Panslawismus
Der Panslawismus (Allslawische Bewegung) entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts als eine Spielart des romantischen Nationalismus. Das Ziel der panslawistischen Bewegung war es, eine kulturelle und politische Einheit aller slawischen Völker Europas herzustellen. Diese Idee steht somit im Einklang mit den Idden der Romantik, die (im Gegensatz zu Aufklärung und Rationalismus) die die politische Einheit und Souveränität mit der rassischen Homogenität gleichsetzt. Eine Konsequenz aus dieser Bewegung war die Gründung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. Mit dem Zerfall dieser Staaten wurde die panslawistische Idee gemeinhin als gescheitert betrachtet.
Parallelen etwa zur pangermanischen Bewegung in Deutschland bestehen nicht nur zeitlich: die konkreten Ziele verschiedener panslawistischer Lager variierten von der Errichtung eines homogenen slawischen Staates über einen losen Staatenbund bis hin zum reinen kulturellen Austausch. Auch die Frage nach den Grenzen eines womöglichen slawischen Reiches mit oder ohne Russland wurde ebenso heftig diskutiert wie die Frage nach einem groß- oder kleindeutschen Reich. Auch die Führungsrolle Preußens im deutschen Reich ab 1871 findet ein äquivalent im russischen Führungsanspruch über alle slawischen Völker oder dem Serbiens über die Slawen auf dem Balkan.
Die Ursprünge des Panslawismus
Die eigentliche politische Bewegung entstand im habsburgischen Vielvölkerstaat Österreich (ab 1867 offiziell Österreich-Ungarn) und im Osmanischen Reich, wo viele Millionen Slawen unter dem Joch fremder Besatzer litten. Die Vorbilder der panslawisten waren einerseits die deutschen Nationalisten, als auch die USA. Einen wesentlichen Anteil an der Gründung der Bewegung hatte der slowakische Dichter Jan Kollar.
1848 wurde der erste panslawistische Kongress in Prag abgehalten, in dessen Folge es im Rahmen der Märzrevolution zum so genannten Prager Pfingstaufstand gegen die österreichische Vorherrschaft in Böhmen kam. Dieser Aufstand wurde jedoch schon sehr bald von kaiserlichen österreichischen Truppen niedergeworfen. Auf diesem Kongress gab sich die Bewegung sowohl eine Fahne, die als panslawistische Farben in den meisten Fahnen späterer slawischer Nationen auftauchte, als auch eine eigene Hymne (Hej Sloveni von Samuel Tomášik, die spätere Nationalhymne Jugoslawiens).
Die Entwicklung der Bewegung
Russland stand zwar ursprünglich außen vor (Beobachter beurteilten den Prager Kongress gleichermaßen als antiösterreichisch, antiosmanisch und antirussisch), wurde das Zarenreich doch selbst als Besatzer slawischer Staaten wie Polen und Verbündeter der Habsburger angesehen. Nach und nach machte man sich die Bewegung in Sankt Petersburg zu eigen, um seinen Einfluss in Mitteleuropa und auf dem Balkan zu stärken und fand vor allem in dem seit 1878 unabhängigen Königreich Serbien einen willigen verbündeten.
Im ersten Weltkrieg nutzte Russland den Panslawismus gezielt, um slawischstämmige Soldaten in den deutschen und habsburgischen Reihen zum Überlaufen zu bewegen, was vor allem bei Kriegsgefangenen oft von Erfolg gekrönt war. Nach Kriegsende standen praktisch alle slawischen Völker auf der Seite der Sieger, doch zur Gründung des slawischen Reiches kam es nie: zum einen verhinderte die Existenz nichtslawischer Minderheiten Ungarn, Rumänen einen Staat mit sinnvollen Grenzen, andererseits verhinderten die nationalen Eigenheiten von Polen, Tschechen und Serben eine Einigung. Schließlich war auch das nun unter kommunistischer Führung stehende Russland von der panslawistischen Idee abgekommen, die die Bolschewisten als rassistischen Nationalismus verurteilten. Letztendlich mussten sich sie Panslawisten mit der Gründung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens zufrieden geben.
Das Ende des Panslawismus
Als nach Ende des zweiten Weltkrieges alle slawischen Nationen unter kommunistischer Herrschaft standen, wurde der Panslawismus von offizieller Seite her totgeschwiegen und musste der Ide der sozialistischen Weltrevolution als Einigungsbewegung weichen. Der Wegfall des Panslawismus relativierte aber die Exisrtenzberechtigung der drei slawischen Vielvölkerstaaten (Tchechoslowakei, Jugoslawien, Sowjetunion) und verhinderte nach Ansicht von Wissenschafltern ein organisches Zusammenwachsen derselben. Der Zerfall dieser Länder am Ende des 20. Jahrhunderts und die Rivalitäten zwischen den Nachfolgestaaten waren die Folge. Obwohl der politische Panslawismus heute als gescheitert angesehen werden kann, lebt die Idee von großslawischen Reichen noch heute in den Köpfen vieler Menschen, vor allem in Russland und Serbien weiter. Die Verlierer der panslawistischen Einigungsbewegung (zum Beispiel dieSlowakei, Slowenien oder Kroatien) vertrauen eher auf die Europäische Union als politische Einigungsbewegung.
Kulturell jedoch wird der Panslawismus als Erfolg angesehen: Wie in anderen romantischen nationalistischen Bewegungen auch trugen Gelehrte durch die Entwicklung von Geschichte, Philologie und Folklore zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühles bei.