Kernfusion

Kernfusion bezeichnet den Prozess des Verschmelzens zweier Atomkerne zu einem schwereren Kern. Je nachdem, welche Ausgangskerne beteiligt sind und welches Element daraus entsteht, wird bei diesem Prozess Energie freigesetzt oder aufgewendet. Die Energiebilanz ist positiv, wenn das Fusionsprodukt eine Massenzahl von weniger als etwa 60 bis 80 hat, negativ bei noch schwereren Kernen. Der Grund dafür ist die unterschiedliche Verteilung des Massendefekts über das Periodensystem. In der Regel wird bei einer Kernverschmelzung neben dem Reaktionsprodukt ein leichtes Teilchen wie ein Neutron, ein Proton, ein Alpha-Teilchen oder ein Gamma-Teilchen erzeugt. Dieses ist wegen Energie- und Impulserhaltung erforderlich, da der neu erzeugte Kern nur fest definierte Energieniveaus annehmen kann, während die kinetische Energie, die die beiden Ausgangskerne vor der Verschmelzung haben, variabel ist.
Besonders viel Energie wird frei, wenn schwerer und überschwerer Wasserstoff (Deuterium und Tritium) miteinander verschmelzen. Hier beträgt der Massendefekt fast 4 Promille, das heißt, die Reaktionsprodukte Helium und ein Neutron haben entsprechend weniger Masse als die Ausgangsprodukte. Die fehlende Masse wird aufgrund der Äquivalenz von Masse und Energie als kinetische Energie auf die Reaktionsprodukte übertragen oder in Form von Gammastrahlung freigesetzt.
Die Kernfusion ist die Energiequelle der Sterne, etwa unserer Sonne. Die meisten Sterne fusionieren dabei beim so genannten Wasserstoffbrennen von Wasserstoff über mehrere Zwischenschritte zu Helium, die dafür nötige Temperatur liegt bei ca. 10 Millionen Kelvin. Am Ende ihrer Lebenszeit, wenn der Wasserstoff aufgebraucht ist, kommt die Energie aus der Fusion von Helium oder noch größerer Atome. Diese Fusion liefert weniger Energie und hat eine höhere Fusionstemperatur. Größere Sterne können mit ihrer Masse auch einen stärkeren Gravitationsdruck erzeugen, wodurch diese am Ende auch schwerere Elemente fusionieren.
Die für die Fusion notwendige Temperatur hängt unter anderem vom Druck ab. Da auf der Erde ein ähnlich starker Druck wie auf der Sonne nicht erzeugt werden kann, liegt hier die für die Wasserstofffusion nötige Temperatur bei etwa 100 Millionen Kelvin.
Nutzung auf der Erde
- Im Labor zur Grundlagenforschung. Hier werden mittels eines Teilchenbeschleunigers energiereiche Atomkerne auf ein Ziel geschossen, wo es zu Verschmelzungsreaktionen kommen kann.
- In Kernwaffen (Wasserstoffbombe). Während Kernspaltungswaffen wie die Hiroshima-Bombe (»Little Boy«) eine Sprengkraft von bis zu 400 Kilotonnen TNT haben, entfalten Kernfusionswaffen mehrere Megatonnen TNT. Da man noch keine kontrollierte Reaktion hervorrufen kann, wird im Innern einer Wasserstoffbombe eine Atombombe platziert, um eine hohe Temperatur von 100 Millionen Kelvin zu erreichen, welche nötig ist, um die Kernfusion zu initiieren.
- Zur billigen Erzeugung von Neutronen mittels des Farnsworth-Hirsch-Fusors.
- Zur geplanten zivilen Energie- und Stromerzeugung durch Kernfusionsreaktoren. Am weitesten fortgeschritten ist hier das Projekt Joint European Torus (kurz JET), das für einige Sekunden ein Plasma aus Deuterium und Tritium am Brennen halten konnte, und dabei einige Megawatt produzierte. Ab 2015 soll voraussichtlich der internationale Versuchsreaktor ITER in Südfrankreich in Betrieb gehen. Experten erwarten jedoch nicht vor 2030 bis 2050 den Bau eines kommerziell verwendbaren Fusionskraftwerkes. Es gab auch immer wieder Versuche, Fusion ohne aufwändige Vorrichtungen zur Erzeugung eines geeigneten Plasmas zu erzeugen, z. B. mittels kalter Fusion oder Bläschen-Fusion.
Kalte Fusion und verwandte Verfahren
Kalte Fusionen und verwandte Verfahren haben gemein, dass bei ihnen der Energiebedarf, um eine Fusion anzuschieben, äußerst gering und somit auch das Verfahren relativ leicht durchzuführen ist. Ein US-amerikanischer Artikel zur Bläschen-Fusion titelte passend „Star in a Jar?“ – sinngemäß „Die Sonne im Wasserglas?“.
Nach der gescheiterten ursprünglichen Kalten Fusion von 1989 richtet sich die Aufmerksamkeit derzeit auf die Bläschen-Fusion, bei der eine Flüssigkeit mittels Ultraschall und unter Neutronenbeschuss in Schwingungen versetzt wird. Dabei entstehende Gasbläschen kollabieren (Kavitation) unter bestimmten Umständen äußerst energiereich unter Aussendung von Lichtblitzen (Sonolumineszenz) und bei sehr hohen Temperaturen von an der Bläschenoberfläche gemessen über 10.000 °C. Die Vermutung ist, dass innerhalb der Bläschen weitaus höhere Temperaturen und Drücke zustande kommen, die eine Kernfusion ermöglichen.
Der Versuch zur Bläschen-Fusion soll bislang dreimalig mit Erfolg durchgeführt worden sein, 2002 und 2004 von Gruppen um den Entdecker Rusi P. Taleyarkhan und 2005 mit sogar deutlich vereinfachter Apparatur von einer Gruppe um Yiban Xu und Adam Butt. Trotzdem ist die Realisierbarkeit dieser Art von Fusion, sowie die kalte Fusion allgemein, selbst unter Wissenschaftlern nach wie vor höchst umstritten.
Eine „lauwarme“ Kernfusion ist den Wissenschaftlern um Seth Putterman von der Universität von Kalifornien mit Lithiumtantalat, einem pyroelektrischem Kristall, gelungen. Das Verfahren tauge aber nicht zur Stromerzeugung, sondern ließe sich, etwas überarbeitet, recht simpel zur Produktion von hochenergetischen Neutronen nutzen, um Gepäckstücke an Flughäfen zu durchleuchten..
Reaktionen (Auswahl)
- D + T → 4He + n + 17,588 MeV (größter Wirkungsquerschnitt)
- D + D → 3He + n + 3,268 MeV
- D + D → T + p + 4,03 MeV
- 3He + D → 4He + p + 18,34 MeV
Es wird aber niemals Tritium als Endprodukt entstehen.
In der Sonne findet u.a. folgende so genannte Proton-Proton-Reaktion statt:
- p + p → D + + + 0,42 MeV (langsamste, und damit begrenzende Reaktion)
+ → (mit Energie E(2 ) = 2 511keV) - D + p → 3He + + 5,49 MeV
- 3He + 3He → 4He + 2 p + + 12,86 MeV
In obigen Formeln steht D für Deuterium (schwerer Wasserstoff ), T für Tritium (überschwerer Wasserstoff ), 3He und 4He für die Isotope des Heliums mit 1 bzw. 2 Neutronen, für Gammaquant, für Elektron, für Positron, für Elektron-Neutrino, n für Neutron und p für Proton. Die jeweils angegebenen Energien verteilen sich als Bewegungsenergie auf die Reaktionsprodukte.
Zudem findet in der Sonne ein Kohlenstoff-katalysierter Fusionszyklus statt, der Bethe-Weizsäcker-Zyklus, der etwa 1,6% der Energie des Sonnenhaushalts ausmacht.
Weblinks
- Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching und Greifswald (Informationen zu den verschiedenen Typen der Fusionsreaktoren(Stellarator und Tokamak, sowie deren konkrete Untersuchungen)
- Kernfusion - eine Energiequelle der Zukunft?; Marcus Haas
Siehe auch
- ASDEX Upgrade
- Lawson-Kriterium
- ITER
- Tokamak
- Z-Maschine
- Forschungsanlage in Greifswald, genannt Wendelstein 7-X