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Martinskirche (Kassel)

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Die Türme der Martinskirche über den Dächern der Stadt

Die Martinskirche (auch St. Martin) in Kassel, ist eine evangelische Pfarrkirche und die Predigtstätte des Bischofs der Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck. Die gotische Kirche wurde vor 1364 begonnen und 1462 geweiht. Seit 1524, mit dem Übertritt zum protestantischen Glauben von Landgraf Philipp, ist die Kirche evangelisch. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie in stark veränderter Form rekonstruiert. Es ist eine dreischiffige Hallenkirche von 6 Jochen mit einem 5/8 Chor. Der Westbau ist zweitürmig.

Geschichte

Die Martinskirche auf einem Stadtplan von Matthäus Merian, 1646

Im Jahr 1330 wurde mit dem dem Bau des neuen Stadtteils Freiheit eine weitere Kirche im Stadtgebiet nötig. 1443 erteilt der Mainzer Weihbischof jenen einen Ablass, die sich am Bau einer neuen Kirche beteiligen. Im selben Jahr ist ein bescheidener Vorgängerbau nachweisbar. Bereits im Jahre 1367 konnte der Chor der Heiligen Jungfrau Maria, dem Heiligen Martin und der Heiligen Elisabeth geweiht werden. Um sich weiter vom Bistum Mainz zu emanzipieren, wurde die neue Kirche nicht als Pfarrkirche errichtet sondern als Stift, in Konkurenz zum Ahnaberger Kloster ausgeführt. Der Stift wurde durch Papst Urban V. bestätigt. Nachdem Landgraf Ludwig 1437 ein Stück des Heiligen Kreuzes nach Kassel bringen konnte, tauchte die Martinskirche auch als Stift zum Heiligen Kreuz in den Quellen auf.

Die Bauarbeiten zogen sich weiter hin, und wurden durch den Einsturz einiger Gewölbe im Hauptschiff 1440 aufgehalten. Die endgültige Weihe konnte erst 1462 erfolgen. Ursprüngliche wurde nur der südliche Turm ausgeführt und auch nur bis zum zweiten Umgang. Dieser Turm wurde mehrmals vergrößert und trug von 1565 bis 1889 eine markante welsche Haube. In westphälischer Zeit versuchte König Jérôme das Domkapitel von Paderborn nach Kassel zu verlegen, und aus der Martinskirche eine Kathedrale zu machen. Diese Pläne sollen ihm angeblich von seinem Bruder Napoléon Bonaparte untersagt worden sein.

Erst 1889 bis 1892 wurde der nördliche Turm errichtet. Man gab beiden Türmen ein dem Zeitgeschmack entsprechendes neugotisches Aussehen.

1943 wurde die Martinskirche durch Fliegerbomben schwer beschädigt und brannte bis auf die Grundmauern aus. Den Wiederaufbau mit den markanten Türmen, von 1954 bis 1958 plante Heinrich Otto Vogel.

Fürstengrüfte

Bereits im Mittelalter diente die Martinskirche als Bestattungsort. Im Chor sind Gräber verschiedener Stiftsherren und im Langhaus einige bedeutender Kasseler Bürger nachweisbar.

Unter Landgraf Philipp hielt 1524 die Reformation in Hessen einzug. Bis 1570 war die bisherige Grablege der Landesherren, die Elisabethkirche in Marburg, weiterhin im Besitz des Deutschen Orden und somit katholisch. Aus diesem Grund wurde unter dem Chor der Martinskirche eine erste Fürstengruft ausgehoben. Die erste Beisetzung ist 1535 nachweisbar, nachdem ein Sohn Philipps im Kindesalter starb. Bis 1637 wurden in dieser Gruft alle Landgrafen von Hessen-Kassel und ihre Familienangehörigen beigesetzt. Nach dem Tod von Wilhelm V. wurde unter dem ehmaligen Kapitelsaal eine zweite Fürstengruft erbaut. Hier wurde Wilhelm V. fast drei Jahre nach seinem Tod 1640 beigesetzt. Für die erste Fürstengruft ist die letzte Beisetzung 1693 nachweisbar. Hier fanden etwa 35 Mitglieder des Fürstenhauses ihre letzte Ruhe. Die zweite Fürstengruft wurde bis 1782 genutzt. Alle späteren Landesherren sid an verschiedenen Orten bestattet. Wärend die erste Fürstengruft nur zu Beisetzungen geöffnet wurde, hatte die zweite Fürstengruft einen eher representativen Charakter.

Nachdem im 2. Weltkrieg die Särge der zweiten Gruft zum Teil verschüttet wurden, vielen auch viele Teile Metalldieben zum Opfer. Den Größten Schaden richtete allerdings die Gemeinde selbst an, indem sie 1953 die Gruft mit einem Bagger enttrümmern ließ. Von einst etwa 40 Särgen der zweiten Gruft sind heute nur noch acht in der Kirche erhalten. Viele notdürftig eingesammelte Sargteile und Gebeine befinden sich heute noch im Depot des Landesmuseums. Es ist zu befürchten, dass ganze Landgrafen ihre letzte Ruhe im Straßenbau oder auf Deponien gefunden haben. Die erste Gruft überstand den Krieg unbeschadet. Die zweite Gruft ist nach Absprache zu besichtigen.

Literatur

  • Piderit, Geschichte der Haupt= und Residenzstadt Kassel [sic!], Kassel, 1844
  • Christian Presche, Die fürstlichen Grabstätten in der Kasseler Martinskirche, ZHG Band 107, Kassel, 2002, ISSN 0342-3107