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Benutzer:Phrood/tmp

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Georg Philipp Telemann (* 14. März 1681 in Magdeburg; † 25. Juni 1767 in Hamburg) war der berühmteste deutsche Komponist seiner Zeit. Er nahm als erster musikalische Einflüsse aus ganz Europa in seine Werke auf und prägte durch neue Impulse maßgeblich die deutsche Barockmusik.

Georg Philipp Telemann, Kupferstich von Georg Lichtensteger (um 1745)

Leben

Kindheit und Jugend

Telemann stammte aus einer gebildeten Magdeburger Familie; fast alle seine Vorgänger besuchten die Universität. Sowohl sein Vater Heinrich als auch der Vater seiner Mutter übten ein Kirchenamt aus. Abgesehen von Telemanns Urgroßvater, der zeitweilig Kantor in Halberstadt war, hatte niemand aus seiner Familie direkten Bezug zur Musik. Georg Philipp wurde zu einer Zeit geboren, wo sich Magdeburg noch von den Nachwirkungen des Dreißigjährigen Kriegs erholte. Er war das jüngere von zwei Kindern, die das Erwachsenenalter erreichten. Sein älterer Bruder Heinrich Matthias wurde nach einem Theologiestudium Pfarrer.

Georg Philipp besuchte das Gymnasium der Altstadt und die Schule am Magdeburger Dom, wo er Unterricht in Latein, Rhetorik, Dialektik und deutscher Dichtung erhielt. Von seiner umfassenden Allgemeinbildung zeugen seine selbst verfassten deutschen, französischen und lateinischen Verse, die er in seiner späteren Autobiographie wiedergab. Daneben beherrschte Telemann auch die italienische und die englische Sprache.

Telemann war bekannt dafür, dass er in jungen Jahren jedes Instrument, das ihm in die Hände kam, zu spielen erlernte. Er erlangte erste musikalische Erfahrungen als Autodidakt mit dem Spiel von Geige, Flöte, Zither und Klavier. Telemann zeigte beachtliches musikalisches Talent; mit zehn Jahren begann er, seine ersten Stücke zu komponieren, oft heimlich und auf ausgeliehenen Instrumenten. Bereits nach wenigen Wochen Gesangsunterricht war Telemann in der Lage, seinen Kantor Benedikt Christiani, der sich lieber der Komposition als dem Unterricht widmete, in den Oberklassen zu vertreten. Abgesehen von einer zweiwöchigen Unterweisung im Klavierspiel erhielt er keinen weiteren Musikunterricht. Gedämpft wurde sein Eifer von seinen Eltern und der Autorität des Kantors. Insbesondere seine Mutter, die 1685 Witwe wurde, missbilligte seine Beschäftigung mit Musik, zumal befreundete pietistische Theologen sie davor warnten, ihr Sohn könne sich zu einem Straßenmusikanten entwickeln.

Zwei Jahre später, mit nur zwölf Jahren, komponierte Telemann seine erste Oper, Sigismundus, auf ein Libretto von Christian Heinrich Postel. Um Georg Philipp von einer musikalischen Karriere abzubringen, beschlagnahmte seine Mutter alle seine Instrumente und schickte ihn zur Schule nach Zellerfeld. Jedoch blieb Telemann auch dort der Musik nicht fern; unter anderem lernte er den Superintendenten Caspar Calvör kennen, der sich in seinen Schriften intensiv mit den Parallelen zwischen Mathematik und Musik beschäftigte und Telemann förderte. Fast wöchentlich komponierte Telemann für den dortigen Kirchenchor Motetten. Deneben schrieb er auch Arien und Gelegenheitsmusiken, die er dem Stadtpfeifer vorlegte.

1697 wurde Telemann Schüler des Gymnasium Andreanum in Hildesheim. Unter der Leitung von Johann Christoph Losius vervollkommnete er seine musikalische Ausbildung und lernte – größtenteils im Selbststudium – Blockflöte, Orgel, Violine, Gambe, Flöte, Oboe, Schalmei, Kontrabass und Bassposaune zu spielen. Daneben komponierte er Vokalwerke, die zur Begleitung von Theaterstücken dienten. Weitere Kompositionsaufträge für den Gottesdienst des St.-Godehardi-Klosters erhielt er vom jesuitischen kirchenmusikalischen Direktor der Stadt, Pater Crispus.

Später ging Telemann nach Hannover und Braunschweig, wo er mit französischer und italienischer Instrumentalmusik in Berührung kam. Die zu dieser Zeit gesammelten Erfahrungen sollten große Teile von Telemanns späterem Werk prägen. Außerdem lernte er bei heimlichem Musikunterricht die italienisch geprägten Stile von Rosenmüller, Corelli, Caldara und Steffani kennen. Trotz seiner intensiven Beschäftigung mit der Musik scheint Telemann auch naturwissenschaftliche Bereiche nicht vernachlässigt zu haben; von 150 Schülern der ersten Klasse belegte er den dritten Platz.

Studienjahre in Leipzig

1701 beendete Telemann seine Schulausbildung und schrieb sich an der Universität Leipzig ein. Unter dem Druck seiner Mutter nahm er sich vor, wie vorgesehen Jura zu studieren und sich nicht mehr mit der Musik zu beschäftigen. Dieses Vorhaben erwies sich jedoch als hoffnungslos. Schon auf dem Weg nach Leipzig hielt Telemann in Halle, um den jungen Georg Friedrich Händel zu treffen. Mit ihm begründete er eine Freundschaft, die sein ganzes Leben andauern sollte. Telemann schrieb, dass er seine musikalischen Ambitionen zunächst vor seinen Kommilitonen verheimlicht habe. Telemanns Musik spielender Zimmerkamarad jedoch fand zufällig eine Komposition unter Telemanns Handgepäck, die er am folgenden Sonntag in der Thomaskirche aufführen ließ. Daraufhin wurde Telemann vom Bürgermeister beauftragt, zwei Kantaten pro Monat für die Kirche zu komponieren.

Charakteristische Unterschriften Telemanns (1714 und 1757)

Charakteristische Unterschriften Telemanns (1714 und 1757)

Dank des großen Erfolges seiner musikalischen Tätigkeiten erlangte Telemann bald das Vertrauen der Leipziger Studenten. Nur ein Jahr nach dem Eintritt in die Universität gründete er für sie ein 40-köpfiges Collegium musicum und ermöglichte somit als einer der ersten in Deutschland nach Matthias Weckmann öffentliche Konzerte. Auch später noch hatte das „Telemannische“ Collegium großen Einfluss auf das Musikleben der Stadt. Im selben Jahr wurde Telemann zum Direktor der 1693 von Nicolaus Adam Strungk eröffneten Leipziger Oper ernannt, an deren Aufführungen auch viele Mitglieder des Collegium teilnahmen und deren Hauptkomponist er bis zur Schließung blieb. 1704 wurde er von der Neuen Kirche (heute: Matthäikirche), der damaligen Universitätskirche der Stadt, als Organist und Musikdirektor eingestellt. Telemann unternahm von Leipzig aus zweimal Reisen nach Berlin.

Von Telemanns wachsendem Ansehen irritiert, warf der offizielle städtische Musikdirektor Johann Kuhnau ihm vor, mit seinen weltlichen Werken zu großen Einfluss auf die geistliche Musik genommen zu haben und verweigerte die Teilnahme seiner Choristen an den Opernaufführungen. Möglicherweise war die aus Sicht der Stadt relative Genügsamkeit Telemanns und die damit verbundene Schwächung von Kuhnaus Position ursächlich für die zwischen beiden Musikern entstandenen Spannungen, die schließlich Telemann zum frühzeitigen Verlassen der Stadt bewegt haben mögen. Trotz diese Konfiktes lobte Telemann in seinen Autobiographien die kompositorischen Leistungen Kuhnaus.

Sorau und Eisenach

Im Juni 1705 wurde Telemann zum Kapellmeister am Hofe des Grafen Erdmann II. von Promnitz in Sorau (dem heutigen Żary) ernannt. Der Graf war ein großer Bewunderer der französischen Musik und sah in Telemann einen würdigen Nachfolger der von Lully und Campra geprägten Versailler Musikschule, von deren Kompositionen er bei einer Frankreich-Reise einige Abschriften mitbrachte und die Telemann studierte. Auf Reisen nach Krakau und Pleß lernte Telemann die polnische und mährische Folklore zu schätzen. Zweimal besuchte Telemann von Sorau aus Berlin; 1707 besuchte er Paris.

Ende 1708 verließ Telemann das vom Einmarsch der schwedischen Armee bedrohte Soren und ging nach Eisenach, wo er Konzertmeister und Kantor am Hof des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach wurde. Oft musizierte er gemeinsam mit Pantaleon Hebenstreit. Telemann traf auf Johann Sebastian Bach und wurde einige Jahre später Patenonkel dessen Sohnes Carl Philipp Emanuel. In Eisenach komponierte Telemann zahlreiche Vokal- und Instrumentalwerke, unter anderem vier oder fünf Jahrgänge an Kantaten. Telemann war als solistischer Tenorist bei der Aufführung seiner eigenen Kantaten beteiligt. Im Oktober 1709 heiratete er Amalie Luise Juliane Eberlin, eine Hofdame der Gräfin von Promnitz. Kurz zuvor noch wurde Telemann vom Herzog zum Sekretär ernannt – eine zur damaligen Zeit hohe Auszeichnung. Telemanns Frau verstarb bereits im Januar 1711 bei der Geburt der ersten Tochter am Kindbettfieber.

Frankfurt

Georg Philipp Telemann, koloriertes Aquatinblatt von Valentin Daniel Preisler nach einem verschollenen Gemälde von Ludwig Michael Schneider (1750)

Telemann, der nun auf der Suche nach neuen Herausforderungen war, bewarb sich erfolgreich in Frankfurt am Main, wo er im Februar 1712 zum Kapellmeister der Barfüßer- und Katharinenkirche und kurz darauf zum städtischen Musikdirektor ernannt wurde. Wie auch in Leipzig und Frankfurt begnügte sich Telemann nicht mit diesen Verpflichtungen. 1713 übernahm er die Leitung des Collegium musicum der Gesellschaft Frauenstein, die wöchentliche Konzerte organisierte, und wurde Vermögensverwalter und Wirtschafter der Vereinigung. Hier wurden auch seine ersten Oratorien aufgeführt. Telemann plante eine Aufführung seiner Brockes-Passion im Armenhaus, dem die Einnahmen aus dem Verkauf der Textbücher zugute kommen sollten, allerdings musste das Konzert wegen großen Andrangs in der Barfüßerkirche stattfinden.

Während seiner Zeit in Frankfurt komponierte Telemann neben fünf Jahrgängen von Kantaten weitere Oratorien sowie Orchester- und Kammermusik, von der ein Großteil veröffentlicht wurde. Allerdings fand er keine Gelegenheit, Opern zu veröffentlichen, auch wenn er weiterhin Werke für die Leipziger Oper schrieb. 1714 heiratete Telemann Maria Katharina Textor, die Tochter eines Ratskornschreibers.

Auf einem Besuch in Leipzig wurde Telemann mit der Ernennung zum städtischen Kapellmeister geehrt. Ein Jahr später bot der Graf von Gotha Telemann die Stelle als Kapellmeister an. Der Eisenacher Hof ernannte Telemann zum Kapellmeister „von Haus aus“, sodass Telemann seinen Titel behielt, aber seine Musik nur noch an den Hof lieferte. Herzog Ernst August von Weimar bot Telemann seinerseits an, ihn zum Musikdirektor aller thüringischen Höfe zu ernennen. Ein an den Frankfurter Rat gerichteter Brief, in dem Telemann in höflichen Worten ein Ultimatum bezüglich seines Gehaltes stellte, beweist sein diplomatisches Geschick. Er blieb in Frankfurt und setzte eine Gehaltserhöhung von 100 Gulden durch. Zusammen mit seinen Einkünften aus der Gesellschaft Frauenstein und Honoraren für Gelegenheitskompositionen bezifferte sich Telemanns Jahreseinkünfte auf 1.600 Gulden, womit er zu den Bestbezahlten in Frankfurt gehörte.

Ab 1715 gab Telemann seine ersten gedruckten Werke im Selbstverlag heraus. Während eines Besuchs in Dresden traf er wieder auf Händel und widmete dem Geigenvirtuosen Pisendel eine Sammlung von Violinkonzerten. Später übernahm er auch die Stelle des Kapellmeisters des Prinzen von Bayreuth. Trotz seiner zahlreichen Reisen schrieb Telemann auch weiterhin mehrere Jahrgänge an Kantaten für Frankfurt, nachdem er die Stadt verlassen hatte.

Hamburg: Schwierige Anfangszeit

1721 nahm Telemann das Angebot an, als Nachfolger von Joachim Gerstenbüttel die Kantorenstelle des Hamburger Johanneums zu übernehmen. Vermutlich schlugen Barthold Heinrich Brockes, der Telemanns Musik bewunderte, und Erdmann Neumeister, dessen Kantatentexte Telemann oft vertonte, seinen Namen vor. Damit wurde Telemann neben seiner Stelle als musikalischer Leiter der Stadt auch Direktor der fünf größten Stadtkirchen – mit Ausnahme des Domes, der musikalisch von Johann Mattheson geleitet wurde. Sein feierlicher Amtsantritt fand am 16. Oktober statt. Hier, mit der Möglichkeit, Werke aller Formen zu komponieren und aufzuführen, begann erst seine Hauptschaffensphase, die 46 Jahre lang andauern sollte. Als Kantor verpflichtete sich Telemann zur Komposition von zwei Kantaten wöchentlich und eines Oratoriums pro Jahr. Außerdem veröffentlichte Telemann zahlreiche Gelegenheitsmusiken wie die jährliche „Kapitänsmusik“. Trotz dieser zahlreichen Verbindlichkeiten war er auch als Musiklehrer tätig und erfüllte weitere Aufträge aus anderen Städten. Seinen Verpflichtungen zu außermusikalischem Unterricht kam Telemann allerdings nicht nach.

Telemann baute das bereits 1660 von Matthias Weckmann gegründete, aber mittlerweile heruntergekommene Collegium musicum neu auf. Auch hier ermöglichte er zum ersten Mal seit seinem Vorgänger wieder öffentliche Konzerte; die Eintrittskarten verkaufte er persönlich. Am 17. September 1721 wurde zum ersten Mal Telemanns Kirchenmusik in Hamburg aufgeführt.

Telemann hatte jedoch in Hamburg mehr Ärger, als er erwartet hatte. Der Ratsdrucker Neumann, der das alleinige Recht beanspruchte, Telemanns Texte zu drucken, beschwerte sich beim Rat. Auch das Kollegium der Oberalten beschwerte sich, als Telemann 1722 einige Kantaten im vornehmen Wirtshaus Hof zu Holland aufführen wollte. Der Rat schwieg zwar, dennoch erlangte Telemann Kenntnis dieser Beschwerden. Dies, zusammen mit der unzureichenden Bezahlung und seiner zu kleinen Wohnung, bewog ihn dazu, am 3. September ein Entlassungsgesuch einzureichen – das allerdings, anders als sein Brief an den Franfurter Rat, kein Erpressungsversuch war – und bewarb sich nach dem Tode Kuhnaus um die Stelle als Thomaskantor in Leipzig. Unter den sechs Bewerbern wurde er gewählt. Telemann lehnte die Stelle jedoch etwas später ab, da der Stadtrat ihn nicht aus Geiz an eine wirtschaftlich schwächere Stadt verlieren wollte, und so wurde Telemanns Gehalt um 400 Hamburgische Mark erhöht. Seine gesamten Jahreseinkünfte betrugen damit etwa 4.000 Mark. Die enttäuschten Direktoren der Thomaskirche bemühten sich, Johann Christoph Graupner zu gewinnen. Da dieser seine Stellung nicht aufgeben konnte, wurde Johann Sebastian Bach Kuhnaus Nachfolger.

Hamburg: Neubeginn

1722 übernahm Telemann die Leitung der Hambuger Oper, ein Amt, das er bis zur Schließung des Opernhauses im Jahr 1738 weiterführte. Viele seiner Opernwerke aus dieser Zeit sind heute verschollen. Telemann sorgte dafür, dass auch seine ursprünglich den gehobeneren Kreisen vorbehaltenen Kompositionen einer breiteren Audienz vorgeführt wurden. Die Aufführungen fanden meist im Drillhaus statt. Telemann schien im Großen und Ganzen mit seiner Tätigkeit zufrieden gewesen zu sein; Verdruss bereitete ihm nur die Tatsache, dass die Musiker von Jahr zu Jahr mehr Gehalt forderten, während sowohl seine persönlichen Bezüge als auch die Eintrittspreise konstant blieben.

Schlusschor des Oratorios der Kapitänsmusik (1730)

1728 gründete Telemann zusammen mit Johann Valentin Görner die erste deutsche Musikzeitschrift Der getreue Musikmeister, die das Musizieren daheim fördern sollte und zweiwöchentlich erschien. Neben Telemann und Görner trugen auch elf andere zeitgenössische Musiker wie Keiser, Bonporti und Zelenka mit ihren Kompositionen zur Zeitschrift bei. 25 Ausgaben sind heute vollständig erhalten. Um Kosten zu sparen, stach Telemann entweder selbst die Kupferplatten, oder er verwendete ein bis dahin nur in England gebräuchliches Verfahren, bei dem er mit Bleistift die Noten spiegelverkehrt auf eine Platte aus einer Zinn-Blei-Legierung aufzeichnete. Die Druckplatte wurde dann von einem anderen ausgeschabt und abgezogen. Dabei schaffte Telemann neun bis zehn Platten pro Tag. Bis 1740 veröffentlichte er 46 Notenwerke im Selbstverlag, die er in mehreren deutschen Städten sowie in Amsterdam und London an Buchhändler verkaufte. Man konnte auch beim Komponisten selbst Partituren bestellen; bis 1739 informierten regelmäßig ergänzte Kataloge den Musikfreund.

Telemanns Privatleben und seine zweite Ehe verlief weniger glücklich. Es war ein offenes Geheimnis, dass Maria Katharina ein Verhältnis mit einem schwedischen Offizier hatte. Über Telemanns unglückliche Ehe veröffentlichte einer seiner Textdichter, Johann Philipp Prätorius, ein satirisches Gedicht. Telemann scheint Prätorius dieses Pamphlet nicht nachgetragen zu haben; in seiner Operette Pimpinone persiflierte er seine eigene Ehe. Zusammen mit Maria Katharina hatte Georg Philipp zwei Töchter und acht Söhne, von denen die meisten im Kindesalter starben und keiner Musiker wurde. Zehn Jahre nach der Geburt des letzten Kindes warf Telemann seine Frau aus dem Haus und schickte sie zu ihren Verwandten nach Frankfurt zurück, nachdem er entdeckt hatte, dass sie im Glücksspiel 5.000 Reichstaler (etwa 18.125 Hamburgische Mark) verzockt hatte. Ohne Telemanns Wissen ließen einige Hamburger Bürger eine Spendenaktion organisierten, um ihn vor dem Bankrott zu retten. Dass es Telemann gelang, seine dringlichsten Gläubiger hauptsächlich aus eigener Tasche zufrieden zu stellen, und dass er sich mehrere – offensichtlich von der Stadt bewilligte – Kuraufenthalte in Bad Pyrmont leistete, beweist, dass er ein vermögender Mann war.

Reise nach Paris und späte Jahre

Georg Philipp Telemann, anonymer Stich

Im Herbst 1737 besuchte Telemann Paris, nachdem er von einer Gruppe dortiger Musiker (Forqueray, Guignon und Blavet) dazu eingeladen worden war. Sieben seiner Werke lagen dort bereits im Nachdruck vor. Er wohnte beim Cembalobauer Antoine Vater. Nach viermonatigem Aufenthalt verlieh der König Telemann ein zwanzig Jahre dauerndes Exklusivrecht an seinen Veröffentlichungen, das vor Raubdrucken schützen sollte. Mit Aufführungen von mehreren Werken gelang Telemann endgültig zu internationalem Ruhm. Als erster deutscher Komponist durfte sich Telemann am Concert spirituel, einer Einrichtung zur Aufführung von Motteten und Instrumentalmusik, vorstellen. Telemanns Paris-Besuch war sein einziger Auslandsaufenthalt, von Abstechern nach Holstein oder Scwerin abgesehen.

Im Mai 1738 kehrte Telemann, dessen Ansehen auch in Deutschland durch die Reise erhöht worden war, nach Hamburg zurück. Die Schulbehörde kritisierte seine lange Abwesenheit, während der er sich von Johann Adolf Scheibe hatte vertreten lassen. Die Hamburger Oper, ein reiner Privatbetrieb, war inzwischen geschlossen worden, nachdem das Publikum, das eher nach derber Kost verlangte, immer weniger für das dortige Programm zu begeistern war. Bühnenwerke wurden aber immer noch von Theaterkompanien aufgeführt, die oft monatelang in Hamburg Gastspiele gaben.

In einer im Oktober 1740 erschienenen Zeitungsanzeige bot Telemann die Druckplatten von 44 seiner selbstverlegten Werke zum Verkauf an. In der Begründung hieß es, er wolle seiner Aktivität als Komponist ein Ende setzen und sich nun auf die Veröffentlichung von Lehrschriften konzentrieren. Tatsächlich war von 1740 bis 1755 Telemanns Leben von geringerer kompositorischer Aktivität geprägt.

Die meisten von Telemanns Kindern waren schon aus dem Haus. Maria Wilhelmina Eleonora war verheiratet und lebte bei Glückstadt, Andreas wurde in Plön Prediger, Johannes war Bediensteter des Geheimrats von Ahlefeldt bei Kopenhagen, Heinrich Matthias war in Hamburg Gewürzhändler, Anna Clara heiratete einen Organisten aus Föhr, und Benedict Eberhard Wilhelm wurde in Stockholm Apotheker. Überraschenderweise wurde keiner der Kinder Musiker. Telemann legte außerhalb der Stadt einen kleinen Garten an und widmete sich außerhalb seiner Pflichten der Sammlung seltener Blumen.

Obwohl Telemann nun nicht mehr so produktiv wie früher war, komponierte er auch weiterhin. Ab 1755 schrieb er noch drei große Oratorien und weitere geistliche und weltliche Werke. In seinen späten Jahren verschlechterte sich Telemanns Sehvermögen – möglicherweise, weil er bis tief in die Nacht arbeitete. Außerdem litt er an Beinbeschwerden. Telemann zog immer häufiger seinen ebenfalls komponierenden Enkel Georg Michael, den Sohn von Andreas, zur Unterstützung beim Schreiben heran. Telemanns Humor und Innovationskraft litten nicht unter seiner Müdigkeit.

Telemanns letzte Komposition, eine Markus-Passion, stammt von 1767. Am 25. Juni, im hohen Alter von 86 Jahren, starb Telemann an einer Lungenentzündung. Nachfolger im Amt wurde sein Patensohn Carl Philipp Emanuel Bach.

Telemann schrieb drei Autobiografien (1718, 1729 und 1740).

Zeitgenössisches Wirken

Wie aus der zeitgenössischen Rezeption deutlich wird, galt Telemann als der größte Kirchenkomponist seiner Zeit; zusammen mit Carl Heinrich Graun und Johann Adolph Hasse wurde er zu den beliebtesten deutschen Komponisten seiner Zeit gerechnet. Beigetragen zu seiner beispiellosen Karriere hatten sein Humor und die Unverfrorenheit, die er höher gestellten entgegenbrachte.

Telemanns Einsatz löste die vorher strenge Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Musik. Die Tatsache, dass er ausgedehnte Reisen unternahm, ermöglichte es ihm, musikalische Einflüsse aus Frankreich, Italien und Polen im „vermischten Stil“ umzusetzen.

Die meisten von Telemanns Schülern (Graupner, Pisendel und Heinichen) nahmen ihren Lehrer zum Vorbild. Andere Komponisten wie Stölzel und Fasch eiferten ihnen bald nach.

Neben seinen Leistungen als Komponist hatte Telemann Einfluss auf die bürgerliche Haltung zur Musik, indem er zum erstem Mal nach Matthias Weckmann öffentliche Aufführungen außerhalb jeglicher aristokratischer oder kirchlicher Rahmenbedingungen ermöglichte. Sein Wille zur Gründung von Amateurorchestern (collegia musica) und der ersten deutschen Musikzeitschrift entsprang dem Wunsch, einer gewissen Bourgeoisie Zugang zur Musik zu ermöglichen.

Werk

Telemann ist der bis heute produktivste Komponist der Musikgeschichte.

Einen Eindruck von Telemanns Arbeitsweise gab Friedrich Wilhelm Marpurg, der berichtete, zu seiner Zeit als Kapellmeister am Eisenacher Hofe seien Telemann wegen der bevorstehenden Ankunft eines hohen Besuchs nur drei Stunden Zeit gegeben worden, eine Kantate anzufertigen. Der Hofpoet verfasste den Text, und dazu schrieb Telemann gleichzeitig die Partitur, wobei er meist noch vor dem Dichter mit der Zeile fertig war. Nach etwas über einer Stunde war die Kantate fertig.

Telemann bewies eine große Flexibilität, indem er sich sowohl den wechselnden Moden seiner Zeit als auch der Musik verschiedener Nationen anpasste. In seinen letzten Jahren wandte er sich dem empfindsamen Stil zu.

Die Texte zu seinen Vokalwerken stammten teils von den berühmtesten Dichtern seiner Zeit (), teils wurden sie von Telemann selbst verfertigt.

Sein äußerst umfangreiches Werk umfasst alle zu seiner Zeit verbreiteten Gattungen; unter anderem schrieb er um die 1.500 Kantaten. Es wird im Telemann-Werke-Verzeichnis (TWV) und dem Telemann-Vokalwerke-Verzeichnis (TVWV) aufgelistet. Telemanns Instrumentalmusik wurde fast vollständig in modernen Ausgaben wiederveröffentlicht, während die Arbeit am TVWV noch nicht abgeschlossen worden ist. Nur ein kleiner Bruchteil seines Werks ist bisher auf Tonträgern veröffentlicht worden.

Telemanns Kompositionen sind von großer Vielfalt. Er schrieb sowohl Kammermusik geringen technischen Schwierigkeitsgrades für den „Hausgebrauch“ als auch Werke von großem Einfallsreichtum und dramatischer Aussagekraft.

Vor allem in seinem Spätwerk setzte Telemann Dissonanzen bewusst in seinen Werken ein.

Instrumentalwerke

Telemanns Instrumentalmusik weist oftmals starke Einflüsse verschiedener Nationen auf. Einige seiner Instrumentalstücke passen sich vollständig dem französischen oder italienischen Stil an. Mehr als jeder andere deutsche Komponist seiner Zeit integrierte Telemann auch Elemente der polnischen Voksmusik. Dabei beschränkte er sich nicht auf die zur damaligen Zeit bekannten Tänze, sondern prägte sowohl Orchester- als auch Kammermusik mit polnischer Melodik und Rhythmik. Zeitweise, wenn auch seltener, nahm er folkloristische Elemente weiterer Völker in seine Werke auf.

(TWV 52:e1 Presto; TWV 51:F4)

Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, die viele Instrumente eher unspezifisch einsetzten, war für Telemann die Instrumentation ein unerlässliches Element der Komposition. Er selbst schrieb:

„…ich lernte die diversen Naturen verschiedener Instrumente kennen, welche nach möglichsten Fleiße selbst zu exkolieren nicht unterließ. Wie nötig und nützlich es sei, diese Arten in ihren wesentlichen Stücken unterscheiden zu können, solches erfahre ich noch bis auf den heutigen Tag, und sage, es könne niemand, ohne solches zu wissen, lustig und glücklich im Erfinden sein.“

In mehreren von Telemanns Instrumentalwerken spielt der Humor eine große Rolle. Der Schlußsatz „L'Espérance du Mississippi“ einer Ouvertüre in B-Dur (TWV 55:B 11) etwa mit seinem Auf und Ab spielte auf den Krach an der Pariser Börse im Jahre 1720 an. Ein anderes Beispiel bietet das Konzert Die Relinge, das das Liebesspiel eines Froschpaares musikalisch umsetzt.

  • Der getreue Musikmeister, 1728
  • Singe- Spiel- und Generalbassübung, 1733
  • Melodische Frühstunden, 1735

Geistliche Vokalwerke

  • Harmonischer Gottesdienst, 1725, 72 Kantaten, vornehmlich für häusliche Andacht
  • Evangelisch-musikalisches Liederbuch, 1730
  • Seliges Erwägen (Ertaufführung 1722, Text von Telemann)
  • Donner-Ode
  • Das befreite Israel
  • Tag des Gerichts
  • Das Lied Mirjams
  • Hirten zu Bethlehem

Weltliche Vokalwerke

Musiktheoretische Werke

  • Beschreibung der Augenorgel, 1739 (Übersetzung aus dem Französischen)
  • Einen Monat vor seinem Tod arbeitete er an einem Stimmungssystem mit dazugehöriger Intervalltabelle.

Rezeptionsgeschichte

In der gesamten Geschichte der europäischen Kunstmusik war das Ansehen kaum eines Tonkünstlers einem derart radikalen Wandel unterworfen wie das von Georg Philipp Telemann.

Während Telemann seinerzeit ein bis dahin unter deutschen Komponisten unerreichtes Ansehen genoss, das auch über die Ländergrenzen hinausstrahlte, schwand seine Wertschätzung bereits wenige Jahre nach seinem Tod. Einen Tiefpunkt erreichte die Anerkennung Telemanns während der Romantik, als die bloße Bemängelung seines Werks einer unbegründeten, auch seine Person betreffenden Diffamierung wich. Musikwissenschaftler des 20. Jahrhunderts räumten – zunächst zögerlich – auf Werkanalyse gestützen Einschätzungen mehr Raum ein und leiteten schließlich eine Wiederentdeckung Telemanns ein, die von sporadischer Kritik begleitet wird.

Zeitgenössische Kritik

Johann Christoph Gottsched zählte 1728 Telemann zusammen mit Händel und Bach zu den „dreien musikalischen Meistern, die heutzutage unserem Vaterland Ehre machen.“

Dass Telemann eine europäische Berühmtheit war, zeigt sich an den Bestelllisten seiner Tafelmusik (1732) und seiner Nouveaux Quatuors (1738), die Namen aus Frankreich, Italien, Dänemark, Schweiz, Holland, Lettland, Spanien und Norwegen enthalten. In Frankreich galt er als der bedeutendste deutsche Komponist. Wie ein Angebot aus Sankt Petersburg zum Aufbau einer Hofkapelle im Jahr 1729 zeigt, war Telemann auch in Russland bekannt.

Auch Johann Scheibe stellte Telemann über Johann Sebastian Bach und behauptete, Bachs Werke seinen „keinesfalls von solchem Nachdruck, Überzeugung und vernünftigem Nachdenken […] er ist in der Musik, was ehemals der Herr von Lohenstein in der Poesie war.“

Kritik erfuhr Telemann von Johann Mattheson, der seine musikalische Umsetzung von Natureindrücken missbilligte. Anders als bei der nach dem Tode Telemanns einsetzenden Kritik an der „Tonmalerei“ ging es Mattheson vor allem darum, die Musik als menschliche Ausdrucksform vor der Beschreibung der „unmusikalischen“ Natur zu bewahren. Indirekt wurde die hohe Produktivität Telemann bereits 1752 von Carl Heinrich Graun gerügt, der ihn auf die Gefahr hinwies, „durch allzu vieles Schreiben sich selbst einen Eckel verursachen“ zu können.

Vom Ableben Telemanns im Jahre 1767 zeigte sich die Musikwelt betroffen. Georg Michael Telemann verfasste eine Trauer-Ode zum Tod seines Großvaters, in der er dessen Ruhm erwähnt. Johann Heinrich Rolle fasste das Wirken Telemanns in einem Kondolenzschreiben folgendermaßen zusammen:

„Wie viele Jahre wäre vielleicht die Musik in Deutschland nicht noch elend und erbärmlich geblieben, wenn kein Telemann aufgestanden, der durch sein göttliches Genie und durch seinen überaus großen Fleiß die Musik aus der Finsternis herausgezogen, und ihr einen ganz andern und neuern Schwung gegeben?“

Wandel des Telemann-Bildes

Der zu Telemanns Lebzeiten vorherrschende Ruhm überdauerte seinen Tod nicht lange. Schon wenige Jahre danach häufte sich die Kritik an Telemanns Werk. Der Grund für diesen Wechsel lag im Übergang vom Barock zu einer Zeit der „Empfindsamkeit“, des Sturm und Drang und der beginnenden Wiener Klassik mit dem damit einhergehenden modischen Wandel. Die Aufgabe der Musik lag nicht mehr im „Erzählen“, sondern im Ausdruck subjektiver Empfindungen. Außerdem löste sich die Bindung der Musik an bestimmte Anlässe; die sogenannte Gelegenheitsmusik wurde von Kompositionen verdrängt, die „um ihrer selbst willen“ angefertigt wurden.

Kritisch betrachtet wurden zum einen die Textvorlagen der geistlicher Musik von Telemann und anderen Kirchenkomponisten, denn auch die musikalischen Textvorlagen hatten sich nun den modernen Regeln der Dichtung unterzuordnen.
Zum anderen wurde die von Telemann besonders konsequent betriebene Umsetzung textueller Ideen in die Musik – einen Stil, den er in Frankreich kennen gelernt hatte – heftig kritisiert. Die textgetreue Umsetzung von Herzklopfen, wütendem Schmerz und ähnlichem wurde als äußerst verdrießliche „Tonmalerei“ abgetan.

Repräsentativ für die nun vorherrschenden, veränderten Auffassungen über die Komposition und Dichtung ist folgende Aussage Gotthold Ephraim Lessings:

„Telemann übertrieb auch nicht selten seine Nachahmung ins Abgeschmackte, indem er Dinge malte, welche die Musik gar nicht malen sollte.“

Weitere Kritik aus der Musikersphäre kam von Sulzer, Agricola, Kirnberger, Schulz und anderen. Telemanns Ansehen schwand rapide, und andere Komponisten wie Graun, denen man einen „zärtlicheren“ Geschmack nachsagte, kamen in Mode.

1770 äußerte der Hamburger Literaturprofessor Christoph Daniel Ebeling erstmals die später sehr häufig verwendete Folgerung, allein aus dem enormen Umfang von Telemanns Werk ließe sich auf eine mangelnde Qualität des Opus schließen, indem er Telemanns „schädliche Fruchtbarkeit“ mit der Begründung „Selten hat man von Polygraphen (Vielschreibern) viele Meisterstücke“ angriff.

Telemanns weltliches und instrumentales Werk konnte sich vor den Kritikern noch einige Zeit lang behaupten, doch bald übertrug sich die Kritik auf das gesamte Schaffen Telemanns.

Der Komponist und Musikkritiker Johann Friedrich Reichardt bemängelte 1774, Telemanns Tonmalerei gehe mit Gefälligkeit einher:

„Wenn er [Telemann] aber von den Franzosen lernte, sich zu sehr nach dem Geschmacke der Nation oder der Leute, unter denen man lebte, zu bequemen, so weiß ich auch viel Nachteiliges über die Reise zu sagen. […] Er bequemte sich wirklich oft nach Leuten vom übelsten Geschmack, daher man auch unter seinen vortrefflichen Werken so viel mittelmäßige Arbeiten findet, und in diesen die ungeheuren und läppischen Schildereien.“

Kupferstich gegen Ende des 18. Jahrhunderts eines englischen Organisten, der auch Bachs Wohltemperiertes Klavier herausgab. Der Autor zählte Bach, Händel, Graun und Haydn zu den besten Komponisten; Telemann ist zusammen mit anderen, heute wohlbekannten Musikern zweitrangig eingeordnet.

Eine Würdigung des Werkes im Bewusstsein eines veränderten Geschmacks fand nur vereinzelt statt. Christian Friedrich Daniel Schubart rühmte Telemann in höchsten Tönen und bedauerte die zu sehr von der Mode geprägte Wertschätzung:

„…Caldara, Fux, Brescianello, Buxtehude – selbst Sebastian Bach, Telemann – wie wenig werdet ihr heutigen Tages noch gelesen. Mit Staub bedeckt sind eure köstlichen Partituren, und Schellenklang und honigtriefende Rondos haben euch weggeklimpert! […] Welch ein kindisches Publikum, das hinter jedem unzeitigen Schreier daherflutet, daherjolt, und sich in wenigen Monaten seines verschwendeten Beifalls schämt! Komponisten, die […] ausgezischt worden wären, sind jetzt im Ansehen, als Lieblinge der Höfe und Tongeber für alle.“ (1777)

Ernst Ludwig Gerber hat in seinem bekannten Musiklexikon (1792) wenig Gutes über Telemann zu sagen. Auch er beanstandet die zu textgebundene Deklamation des „Polygraphen“. Häufig zitiert wurde Gerber später in seiner Behauptung, die beste Schaffensperiode des Künstlers liege in der Zeit von 1730 bis 1750.

Auch im Vergleich zu Johann Sebastian Bach oder zu Reinhard Keiser beurteilte man Telemann zunehmend kritisch. Johann Abraham Peter Schulz bezeichnete Telemanns Satztechnik als „nicht Bachisch-korrekt“, während Schubart noch schrieb, „korrekter als Telemann“ könne man nicht schreiben.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren bereits viele von Telemanns Partituren verschollen. Das Interesse an Telemann war nunmehr fast historisch; seine Werke wurden nur noch zuweilen in den Kirchen Hamburgs und einigen Konzertsälen aufgeführt. In Paris sind letzte Aufführungen bis 1775 nachzuweisen. Ab etwa 1830 bestand, abgesehen von wenigen Aufführungen, keine auf eigener Hörerfahrung basierende Kenntnis von Telemanns Werk.

Dessen ungeachtet sind einige Beispiele von Persönlichkeiten überliefert, die Interesse an Telemanns Schaffen zeigten. So war der Schriftsteller Carl Weisflog von einer 1827 stattfindenden vereinzelten Aufführung der Donner-Ode beeindruckt; Johann Wolfgang von Goethe gedachte, Manuskripte von Telemann zu erwerben.

Systematische Diffamierung

Charakteristisch für die musikhistorischen Erwähnungen Telemanns im 19. Jahrhundert ist der Mangel an fundierter, auf den Werken basierender Analyse und die verschärfte Weiterführung bereits früher erwähnter Kritikpunkte. In Gustav Schillings Bemerkung von 1838 mischt sich ein nationalistischer Unterton:

„Nun waren es aber vornehmlich französische [Partituren], in deren Besitz er gelangte, und daher schreibt sich wohl die Leichtfertigkeit, womit er hie und da später selbst gearbeitet zu haben scheint. […] Deutsch von Natur wollte sein Geist auch einen deutsch-ernsten, einen wahrhaft charakteristischen Aufschwung nehmen, aber in französischem Treibhaus groß gezogen, ist er eine Bastardnatur geworden…“

Eine mangelnde Ernsthaftigkeit, die man offenbar von einem deutschen Komponisten erwartete, warf man vor allem Telemanns „theatralischen“ geistlichen Kompositionen vor. Carl von Winterfeld betrachtete den den Werken zugrundeliegenden Text – oftmals vom Komponisten selbst verfasst – als flach und pathetisch, als „ermüdendes Einerlei“. Weiterhin bezeichnete er Telemanns Werk als „leicht und schnell hingeworfen“, den Ausdruck der geistlichen Vokalwerke als fehlerhaft und der Kirche unwürdig.

„Ein unverkennbares Talent hat bei wirklichem Erfolge hier offenbar nur das Abgeschmackte geleistet und durch glänzenden Beifall der Zeitgenossen sich hinlänglich entschädigt gehalten, der jedoch das Widersinnige nimmer rechtfertigen kann.“
Telemann-Denkmal im Park des Etatrats Carl Friedrich Richardi in Horn (1781). Das Denkmal blieb nur etwas über ein Jahrzehnt bestehen.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Wortwahl der Bemängelung von Telemann stetig; laut Ernst Otto Lindner (1855) schuf er „keine künstlerischen Schöpfungen, sondern Fabrikware“, die „für die Kunst ohne Wert“ sei. Die Kritik übertrug sich auch auf seine Person. Lindner verurteilte Telemann ob seiner Autobiografien und der Wahl seines Pseudonyms Signor Melante als eitel, andere wiederum sahen in seinem Selbststudium der Musik einen Fehler. Karl Ernst Schneider wies 1865 darauf hin, dass die Verwendung des Kürzels „G. P. T.“ anstelle des vollen Namens in einem Manuskript entweder auf eine Scham angesichts eines solchen Machwerks, oder auf ein Bewusstsein der eigenen Bekanntheit hindeute. Zur Charakterisierung der Beliebtheit Telemanns verwendete Wilhelm Kleefeld die Formulierung „Machtstellung eines absoluten Kunstdiktators“.

Weitere kritische Ansichten äußerte Eduard Bernsdorf 1861, der Telemanns Melodien als „steif und trocken“ bezeichnete; auch hier übernahmen viele andere Musikkritiker diese Formulierung. Andere wiederum beanstandeten einen Mangel an Melodiefrische oder eine unter der Deklamation leidende Melodie, die teilweise in ein „sinnwidriges, gefühlverletzendes Gezerre“ abgleite. Auch von „Geschmacklosigkeit“, „rhythmischen Abnormalitäten“, „unentwickeltem Taktgefühl“, „Nichtsnutzigkeit der Texte“, „Herz- und Rücksichtslosigkeit“, „Dürftigkeit“, „Originalitätssucht“, „schablonenmäßigem“ oder „seichtem“ Musikmachen voller „kleinlicher Künsteleien“ sowie „paradoxer Dreistigkeit“ war die Rede.

„Man sieht daraus bloß, mit wie Wenigem das Hamburger Publikum zufrieden war.“ (Lindner, 1871)
„Die direkte Verbindung, welche in Telemanns Person zwischen Oper und Kirche hergestellt war, übte sofort ihren unheilvollen Einfluss.“ (Philipp Spitta, 1880)

Zusammen mit der historischen Wiederentdeckung Johann Sebastian Bachs begann auch eine Zeit der abschätzigen Bewertung vieler anderer Komponisten – ungeachtet der Tatsache, dass man, wenn überhaupt, nur Zugang zu einem kleinen Bruchteil des Gesamtwerks hatte und zudem nie ernsthafte Werkanalysen durchführte. Im Falle Telemanns eigneten sich Historiker keine auf die Partituren gestützte Werkkenntnis an, sondern orientierten sich vor allem an den Ausführungen Ebelings und Gerbers. Einige Bach- und Händelforscher intensivierten ihre Kriterien hinsichtlich Telemanns Schaffensprinzipien, um die qualitative Differenz zu Bach und Händel zu verdeutlichen.

„Die Kirchenmusik nach dem Tode Bachs verflachte unsäglich, nicht er und Händel waren die Vorbilder, denen man nachstrebte, sondern Telemann und noch mehr Graun und Hasse; Einflüsse der italienischen Oper paarten sich mit rein konventionell gewordenem Kontrapunkt zu einer Mischung von Sinnlichkeit und Trockenheit, die Formen erstarrten, weil nichts vorhanden war, wodurch sie von innen heraus Trieb und Leben bekommen hätten. […] Nach Bach beginnt die Instrumentalmusik jene objektive Hingabe an den Ton und seinen naturmäßig ihm innewohnenden allgemeinen Poesie- und Empfindungsgehalt […] zu opfern.“ (Arrey von Dommer, 1868)
„Telemann, Fasch und andere produktive Zeitgenossen waren flachere Talente und insofern bietet ihr Schaffen für dasjenige Bachs keinen ausreichenden Maßstab.“ (Spitta)
„…allein da sein [Telemanns] Talent für das Großartige wenig ergiebig war, so bleibt er auch hier im Alltäglichen sitzen, oder bringt es mit der krampfhaften, stimm- und chorwidrigen Gesangsbehandlung […] nur zur Karrikatur. […das Werk] fällt gänzlich ab gegen die hohe Originalität und Frische der Bachschen Musik.“ (Spitta, 1873)
„…in solchen Formen [Choralchören] konnte und mochte Bach nichts von Telemann annehmen und Telemann wäre nicht im Stande gewesen, es ihm auch nur von ferne darin nachzutun.“ (Spitta, 1880)
„Kann man sich etwas Unnatürlicheres denken? Hätte der gute Telemann schon damals eine Ahnung von dem, was Bach schön geschaffen hat, gehabt, er würde wohl schwerlich solchen Unsinn herausgegeben haben.“ (Otto Wangemann, 1882).

Der Bachbiograf Albert Schweitzer konnte es nicht fassen, dass Bach scheinbar unkritisch ganze Kantaten von Telemann abschrieb. Spitta kam im Zuge seiner Analyse der Kantate Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (BWV 160) zu folgendem Urteil: „Was Bach daraus gemacht, ist ein wahres Kleinod an ergreifender Deklamation und herrlichem melodischen Zuge.“ Pikanterweise stellte sich später heraus, dass die Kantate von Telemann komponiert wurde. Ein ähnlicher Irrtum unterlief Schweitzer, als er sich vom – von Telemann stammenden – Eingangschor „So du mit deinem Munde“ der Kantate Ich lebe, mein Herze, zu deinem Ergötzen (BWV 145) beeindruckt zeigte.

Telemann wurde ab den 1870er Jahren – entgegen heutiger musikwissenschaftlicher Sicht, die das Gegenteil behauptet – Konventionalität vorgeworfen. Lindner schrieb, dass Telemann, der „altbewährten Schule“ entstammend, eigentliche Selbständigkeit nie erreicht hätte; Hugo Riemann bezeichnete ihn als „das Urbild eines deutschen Komponisten von Amts wegen“. Auch wurde Telemanns Berühmtheit zu Gunsten von Bach heruntergespielt; in einem Lexikon der 1880er Jahre steht: „Telemann […] wurde fast mehr gefeiert wie der gleichzeitig lebende J. S. Bach“.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert erreichte das Ansehen Telemanns in musikhistorischen Kreisen einen absoluten Tiefpunkt. 1884 formulierte Robert Eitner sein vernichtendes Gesamturteil:

„Telemann kann entsetzlich bummelich schreiben, ohne Kraft und Saft, ohne Erfindung; er dudelt ein Stück wie das andere herunter.“

Rehabilitationsversuche

Die ersten Versuche der gründlicheren Auseinandersetzung mit Telemanns Werk fanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts statt. Vor allem die intensivere Beschäftigung mit dem Quellenmaterial führte zum erneuten Wandel in der Telemann-Rezeption.

Zu den ersten Musikwissenschaftlern, die eine unvoreingenommenere Beurteilung von Telemanns Werken formulierten, gehörten Carl Friedrich Weitzmann und Max Seiffert, die 1899 im Zuge der Analyse einiger seiner Klavierkompositionen eine eher beschreibende als wertende Haltung einnahmen. 1902 würdigte Max Friedlaender Telemann, in dessen Liedern mit ihren „witzigen und pikanten Melodien“ er sich als „eigenartigen, liebenswürdigen, interessanten Komponisten, der sich von der Schablone des Zeitgeschehens gern emanzipiert“ zeige. Damit behauptete er das genaue Gegenteil der häufig geäußerten Kritik an den „trockenen Melodien“ und der „Schablonenhaftigkeit“. Andererseits stellte er auch eine große Ungleichheit in Telemanns Werk fest. Arnold Scherings Urteil von Telemanns Instrumentalkonzerten war wie folgt:

„Telemanns Konzerte sind von konventionellem Phrasenwerk nicht frei, enthalten aber viel originelle Einfälle und kunstvolle Satzproben und bekunden vor allem eine unerschöpfliche Phantasie.“

Weitere Forscher, die zu differenzierten, wenngleich noch zuweilen negativ beeinflussten Einschätzungen kamen, waren Wilhelm Kleefeld, Hermann Kretzschmar, Curt Ottzenn, Carl Mennicke, Caroline Valentin und Hugo Leichtentritt.

Den Grundstein für die Wiederentdeckung Telemanns lieferten erst die zukunftsweisenden Publikationen Max Schneiders und anderer. Schneider war der erste, der die Praxis der unbegründeten Kritik an Telemann angriff und versuchte, ihn in seiner eigenen Historizität zu begreifen. Er veröffentlichte 1907 in den Denkmälern Deutscher Tonkunst das Oratorium Der Tag des Gerichts und die Solokantate Ino. In seiner Kommentierung von Telemanns Autobiographien wies er auf den beispiellosen Wandel des Telemann-Verständnisses in den vergangenen Jahrhunderten hin. Schneider kritisierte insbesondere den Vorwurf der „Oberflächlichkeit“ von Telemanns Werk und darüber angestellte „Scheinuntersuchungen“. Er forderte „‚Bonmots‘ und vages Gerede über einen Meister geflissentlich [zu] vermeiden, der zwei Menschenalter hindurch von der ganzen gebildeten Welt zu den Ersten seiner Kunst gerechnet wurde und Anspruch darauf hat, in der Geschichte der Musik die rechte Würdigung zu finden“.

Im Anschluss daran veröffentlichten Romain Rolland und Max Seiffert detaillierte Werkanalysen und Editionen von Telemanns Werken.

Moderne Telemann-Pflege

Datei:Telemann-Briefmarken.png
Briefmarken mit Telemann als Motiv

Georg-Philipp-Telemann-Musikschule, im September 2000 in Konservatorium Georg Philipp Telemann umbenannt

1961 wurde der Arbeitskreis „Georg Philipp Telemann“ e.V. gegründet.

1979: Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung

Telemann-Gesellschaft e.V.

Frankfurter Telemann-Gesellschaft e.V.

Telemann und die vier Temperamente

Der mit sich ändernden Musikauffassungen verbundene Wandel ästhetischer Urteile war ursächlich für die Geringschätzung Telemanns vom Ende des 18. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hingegen lag der Grund für den verabsolutierenden Verriss seines Schaffens in einer aus der Glorifizierung Johann Sebastian Bachs – im geringeren Maße auch Händels – resultierenden pauschalen Abqualifizierung barocker Komponistenkollegen ohne eingehende Werkkenntnis. Die dadurch entstandenen Vorurteile konnte die Telemann-Pflege des 20. Jahrhunders nur teilweise abfangen. Zwar besteht heute unter Musikforschern Einigkeit über die musikgeschichtliche Bedeutung von Telemann, in den Reihen der Bachforscher jedoch lebt der Geist Spittas in gedämpfter Form weiter. So schrieb Martin Geck in seiner Bach-Biografie (2000): „Bach tänzelt vielleicht nicht durch die Reihen wie Telemann.“ Dessen Musik beschreibt er als „routinierte Vertonung“ oder „Musik ohne Ecken und Kanten“. Kleßmann erwiderte darauf in seiner Abhandlung über Telemann (2004):

„Die Verehrung Bachs kommt offenbar ohne die Verachtung Telemanns nicht aus. […] Beide Komponisten ergänzen sich in geradezu idealer Weise, denn jeder hat etwas, was dem anderen fehlt. Die Frage nach der „Größe“, wer denn der Größte sei, hat in der Kunst keine Bedeutung, man sollte sie dem Hochleistungssport überlassen.“

Die historisch informierte Aufführungspraxis erwies sich angesichts des entscheidenden Anteils der Instrumentation an Telemanns Werken als unerlässlich. Moderne Instrumente verzerren das vom Komponisten vorgesehene Klangbild völlig, was nicht nur an anderen Klangfarben, sondern auch an unterschiedlichen Grundtönen liegt. Die anfangs häufig praktizierte „romantische“ Aufführungspraxis verzögerte eine angemessene Wiederentdeckung von Telemanns Werk.

Literatur

  • Erich Valentin: Telemann in seiner Zeit. Versuch eines geistesgeschichtlichen Porträts. Veröffentlichungen der Hambuerger Telemann-Gesellschaft, Hamburg 1960
  • Günter Fleischhauer: „Die Musik Georg Philipp Telemanns im Urteil seiner Zeit“, in: Händel-Jahrbuch 1967/68, Händel-Jahrbuch 1969/70, Deutscher Verlag für Musik
  • Christine Klein: Dokumente zur Telemann-Rezeption 1767 bis 1907. Ziethen, Ochersleben 1998, ISBN 3-932090-31-4
  • Karl Grebe: Georg Philipp Telemann. Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 3-499-50170-8
  • Eckart Kleßmann: Georg Philip Telemann. Reihe „Hamburger Köpfe“, Ellert und Richter, Hamburg 2004, ISBN 3-8319-0159-7