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Langes s

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Gedenktafel an der Salzburger Uni mit langem ſ

Das lange s oder Inlaut-s „ſ“ ist eine typografische Variante des Buchstaben s (oder linguistisch gesagt: es ist eine stellungsbedingte allographische Variante des Graphems <s>). In den Schriften, in denen es verwendet wird, wird es für das s-Graphem im Anlaut oder Inlaut einer Silbe geschrieben, während im Auslaut einer Silbe das runde s verwendet wird. In den gebrochenen Schriften muss das ſ verwendet werden, in Antiqua- (oder lateinischer) Schrift kann es verwendet werden, und wurde früher regelmäßig nicht nur im deutschen Sprachraum verwendet. „ſ“ bildet auch den ersten Bestandteil der beiden Ligaturen „ſʒ“ („ſz“) und „ſs“, aus denen der Buchstabe ß hervorgegangen ist.

Entstehung

Ursprünglich ist „ſ“ die (Minuskel-)Grundform des Buchstabens – so in der Karolingischen Minuskel-Schrift des Mittelalters, die eine Weiterentwicklung der antiken, lateinischen Großbuchstaben-Schrift darstellt. „s“ kam später als typographische (bzw. handschriftliche) Variante von „ſ“ dazu bzw. ersetzte „ſ“.

Die Differenzierung zwischen langem und kurzem s verliert seit dem 18. Jahrhundert an Bedeutung. Das lange s wurde in französischen Texten fast schlagartig mit der Revolution unüblich. Das Pariser astronomische Jahrbuch „Connaissance du temps“ beispielsweise benutzt „ſ“ bis zum Erscheinungsjahr 1792, ab 1793 aber „s“, gleichzeitig ändert sich die Jahreszählung auf den Revolutionskalender und die Widmung der Buchreihe. In den folgenden Jahren beginnt es im Antiqua-Satz auch in deutschen Texten zu verschwinden, allerdings in zwei Phasen. Während es im An- oder Inlaut schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts bald als rundes s geschrieben wird, bleibt es als Bestandteil des Doppel-s im Silbenauslaut in der Form von „ſs“ (z. B. in Fluſs) zunächst erhalten, bis etwa um Mitte des Jahrhunderts auch das Doppel-s in dieser Position als „ss“ geschrieben wird (also Fluss). Dieses wird wiederum um 1900 durch die (nach Kurzvokal nur bis zur Rechtschreibreform von 1996 übliche) Schreibweise mit „ß“ („Eszett“; entsprechend zur ſʒ-Ligatur im Fraktur-Satz) ersetzt („Fluß“). Vereinzelt greifen Bücher dem Trend vor, bereits 1811 findet sich ein Werk des Grafen von Buquoz, das nur „ss“ verwendet, während sich andere ihm verweigern. Das jährliche erscheinende „Berliner Astronomische Jahrbuch“ schreibt beispielsweise bis 1910 „ſs“, um dann 1911 übergangslos zu „ß“ zu wechseln.

Das ſ kann in manchen Schriftarten mit dem f verwechselt werden, wenn die Unterscheidung nur schwach herausgearbeitet ist.

Verwendung

Universität Tübingen, 2004
Berlin 2005

Die Verwendung des ſ bei deutschsprachigen Texten führt in einigen Fällen zu einer Erleichterung für den Leser. Dies kommt durch das Zusammenwirken folgender Eigenheiten zustande:

  • Viele deutsche Wörter enden mit s, da dieser Buchstabe sowohl als Pluralendung, als auch zur Fall-Kennzeichnung dient
  • Das s ist häufig eine Fuge bei der Bildung von Komposita
  • Komposita werden im Deutschen zusammengeschrieben
  • S (mit Sch, Sp, St) ist in der deutschen Sprache der häufigste Anfangsbuchstabe; Komposita, deren zweiter Wortbestandteil mit S beginnt, sind auf diese Weise schneller erkennbar.
  • Ähnliches gilt für Komposita, deren zweiter Bestandteil mit Ch, P oder T beginnt: Hier verführt ein vorausgehendes rundes s gar nicht erst dazu, die Aussprache des s irrtümlich in /sch/ zu ändern (Beispiel: Haus-tür, Häs-chen).

In diesen Fällen ist Aussprache und Bedeutung abhängig davon, ob das s im Auslaut oder im Anlaut steht. Daher kann die Differenzierung zwischen ſ und s für den Leser von besonderem Vorteil sein. Beispiel: Durch Verwendung des langen ſ ist es auch ohne Kontext sofort klar, ob eine Wachſtube (Wach-Stube) oder eine Wachstube (Wachs-Tube) gemeint ist.

Datei:ClapenKöln.JPG
"Claßen": langes und rundes s in lateinischer Schreibschrift, Köln Juli 2005

Regeln zur Verwendung

Fehlerhafte Verwendung des langen s am Silbenende auf einem Straßenschild in Freiberg (Sachsen)

Regeln zur Verwendung des Inlaut-s aus dem Duden von 1895 finden sich unter Klassische deutsche Rechtschreibung#Über die S-Laute.

Die Regeln zum langen und runden s sind heute vielfach unbekannt, und ihre Unterscheidung ist mit vielen weit verbreiteten dekorativen Computerschriften und Computerprogrammen nicht ohne weiteres realisierbar. Da insbesondere für Werbezwecke und Drucksachen dennoch auch von typografischen Laien gebrochene Schriften eingesetzt werden, ergeben sich häufig Fehler selbst auf großformatigen Wirtshausschildern, Straßenschildern oder Plakaten. Da die genannten Schriften oft nur das runde s besitzen oder um Verwechslungen mit dem f zu vermeiden, wird statt eines notwendigen langen s vielfach falsch ein rundes s gesetzt (so zum Beispiel seit Ende 2004 in der FAZ). Manchmal wird allerdings bei vorhandenem langen s (wahrscheinlich aufgrund einer Art typografischer Hyperkorrektur) auch dort das lange s verwendet, wo ein rundes s stehen müsste.

Grundsätzlich sollte man sich für die korrekte Verteilung von s und ſ merken:

  • s kann und darf nur im Silbenauslaut stehen, in allen anderen Fällen muss ſ verwendet werden (z. B. Haus, Pils, brüsk, Kosmos, aber: Häuſer, Pilſen, ſkandalös, in-ſʒenieren).

Dabei gilt für den Silbenauslaut im Einzelnen:

  • s muss auf alle Fälle am Wortende stehen, das gilt auch in Komposita (Wortzusammensetzungen) und am Ende von Vorsilben (Präfixen) (z. B. Unterſuchungsergebnis, Dienstag, disharmoniſch, Dispoſition, aber Achtung!: ſſ wird auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert).
Datei:CycleDesign K.jpg
Berlin-Neukölln
  • Im Silbenauslaut kann unter bestimmten Bedingungen anstelle von s auch ſ stehen. Und zwar weil ſ auf alle Fälle in der ersten Position der Verbindungen ſſ/ſs, ſt und ſp stehen muss, unabhängig von der Silbenstruktur (z. B. Waſſer, Faſs [neue Rechtschr.], Aſt, ſechſte, du stehſt, paſſt [neue Rechtschr.], knuſpern). Dasselbe gilt auch für ſch, ſʒ (und andere Buchstabenkombinationen aus anderen Sprachen: ſh usw.), aber nur wenn sie als jeweils ein Laut gesprochen werden (Digraphen), und für ſ vor l, n, r, aber nur wenn dazwischen ein „e“ ausgefallen ist (z. B. Buſch, Eſche, Faſʒ [alte Rechtschr., = Faß], Fuſʒ [= Fuß]; Wechſler, Pilſner, unſre, aber: Eschatologie, fasʒinierend; Zuchthäusler, Islam, Oslo, Osnabrück).
Diese Regel für ſ gilt aber nicht in Komposita (Wortzusammensetzungen) und am Ende von Vorsilben (Präfixen), siehe Regel 2! (Dienstag, Dispoſition, aber Achtung!: ſſ wird auch bei assimilierten Vorsilben verwendet, z. B. aſſimiliert.)
Das heißt also, das ſ darf im Silbenauslaut nur in ſſ, ſt, ſp, in ſch, ſʒ (ſh usw.) und in ſl, ſn und ſr stehen.

Darstellung in Computersystemen und Ersetzung

Kodierung

Im internationalen Zeichenkodierungssystem Unicode liegt ſ auf Position:

  • U+017F ›Latin small letter long s‹ (Lateinischer Kleinbuchstabe langes s).

Im veralteten ASCII-Zeichensatz ist das Zeichen nicht enthalten, weshalb viele ältere Computersysteme es nicht darstellen konnten.

Im Internet-Dokumentenformat HTML wird das Zeichen folgendermaßen kodiert:

  • &#x017F; (hexadezimal) und
  • &#383; (dezimal).

Tastatur

Das ſ ist auf Tastaturen nicht vorhanden.

Ersetzung

Kann das Zeichen nicht dargestellt werden, weil es in der verwendeten Schriftart oder dem Zeichensatz fehlt, so sollte es durch das normale Schluss-s ›s‹ ersetzt werden.

Da allerdings praktisch alle modernen Computersysteme und -schriften auf Unicode basieren, kann das Zeichen heutzutage problemlos weltweit dargestellt, verarbeitet, übertragen und archiviert werden. Eine Ersetzung aus technischen Gründen ist deshalb kaum noch nötig. Auch wenn die verwendete Tastatur das Zeichen nicht aufweist, kann es praktisch immer über eine entsprechende Funktion des Betriebssystems oder des jeweiligen Texteditors eingefügt werden.

Siehe auch


Vorlage:Lateinisches Alphabet