Deinterlacing
Deinterlacing (engl. für entflechten) bezeichnet einen Vorgang, bei dem Bilder eines im Zeilensprungverfahren vorliegenden Videosignals in Vollbilder konvertiert werden. Dies ist grundsätzlich bei allen Bildschirmen notwendig, die nicht mit dem Zeilensprungverfahren arbeiten. Dazu zählen neben 100-Hz-Fernsehgeräten alle nicht-Röhren-Fernseher, also LCD-, Plasma- und Rückprojektions-Bildschirme sowie LCD- und DLP-Projektoren. Auch wenn Fernsehprogramme oder Video-DVDs auf Computermonitoren aller Art betrachtet werden sollen, ist immer ein Deinterlacing notwendig. Nur herkömmliche 50-Hz-Röhren-Fernsehgeräte und Röhren-Projektoren kommen ohne Deinterlacing aus. Das Entflechten kann entweder im Fernsehgerät selbst oder in der das Signal anliefernden Set-Top-Box (DVD-Spieler, DVB-Empfänger etc.) erfolgen. Auf dem Computer wird das Deinterlacing entweder von einer Software (etwa DVD-Player-Software) oder auf Hardware-Ebene (z.B. TV-Karte) durchgeführt. Die Bildqualität hängt entscheidend vom verwendeten Deinterlacer ab!
Interlaced-Signale
Aus historisch-technischen Gründen verwenden alle 50- und 60-Hz-Röhren-Fernsehgeräte das Zeilensprungverfahren, bei dem keine Vollbilder (Frames) sondern Halbbilder (Fields) dargestellt werden. Jedes Halbbild besteht nur aus der Hälfte der Bildzeilen eines Vollbildes. Es wird immer abwechselnd ein Halbbild mit den ungeraden Bildzeilen (Odd-Field) und eines mit den geraden Bildzeilen (Even-Field) dargestellt. Ursprünglich wurde das Zeilensprungverfahren in der Anfangszeit des Fernsehens eingeführt, um mit dem damaligen Stand der Technik ein halbwegs flimmerfreies Bild zu gewährleisten. Heutzutage stellt dieses Verfahren jedoch ein echtes Problem dar, denn es ist für moderne Bildschirme ungeeignet und beeinträchtigt die Bildqualität. Bis heute werden aus Kompatiblitätsgründen aber bei praktisch allen Fernseh- und Video-Signalen keine Vollbilder, sondern Halbbilder übertragen. Beim in Deutschland üblichen PAL-Standard sind es beispielsweise nicht 25 Vollbilder sondern 50 Halbbilder pro Sekunde. Ein solches Signal bezeichnet man als „interlaced“.
Bei Interlaced-Signalen muss zwischen zwei Arten von Quellen unterschieden werden: zum einen Film- und zum anderen Video-Aufnahmen. Bei der Produktion von Filmen werden Filmkameras eingesetzt, die Vollbilder aufzeichnen (i.d.R. 24 Hz). Diese Aufnahmen sind in erster Linie fürs Kino bestimmt, wo ebenfalls Vollbilder dargestellt werden. Für die TV-Übertragung müssen solche Filmaufnahmen nachträglich in Halbbilder zerlegt werden, um das notwendige Interlaced-Signal zu erzeugen. Je zwei aufeinanderfolgende Halbbilder gehen hier auf ein und dasselbe Vollbild zurück bzw. haben den gleichen Zeitindex. Ein solches Signal wird auch als progressive with segmented frames (psF) bezeichnet. Ganz anders sieht das bei Video-Aufnahmen aus, die mit TV-Kameras für das Fernsehen produziert wurden. TV-Kameras arbeiten nach dem Zeilensprungverfahren und zeichnen Halbbilder auf. Sie erzeugen also direkt ein Interlaced-Signal. Da zuerst das eine Halbbild und erst danach das andere Halbbild aufgezeichnet wird, haben hier zwei aufeinander folgende Halbbilder unterschiedliche Zeitindizes. Bei PAL ergibt sich zwischen zwei Halbbilder somit ein zeitlicher Verzug von 0,02 Sekunden. (Siehe auch: Bewegte Bilder)
Deinterlacing-Methoden
Heute werden eine ganze Reihe verschiedemer Deinterlacing-Methoden eingesetzt. Diese unterscheiden sich zum Teil erheblich bei dem betriebenen Aufwand. Teilweise kommen sogar Erkenntnisse aus der künstlichen Intelligenz zum Einsatz. Aber die perfekte Deinterlacing-Methode gibt es leider nicht. Alle Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Im Folgenden werden die wichtigtsen Verfahren näher beschrieben:
Weaving
Wie man sich vorstellen kann, ist das Deinterlacing bei Filmaufnahmen denkbar einfach. Schließlich ergeben die ungeraden Bildzeilen des einen Halbbildes zusammen mit den geraden Bildzeilen des darauf folgenden Halbbildes wieder ein Vollbild (oder umgekehrt). Die ursprünglichen Vollbilder lassen sich also bei Filmaufnahmen verlustfrei rekonstruieren. Man muss lediglich darauf achten, dass man jeweils die beiden zusammengehörigen Halbbilder zusammenfügt. Dieses Deinterlacing-Verfahren wird als Weaving (engl. für verweben) bezeichnet.
So gut dieses simple Verfahren für Filmaufnahmen geeigent ist, so ungeeignet ist es leider für Videoaufnahmen! Da zwei aufeinander folgende Halbbilder hier keinen identischen Zeitindex haben, passen sie einfach nicht zusammen. Die beiden Halbbilder trotzdem mittels Weaving zusammenzufügen führt zwangsläufig zu einem unakzeptablen Ergebnis. Dies mag bei unbewegten Szenen nicht weiter auffallen, bei Szenen mit Bewegungen treten jedoch so genannte „Kammartefakte“ auf. Das bedeutet die ungeraden Zeilen des Bildes erscheinen gegenüber den geraden Zeilen seltsam verschoben, was einen massiven Qualitätsverlust bedeutet. Alle weiteren Deinterlacing-Methoden dienen deshalb dazu, den Kammeffekt so gut wie möglich zu unterbinden.
Vertical Filtering
Das Vollbild wird dabei mit einem Verfahren ähnlich der Weave-Technik erstellt. Allerdings wird, nachdem die beiden Halbbilder zusammengefügt wurden, das entstandene Vollbild, bevor es angezeigt wird, noch einmal weich gezeichnet. Damit versucht man den Kammeffekt abzuschwächen, dies führt aber auch zu einem deutlich unscharfen Ausgangsmaterial.
Skip Field Video
Man kann nun erkennen, dass es vor allem wichtig ist Kammartefakte zu eliminieren. Deswegen versucht man das Vollbild aus nur einem Halbbild zu erstellen. Das andere Halbbild wird einfach fallengelassen. Skip Field Video errechnet das Vollbild dabei mittels Interpolation und den vorhandenen Zeilen. Die einfachste Möglichkeit ist es, eine fehlende Zeile aus den beiden umliegenden Zeilen zu gewinnen. Um ein besseres Ergebnis zu erzielen, können auch mehrere Nachbarszeilen zur Interpolation herangezogen werden. Am Ende wird das erzielte Bild wieder doppelt angezeigt, um ein Flimmern zu verhindern. Das große Problem dieser Technik ist, dass Bewegungen deutlich abgehakt wirken, da ein Halbbild einfach weggelassen wird und es damit schließlich an Bildinformation fehlt.
Bobbing
Die „Bobbing“ genannte Methode stellt das einfachste Verfahren dar, um Kammartefakte zu vermeiden. Hierbei wird jedes einzelne Halbbild zu einem Vollbild erweitert. Da jedes Halbbild nur die Hälfte der notwendigen Zeilen enthält, müssen die fehlenden Zeilen ergänzt werden. Dies kann einfach durch Verdopplung der vorhandenen Zeilen geschehen, was aber eine schlechte Qualität liefert, da die vertikale Auflösung des Bildes defakto halbiert wird. Eine bessere Qualität erhält man, indem jede fehlende Zeile aus den umliegenden Zeilen interpoliert wird. Je mehr Zeilen bei der Interpolation mit einbezogen werden, desto besser das Ergebnis, desto höher aber auch der Rechenaufwand. Die erste und die letzte Zeile lassen sich verständlicherweise am schlechtesten interpolieren. Die Bobbing-Methode hat den Vorteil, dass keine Kammartefakte auftauchen können und dass die Bildwiederholrate nicht verändert wird (aus 50 Halbbildern werden 50 Vollbilder pro Sekunde). Sie hat jedoch den großen Nachteil, dass bei vertikalen Strukturen (z.B. Texteinbledungen) ein deutliches vertikales Zittern bzw. Schaukeln auftritt. Daher auch der Name Bobbing (engl. für schaukeln). Die meisten Hardware-Deinterlacer setzten Bobbing ein.
Blending
Die „Blending“ genannte Methode arbeitet ähnlich wie Bobbing. Auch hier werden alle Einzelbilder zunächst zu Vollbildern erweitet, was wiederum durch einfache Zeilenverdopplung oder besser durch Interpolation erfolgen kann. Der Unterschied besteht darin, dass beim Blending nicht alle erzeugten Vollbilder einzeln nacheinander dargestellt werden. Stattdessen werden die Vollbilder, die aus zwei aufeinander folgenden Halbbildern erzeugt wurden, übereinander gelegt. Dabei wird aus beiden Vollbildern der Mittelwert berechnet. Der Vorteil der Blending-Methode ist, dass das für Bobbing typische Zittern nicht auftritt. Der Nachteil des Blendings ist allerdings eine sichtbare Unschärfe des Bildes. Außerdem tritt bei Bewegungen ein sogenannter „Geistereffekt“ auf. Im Gegensatz zum Bobbing führt das Blending zu einer Halbierung der Bildwiederholrate (aus 50 Halbbildern werden letztendlich 25 Vollbilder pro Sekunde).
Adaptive
Adaptives Deinterlacing ist die am weitesten entwickelte und aufwendigste Methode. Der Unterschied zu den zuvor beschriebenen Deinterlacing-Methoden besteht darin, dass bei diesem Verfahren für die Verarbeitung eines bestimmten Halbbildes auch die vorangegangenen und die nachfolgenden Halbbilder mit einbezogen werden. Zu aller erst wird dabei eine detailierte Bewegungsanalyse durchgeführt. Teile des Halbbildes, bei denen keine oder nur vernachlässigbare Bewegungen festgestellt wurden, können anschließend mit einem einfachen Weaving ergänzt werden, ohne dass dabei Kammartefakte zu befürchten sind. Dadurch können die Nachteile des Bobbings (Zittern) oder des Blendings (Unschärfe) vermieden werden. Für bewegte Bildteile dagegen muss eine andere Methode gewählt werden. Der Deinterlacer wird hier versuchen bewegte Bild-Elemente zu erkennen und diese aus anderen Halbbildern möglichst verlustfrei zu rekonstruieren. Je mehr vorangegangene bzw. nachfolgende Halbbilder bei diesem Vorgang mit einbezogen werden, desto besser ist das zu erwartende Ergebnis. Natürlich steigt damit auch der Rechenaufwand an. Außerdem verzögert sich mit jedem nachfolgenden Halbbild, dass bei der Verarbeitung des aktuellen berrücksichtigt wird, die Bildausgabe um 0,02 Sekunden (bei PAL), denn schließlich müssen diese Bilder ja erst einmal "abgewartet" werden. Wird der Ton nicht ebenfalls entsprechend verzögert, laufen Bild und Ton unsynchron, was aber im üblichen Rahmen nicht weiter auffällt. Ausschließlich bewegte Bild-Elemente, die nicht rekonstruiert werden konnten, muss der Deinterlacer interpolieren. Hierfür können wiederum unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass adaptives Deinterlacing im Idealfall das beste Ergebnis liefert: Man erhält Vollbilder in sehr guter Bildqualität und dass bei voller Bildwiederholrate. Allerdings hat auch das adaptive Deinterlacing eine ganze Reihe von Nachteilen! Wie bereits angesprochen, ist das Verfahren extrem Rechenintensiv. Software-Deinterlacer benötigen daher ein sehr schnelles System, um ordnungsgemäß arbeiten zu können. Entsprechende Hardware-Deinterlacer sind äußerst teuer. Ob der Mehrpeis den Qualitätsgewinn rechtfertigt, bleibt fraglich. Darüberhinaus ist es sehr schwierig einen wirklich zuverlässigen adaptiven Deinterlacer zu entwickeln, da die notwendigen Algorithmen hoch komplex sind. Mittelmäßige oder gar fehlerhafte adaptive Deinterlacer rechnen oft so viele störende Artefakte in das Bild hinein, dass man bestenfalls eine mangelhafte Bildqualität erhält. Und schließlich hängt die Qualität, die ein adaptiver Deinterlacer liefert, entscheident von der Qualität des Ausgangsmaterials ab. Ein gutes Ergebniss lässt sich nur mit hochwertigen Bildsignalen erreichen. Bildstörungen, wie etwa "Rauschen" oder "Grieseln", können auch hochwertige Deinterlacer schnell aus der Bahn werfen. Der Folge sind wieder starke Bildartefakte, die die Bildqualität beeinträchtigen. In diesem Fall fährt man mit einem einfachen Bobbing oder Blendig oft besser.
Hinweis: Oft liest man bei Deinterlacern auch von einer Methode, die als "Motion Compensation" (zu deutsch Bewegungsausgleich) bezeichnet wird. Offensichtlich handelt es sich dabei um nichts anderes, als um adaptives Deinterlacing, bei dem die Bildrekonstruktion aus den um die Bewegung korrigierten Halbbildern gewonnen wird. Das Ergebnis ist dann noch besser als bei nicht bewegungskompensierten Deinterlacern.
Siehe auch
Weblinks
- "So werden halbierte Bilder wieder ganz (heise.de)" - Leicht verständlich und mit guten Beispielgrafiken
- "100fps.com" - Äußerst umfassende Behandlung des Themas, gut nachvollziehbar erklärt (englisch)