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Gianni Vattimo

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Gianni Vattimo, 1999

Gianni Vattimo (* 4. Januar 1936 in Turin) ist ein italienischer Philosoph, Autor und Politiker. International bekannt wurde er in den 1980er Jahren als Mitbegründer des schwachen Denkens.

Biografie

Vattimo studierte von 1954 bis 1959 in Turin Literaturwissenschaft und Philosophie bei Luigi Pareyson, dessen Lehrstuhl er später übernahm. Er promovierte 1961 über Aristoteles (Il concetto di fare in Aristotele), 1963 folgte die Habilitation mit dem Thema Essere, storia e linguaggio in Heidegger. Nach einem Forschungsstipendium in Heidelberg, wo er bei Karl Löwith und Hans-Georg Gadamer studierte, wurde er 1964 Professor für Ästhetik an der Universität Turin. 1982 übernahm er den Lehrstuhl für Theoretische Philosophie. In den 1970er und 80er Jahren war er auch Gastprofessor an verschiedenen Universitäten in den USA.

Gianni Vattimo setzt sich für die Rechte gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ein. Er ist homosexuell und bezeichnet sich selbst als Katholiken, glaubt einem Interview nach jedoch nicht an Gott.[1]

1992 erhielt Vattimo gemeinsam mit Wolfgang Welsch den Max-Planck-Forschungspreis. Im Jahr 2000 war er Fellow des Kollegs Friedrich Nietzsche.[2] 2002 wurde er mit dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken ausgezeichnet.

Von 1999 bis 2004 war er linksdemokratischer Abgeordneter im Europaparlament. 2009 kandidierte Vattimo im Wahlkreis Nord-West für Antonio Di Pietros Italia dei Valori und erreichte mit 14.951 Vorzugstimmen den vierten Platz. Da zwei der drei vor ihm liegenden Kandidaten auch in anderen Wahlkreisen gewählt wurden und diese Mandate annahmen, zog Vattimo erneut ins Europaparlament ein.

Im Herbst 2010 war er Gastprofessor an der ETH Zürich und hielt mehrere Vorträge zum Thema Ideologie italiane 1950 - 2000.[3]

Denken

In seinen zahlreichen Werken (ein Werkverzeichnis aus dem Jahr 2000 nennt über 100 Bücher, die er allein oder mit anderen verfasst hat) beschäftigt er sich mit hermeneutischer Ontologie und Nihilismus und spricht in diesem Zusammenhang vom pensiero debole (schwachen Denken). Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Beschäftigung mit der Philosophie Friedrich Nietzsches und Martin Heideggers. Sein Denken baut schlicht auf einer anti-metaphysischen - einer "schwachen" - Lesart dieser beiden so umstrittenen Philosophen auf. Vattimo entwickelte im Anschluss an Heidegger einen nicht-mehr-metaphysischen, d.h. einen "schwachen" Begriff des Seins. Er übersetzte auch mehrere Werke Heideggers ins Italienische, vor allem aber übersetzte er Hans-Georg Gadamers 'Wahrheit und Methode'.

Vattimo setzt sich ferner mit dem Poststrukturalismus und Jacques Derridas Dekonstruktion auseinander und ist somit der philosophischen Postmoderne zuzuordnen.

In jüngster Zeit hat er sich vermehrt dem Denken Karl Marxens zugewandt: "Während sich Pier Aldo Rovatti vom Marxismus entfernt hat, habe ich mich ihm immer stärker angenähert."[4]

Werke

Deutsche Übersetzungen:

Werkausgabe:

  • Opere complete, Meltemi Editore, Roma 2007 ff.

Literatur

  • Gianni Carchia / Maurizio Ferraris (Hrsg.): Interpretazione ed emancipazione : studi in onore di Gianni Vattimo. Dipartimento di ermeneutica, Torino ; R. Cortina editore, Milano 1996, ISBN 88-7078-376-6
  • Martin G. Weiss: Gianni Vattimo. Einführung. Mit einem Interview mit Gianni Vattimo. Passagen Verlag, 2. Auflage: Wien 2006, ISBN 3-85165-738-1
  • Weakening Philosophy. Essays in Honour of Gianni Vattimo, Edited by Santiago Zabala, Montreal: McGill-Queen's University Press, 2007.
  • Thorsten Gubatz: Heidegger, Gadamer und die Turiner Schule. Die Verwindung der Metaphysik im Spannungsfeld zwischen Glaube und Philosophie. Ergon, Würzburg 2009 (Teil 3: Luigi Pareyson und Gianni Vattimo, S. 229-390), ISBN 978-3-899-13711-8
  • Johannes Krämmer: Gianni Vattimo: Das Ende der Metaphysik und die schwache Ontologie. Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften, Saarbrücken 2010, ISBN 978-3-8381-1667-9
  • Between Nihilism and Politics. The Hermeneutics of Gianni Vattimo. Edited by Silvia Benso and Brian Schroeder. New York: Suny 2010. ISBN 978-1-4384-3285-4
  • Tommaso Franci, Vattimo o del nichilismo, Roma, Armando, 2011

Quellen

  1. Interview (MP3)
  2. http://www.klassik-stiftung.de/index.php?id=601
  3. www.lit.ethz.ch/faq/Italienisch
  4. Una lettera di Gianni Vattimo, in: René Scheu: Il soggetto debole, Mimesis, Milano 2010, S. 293.