Klaus Illi
Klaus Illi (* 1953 in Stuttgart) ist ein deutscher Bildhauer.
Nach Gymnasium und Friedensdienst in Polen und Israel 1973/74 studierte er zunächst an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Kunst und Deutsch für das Lehramt. Nach dem Referendariat und verschiedenen Reisen studierte er Bildhauerei an der Kunstakademie Stuttgart, an der Universität der Künste Berlin (Meisterschüler bei Rolf Szymanski) und an der Parsons School of Design in New York City (MFA in Sculpture). Illi lebt und arbeitet in Ostfildern bei Stuttgart.
Werk
Klaus Illi arbeitet seit Anfang der 90iger Jahre mit Luft als zentralem skulpturalem Material.
Atem
Es entstehen kinetisch-akustische Arbeiten zum Thema „Atem“. Seine pneumatischen Installationen lassen den Raum durch das Zusammenspiel verschiedener Objekte atmen. Die „atmenden“ Objekte werden von einem Gebläse über Schläuche mit Luft versorgt. Pneumatische Ventile lassen Luft programmgesteuert ein- und ausströmen, die Objektmembran dehnt sich durch die zugeführte Luft konvex aus, was einem „Einatmen“ oder „Beatmen“ entspricht, worauf das pneumatische Ventil die Luft im Objekt in den Raum entlässt: die Membran wird mit entsprechenden Strömungsgeräuschen wieder flach, was mit einem „Ausatmen“ assoziiert wird. Technik ist integraler und präsenter Bestandteil seiner kinetischen Arbeiten. Neben klanglichen Aspekten legen das zusammenhängende System und die Gemeinsamkeit des Atems soziale Gedanken nahe, lassen aber auch die eigene Atmung bewusst werden. Mit dem Gedanken an den ersten und letzten Atemzug ist Existentielles gegenwärtig, aber immer mehrdeutig: mag für den einen Besucher eine meditative Atmosphäre entstehen, kann für einen anderen Beatmung, determinierte Zwanghaftigkeit, apparative Unfreiwilligkeit dominieren. Ohne Atmen kein Sprechen. Das Zeichen erster Autonomie ist gleichzeitig Grundlage universeller, geradezu schicksalhafter Verbundenheit.
Pflanzenatem
Im Projekt „Pflanzenatem“ arbeitet Klaus Illi mit Bettina Bürkle seit 1999 zusammen. "Die Poesie des kinetischen Skulpturenfeldes entsteht aus der Langsamkeit und Vielfalt der Bewegung, einem ruhigen Fließen von Farben und Formen, einem organischen Auf und Ab, Öffnen und Schließen. Um den Betrachter entfaltet sich ein kontinuierlich bewegtes Ambiente, ein wundersames Biotop, ein Bild der Wandlung und Fülle, das nicht nur mit den Augen, sondern auch körperlich erfasst wird. Die Pflanzen bewegen sich wie schwerelos, strecken sich dem Licht entgegen und verbreiten eine Leichtigkeit des Seins. Aufsteigen und Absinken addieren sich, subtrahieren sich, ergänzen sich - es spielen sich scheinbar natürliche Prozesse ab, um deren Künstlichkeit man weiß. Kunst, Natur und Technik streben nach utopischer Vereinigung, als ob der Paradigmenwechsel bereits vollzogen sei. Form und Raum ergänzen sich symbiotisch. Außen- und Innenraum, Hülle und Luftstrom bilden ein organisches Kontinuum des Atemgebens und Atemnehmens – die Installation lässt den Raum atmen. Das Einatmen der Form ist angewiesen auf das Ausatmen des Raums. Die Pflanzen teilen den Atem auch mit dem Betrachter, in dieser gegenseitigen Abhängigkeit liegen Nähe, Verwandtschaft und letztlich auch Schicksalhaftigkeit. Jede Pflanze scheint eigene Abfolgen von Frühling und Herbst, Morgen und Abend, Sonne und Schatten, Ruhe und Bewegung, Blühen und Vergehen zu kennen – das sich permanent wandelnde Gesamtbild erzeugt ein Gefühl von Lebenslust, ein Fließen von Lebenskraft, das eine leise Verheißung weckt. Fast ein Paradies, das für Momente mit der Vergänglichkeit versöhnt." Aus: Einladungskarte "Zweiter Frühling", Domino Stiftung Reutlingen 2010
Katharsismaschinen
Mit seinen Katharsismaschinen bemüht sich Illi um exemplarische Sauberkeit am Ausstellungsort - diese Objekte sind ein augenzwinkernder Kommentar zur „schwäbischen Hausfrau“, quasi eine selbstironische Untersuchung des Schwabengenoms. Fegen seine Besen zuweilen unter den Teppich, so sind seine eisernen heavy duty Besen fürs Grobe zuständig, seine feinfühligen Varianten wiederum sind archäologisch suchend und freilegend tätig. Oft bleibt es dem Betrachter überlassen, ob er in der Besentätigkeit eine emanzipatorische, aufdeckende, enthüllende Aktivität oder eine verdrängende und vertuschende Tätigkeit erkennt. Gern verwendet Illi von Blinden gefertigte Besen. Öfters können die pneumatisch-elektrischen Besen auch zu einer fast tänzerischen Choreographie, einem "Besenballett" zusammenfinden, das sich auch klanglich bemerkbar macht und beispielsweise die deutsche Nationalhymne fegt.
Agnosie und Katarakt
Blindenstöcke tasten im Raum, tasten Boden und Wände ab, bedienen sich neben der Tast- auch der Schleiftechnik, wechseln unverhofft von einem langsamen, sensiblen Abtasten in einen wilden Modus - für einen Moment scheint der sanft Suchende zu einem blinden Hooligan zu mutieren, dann wieder schreibt die Tastspitze rätselhafte Zeichen in die Luft, vielleicht um Gesagtes zu verdeutlichen oder gleichsam zeichnerisch nach Worten zu ringen, um nach einer Pause locker einen Rhythmus zu klopfen, als sei mit Smalltalk eine Gesprächslücke zu überbrücken oder als ginge dem Bewegungsdrang der Erinnerungsfetzen eines Gassenhauers voraus… Illi beschäftigt die freiwillige Blindheit der Sehenden, wobei er sich für die gesellschaftlichen und individuellen Prozesse des Erblindens interessiert. Er arbeitet mit verschiedensten Medien installativ an einer künstlerischen Analyse unserer Sehdefekte, was physiologische, psychologische und historische Fragen beinhaltet. Klaus Illis Untersuchungen mit kinetischen Apparaten, mit Fotografie, Video, Licht und Luft sind zumeist zeit- und ortsspezifische Prozesse. Er betreibt mit seinen Katharsismaschinen, Agnosie- und Kataraktarbeiten eine archäologische Spurensuche und legt meist ironisch Mechanismen des Wegsehens, Ignorierens und Vergessens frei. Bei dieser künstlerischen Ursachenforschung interessieren ihn neben kollektiver Amnesie als Folge ideologischer Verblendung auch individuelle Blickverengungen und Tunnelblick. Er hat zu dieser Thematik mehrmals mit der israelischen Künstlerin Inga Fonar Cocos ausgestellt.
Literatur von und über Klaus Illi
- Katalog Klaus Illi "Sculptural Objects", Ostfildern 1993,
darin: Dr. Renate Wiehager, Villa Merkel Esslingen „Kommunikation mit dem Raum. Zu den Sculptural Objects von Klaus Illi“,
- Katalog Bettina Bürkle - Klaus Illi "Zweiter Frühling", Dominostiftung Reutlingen 2010
darin: Marko Schacher "Flower Power rules!", S. 11-14
- Katalog "Joystick Duett + Katharsismaschine", Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen, 2002,
darin: Markus Wimmer "Pflanzenatem", S. 10-15, Markus Wimmer "Atmen, Kreisen, Kehren", S. 28-35
- Katalog "Neu", Hrsg. Landkreis Esslingen, 2001,
darin: Nikolai B. Forstbauer "Neue Arbeit"
- Katalog "Atem", electric Art 99, Hrsg. electrum Hamburg, 1999,
darin: Anabelle Görgen "Ausser Atem", S. 5 - 11
- Katalog "Der Rote Teppich", Hrsg. Kunstverein KISS Kunst im Schloß Untergröningen e.V., 2005,
darin: S. 42 Otto Rothfuss + Margarete Rebmann "Klaus Illi"
- Katalog "Pflanzenatem, Bettina Bürkle + Klaus Illi", Hrsg. Städtische Galerie Ostfildern, 2003, ISBN 3-929551-14-4,
- darin: Markus Wimmer "Pflanzenatem", S. 25
- darin: Martin Mezger "Echo und Narziss im Garten Eden", S. 31 - 40
- darin: Christoph Dohmen "Raum und Zeit", S. 60 - 61
- Katalog "LUFTGARTENLUSTGARTEN", Hrsg. Kunstmuseum Heidenheim, 2006, ISBN 3-929935-27-9
darin: René Hirner " Lebensprozess und plastische Präsenz"
Weblinks
- Zur Ausstellung "Hortus Aeris", Arte Sella, 2012: http://www.artesella.it/iniziative17.html
- Zur Ausstellung „Zwischen Himmel und Erde“, Kunstverein Ludwigshafen, 2012 http://www.youtube.com/watch?v=cmBDgLIU1rU&feature=youtu.be
- Zur Ausstellung „Und was du hast, ist/ Atem zu holen“, Raum für Pflanzen, Kirchberg, 2011: http://www.youtube.com/watch?v=XBjFmxfq9Ug
- Zur Ausstellung „Agnosie“, Galerie Insel, Stuttgart, 1999: http://www.youtube.com/watch?v=2VMTk3XGaVA
- Zur Ausstellung „Zivilisation“, E-Werk / Hallen für Kunst Freiburg, 1997: http://www.youtube.com/watch?v=FQU4FJ2eSwg
- „Arbeitsmaschine“, 1998: http://www.youtube.com/watch?v=pGI82BlwA88
- „Sehmaschine“, 1998: http://www.youtube.com/watch?v=wYAGGoKcrCE
- Zur Ausstellung „Haben Sie sich jemals am Völkermord beteiligt?“, Kunstraum 34 Stutgart, 1996: http://www.youtube.com/watch?v=hKKYNFqtI30
- Zur Ausstellung „Exit“, Städtische Galerie Ostfildern, 1993: http://www.youtube.com/watch?v=YTOxL3zcjRI
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Illi, Klaus |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Bildhauer |
| GEBURTSDATUM | 1953 |
| GEBURTSORT | Stuttgart |