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Wittgensteiner Platt

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Das Wittgensteiner Platt wird im Gebiet des Altkreis Wittgenstein gesprochen und gehört zu den oberhessischen Dialekten.

Durch die in Wittgenstein in den Flusstälern der Eder und Lahn siedelnden Franken wurde die hochdeutsche Lautverschiebung getragen. Die zweite deutsche Lautverschiebung wurde jedoch, wie in den benachbarten nassauischen und oberhessischen Dialekten, nur zum Teil vollzogen. Das Wittgensteiner Platt nimmt, in ähnlicher Weise vergleichbar mit dem Hinterländer Platt und Siegerländer Platt, eine Mittelstellung zwischen Nieder- und Hochdeutsch ein. Als zweite sprachliche Erscheinung besitzt das Wittgensteiner Platt auch die neuhochdeutsche Diphthongierung.

Nach Möhn und Weiershausen wird das Platt in einen nördlichen und einen südlichen Sprachbereich eingeteilt, der jeweils die Einflüsse der angrenzenden Regionen Westfalens bzw. Hessen und Nassaus enthält. Beide Sprachbereiche decken sich ungefähr mit den seit dem 16. bis ins 19. Jahrhundert existierenden Grenzen zwischen den Wittgensteiner Herrschaftsgebieten der Grafen von Sayn-Wittgenstein-Berleburg und Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.

Einordnung in die Zweite Deutsche Lautverschiebung

p→ff/f - „p“ statt „pf“: nicht vollzogen. „Pfund“ → „Pund“, „Dampf“ → „Damp, „Apfel“ → „Appel“
t→ss („dat/das“)„Dat“ → „Daos“.
k→hh/ch („ik/ich“) - „machen“ → „maochen“.
/*d/→/t/ - "d" statt "t": nur zum Teil vollzogen. (Töpfchen → "D"ippche, Vetter → Pe"dd"er)

Beispiele

Sprichwörter

Wer hi hängerm Blügg steht, müssn woannerschter dense. (Wer hier hinter dem Pflug steht, muss ihn andernorts ziehen.)
Voa anner Leire Haire ess gütt Rieme schneire. (Von andrer Leute Haut kann man gut Riemen schneiden.)
Uff jedes Dippche, basst e Deggelche. (Auf jedes Töpfchen passt ein Deckelchen.)
Kleene Deppcher hon ö Uhre. (Kleine Töpfchen haben auch Ohren.)

Wenns mol dreppelt, rents ö lichte, leire so es doos, en de Wittgesteener Fichte werd ken mensch net noas.(Wenn es erst einmal tröpfelt, regnet es auch leicht. Leute, so ist das, in den Wittgensteiner Fichten wird kein Mensch nass.) o mei Katrinche heer mer mol züüüü, o dü mei Wittgestee, mei Wittgestee, mei Wittgestee,o dü mei Wittgestee, mei Wittgestee best dü. (Oh, mein Kathrinchen, hör mir mal zu, oh du mein Wittgenstein, ..., mein Wittgenstein bist du.)

Einige Regeln zur Grammatik

I. Zur Konjugation

Von "s e i n":
...esch...sein.....wor.........weren sei........sein gewese....wor gewese.... ....weren gewese sei
...dü.......best....worscht...werscht sei.....best gewese....worscht gewese...werscht gewese sei
...hä ......ess.....wor...... ..wert sei..........ess gewese......wor gewese.........wert gewese sei
...mer.....sein.....wo(re)n...weren sei.......sein gewese.....wo(re)n gewese....weren gewese sei
...ehr .....seid.....wort........wert sei.........seid gewese.....wort gewese........wert gewese sei
...se.......sein.....wo(re)n....weren sei......sein gewese.....wo(re)n gewese...weren gewese sei
(Bei allen "o"- Laute klingt ein verhaltenes "a" mit; "gewese" : das "e" der zweiten Silbe geht nach "ä".)

Von "h o n" - h a b e n:
...esch... hon......hatt.......weren hon.....hon gehatt.......hatt gehatt..........weren gehatt hon
...dü...... host.......harrest...werscht hon....host gehatt......harrest gehatt.....werscht gehatt hon
...hä...... hott........hatt.......wert hon..........hott gehatt......hadde gehatt.......wert gehatt hon
...mer.... honn......harren....weren hon........hon gehatt....harren gehatt.......weren gehatt hon
...ehr..... hott........harret....wert hon..........hot gehatt.......harret gehatt........wert gehatt hon
...se...... hon......harren....weren hon.......hon gehatt.....harren gehatt.......weren gehatt hon
("Weren" in der ersten Silbe, "werscht" und "wert" mit nach "ä" gehendem "e".)

Anmerkungen:
1. Indikativformen für Präsens, Imperfekt, Futur I, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur II
3. Zur dritten Person im Singular: a) es gibt auch "se" (sie) und "es", "äs".("De Zeje, se ess werra mul außer Rand unn Band!" - Die Ziege, sie ist wieder einmal außer Rand und Band.) Man kann statt dessen - oft eher - den bestimmten Artikel "die", "dos" verwenden. ("Dos ess unnerwägs num Stenzel." Sie ist unterwegs zum Stünzelfest.) b) In der dritten Person Singular Präsens zu "sein" findet bei nachgestelltem "es" eine Lautumwandlung in "r" statt. ("Mer ärres net gütt." - Mir ist nicht gut. Aber: "Es ess mer net gütt." - Es ist mir nicht gut. "Nirgendwu ärres su schee, als wie e Wittgestee!" - Nirgendwo ist es so schön wie in Wittgenstein." Aber: "Es ess schee e Wittgestee." - Es ist schön in Witgenstein.)
4. Das Platt kennt und ermöglicht den differenzierten Gebrauch der Tempora. ("Mer weren als lange o Ort unn Stelle gewese sei, ender die annere dro geducht hon, ins du ze süche." - Wir werden längst an Ort und Stelle gewesen sein, bevor die anderen daran gedacht haben, uns dort zu suchen.) Im Gebrauch findet jedoch wie im Hochdeutschen eine Reduzierung statt.

Von "g ü c k e" -g u c k e n,gückte, gegückt
...esch...gücken..gückte.....weren gücke...hon gegückt...hatt gegückt...weren gegückt hon
...dü.....gückst....gücktest...
...hä.....gückt......gückte.......................u,s.w., siehe "hon - haben"
...mer....gücken...gückten....
...ehr....gückt.......gücktet....
...se.....gücken..,.gückten....

Anmerkung:
Indikativformen für Präsens, Imperfekt,Futur I, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur II eines regelmäßigen Verbs ohne Passiv

II Zur Deklination

1. Genitiv und Akkusativ
a) Anstelle des Genitiv tritt der Dativ mit nachfolgendem Possessivpronomen (z.B.: „meinem Brürer sein Hüt“ – der Hut meines Bruders; „Dos es dem sei Bild“. – Das ist dessen Bild.) oder es wird das Wort „von“ verwendet (z.B.: „de Fraa vom Heiner“ – Heiners Frau).
Es scheint Ausnahmen zu geben. So heißt es in dem Gedicht „Eiersorgen“ von Werner Schmidt: „…des Reinhards Weib, dos Katharine.“ Und Florentine Goswin-Benfer reimt:"...met der Bärge steller Rüh",und "... deiner Mensche Härz schlehd worme,..." Es muss offen bleiben, ob es sich um einen durch den Rhythmus und den Vers bedingten Tribut an das Hochdeutsche handelt.
b) Akkusativ und Nominativ fallen zusammen (z.B.: „Hä nahm der Hüt unn ging.“ – Er nahm den Hut und ging. „Krijje ma ins noch eener!“ – Trinken wir noch einen!)

2. Unbetonter und betonter bestimmter Artikel

a) Der unbetonte bestimmte Artikel lautet:
Singular (Einzahl):
Nominativ:...da Junge (mit Tendenz des "a" zu "er"), m. - der Junge.....de Treppe, f. - die Treppe.....dos Haus, n. - das Haus
("Da Junge ess noch klee." - Der Junge ist noch klein. "De Treppe ess hug." - Die Treppe ist hoch. "Dos Haus hot e Schewwerdach." - Das Haus hat ein Schieferdach.)
Dativ:...demm Junge - dem Jungen....da Treppe - der Treppe.....demm Haus - dem Haus
("Dos Fōhrrōd gehatt demm Junge." - Das Fahrrad gehört dem Jungen. "Dos stunn uff da Treppe..." - Sie stand auf der Treppe. "Dos Dach vom Haus..." Das Dach des Hauses... )
Plural (Mehrzahl):
Nominativ:...de Jungen - die Jungen.....de Treppe - die Treppen.....de Haiser -die Häuser
("De Jungen speelen gäre Füssball." - Die Jungen spielen gerne Fußball. "De Treppe vērm Haus sein em Wänter immer glōd." - Die Treppen vor dem Haus sind im Winter immer glatt. "De Haiser ō da Ara em Unnerdorf..." - Die Häuser an der Eder im Unterdorf...)
Dativ:... Junge(n) - den Jungen..... Treppe(n) - den Treppen..... Haiser - den Häusern
"Duhenn kunne met dä Junge net fohre." - Dahin konnte er mit den Jungen nicht fahren. "Mer sassen e Rom uff dä spanische Treppe unn lissen's ins gütt gen." - Wir saßen in Rom auf den spanischen Treppen und liesen es uns gut gehen. "Ewwerall hingen Plakate o dä Haiser." Überall hingen Plakate an den Häusern.

b) Außerdem gibt es einen betonten bestimmten Artikel.
"Dos ess da Wäg nū Rëinthe." - Das ist der Weg nach Rinthe.("Da Wäg" mit unbetontem Artikel.) Aber: " Wäg gett nū Rëinthe." (Der Weg hier führt nach Rinthe. "Dä Wäg" mit betontem Artikel.)
"De Treppe hot zāh Stūfe." - Die Treppe hat zehn Stufen. ("De Treppe" mit unbetontem Artikel.) Aber:" Die Treppe hot zāh Stūfe." (Die Treppe hier hat zehn Stufen. "Die Treppe" mit betontem Artikel.
"Dos Haus lejjet uf der Hēh." - Das Haus liegt auf der Höhe. ("Dos Haus" mit unbetontem Artikel.)Aber: "Dos ess dos Haus uff der Hēh, vō demm sū vēl e da Zeiringe stett." - Das ist das Haus auf der Höhe, von dem so viel in der Zeitung steht. "Dos Haus mit betontem Artikel.)
Die betonte Form spielt die Rolle eines Demonstrativpronomens und kann dementsprechend auch mit "derren", "derre", "detz" (dieser, diese, dieses) gesprochen und damit ggf. noch stärker betont werden, also: "Derren Wäg gett nū Rëinthe." "Derre Treppe hot zāh Stūfen." "Detz Haus uff der Hēh, vō demm su vēl ē da Zeiringe stett ..."

3. Personenbezeichnungen

a) Bei Personenbezeichnungen wird der Vorname nachgestellt.
b) Derartige Bezeichnungen beginnen:
- herkömmlich, falls vorhanden, vorzugsweise mit dem Hausnamen (z.B.: „Wosse Minche“ – Wilhelmine Aderhold aus dem Haus mit dem Hausnamen „Wosse“ in Hemschlar; „Gasse Willi“ – Willi Dickel aus dem Haus mit dem Hausnamen „Gasse“ in Raumland),
- oder mit der Bezeichnung des Ortes, aus dem der Betreffende kommt (z.B.: „da Schellasche Ernst“ – Ernst Born aus Schüllar); bei dem Ort muss es sich nicht notwendig um den Wohnort handeln; es kommt beispielsweise auch der Geburtsort in Frage, z.B.:(„da Rëinthaschbächer Heiner“ – Heinrich Born vom Hof Rinthersbach, Ortsbezeichnung, wohnhaft in Raumland),
- oder auch mit dem bürgerlichen Familiennamen (z.B.:“ Althaus Willi“ – Willi Althaus).
An den vorangestellten Hausnamen oder die vorangestellte Ortsbezeichnung wird kein s angehängt. Anders bei dem vorangestellten bürgerlichen Familiennamen: „Langes Emma“ – Emma Lange; „Raths Karl“ – Karl Rath. Es könnte sich hier – ausnahmsweise – um ein Genitiv –S handeln.
c) Vornamen werden in der Regel anders als im Hochdeutschen mit dem bestimmten Artikel gesprochen (z,B.: „Da Fretz nahm sich e Düsch“ – Fritz nahm sich ein Tuch. „Da Hasselasche Peter wor du“ – Peter vom Heßlar war da. Möglich aber auch ohne Artikel: „Mannes Heinz hot e Paad“ - Heinz Limper aus dem Haus „Mannes“ hat ein Pferd. Wann diese Ausnahme möglich ist, scheint durch Konvention ohne Regel festgelegt; so kann man wohl nicht sagen:“Hasselasche Peter hot e Paad.“)
Frauennamen sind sächlich (z.B.: „‘s Kathrinche es kraank“ – Katharina ist krank. „Dos“ in Kurzform: „‘s“. „Inse Janche es e Balleburg“ – Unsere Christiane ist in Berleburg. „Inse“ ist sächliches Pronomen; z.B.: „inse Haus“.) Das gilt auch für die Konjugationen („`s Lina es du. `s setzt e da Stuwwe.“ – Lina ist da. Sie sitzt in der Stube.)
Vgl. zu Vorstehendem verwandt :das Siegerländer Platt.
Ähnlich bei dem personenbezogen oder demonstrativ benutzten bestimmten Artikel (z.B.: „Dos Kleene – daff dos dos?“ – Die Kleine – darf sie das?)

4. Anrede, Höflichkeitsformen
Vorherrschende Anrede ist „dü“ –du. Kein „sie“. Ältere Personen wurden früher, gerade auch im familiären Bereich mit „ehr“ –„ihr“, „üch“- euch,"öwwen"- Euer angesprochen. Vielleicht empfiehlt sich das noch bei höher Gestellten. Statt "bitte" kann man sagen:"Sei su gütt!" - Sei so gut! ("Hä saht werra sei Fraa: Sei doch su gütt unn geb ma dos Büch!" Er sagte zu seiner Frau. Bitte, gib mir das Buch.) Zu den Grußformen: s. bei dem Wort "gütt".

5. Verkleinerungen
Verkleinerungen bildet man mit „-che“, -cha", das eventuell auch „-je“ gesprochen werden kann. Im Plural wird ein „r“ angehängt. Eventuell auch Änderungen im Stamm des Hauptwortes. (z.B. „Haus“ -„Hais`che“ – „Hais`cher“; „Känd“ – „Kändche“ – „Kännercher“)

6. Verlaufsform
Man kann wie bei der sog. Rheinischen Verlaufsform sagen: "Dos ess om Schlofe unn rifft glech o." - Sie schläft gerade und ruft gleich an. Man kann aber auch "dünn" - tun mit dem Infinitiv verwenden: "Hä düt gäre koche." - Er kocht gerne.

7. Bestätigung heischendes Fragewort
Das Bestätigung heischende Fragewort lautet: "woa ?" ("Dü host mech doch gere, woa?" - Du hast mich doch gerne, nicht wahr?) Wenn ein mit Platt Aufgewachsener Hochdeutsch spricht, sagt er statt dessen oft nicht etwa "nicht wahr?", sondern "woll?"

Wortschatz

In der kleinräumigen Sprachlandschaft gibt es oft von Ort zu Ort Unterschiede in der Fassung und Aussprache einzelner Worte. So finden sich beispielsweise für "Patin" "Gorrel","Gōte" und "Gūte". Im folgenden steht Blb/R für Bad Berleburg/Raumland; der so gekennzeichnete "Wortschatz" dürfte sich allerdings so oder so ähnlich im ganzen Wittgensteiner Land finden. Eine andere Frage ist es, ob und wie weit einzelne Vokabeln noch - soweit Platt gesprochen wird - im Gebrauch oder nur noch älteren Zeitgenossen geläufig sind,wie beispielsweise die Wörter aus dem bäuerlichen Bereich.
(f.- femininum, weiblich; m. -masculinum, männlich; n.- neutrum- sächlich; Pl. - Plural,Mehrzahl)

Āmpeetze (mit nach "o" gehendem, langem "a")(Blb/R), f.- Ameise
arisch - arg
Beckse (Blb/R), f. - Bückse, Pl.: Beckse
bëise (Blb/R) - beißen, bess, gebesse (mit nach "ä" gehendem "e")
Berg (mit nach "ä" gehendem "e"),m. - Berg, Pl.: Berje, Bärge
bestōre, sech (Blb/R) - heiraten; bestott - verheiratet
Blōd (mit langem offenen "o") (Blb/R)Blatt, n. - Blatt, Pl.: Blarra
Blüd (mit härterem "d") - Blut
Botter (mit geschlossenem "o")(Blb/R) - Butter
Brie , f.- Brühe
britte - brüten; brittsch (In der Wendung:"De Glotze es brittsch." Die Glucke ist reif zum Brüten. - Ohne Entsprechung im Hochdeutschen)
Deere (Blb/R), f. - Tür
Deckelche (BlbR), Deggelche,f. - Deckelchen
dellwe (Blb/R) - würgen
dense (mit nach "ä" gehendem "e")(Blb/R) - ziehen
Deppche (Blb/R), Dippche,n. - Töpfchen
Desch (Blb/R), Deisch, m. - Tisch, Pl.: Desche, Deische
dewerscht - durcheinander, verwirrt sein ("Esch sein ganz dewerscht.")
Dormel (Blb/R),m. - schlaftrunkener, desorientierter Mensch; Dormeldier; dormelisch - taumelig, verwirrt
Doscht (mit nach "a" gehendem "o")(Blb/R),m. - Durst
Dreppche (Blb/R), n. - Tröpfchen
Droppe ,m.- Tropfen
dreppele - tröpfeln; dreppelte,gedreppelt
Duffel (Blb/R),f. - Kartoffel
Dunge (Blb/R), f.- Butterbrot, auch: Runge
dünn (Blb/R) - tun (ech dünn, dü düst, hä dütt u.s.w.; doot, gedoo - jeweils mit leicht nach "a" gehendem, langem "o")
durängele (Blb/R) - (halb)tot schlagen
dinne (Blb/R)- dünn
dūne - dicht,auch: betrunken ("Da Josch wor awwer mul werra ganz schee dūne." - Georg war aber wieder einmal ganz schön betrunken.)
Eje (Blb/R),f. - Egge
emul (auf der ersten Silbe betont)(Blb/R) - einmal
Färschter,m. - Förster
Fenger, m. - Finger, Pl.: Fenger
Flēsch (Blb/R),n. - Fleisch
Fraa,f. - Frau; Pl. Weiweslaire,f.
frijjer - früher
frō (Blb/R)- fragen; frōte ("mer frōren" - wir fragten), gefrōt
fürrere - füttern
Füss, m. - Fuß, Pl.: Fisse
Gänster,m. - Ginster
Gänsterfärschter,m. - Hobbyförster
gatze (Blb/R) - gackern
gen (Blb/R) - gehen, ging, gegange
gewenne( mit nach "ä" gehendem "e"(Blb/R)) - gewinnen; gewunn, gewunn
Gewaerrer,n. - Gewitter
Gewaerrerschlag,m. - Gewitterschlag (Im Gebrauch als abfällig, aber eher liebevolle Kennzeichnung einer Person ("Wos hot dä Gewaerraschlag da nü als werra ogestellt?" - Was hat der Lausejunge denn nun schon wieder angestellt?)
Gickel, m., auch Hoh,m. - Hahn, Gockel
Goschstee, (Blb/R)m. - Spülstein
Gōte (mit nach "u" gehendem, langem "o")(Blb/R),f.- Patentante
Glotze ,(mit geschlossenem "o")(Blb/R)f.- Glucke
gücke (Blb/R)- gucken
gütt (Blb/R) - gut ("Dos Büsch es gütt." Aber: "Dos es gürre Botter." "Dos sein gürre Laire." "Mer ärres net gütt!"- Mir ist nicht gut!) Folgende Grußformen: "Ge Morje" - Guten Morgen, "Gun Dach" -Guten Tag, "Gen Owend" - Guten Abend, "Ge Nocht" - Gute Nacht, "Machs gütt" - Machs gut, Auf Wiedersehen, als früher allgemein üblicher Abschiedsgruß.)
hänner (Blb/R), hänger - hinter
Hānd,f.- Hand, Pl.: Hänge Hannsjubeere,f. - Johannisbeere
Haihepper, (Blb/R)m. - Heuschrecke, Heuhüpfer
Hatz (mit nach "er" gehendem "a")(Blb/R), Härz, n. - Herz, Pl. Härze
Haus, n. - Haus, Pl.: Haiser
Hēmet, Hēmat,f. - Heimat
hēme (Blb/R), haam - nach Hause ("Hēme gen mer net."- Nach Hause gehn wir nicht. Neuerdings häufiger auch mit "nu","no" - nach - verbunden: "nu hēme"). "deheeme" - zu Hause
heere - hören; hotte, gehott
Hinkel (Blb/R),n. - Huhn, Plural: Hinna
hon (mit kurzem, offenen "o") - haben, s. Konjugationen)
huckele(Blb/R) - auf dem Rücken tragen,huckelte, gehuckelt; auch hückele
Hückel (Blb/R),f.- Frosch, Kröte
Hund, m. - Hund, Pl.:Hunne
Huse,f. - Hose
Huseschisser,m. - Bezogen auf Kinder: wohlwollende Bezeichnung ("Die kleene Huseschisser spēlen em Hōb." - Die kleinen ... spielen im Hof.) Bezogen auf mannbare Wittgensteiner: eine erlesene Beleidigung: ein ausgemachter Feigling, ein besonders weiches Weichei
Hüt, m. - Hut, Pl.: Hiere
itzt, itzend (Blb/R)- jetzt
Irra, (Blb/R)n. - Euter
Jipp, (Blb/R)m. - Jacke
Junge, m. - Junge, Pl. Junge(n) Kann(e), (Blb/R)f. - Kanne,Pl.: Kanne
keiwele(Blb/R) - kauen, keiwelte, gekeiwelt
Kend, (mit nach "ä" gehendem "e")n. - Kind, Pl.: Kenne
Keppche, (Blb/R)n. - Tasse ("E Keppche Kaffie" - Eine Tasse Kaffee.)
Kesche,f. - Küsche
klee(Blb/R) - klein
komme - kommen, kōm, gekomme
knottere - nörgeln
Knotterpott,m. - Nörgler
Korrer, m. (Blb/R) - Kater, Pl.: Korrer
Kopp, m. - Kopf, Pl.: Keppe
krijje (Blb/R) - kriegen; kreeg, (ge)kreeje.("Krijje mer ins noch eener!" - Trinken wir noch einen!")
krische (Blb/R) - schreien, kreischen; kräsch, gekräsche
Küh, f. - Kuh, Pl.:Kieh
Küsche,m. - Kuchen
Külebber,m. (Blb/R) - Kaulquappe
Laire (Blb/),f. -Leute
Land, n. - Land, Pl.: Lanner (Blb/R), Länner
Lepper,m. (Blb/R) -junger Ochse
Letter (Blb/R)f. - Leiter
lichte - leicht
Magulwes, (Blb/R)m. - Eichelhäher
Mādche,n. - Mädchen; Pl. Māre, Marerscha
Mann,m. - Mann; Pl. Manner, Mannslaire
Maus, f. - Maus, Pl.: Maise
Meckes, (Blb/R), Mägges, m. - etwa: Herumtreiber
Mensch, m. - Mensch, Pl. Mensche
Modder, (mit einem härteren "dd")f. - Mutter
mon, morje - morgen ("monse Morje" - morgen früh; "morje foahrn ma heme" - morgen fahren wir nach Hause)
Morje,m. - (der) Morgen (en scheener Morje -ein schöner Morgen)
Mucke, (Blb/R)f. - säugende Sau
müss(en), esch - ich muß; müßte, gemüßt
naut(Blb/R) - nichts; im Gebrauch auch "nix", das aber kaum dem mundartlichen Bereich zuzurechen ist. ("Hä kann naut dafer." - Er kann nicht dafür.)
nemme (mit nach "ä" gehendem "e")(Blb/R) - nehmen, no(a)m, genomme
net - nicht
Öje,n. (Blb/R) - Auge
Patz, (mit einem "e" nahen "a")(Blb/R)m. - Gehege, Auslauf, z.B. für Hühner ("Hinnapatz")
Panner, (Blb/R)m. - Pfarrer
Peel, (Blb/R)m. - Deckbett, Pfühl. Kāwepeel
Pëife,f. - Pfeife
pëife - pfeifen, peff, gepeffe (mit nach "ä" gehendem "e")
Petter,(Blb/R)m. -Patenonkel
Plaster, (Blb/R)n. - Pflaster
plecke (Blb/R) - pflücken
Plück (Blb/R),Blügg, m. - Pflug
Porrwesse, (Blb/R)f. - Pfarrwiese
Prömme, Quatsche (mit nach "e" gehendem "a")(Blb/R)f. - Pflaume, Zwetschge
,m. (Blb/R) - Regen
Rawe,m. - Rabe
Raweirra,n. - etwa: Rabenmutter
rāne (Blb/R), rene - regnen ("Du rānts!" - Da regnet es!)
Ränt,n. (Blb/R) - Rind
reiwe - reiben, reeb, gerewe
Reiweküsche - Reibekuchen
Röfe - Raufe, m. - Futterkrippe; vor dem Vieh im Stall, zum Füllen mit Heu
'Rüh'.f - Ruhe
sah (Blb/R) - sagen, saht ("sah're" - sagte er) , gesaht. (Wird mit "werra" oder "fer" angewandt. "Hä saht werra sei Fraa:..." - Er sagte zu seiner Frau:...". "Hä saht fer der Büre:..." - Er sagte zu dem Bauern:...)
schee - schön("Wos e scheene Blümme!" Was für eine schöne Blume! "E schee Madche!" - Ein schönes Mädchen!) Schlēre,m. (Blb/R)- Schlitten
Schlenn,,f. (mit nach "ä" gehendem, kurzem "e") (Blb/R)- Schlehen
Schott, (mit geschlossenem, kurzem "o")m. - auch: Tratsch, Wulkebruch(Blb/R);heftiger Regen Platzregen,Wolkenbruch
schbere (Blb/R) - spät
Schiere,f. - Scheune
Schierefest,n. - Scheunenfest
Schinnuus, Schinnos,n. - fragwürdiges Frauenzimmer, Pl. Schinnöser. Vielleicht aus dem Rheinland importiert, vgl. Aachen: Schennoas - Schindluder, Schalk)
schwinne (Blb/R) - schnell, geschwind
schwoarte, sech - sich schlagen;auch: "Demm herr ich als lange mul der Hennerschte verschwoarted!" Dem hätte ich längst einmal den Hintern versohlt.
sein, esch - ich bin, s. Konjugationen
Sette,f. - Heuaufguß für das Vieh
Settepott,m. - Gefäß für einen Heuaufguß
sall, esch - ich soll; dü satt, hä sall, mer sinn, ehr sillt, se sinn; sull, gesullt
söppe - weinen, heulen
solpere (mit geschlossenem "o")(Blb/R) - Fleisch mit Salz einlegen
Sonnowend,m. (Blb/R) - Samstag
Soppe,f. (Blb/R) - Suppe
Spännstuwwe,f. (Blb/R) - Spinnstube
strāwe (Blb/R)- streuen
Strāwes,n. (Blb/R) - Streumaterial (zum Streuen unter das Vieh)
sträwe (Blb/R) -betrunken,ähnlich: "dune"
Stühl,m., m - Stuhl, Pl.: Stiehle
Stuwwe,f. (Blb/R) - Stube
Tratsch,m. - 1. s. Schott, 2. Geschwätz
Tränkepott,m. - Gefäß zum Tränken des Viehs
Trapp, m. - Treppe
Treppe, f. - Treppe, Pl. Treppe
Tröfe,f. - Traufe
Tswöwwel (Zwöwwel),(Blb/R)f.- Zwiebel
Ühre, (Blb/R)f. - Uhr
Uhr, (Blb/R)n. - Ohr
Umma,(Blb/R)f. - Oma
Unflod, (Blb/R)m. - ein maßloser Fresser
Uppa,(mit einem weicheren "pp")m. - Opa
Ūreschlitzer, (Blb/R)m. - Ohrschlitzer, Ohrwurm
Vadder, (mit einem härteren"dd")m. - Vater
vērwats - vorwärts
vonne (Blb/R) - vorne; nu vonne - nach vorne
Wackel, (Blb/R)m. - Wackerstein
Wänter, (Blb/R)m. - Winter
wārambel - Bekräftigungswort, z.B. "Dos woar warambel e gütt Juhr!"- Das war wirklich ein gutes Jahr!)
warem -warum
Watz, (Blb/R)m.- Eber
were (mit nach "ä" gehendem "e" in der ersten Silbe) - werden; esch weren, dü werscht, hä watt, mer weren, ehr wehr,se weren
werra (Blb/R) - wieder, wider (auch zusammen mit "sah" - sagen, s. dort)
Wesse,f. (Blb/R) - Wiese
wos - was
Wosse,f. (Blb/R)- Graswatschen, Grasnabe
Wotzel,f. (mit leicht nach "a" gehendem "o")(Blb/R) -Wurzel
- wo
wūannerschter (Blb/R), woannerschter - woanders
wünn (Blb/R) - wollen (ech well, du wett, hä - dos - well, mer wünn, ehr wütt, se - die - wünn; im Singular mit nach "ä" gehendem "e"); wull, gewullt
wudasch - wodurch
wufer - wozu, weswegen
wūhenn - wohin
wumet - womit
wūnee - wo hinein
Wulke,(Blb/R),f. - Wolke, Pl.: Wulke
wurewwer - worüber
wuvonne - wovon
wuzü - wozu
zerecke - zurück
zossele (Blb/R) - zausen

jetzt geets annern Dawak
derre Düüre
e Remmer

Esch sein ganz dewerscht mer wünn nett despediere derre düüre host du gewunn, awaa s näächsde Mool da gewennen ech

Eine Wittgensteiner Losung lautet: "Wer hot da die Hückel met dem Wackel uff'm Wosse gezosselt, gedellwet, gedängelt, unn gedurängelt?" Alterntive: "...gezärrjet, gedellwet unn gedurängelt?" Wer das nicht verstehen oder sprechen kann,läuft Gefahr, als "Zügelöfener" betrachtet zu werden. (Blb/R)

Literatur

  • Hessen-Nassauisches Wörterbuch (HNWb), Luise Berthold, Marburg 1943.
  • Der Konsonantismus der Wittgensteiner Mundart. Fritz Hackler, Bonn 1914.
  • Dialektgeographie des Kreises Wittgenstein. Adolf Weiershausen, Marburg 1927/1929.
  • Die Struktur der niederdeutsch-mitteldeutschen Sprachgrenze zwischen Siegerland und Eichsfeld. Dieter Möhn, Marburg 1962.
  • Aufbau und Gliederung der Wittgensteiner Mundart. Von Dieter Möhn. In: Wittgenstein II.Hgg. von Fritz Krämer. (o.O., o. J.).S. 368-404