Waage
Eine Waage (lateinisch libra = Waage, Pfund) misst, welche Kraft oder Kräfte auf einen Körper wirken.
Im gebräuchlichsten Sinne bestimmt sie entweder die Gewichtskraft ("Gewicht") oder Masse eines Körpers, d.h. wie schwer ein Gegenstand ist.
Das Gewicht, nicht zu verwechseln mit der Masse (Physik), ist eine solche messbare Kraft und hängt von der Anziehungskraft an einem bestimmten Ort auf den Körper ab. Die Masseinheit ist das Newton oder (veraltet) das Pond. Die Masse wird durch den Vergleich der Masse bekannter Körper bestimmt. Die Einheit ist das Kilogramm.
Gewicht und Masse stellen physikalisch zwei völlig verschiedene Größen dar. Da die Schwerkraft auf der Erdoberfläche sich von Ort zu Ort nur wenig verändert, lassen sich auf Messskalen von Waagen entsprechend folgender Berechnung auch Masse-Angaben in Kilogramm darstellen:
Für diese Umrechnung muss man die Schwerebeschleunigung kennen. Da diese z. B. auf dem Mond anders ist als auf der Erde, müsste man dort Waagen mit einer veränderten Skala verwenden.
Geschichte
Ein Waagebalken aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. wurde in einem prähistorischen Grab in Ägypten entdeckt. Früheste ägyptische Abbildungen einfacher Balkenwaagen stammen um 2000 v. Chr.. Die Aufhängung des Waagebalkens bestand aus einem Seil, an seinen äusseren Enden hingen die Waagschalen. Um 500 v. Chr. verbesserten Etrusker die Genauigkeit der Balkenwaage. Die Römer kannten auch ungleicharmige Waagen, der längere Arm trug ein verschiebbares Wägestück sowie eine Strichmarkierung. In der Renaissance kamen in alchimistischen Labors hochempfindliche Analysewaagen zum Einsatz. 1779 erfand der Franzose G.P. de Roberval die Tafelwaage, sie hatte den Vorteil dass die Position der zu wiegenden Last auf den Waagschalen das Ergebnis nicht beeinflusste. 1763 baute der schwäbische Pfarrer Philipp Matthäus Hahn eine Neigungswaage mit direkter Gewichtsanzeige. Dezimal- und Küchenwaage entstanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Um 1850 wurden Versuche unternommen, das Wägeergebnis automatisch zu drucken. 1895 kamen in den USA Waagen mit gleichzeitiger Preisanzeige auf. 1939 leiteten zwei amerikanische Ingernieure mit der Nutzung elektrischer Widerstandsänderungen das Zeitalter der elektronischen Waagen ein.
Mechanische Waagen
Wiegen: Gewichtskraft
Federwaagen messen mittels Längung (Ausdehnung) einer Feder oder mittels einer anderen abzulesenden Kraft. Solche verwandten Messprinzipe basieren ebenfalls auf Verformungsmessung, beispielsweise mit Membranen, Kraftsensoren, Kraftmessdosen, Piezoeffekt oder Ringtorsion.
Es gibt Federwaagen und Kraftmessung für verschiedene Messbereiche. Beispiele:
- Haushaltswaage, ein Handgerät bis etwa 10 kg; die einfache Federwaage wird (volkstümlich) auch "Lumpenwaage" genannt.
- Küchenwaage und Babywaage, bis 5 oder 10 kg
- Personenwaage für das Körpergewicht (meist bis 150 kg, Genauigkeit 0,5-3 kg).
- Standgeräte für industrielle Zwecke oder im Handel.
- Membranwaagen und Barometer
- Mikrowaagen und Präzisions-Federwaagen für Labors, Physikunterricht etc., Genauigkeiten 0,5% bis 0,1%.

Wiegen: Masse
Die Masse eines Körpers wird durch den Vergleich mit Standardgewichten bestimmt.
- Eine Balkenwaage misst die Balance zweier Gewichte. Im einfachsten Fall ist es ein im Drehpunkt gelagerter Waagebalken, der an den Enden zwei Schalen trägt. Die Referenzgewichte für Apothekerwaagen beginnen bei 0,1 mg, und enden bei 10 kg für Marktwaagen.
- Eine Zeigerwaage misst die Auslenkung eines Gewichts an einem Hebelarm, siehe Abbildung der Briefwaage.
- Eine Schnellwaage (Laufgewichtswaage, römische Waage) besitzt zwei ungleiche Hebelarme, an derem längeren das Ausgleichsgewicht verschoben wird.
- Eine Dezimalwaage arbeitet ähnlich wie eine Schnellwaage mit dem Unterschied, dass der Hebelarm für das Gewicht 10 Mal länger ist als der für das Wiegegut. Mit einem 10 kg Referenzgewicht kann ein Körper von 100 kg ausgemessen werden (siehe auch Abb. Dezimalwaage).
- Sonderformen sind die Brückenwaage für Lkw und Silotransporte, Kran- und Palettenwaagen.

Elektromechanische und elektronische Waagen
Mechanische Geräte sind heute weitgehend durch elektr(on)ische Waagen ersetzt. Sie sind robuster, genauer, schneller ablesbar und häufig preiswerter.
Elektronische Analysenwaagen haben oft ein Gehäuse als Schutz vor Luftbewegungen, Programme zum Kalibrieren und spezielle Dämpfungen zur Verhinderung von Erschütterungen. Sie messen im Kilogrammbereich mit Empfindlichkeit bis etwa 0,1mg, was einem Dynamikbereich von 106 entspricht.
Weitere Beispiele:
Elektromechanische Waagen für Industrie und Transport
- Plattform- und Fahrzeugwaagen: Wiegebrücken mit mehreren Messdosen, Messterminal und Programmen (beispielsweise Handtara, Festtara, Mehrfachmessung ...)
- Kranwaagen mit 10-20 Messbereichen à ± 0,2%, Spitzenwertanzeige etc.
- Palettenwaagen (zum Beispiel 10 bis 1500 kg ± 0,5 kg)
- Sonderwaagen für Langgut, schweren Industrieeinsatz usw.
- Wägeterminals mit Abfüllsteuerung für Flüssigkeiten, Bigbag, Dosierung, Absackung, Stückzahlen, Annahme und Verladung ...
- Bodenwaage mit Funktions- und Zifferntastatur, Standardprogrammen wie Zählen, Kontrollieren, Dosieren ... (beispielsweise 10 kg ± 0,1 g).
Bei modernen elektromechanischen Waagen kommen vor allem zwei Sensor-Prinzipien zum Einsatz:
- Waagen auf Dehnungsmessstreifenbasis (DMS, engl. Strain Gauge, Strain Gage)
- Waagen nach dem Prinzip der elektromagnetischen Kraftkompensation
Seltener findet man auch Waagen mit Sensorelementen, welche mit Schwingseiten arbeiten oder bei welchen kapazitive oder piezoresistive Sensoren zum Einsatz kommen.

Tisch- und Zählwaagen
- Tischwaagen mit Batterie- und Netzbetrieb, Distanz Wägebrücke-Anzeigegerät bis einige Meter (zum Teil eichfähig). Untergruppen sind:
- Kompakt- oder Universalwaagen
- elektronische Tischwaagen für Großküche, Bäcker oder Labor
- Spezialwaagen für Getreideproben, Eier, Sortierung usw.
- Zählwaagen: Kompaktwaagen zum Zählen, Wägen, Summieren und Kommissionieren, mit digitalen Filtern gegen Vibrationen etc.
Präzisions- und Laborwaagen
- Präzisionswaagen mit Genauigkeiten bis 0,01% (Messbereiche 100 g bis 30 kg).
- Laborwaagen, Mikro- und Analysewaagen (zum Beispiel 200 g ± 0,0001 g; ein früher Hersteller z.B. Florenz Sartorius, Göttingen).
- Feuchtigkeitsmesser: Wassergehalt bei 40-250°, Infrarotstrahlung ...
Besondere Waagen für Technik und Physik
- Sechs-Komponenten-Waage: durch die Messung der Kräfte (insgesamt drei) entlang der und der Drehmomente (ebenfalls drei) um die Achsen eines geradlinig orthagonalen Koordinatensystems lassen sich mit einer solchen Waage beispielsweise in einem Windkanal alle Wirkungen der Luftströmung auf ein Modell messen.
- Gravimeter für Geophysik und Geodäsie: Präzisions-"Federwaage" (Schrägbalken) oder Supraleitung, Erdschwerefeld 950 bis 990 Gal ± 0,001 mGal (1 Gal = 1 cm/s²).
- Cavendish-Waage zur Bestimmung der Gravitationskonstante (1798)
- Watt-Waage für Überprüfung des Ur-Kilogramms: sie vergleicht die mechanische mit der elektrischen Leistung, was letztlich auf eine Zeitmessung hinausläuft.
- Komparatorwaage der PTB zum Vergleich von Kilogrammprototypen. Sie steht in einem druckfesten Gehäuse und hat eine Standardabweichung von 10-9 kg. Sie erlaubt auch Messungen im Vakuum (0,005 mbar) und daher des Luftauftriebs auf die Massebestimmung.
Grundregeln für genaues Wägen
- Waage sorgfältig behandeln, vor mechanischen Erschütterungen und aggressiven Stoffen schützen,
- im angeschalteten Zustand nicht transportieren,
- auf stabilen Untergrund achten, horizontieren, justieren.
- maximale Belastbarkeit nie überschreiten ("Wägebereich 200 g" = Maximallast). Nur für Industrie oder Kraftfahrzeug sind die Toleranzen größer.
- Daher nie mit der Hand auf Waagschalen drücken.
- Wiegegut vorsichtig auf die Waagschale legen, Chemikalien nie ohne Gefäß (Einstellung der Tara mit Tariereinrichtung)
Bei elektronischen Waagen im Labor
- Nach Einschalten warten, bis Waage auf 0,0 austariert ist
- Rundfilter oder Becherglas auflegen, "Tarataste", nochmals Austarierung abwarten
- Portionsweise Stoffzugabe: Feststoffe mit Spatel, Flüssigkeit mit Pipette
- Ablesung, Protokoll oder mit Schnittstelle zum PC
- Abnehmen des Filters/ Bechers langsam, beziehungsweise
- Standby oder Ausschalten der Waage laut Menü.
Schulprobleme und Lernen über "Gewicht" und Wägen
Durch die alltägliche "Vermischung" von Masse, Kilo und Gewicht (eigtl. GewichtsKRAFT) und das unbeliebte Newton treten in der Schule Verständnis- und Lernprobleme auf.
Verständnisprobleme bei Schülern
- Mangelnde Erfahrung vieler Kinder ("schwer" = groß, Volumen, Dichte)
- unscharfe Sprache, Wahrnehmung von Gewicht als Druck (auf der Hand)
- Ablesung auf Skalen und Bedeutung der Werte
- Verwechslung von «Gramm»/ «Kilogramm», Gewichtsstück/ Gewichtseinheit ...
- Vermischen von Masse und Gewichtskraft, Kilopond und Newton
Lernschritte für Schüler
Gewichte und Vergleiche
- Sprachlich: ich bin schwerer/ leichter als ...
- Vergleichen ähnlicher Gewichtsstücke mit der Balken- oder "Kleiderbügelwaage", und verschiedener Gegenstände mit Feder- oder "Gummiwaage"
- Gewichte schätzen, Dichte erleben (Holz, Stein, Eisen, Polystyrol, Wasser)
- Schätzwettbewerbe (später Gegenstände verschiedener Dichte)
Skalen und Einheiten
- Mit Skalen vertraut machen (Maßband, Uhr ..)
- Gewichte in kindgerechten Einheiten (beispielsweise Murmeln) schätzen: Stein A = 6 Murmeln = 3 Nägel, dann Kontrolle mit Waage
- Vergleich gängiger Gewichte (100 g, 250 g, 500 g). Später kleine Gewichte (5 g, 10 g, 50 g) auf Briefwaage und deren Ausschlag begreifen
- Einheiten «Kilo/gramm» (1 kg = 1000 g), Analogie zu km
Abstraktes und Formeln
- Messprinzip A) Kraft, B) Vergleich (Federwaage, Brief-, Balkenwaage)
- Newton als Kraft spüren, Kilopond, Erdschwerefeld und dessen Variation
- Internetsuche, Kritik an Prospekten (kg statt N, usw.)
- Dichte_(Physik) verstehen (Vergleiche mit Holz, Stein, Wasser usw.)
Siehe auch
Basiseinheiten, SI-Einheitensystem, Toleranz, Eichung, Justieren, Kilogramm, Präzision, Waagebalken, Wägesystem
Arten von Waagen
Briefwaage, Goldwaage, Neigungswaage, Personenwaage, Ringwaage, Wasserwaage
Literatur
- Hans R. Jenemann, Arno M. Basedow und Erich Robens: "Die Entwicklung der Makro-Vakuumwaage", Wirtschaftsverl. NW Bremerhaven, ISBN 3-89429-214-8
- Richard Vieweg: "Aus der Kulturgeschichte der Waage" (1966)
- Karl Erich Haeberle: "Zehntausend Jahre Waage. Aus der Entwicklungsgeschichte der Wägetechnik" (1967)
Weblinks
- http://www.admin.ch/ch/d/ff/2002/2607.pdf (Zulassung zur Eichung)
- http://www.ptb.de/ (Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig)
- http://www.ptb.de/de/org/1/11/111/prototyp.htm (Präz.Waage, Kilogramm)
- http://www.bipm.fr/ (Bureau International des Poids et Mesures, Paris)