Zum Inhalt springen

Israelische Atomwaffen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. Mai 2012 um 10:10 Uhr durch Feliks (Diskussion | Beiträge) (Israelisches Atomwaffenprogramm: Chronologie). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Nuklearanlage in Dimona, November 1968
Negev Nuclear Research Center, Dimona, 2010

Israelische Atomwaffen sind ein vermuteter Teil der militärischen Bewaffnung Israels. Israel zählt neben Indien, Pakistan und Nordkorea zu den faktischen Atommächten, die nicht Vertragspartner des 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrags sind.

Israelisches Atomwaffenprogramm

Schon während des Palästinakriegs 1948 gab es Gerüchte, Israel sei im Besitz einer Atombombe. Angeblich wurden diese Gerüchte von Israel selbst gestreut, um die benachbarten arabischen Staaten von einem geplanten Angriff abzuhalten.[1]

Der Vorsitzende der Israelischen Atomenergie-Kommission, Ernst David Bergmann, empfahl 1952 den Bau von Atombomben.[2]

In Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten im Rahmen des Programm Atoms for Peace unter Präsident Dwight Eisenhower wurde ab 1958 ein amerikanischer Leichtwasserreaktor im Soreq Nuclear Research Center errichtet. Auf der Grundlage eines Geheimabkommens zwischen Schimon Peres und Guy Mollet 1957 unterstützte auch Frankreich den Bau eines Forschungsreaktors im Negev Nuclear Research Center südöstlich von Dimona in der Negev-Wüste.[3] Die nachrichtendienstliche Abschirmung und Unterstützung des Atomprogramms übernahm ein eigens dafür ins Leben gerufener Dienst, der Lakam.

Frankreich stellte 1962 die Lieferung von Uran an Israel ein. Im Jahre 1968 wurden in Antwerpen 200 Tonnen Yellowcake (uranhaltiges Verbindungsgemisch) mutmaßlich vom Mossad gekauft.[4] Eigner des beladenen Schiffs, der Scheersberg A, war Dan Ert, ein Angehöriger des Mossad. Zuvor war das aus Zaire stammende Uran vom deutschen Unternehmen Asmara Chemie GmbH in Hettenhain nahe Wiesbaden von der belgischen Société Générale des Minerais gekauft worden.[5] Der Vorfall wurde erst 1977 öffentlich enthüllt.[5] Bei der Apollo-Affäre um in den Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren verschwundenes Uran werden israelische Verbindungen vermutet.[6] Ferner gab es auch Lieferungen aus Argentinien. Großbritannien half Israel, indem es über Norwegen zwischen 1959 und 1962 20 Tonnen schweres Wasser an Israel verkaufte.[7] Auch von Frankreich und den Vereinigten Staaten wurde schweres Wasser geliefert.[8]

Im Jahre 1967 war die erste israelische Atombombe fertiggestellt.[9]

Während des Jom-Kippur-Kriegs 1973 befahl die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir, nachdem sie in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober von Mosche Dayan informiert worden war, dass eine militärische Niederlage gegenüber Syrien und Ägypten drohe, 13 Atombomben mit der Sprengkraft von 20 Kilotonnen TNT für die Jericho-Raketen auf der Sdot Micha Raketenbasis und die F-4 auf der Tel Nof Airbase gefechtsbereit zu machen.[9][10][11][12][13] Präsident Richard Nixon und sein Außenminister Henry Kissinger erfuhren von dieser Maßnahme am Morgen des 9. Oktober und ordneten die Operation Nickel Grass an, eine massive Unterstützung mit militärischem Material für Israel. [14][13]

Im Jahre 1975 bot Schimon Peres als Verteidigungsminister Südafrika Raketensprengköpfe in drei Größen an. Der Journalist Sasha Polakow-Suransky vermutete 2010, dass es sich dabei um Nuklearsprengköpfe handele.[15] Peres bestritt , dass Israel mit Südafrika über die Lieferung von Nuklearwaffen verhandelt habe und warf Polakow-Suransky selektive Interpretation der Dokumente vor.[16] Südafrika belieferte Israel laut Darstellung von Polakow-Suransky mit insgesamt 500 kg Uran.[17] Der Vela-Zwischenfall in Südafrika am 22. September 1979 wurde von einigen Wissenschaftlern als südafrikanisch-israelischer Nukleartest gewertet, von anderen bestritten.

1985 machte der israelische Nukleartechniker Mordechai Vanunu öffentlich, dass Israel Nuklearwaffen besitze. Photographien von israelischen Atomsprengköpfen wurden in der Londoner Sunday Times veröffentlicht.[18][2] Um sicher zu gehen, ließ die Zeitung das Material vorher durch die Experten Frank Barnaby und Theodore B. Taylor prüfen.[19] Vanunu wurde 1986 von einer israelischen Agentin von London nach Rom gelockt, dort verschleppt und wegen Landesverrats zu 18 Jahren Haft verurteilt. Ehud Olmert deutete bei seinem Besuch in Deutschland in einem Interview am 11. Dezember 2006 bei Sat-1 an, dass Israel über Atomwaffen verfüge.[20][2]

Israelische Wissenschaftler nannten 1982 die Zahl von 250 Sprengköpfen.[21] Die Federation of American Scientists vermutete 2007, dass Israel über 100 bis 250 Atomsprengköpfe für Mittelstreckenraketen verfüge.[2] Oberstleutnant Warner D. Farr von der US-Air University schätzte die Zahl der Atomsprengköpfe für das Jahre 1997 auf über 400.[22] Die Schätzungen beruhen auf Berechnungen, wieviel waffenfähiges Material die Reaktoren in Israel jährlich produzieren können.

Als Atomwaffenträger vermutlich geeignete israelische F-15 I Ra'am

Als die Trägerrakete für konventionelle, chemische oder nukleare Sprengköpfe wurde die Jericho entwickelt und etwa ab 1973 bereitgestellt.[23] Die Jericho 2, entwickelt auf Basis der Shavit, besitzt eine Reichweite von etwa 5.000 km bei etwa 1.000 kg Nutzlast.[24] Von der Militärbasis Sdot Micha südlich von Tel Aviv aus können sämtliche Länder erreicht werden, mit denen sich Israel jemals im Krieg befunden hat.[25] Raketen des Typs Jericho 3 mit 5.000 bis 7.500 km Reichweite könnten nach Auffassung des russischen PIR-Centers ab 2010 einsatzbereit sein.[26]

Die Ausstattung der israelischen Marine mit gebauten U-Booten der Dolphin-Klasse seit 1999 lässt auch die Kapazität für einen nuklearen Zweitschlag vermuten.[27] Die U-Boote wurden von HDW gebaut und von der Bundesrepublik Deutschland zum Teil komplett finanziert. Drei Boote wurden von 1999 bis 2000 in Dienst gestellt. Drei weitere Boote werden im Zeitraum ab 2012 folgen. Der israelische Marschflugkörper Popeye Turbo erlaubt einen Abschuss von den U-Booten der Dolphin-Klasse aus; erste Tests fanden im Mai 2000 statt.[28] Hauptstützpunkt ist die Marinebasis Haifa. Israel beabsichtigt nach seiner Aussage nicht, U-Boote in der Marinebasis Eilat am Roten Meer zu stationieren.[29]

Rose Gottemoeller, Under Secretary of State for Arms Control and International Security Affairs, erklärte im Mai 2009, dass die USA auch von Israel erwarteten, dass es das Abkommen unterzeichne, das die Verbreitung von Atomwaffen verhindern soll.[30]Die Internationale Atomenergieorganisation forderte Israel im September 2009 auf, den Sperrvertrag zu unterzeichnen und den Inspekteuren den Zutritt zu seinen Atomanlagen zu gewähren.[31] Israel lehnt die Umsetzung der Resolution jedoch ab.[32]

Entwicklung in der Region

Um die Entwicklung irakischer Atomwaffen zu verhindern, zerstörte Israel mit einem Luftangriff am 7. Juni 1981 den Reaktor Osirak. Der Angriff wurde vom UN-Sicherheitsrat als „danger to international peace and security“ in der Resolution 487 verurteilt.[33]

Anfang 1984 billigte Indiens Ministerpräsidentin Indira Gandhi den Plan, dass die israelische Luftwaffe in Absprache mit Indien das pakistanische Forschungszentrum Kahuta zerstöre. Die CIA informierte daraufhin den pakistanischen Präsidenten Mohammed Zia-ul-Haq und übte Druck auf Israel aus, diese Aktion zu unterlassen.[34]

Am 6. September 2007 zerstörte Israel bei einem Luftangriff den syrischen Reaktor Al-Kibar, um ein syrisches Waffenprojekt zu verhindern.

Der heute als einer der Hauptgegner Israels angesehene Iran trat zwar schon im Vorfeld 1968 dem Atomwaffensperrvertrag bei[35], doch hatte der Schah gegenüber Israel ein Interesse an der Entwicklung eigener Atomwaffen bekundet.[15] Im Rahmen des aktuellen iranischen Atomprogramms betreibt es verschiedene Kernkraftwerke und Produktionsanlagen, darunter die Anreicherungsanlagen Fordo und Natanz. Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) berichtete im November 2011, sie erhalte vom Iran nicht die notwendige Kooperation und Einsicht für eine Kontrolle, und äußert ernste Bedenken über mögliche militärische Dimensionen des Militärprogramms: „The Agency has serious concerns regarding possible military dimensions to Iran’s nuclear programme.“[36] Im Februar 2012 berichtete die New York Times, die US-Geheimdienste sähen keine stichhaltigen Beweise dafür, dass der Iran Atomwaffen baut oder bauen wolle.[37]

Im Januar 2007 berichtete Sunday Times, dass die israelischen Luftstreitkräfte eine Zerstörung der unterirdischen Atomanlagen Irans mit taktischen Atombomben übe.[38] Die israelische Regierung dementierte.[39] US-Vizepräsident Joe Biden signalisierte im Juli 2009, Israel habe das Recht, iranische Atomanlagen zu bombardieren.[40] Israel wird verdächtigt, den Virus Stuxnet entwickelt und 2010 eingesetzt zu haben, um Anreicherungsanlagen in Iran zu beschädigen.[41] Ebenso wird dem israelischen Geheimdienst die Urheberschaft an einer Mordserie an Wissenschaftlern im Iran zugeschrieben,[42] darunter Massud Ali-Mohammadi 2010, Dariusch Rezaie 2011 und Mostafa Ahmadi Roschan 2012.

Kritik

Der deutsche Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Günter Grass forderte im April 2012 in seinem Text Was gesagt werden muss, dass „eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird“[43] und löste damit eine Debatte aus.

Literatur

Einzelnachweise

  1. I. Abu-Lughod, I. (Hrsg.). The Tranformation of Palestine. Evanston (1971). S. 167.
  2. a b c d Olmert versucht politischen Sprengsatz zu entschärfen. In: Spiegel Online, 11. Dezember 2006 (online). Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „fas“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. Das Phantom von Dimona. In: Spiegel Online, 26. Januar 2004 (online).
  4. Paul Eddy, Elaine Davenport, Peter Gillman: Uran für Israel. Geheimdienst Operation Scheersberg A. ISBN 3-8105-0504-8
  5. a b Uran-Schiff: Schmutziger Trick. In: Der Spiegel, 9. Mai 1977 (online)
  6. Grant F. Smith: Divert! NUMEC, Zalman Shapiro and the diversion of US weapons-grade uranium into the Israeli nuclear weapons program. 2012, ISBN 978-0982775707
  7. Jens Berger: Das atomare Dreiecksgeschäft. Interview mit der Journalistin Gaby Weber. In: Telepolis, 16. Januar 2009 (online)
  8. Michael Salewski: Das Nukleare Jahrhundert: Eine Zwischenbilanz. Franz Steiner Verlag, 1998, ISBN 978-3-515-07321-9
  9. a b Erich Follath: Das Phantom von Dimona. In: Der Spiegel, 26. Januar 2004 (online)
  10. Israel 'ready to drop 13 atom bombs'. In: The Age, 6. April 1976 (online)
  11. Violent Week: The Politics of Death. In: New York Times, 12. April 1976 (online)
  12. The Last Nuclear Moment. In: New York Times, 6. Oktober 2003 (online)
  13. a b Warner D. Farr: The Third Temple's Holy of Holies: Israel's Nuclear Weapons. Counterproliferation Paper No. 2, USAF Counterproliferation Center, Air War College, September 1999 (online).
  14. October 9, 1973 conversation (6:10–6:35 pm) between Israeli Ambassador to the United States Simcha Dinitz, Henry Kissinger, Brent Scowcroft, and Peter Rodman. Transcript. George Washington University National Security Archive (online).
  15. a b Chris McGreal: Revealed: how Israel offered to sell South Africa nuclear weapons. In: The Guardian, 24. Mai 2010 (online).
  16. [http://www.fr-online.de/politik/historiker-sasha-polakow-suransky-israel-bot-angeblich-atomwaffen-an,1472596,4463458.html Israel bot angeblich Atomwaffen an, Frankfurter Rundschau vom 24. Mai 2010)
  17. Iranische Logik. Interview mit Sasha Polakow-Suransky. In: Der Spiegel 31. Mai 2010 (online)
  18. Revealed: the secrets of Israel's nuclear arsenal. In: The London Times, 5. Oktober 1986
  19. Erklärung von Frank Barnaby. 14. June 2004 (online)
  20. Empörung über Olmerts Atomwaffen-Geständnis. In: Spiegel Online, 12. Dezember 2006 (online).
  21. Amos Perlmutter, Michael Hendel, Uri Bar-Josef: Two Minutes over Baghdad. London: Valentine and Mitchell, 1982
  22. Warner D. Farr: The Third Temple's Holy Of Holies: Israel's Nuclear Weapons. September 1999 (online)
  23. Claeremont Institute: Jericho 1. (online)
  24. Harold Hough: Could Israel's nuclear assets survive a pre-emptive strike? In: Jane's Intelligence Review, 1. September 1997 (online)
  25. Haiko Lietz: Richtet den Blick auf Israels Atomwaffen. In: Telepolis, 22. April 2004 (online).
  26. Vladimir Z. Dvorkin: Letter of August 2002. Missile Armes Status & Development Prospects in the Thirld World Countries for the Period up to 2015. PIR-Center, 2. August 2002 (online)
  27. Pierre Heumann: Heimliche Atommacht. In: Berliner Zeitung, 22. Dezember 2003 (online).
  28. Popeye Turbo. Federation of American Scientists (online)
  29. Israel won't base submarines in Red Sea, official says. In: Haaretz, 5. Juli 2009 (online)
  30. USA erhöhen den Druck auf Israel. In: Spiegel online, 6. Mai 2009 (online)
  31. Israeli nuclear capabilities. Resolution adopted on 18 September 2009 during the tenth plenary meeting. In: IAEA, September 2009 (online)
  32. Israel soll Nuklearanlagen für UN-Kontrollen öffnen. In: Fokus, 18. September 2009 (online)
  33. UN Resolution 487. 4. Juni 1984 (online)
  34. Israelisch-indischer Kampf gegen islamische Bombe. In: Die Welt, 24. November 2011 (online)
  35. un.org (online)
  36. Implementation of the NPT Safeguards Agreement and relevant provisions of Security Council resolutions in the Islamic Republic of Iran. Internationale Atomenergieorganisation (IAEO), 8. November 2011 (online)
  37. Berichte der US-Geheimdienste: Keine Beweise für iranisches Atomwaffenprogramm. In: tagesschau.de, 26. Februar 2012 (online)
  38. Revealed: Israel plans nuclear strike on Iran. In: The Sunday Times, 7. Januar 2007
  39. Haaretz: Israel denies plan to hit Iran enrichment plant with tactical nukes. In: Haaretz, 7. Januar 2007 (online)
  40. Biden says Israel has the right to attack Iran. In: Los Angeles Times, 6. Juli 2009 (online)
  41. Die Zauberwaffe. In: Der Spiegel, Nr. 32/20011, 8. August 2011 (online)
  42. Ulrike Putz: Israels mörderische Sabotage-Strategie. In: Spiegel online, 1. August 2008 (online)
  43. Grass' Gedicht im Wortlaut: Was gesagt werden muss In: Süddeutsche Zeitung, 4. April 2012 (online)