung des Kreistages berichtete auch die Hessenschau in einem Bericht, der am 27. April ausgestrahlt wurde. http://www.hr-online.de/website/suche/home/mediaplayer.jsp?mkey=44611745&xtmc=Heinz Wolf&xtcr=4
Für die Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Limburg an der Lahn am 7. Mai 2012 beantragte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Aberkennung der am 20. Januar 1975 an Heinz Wolf verliehenen Ehrenbürgerwürde. Diesem Antrag folgten die Fraktionen von CDU, SPD und FDP nicht, sondern stellten infrage, ob eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde nach der Hessischen Gemeindeordnung überhaupt möglich sei. CDU, SPD und FDP beantragten, die Angelegenheit zunächst im Ausschuss zu behandeln, und das Gutachten der Historikerkommission des Hessischen Landtages abzuwarten. Es kam zunächst nicht zu einer Aberkennung.[35]
Auszeichnungen
- Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- Orden Leopolds II. (Belgien), Kommandeur
- Ehrenbürger der Stadt Limburg an der Lahn, Antrag auf Entzug wurde am 7. Mai 2012 im Stadtparlament behandelt und zunächst in den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen[33]
- Namensgeber für die Kreis-Sporthalle („Heinz-Wolf-Halle“), 2012 Benennung zurückgezogen[33]
Literatur
- Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft
- Lengemann: Hessenparlament, Seite 438
Einzelnachweise
- ↑ a b Jochen Lengmann: Das Hessen-Parlament. Seite 438
- ↑ Hans-Peter Klausch: Braunes Erbe – NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter der 1.–11. Wahlperiode (1946–1987). Herausgegeben von der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. Wiesbaden 2011; Seiten 10, 21. (Download, PDF, 4,02 MB).
- ↑ a b c d Adolf Morlang / Klaus-Peter Hartmann: Boykottiert – Emigriert – Deportiert – Liquidiert. Quellen zur Geschichte der Juden im Raum Diez während des Nationalsozialismus. Hrsg.: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Limburg. Aaartal Druck und Verlag GmbH, Diez, 1. Auflage Januar 1999, ISBN 3-922181-20-1; (a) zu Stw. „Rechtsreferendar und Kreisobmann“: Seite 130; (b) zu Stw. „Oberstaatsanwalt, hess. CDU-Landtagsabgeordneter und Landrat“: Seite 130; (c) zu Stw. „Ehrenbürger und baulicher Namensgeber“: Seite 130; (d) zu Stw. „Die entlassene Jüdin“: Seite 34
- ↑ Hans Michelberger, Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches. Pfaffenweiler 1989. C. Hauptteil 2.6 Danzig S. 65 ff.
- ↑ Stand: 3. Juni 2012
- ↑ Einige der Urteile befinden sich unter der Signatur DAHL-NJ-6612 u. DAHL-NJ-1982 im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde
- ↑ Das Geschehen um die Verteidigung des Postamtes von Danzig wurde von Dieter Schenk in seiner Publikation Die Post von Danzig-Geschichte eines deutschen Justizmordes (1995) exakt recherchiert. Die Publikation war Grundlage für die Wiederaufnahme des Verfahrens und den posthumen Freispruch der von Bode Verurteilten Postbeamten.
- ↑ Beurteilungen durch Vorgesetzte aus der Personalakte Heinz Wolf in Berlin Lichterfelde. Signatur ZB II 1653 A.1
- ↑ Personalakte Heinz Wolf im Bundesarchiv Berlin Lichterfelde. Signatur ZB II 1653 A.1
- ↑ Spruchkammerakte im Verfahren Heinz Wolf vom 26. September 1947. Staatsarchiv München. Spruchkammerakten Karton 2453.
- ↑ a b HR: Hessenschau vom 27.02.2011, 19:30 Uhr
- ↑ HR Sendung von Helga Dierichs vom 26. November 2007 und vom 7. März 2011, Bertramstr. 8, Ffm: Die großen Kriminalfälle - Rosemarie Nitribit online
- ↑ Untersuchung der Kreisheimatpflergerin Dr. Marie-Luise Crone in der Sache "NS-Vergangenheit von Heinz Wolf, ehemals Landrat des Landkreises Limburg-Weilburg. Auf Antrag der Fraktion "Die Linke" am 27. April 2012 den Fraktionen im Kreistag und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
- ↑ Urteil/Spruchkammerakte Bad Reichenhall vom 26. September 1947. SpKA K 2454. Wolf, Heinrich. 3.3.1908.
- ↑ Die Lahnzeitung. Beilage: Das deutsche Recht. 9. Juli 1935, archiviert in der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden
- ↑ Die Lahnzeitung. Beilage: Das deutsche Recht. 29. Juli 1935, archiviert in der Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden
- ↑ Signatur ZB II 1653 A.1
- ↑ Personalakte, ebd.
- ↑ Personalakte, ebd.
- ↑ Personalakte, ebd.
- ↑ Personalakte, ebd.
- ↑ Personalakte, ebd.
- ↑ Die Spruchkammerakte befindet sich im Münchner Staatsarchiv, Signatur StAM Spk. A.K. 2454, Wolf Heinz
- ↑ Spruchkammerakte Heinz Wolf, a.a.O S. 3.
- ↑ Spruchkammerakte ebd.
- ↑ Personalbogen und Anschreiben. Ernennung von Heinz Wolf zum Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main. Anschreiben an den Hessischen Minister der Justiz mit Anhang vom 21. November 1957.
- ↑ Staatsarchiv München, Schreiben vom 26.03.2012 Zeichen StArchiv-M-A1-5051.4-730/1/3
- ↑ Nassauische Neue Presse: Heinz Wolf: Keine belastenden Hinweise Veröffentlicht am 13. Februar 2012. Abgerufen am 28. Mai 2012.
- ↑ Nassauische Neue Presse: Landrat Wolf: CDU und SPD rüffeln Linke Veröffentlicht am 10. März 2012. Abgerufen am 28. Mai 2012.
- ↑ Befremdliche Aussagen, Leserbrief vom 12. März 2012
- ↑ Helga Panitzky, Sie nahmen mir meinen Vater. BOD Verlag, Eiderstedt, 2011.
- ↑ Ex-Landrat mit NS-Vergangenheit, Hessenschau vom 27. April 2012
- ↑ a b c Nassauische Neue Presse: "Heinz-Wolf-Halle“ wird umbenannt, 27. April 2012
- ↑ Nassauische Neue Presse: Heinz Wolf von der Bildfläche verschwunden Veröffentlicht am 14. Mai 2012. Abgerufen am 28. Mai 2012.
- ↑ Wolf bleibt in Ehrenbürger-Liste. In: FNP-Online. Frankfurter Societäts-Medien GmbH, 5. Mai 2012, abgerufen am 4. Juni 2012.
Personendaten | |
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NAME | Wolf, Heinrich Anton |
ALTERNATIVNAMEN | Wolf, Heinz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist und Politiker |
GEBURTSDATUM | 3. März 1908 |
GEBURTSORT | Limburg an der Lahn |
STERBEDATUM | 1. Oktober 1984 |
STERBEORT | Limburg an der Lahn |
- Staatsanwalt (Sondergericht)
- Strafverteidiger in den Nürnberger Prozessen
- Rechtsanwalt (Deutschland)
- Landtagsabgeordneter (Hessen)
- CDU-Mitglied
- Landrat (Hessen)
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes
- Träger des Ordens Leopolds II.
- Ehrenbürger in Hessen
- NSDAP-Mitglied
- Burschenschafter
- Deutscher
- Geboren 1908
- Gestorben 1984
- Mann