Strafvollzug
Der Strafvollzug ist der im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens innerhalb des Strafverfahrens erfolgende Freiheitsentzug als Folge des staatlichen Sanktionsanspruches. Der Freiheitsentzug, also unbedingte Freiheitsstrafen oder Sicherungsverwahrung erfolgt in Justizvollzugsanstalten. Andere Institutionen wie Festungshaft u. Ä. sind inzwischen abgeschafft. Der Strafvollzug wird durch das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) im Wesentlichen geregelt. Aufgabe des Strafvollzuges ist es nach §§ 1, 2 StVollzG als Ziele die Resozialisierung des Gefangenen zu erreichen und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten des Gefangenen zu schützen.
Rechtliche Überprüfungen von Maßnahmen während der Haft finden durch die Strafvollstreckungskammern bei den Landgerichten statt. Strafvollstreckungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft (im Jugendstrafrecht der Jugendrichter).
Ablauf des Strafvollzugs:
Offener Vollzug oder geschlossener Vollzug
Der Strafvollzug findet in Haftanstalten des offenen und des geschlossenen Vollzuges statt.
Nachdem die Verurteilung in Rechtskraft erwachsen ist, kommt der Inhaftierte in eine Anstalt des offenen oder des geschlossenen Vollzuges.
Die Kriterien, wonach sich das entscheidet, in welche Vollzugsform der Inhaftierte "startet", sind einfach:
- In der Regel werden nur Ersttäter in einer Anstalt des offenen Vollzugs untergebracht. Rückfällige und als flucht- oder gemeingefährlich eingeschätzte Personen sind vom offenen Vollzug ausgeschlossen.
- War der Verurteilte zum Zeitpunkt der Verurteilung in Straf- oder Untersuchungshaft oder handelt es sich um einen Rückfalltäter, dann wird die Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug vollstreckt.
Behandlungsuntersuchung
Es wird anschließend eine Behandlungsuntersuchung nach § 6 StVollzG durchgeführt.
Die Modalitäten der Behandlungsuntersuchung sind in Bundesland zu Bundesland leicht unterschiedlich (der Strafvollzug ist Ländersache).
für das Land Berlin: | In Berlin beispielsweise kommen nach dem Berliner Vollstreckungsplan (ABl. Berlin vom 05.01.1999, S. 333-338) alle, die in Haft waren im Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung, in die Justizvollzugsanstalt Tegel, dort in Haus 1, zur sogenannten "Einweisungsabteilung". Dort werden Vollzugspläne erstellt.
Bei Kurzstrafern und bei "Selbststellern" (Inhaftierte des offenen Vollzuges, die den Strafantritt freiwillig geleistet haben) werden die Vollzugspläne "vor Ort" erstellt. In Berlin bedeutet das, dass die Untersuchungshäftlinge ihren Vollzugsplan noch in der Untersuchungshaftanstalt erhalten. Meist werden die Inhaftierten, die Kurzstrafer sind, anschließend dann in Anstalten des offenen Vollzuges weiterverlegt oder in die Justizvollzugsanstalt Charlottenburg. |
Strafvollzug ist Behandlungsvollzug
Nach Beendigung der Behandlungsuntersuchung beginnt für den Inhaftierten praktisch erst die Behandlung, wie sie der Behandlungsvollzug der Bundesrepublik gem. §§ 1 u. 2 StVollzG vorsieht.
Der Inhaftierte erhält einen Vollzugsplan, Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich der Täter Schuldeinsichtig zeigt. Der Vollzugsplan wird ihm schriftlich ausgehändigt. Dieser ist regelmäßig, also im Grundsatz alle sechs Monate, fortzuschreiben (d. h. durch die Haftanstalt zu überprüfen und zur erneuern).
Der Vollzugsplan sieht vor, wie der Vollzug stattfinden soll. Der Vollzugsplan setzt eine Begutachtung des Inhaftierten voraus und äußert sich zu den zugrundeliegenden Feststellungen:
- zugrundeliegende Verurteilung (mit Gründen und ggf. auch mit psychiatrischen Gutachten)
- Vorstrafen
- Lebenssituation sonst (Familienstand, Kinder, Beruf, Berufswünsche, Herkunft, Sprachvermögen, Schuldensituation...)
Nach § 9 StvollzG wird bei solchen Inhaftierten, die vermindert schuldfähig waren im Zeitpunkt der (abgeurteilten) Tat, immer auch eine Begutachtung durch die anstaltseigenen Psychologen vorgenommen. Dies dient primär dazu, die Therapienotwendigkeit zu prüfen und meist auch festzustellen und dazu, die Art der Therapie zu bestimmen und die Durchführung der Therapie. Außerdem wird nach § 9 StVollzG verfahren, wenn der Inhaftierte im Urteil eine Sucht oder eine Neigung festgestellt bekommen hat oder wenn der Inhaftierte einen Antrag auf eine Therapie stellt.
für das Land Berlin: | In Berlin wird ein...
...bekommen. |
Der Vollzugsplan sieht also sogenannte "vollzugsplanerische Entscheidungen vor. Der erste Vollzugsplan ist, wie beschrieben, zugleich die Entscheidung der Einweisungsbehörde oder Einweisungsabteilung und damit das Ergebnis der Behandlungsuntersuchung.
Außer über die Vollzugsform entscheidet der Vollzugsplan auch über Vollzugslockerungen.
- Bei Kurzstrafern werden Lockerungen meist bereits im ersten Vollzugsplan bejaht, wenn kein problematischer Fall vorliegt. Die Haftanstalt hat grundsätzlich neun Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungstermin mit Entlassungsvorbereitungen, die oftmals in Vollzugslockerungen bestehen, zu beginnen.
- Bei Langstrafern werden oftmals zuerst nur Optionen in Aussicht gestellt, beispielsweise die Option, in etwa "neun Monaten erneut über die Möglichkeit von Lockerungen zu entscheiden". Das bedeutet im Klartext, dass es keine Gründe gibt, die einer Lockerung grundsätzlich im Wege stehen, dass die Haftanstalt jedoch die umgangssprachlich als "Kennenlernphase" bezeichnete Zeit - im Beispiel: neun Monate - nutzen möchte. Entsprechend signalisiert also in diesem Beispiel die Haftanstalt, dass eine Möglichkeit immerhin besteht.
Es gibt auch Vollzugspläne, die einfach nur eine Entscheidung zur Frage von Lockerungen treffen, die schlicht und einfach ablehnend ist. Dies ist überdurchschnittlich häufig bei Ausländern der Fall. Entsprechend zu den Annahmen, die im Falle von Haftbefehlen üblich sind, wird auch im Vollzug von folgenden Annahmen stillschweigend oder auch explizit ausgegangen: Die Kenntnisse einer weiteren Fremdsprache als deutsch und die manchmal nur vermutete Tatsache, dass der Betroffene Familie in einem anderen Land als der Bundesrepublik Deutschland hat, bedeuten im Grunde erstmal für die Behörde, dass Fluchtgefahr besteht.
Entlassungstermin im Vollzugsplan: keine Verbindlichkeit
Schließlich trifft der Vollzugsplan auch eine Entscheidung zum voraussichtlichen Entlassungstermin. Wie beschrieben muss ja grundsätzlich neun Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt die Entlassungsvorbereitung begonnen werden. Als übliche Termine gibt es in den Vollzugsplänen den "2/3-Termin" oder den "Endstrafentermin" ("TE"). Der "2/3-Termin" entspricht der Möglichkeit der vorzeitigen bedingten Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB. Eine Entscheidung, dass die Haftanstalt bereits zum - theoretisch möglichen - Halbstrafentermin (entsprechend § 57 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB) die Möglichkeit einer Entlassung in den Vollzugsplan (hier also: dem Ergebnis der Behandlungsuntersuchung) einräumt, ist praktisch fernliegend. Allerdings kann die Haftanstalt in besonderen Fällen dann auch ohne entsprechenden Vollzugsplan eine vorzeitige bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB befürworten, wenn der Zeitpunkt gekommen ist (was aber wirklich nur ausnahmeweise praktisch geschieht).
Der Entlassungstermin kann im Rahmen der Vollzugsplanfortschreibung auch noch verändert werden, in der Regel rückt er von "TE" (Vollverbüßung) auf "2/3". Die Bezeichnung als voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt ist für den Inhaftierten keine in dem Sinne verbindliche Entscheidung, dass der Inhaftierte am jeweiligen Termin auch entlassen wird. Denn eine vorzeitige Haftentlassung, die beantragt werden muss vom Inhaftierten, entscheiden die Strafvollstreckungskammern des jeweils zuständigen Landgerichts für Strafsachen. Die Haftanstalt beginnt jedoch entsprechend der Vollzugsplan mit Entlassungsvorbereitungen und wird, wenn der Inhaftierte sich gut führt, in einer Stellungnahme zur Strafvollstreckungskammer im Rahmen eines Reststrafengesuchs auch entsprechend der eigenen Vollzugsplanung die vorzeitige bedingte Entlassung befürworten oder ablehnen, von Ausnahmen abgesehen.
Vollzugsplanfortschreibung
Der Inhaftierte kann die Fortschreibung seines Vollzugsplans einklagen und er kann auch einzelne Entscheidungen des Vollzugsplans anfechten. Den gesamten Vollzugsplan anzufechten ist extrem schwierig und wird meist ohne Erfolg sein. Die Strafvollstreckungskammern legen einen Antrag auf "Anfechtung des Vollzugsplans" aber dann entsprechend auch so aus, dass die einzelne Regelung, die dem Inhaftierten als rechtswidrig erscheint, mit angefochten wird und eine Entscheidung also trotz meist gegebener Unbegründetheit des Hauptsantrages dann im Wege der Entscheidung über einen durch Auslegung ermittelten Hilfsantrag ergeht.
Vollzugslockerungen
In der Regel beantragt der Inhaftierte seine Lockerungen jedoch unabhängig vom Vollzugsplan. Die Beantragung von Dingen, beispielsweise den Besuch eines Familienmitgliedes innerhalb der Haftanstalt oder auch Lockerungen wie Ausgang, Urlaub etc. wird den vollzuglichen Ablauf quantitativ gesehen von der Erstellung des ersten Vollzugsplans an gesehen bestimmen. Die Vollzugsplanfortschreibungen sind für den Inhaftierten meist nur die Festschreibungen seine "status quo", den er bereits aus der Ablehnung oder Bewilligung seiner Anträge durch den Gruppenleiter, der in der Haftanstalt für ihn zuständig ist, kennt.
Reststrafengesuch
Zum Halbstrafenzeitpunkt, jedenfalls aber zum 2/3-Termin kann der Inhaftierte einen Antrag auf Reststrafenaussetzung zur Strafvollstreckungskammer des für ihn zuständigen Landgerichts stellen, vgl. § 57 StGB. Der Antrag wird zum 2/3-Termin von der Haftanstalt routinemässig insofern unterstützt, als dass die Haftanstalt dem Inhaftierten ein Formular vorlegt, auf dem er unterschreiben kann, dass er den 2/3-Antrag (das Reststrafengesuch) stellt oder dass er darauf verzichtet. Wer nicht mit Bewährung vorzeitig entlassen werden möchte, sondern seine Strafe lieber vollständig verbüßen möchte, kann dies tun. Die meisten Inhaftierten machen sich jedoch große Hoffnungen auf eine vorzeitige bedingte Haftentlassung.
- Der Antrag auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB muss zur Strafvollstreckungskammer gestellt werden. In der Praxis wird der Antrag bereits in der Justizvollzugsanstalt gestellt und dann der Staatsanwaltschaft zugeleitet, die als Vollstreckungsbehörde im Rahmen eines Reststrafengesuchs immer angehört wird. Die Staatsanwaltschaft fordert von der Haftanstalt eine Stellungnahme ab, die der zuständige Gruppenleiter abgibt, und fügt eine eigene Stellungnahme hinzu, die meistens nur ein Einzeiler ist. Die Staatsanwaltschaft schließt sich in 99% aller Fälle der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt an, wenn keine eigenen Erkenntnisse über den Inhaftierten vorliegen. Dann leitet die Staatsanwaltschaft den Antrag an das Landgericht weiter.
- Der Antrag auf Reststrafenaussetzung kann schon einige Zeit vor dem jeweiligen Zeitpunkt gestellt werden, allerdings läuft der Antragsteller bei zu frühzeitig gestellten Anträgen Gefahr, diesen einfach abgelehnt zurückzubekommen, wenn noch zu lange Zeit ist bis zum erhofften Entlassungstermin. Insbesondere bei den nur ganz ausnahmsweise möglichen Halbstrafen-Anträgen nach § 57 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB muss der Inhaftierte darauf achten, dass die Strafvollstreckungskammern auch verstehen, dass er einen Ausnahmefall geltend macht. Dem ist förderlich, wenn die Haftanstalt eine befürwortende Stellungnahme am besten dem Antrag mit beifügt (was, wie beschrieben, selten geschieht).
- Das Reststrafengesuch kann auch jederzeit nach Verstreichen des 2/3-Termins gestellt werden, wenn keine Sperre von der Strafvollstreckungskammer verhängt wurde. Die Strafvollstreckungskammer verhängt eine solche Sperre meist nicht schon nach dem ersten abgelehnten Reststrafengesuch, es sei denn, der Inhaftierte hat den Eindruck erweckt, den Antrag missbräuchlich gestellt zu haben, d. h. also wenn der Antrag gänzlich ohne Aussicht auf Erfolg gestellt wurde und, wie leider nicht selten, ganz andere Beschwerden vorgetragen wurden und / oder der Inhaftierte den Anhörungstermin vor dem Gericht wiederholt nicht wahrgenommen hat.
Gnadengesuch
Sollte ein Reststrafengesuch für den Inhaftierten ohne Erfolg geblieben sein oder eine außerordentliche Situation eintreten, aufgrund derer der Inhaftierte unbedingt vorzeitig entlassen werden möchte, kann erwogen werden, eine gnadenweise vorzeitige bedingte Haftentlassung zu beantragen (Gnadengesuch). Es sind sehr viele Möglichkeiten von gnadenweisen Erlassen denkbar und möglich. Die Praxis ist jedoch langwierig und der Erfolg spärlich. Nahezu alle Gnadengesuche werden abgelehnt.
Entlassung
Im Falle einer vorzeitigen Entlassung, die unter der Bedingung stattfindet, dass der Verurteilte in der dann verhängten Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird und sich ggf. auch an Bewährungsauflagen hält, endet der Strafvollzug und nach Ende der Bewährung wird die Reststrafe erlassen durch einen Beschluss des Strafgerichts.
Bei Vollverbüßung wird der Inhaftierte meist auch nicht bis zum berüchtigten "letzten Tag" absitzen, weil es auch im Rahmen von strukturellen Maßnahmen der jeweiligen Justizministerien Möglichkeiten für so genannte "Amnestien" gibt. Eine solche Amnestie ist kein gnadenweiser Erlass. Es werden solche Inhaftierte vorzeitig und unter Verzicht auf die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe entlassen, wenn die Reststrafe nur noch recht kurz ist. Zu so einer Amnestie (z. B.: Amnestie der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin für das Jahr 2005) werden Inhaftierte durch die Haftanstalt selbst "zugelassen". Das ist rechtsstaatlich fraglich, denn der Inhaftierte wird einen Anspruch auf so eine vorzeitige Entlassung theoretisch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz haben. Die Justizministerien verwalten ihre Amnestie-Regelungen jedoch nach Prinzipien, die als interne Vorschriften angesehen werden und der Öffentlichkeit, also auch dem Inhaftierten und auch dessen Verteidiger (ggf.) nicht bekanntgegeben werden.
Nach der Entlassung erhält der Inhaftierte seine so genannte "Brücke", das ist das Geld, das in der Strafhaft zwangsweise vom Inhaftierten angespart wurde. Es handelt sich um eine Summe über 1.000 Euro, mit der beispielsweise der Einzug in die hoffentlich schon im Rahmen der Entlassungsvorbereitung gefundene neue Wohnung finanziert werden soll und wohl auch die Mühen und Nöte eines meist von dem normalen Alltag entwöhnten Menschen für den Anfang gelindert werden sollen. Das Sozialamt zahlt erst auf Antrag hin, wenn der ehemalige Inhaftierte nicht bereits eine Arbeitsstelle gleich gefunden hat.
Museen
In Wittlich gibt es das Justizvollzugsmuseum in der Justizvollzugsschule.
Siehe auch
Weblinks
- Strafantritt und Einweisung in Berlin
- Fragen und Antworten zu den einzelnen Themen (Betroffenenaustausch)
- Strafvollzugsarchiv Bremen: Strafvollzugsgesetz mit Ausführungsvorschriften