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Kunststoff

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Als Kunststoffe bezeichnet man Stoffe, deren Grundbestandteil synthetisch oder halbsynthetisch erzeugte Polymere sind.

Durch die Auswahl des Ausgangsmaterials, das Herstellungsverfahren und die Beimischung von Additiven lassen sich technische Eigenschaften von Kunststoffen wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur- und chemische Beständigkeit in weiten Grenzen variieren. Solche mit Zuschlagsstoffen versehene Formmassen werden dann nach DIN EN ISO 1043 (Thermoplaste) und nach DIN 7708 (Duroplaste) gekennzeichnet. Kunststoffe werden zu Formteilen, Halbzeugen, Fasern oder Folien weiterverarbeitet.

Halbsynthetische Kunststoffe entstehen durch die Verarbeitung natürlicher Polymere (zum Beispiel Zellulose zu Zelluloid). Synthetische Kunststoffe werden durch Polymerisation (Polyaddition, Polykondensation usw.) aus einem Monomer erzeugt. Rohstoff ist meist gecracktes Naphta.

Kunststoffflächen nach DIN 18035, Teil 6 sowie Kunststoffrasensysteme aus PP, PE oder PAM nach DIN 18035, Teil 7 haben heute große Bedeutung als leistungsfördernde Beläge im Sportplatzbau.

Umgangssprachlich und abwertend wird Kunststoff oft als Plastik (alte Bundesländer) oder Plaste (neue Bundesländer) bezeichnet, selbst wenn das Material eigentlich elastisch ist. Daher wird in der Wissenschaft der Begriff Kunststoffe bevorzugt.

Charakterisierung nach Eigenschaften

Kunststoffe, die aus langen, linearen Molekülen bestehen. Durch Energiezufuhr werden diese Materialien formbar bis plastisch und können mit verschiedenen Verfahren verarbeitet werden. Nachdem das jeweilige Werkstück wieder abgekühlt ist, behält es seine Form. Dieser Prozess ist reversibel (wiederholbar).
Die meisten der heute verwendeten Kunststoffe fallen unter diese Gruppe. Für einfache Konsumwaren, Verpackungen etc. werden häufig Polypropylen (PP), Polyethylen (PE), Polyethylenterephthalat (PET) und Polystyrol (PS) eingesetzt. Technische Teile werden meist aus Polyacetal (POM), Polyamid (PA), Polybutylentherephthalat (PBT), Polyethersulfon (PES), Polycarbonat (PC), Polyphenylensulfid (PPS), Polytetrafluorethylen (PTFE), Polyetheretherketon (PEEK) oder Polyimid (PI) gefertigt.
Um neue bisher noch nicht vorhandene Eigenschaften zu erzeugen, können auch zwei oder mehrere Thermoplaste vermischt werden. Dieser neue Kunststoff ist dann ein Polyblend.
Kunststoffe, die bei der Verarbeitung räumlich eng vernetzen. Diese Vernetzung erfolgt chemisch zwischen den Molekülen der Ausgangsmaterialien. Dieser Vorgang ist nicht umkehrbar. Sobald ein derartiges Material vernetzt ist, kann es nur noch mechanisch bearbeitet werden. Duroplaste sind meistens hart und spröde.
Bei Hitzeeinwirkung werden Duroplaste nicht weich. Deshalb werden sie häufig für Elektroinstallationen verwendet. Einer der verbreitetsten und ältesten Kunststoffe dieser Klasse ist Bakelit. In diese Gruppe fallen auch praktisch alle Kunstharze wie beispielsweise Epoxide.
Zu den Elastomeren gehören alle Arten von vernetztem Kautschuk. Die Vernetzung erfolgt beispielsweise durch Vulkanisation mit Schwefel, mittels Peroxiden, Metalloxiden oder Bestrahlung.
Die Elastomere sind weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Elastomere werden beim Erwärmen nicht weich und sind in den meisten Lösemitteln nicht löslich. Daher werden sie für Hygieneartikel oder Chemikalienhandschuhe verwendet. Die Gummimischung von Autoreifen ist ebenfalls ein Elastomer, diese erhält ihre Eigenschaften durch Vulkanisation.
Beispiele für Elastomere sind Naturkautschuk (NR), Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Chloropren-Kautschuk (CR), Butadien-Kautschuk (BR) und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM).

Verarbeitung

Wichtige Massenkunststoffe

Etwa 90% der weltweiten Produktion entfallen in der Reihenfolge ihres Anteils auf die folgenden sechs Kunststoffe:

Name Kürzel Art Vertreter
1. Polyethylen PE Polymer
2. Polypropylen PP Polymer
3. Polyvinylchlorid PVC Polymer
4. Polystyrol PS Polymer „Styropor“, „Styrodur“
5. Polyurethan PUR Polyaddukt
6. Polyethylenterephthalat PET Polykondensat


Sonstige Kunststoffe

Name Kürzel Art Vertreter
ABS Copolymerisat
  • Acrylester-Styrol-Acrylnitril-Terpolymer
ASA Copolymerisat
CA
EP Polyaddukt
UF Polykondensat
IR Polymer
MF Polykondensat
NR Polymer
PF Polykondensat Bakelit, Catalin
PA Polykondensat Nylon, Perlon, Dederon
PBT Polykondensat
PC Polykondensat Anjalon, Makrolon, Lexan, CALIBRE
POM Polymer
PLA
PCTFE
PEs Polykondensat PBT, PC, PET
PIB Polymer
PMMA Polymer Plexiglas
  • Styrol-Acrylnitril-Copolymerisat
SAN Copolymerisat
SB Copolymerisat
PTFE Polymer Teflon, Gore-Tex
PVAC Polymer
Q; SIR Polykondensat
CN

Entwicklungsgeschichte der Kunststoffe

Vorläufer von Kunststoffen gab es in allen Kulturen. In Arabien wurden Wasserbecken und Kanäle mit natürlichem Asphalt abgedichtet. Ebenso wurden dort bestimmte Baumharze als Gummi Arabicum eingesetzt und nach Europa exportiert. Aus Osteuropa ist Bernstein als fossiles Harz für die Verwendung bei Pfeilspitzen und Schmuckgegenständen bekannt. Im Mittelalter wurde Tierhorn durch bestimmte Verfahrensschritte in einen plastisch verformbaren Stoff verwandelt.

Naturforscher brachten aus Malaysia und Brasilien im 17. und 18. Jahrhundert elastische Massen, gewonnen aus milchigen Baumsäften, mit. Hierfür wurde der Begriff Gummi in Deutschland eingeführt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine rasch wachsende Gummi-Industrie. Der Erfinder Charles Goodyear stellte fest, dass sich Gummi durch Zusatz von Schwefel und durch Vulkanisation in einen guten Reifenwerkstoff verwandeln lässt. Ebenso entdeckte er Hartgummi, eine bei Wärme verformbare aber bei Raumtemperatur harte Masse, welche anfangs Ebonit genannt wurde. Daraus wurden zum Beispiel Schmuckstücke, Füllfederhalter, Teile von Musikinstrumenten und Telefonen gemacht. Dieser erste Duroplast startete die Entwicklung der Kunststoffe als Werkstoff im Umfeld des Menschen.

Später wurde in England Cellulosenitrat zur Imprägnierung von Textilien und in den USA Schellack entwickelt. Im Jahre 1869 erfand John Wesley Hyatt das Celluloid und 3 Jahre später die erste Spritzgußmaschine. Der Werkstoff Casein (Galalith) wurde 1897 erfunden, und ähnelt stark Horn oder Elfenbein. Hierraus wurden in verschiedenen Farben zum Beispiel Knöpfe, Anstecknadeln, Gehäuse für Radios, Zigarettendosen, Spielzeug, Griffe für Regenschirme u. ä. hergestellt. Der Kunststoffverbrauch lag im Jahre 1930 schon bei ca. 10.000 t. Das von Otto Röhm 1928 angemeldetete Patent zu Polymethylmetacrylat (PMMA) startete eine Ära, die bis heute anhält. Weiterhin kommen in dieser Zeit die Phenolharze zur Geltung, wobei der Erfinder Leo H. Baekeland mit dem Werkstoff Bakelite sehr erfolgreich ist. Durch die guten elektrischen Eigenschaften wird er u. a. rasch in der aufstrebenden Elektroindustrie eingesetzt. Der Münchner Chemiker Dr. Ernst Richard Escales gibt 1910 der Werkstoffgruppe den Namen „Kunststoffe“. Die von ihm gegründete gleichnamige Zeitschrift erscheint erstmals 1911. Fritz Klatte entdeckt 1912 die Hintergründe des Polymerisationsvorganges von PVC welches bereits 1838 erstmals erzeugt wurde. 1926 veröffentlichte Hermann Staudinger wichtige Theorien über den Aufbau von Kunststoff. Hierfür erhielt er 1952 den Nobelpreis. 1930 wird in Ludwigshafen die „PS“-Produktion begonnen. 1931 wird bei ICI in Großbritannien erstmals Polyethylen hergestellt. In Ludwigshafen wird 1934 die Herstellung von Epoxidharzen von Paul Schlack begonnen. In Jahre 1935 wird gleichzeitig von Henkel (Mainkur) und Ciba (Schweiz) die Entwicklung von Melamin-Formaldehydharz und von DuPont die Entwicklung von Polyamid 6 (Nylon) beschrieben. Das von Paul Schlack 1937 hergestellte Polyamid 6 auf Basis von Caprolactam wird dann Perlon getauft. Etwa zeitgleich wird in den Buna-Werken der IG Farben die Fertigung von Buna S und Buna N als synthetischer Gummi-Ersatz begonnen. Otto Bayer entwickelte in diesem Jahr Polyurethan in Ludwigshafen. Bei DuPont wird 1938 der Kunststoff Polytetrafluorethylen (Teflon) entwickelt. 1939 folgen bei ICI Low-Density Polyethylen (PE-LD). Der Werkstoff Polyethylenterephthalat (PET) wurde von J. R. Whinfielt und J. T. Dickson bei Calico Printers im Jahre 1941 erfunden. 1942 entdeckte Harry Coover (USA) bei Eastman Kodak den „SekundenkleberMethylcyanoacrylat.

Datei:Plastics Types.gif
Zeichen für Kunstoffrecycling

Im Zeitraum von 1910 bis 1950 wurde Kunststoff von einem Ersatzstoff mit besonderer Bedeutung zu einem Werkstoff für die industrielle Massenfertigung. Die Weltproduktion überschritt 1949 die Grenze von 1 Mio. t. Die Thermoplaste setzten sich von 1950 bis 1980 durch. In diesen Jahren wurden Werkstoffe wie PS, PE-HD, PP, PC, FEP, PVF, PES, PSU, PPE, PPO und einige andere entwickelt. Im Jahre 1976 lag die Weltproduktion bereits bei 50 Mio. t. Im Jahre 1971 folgten LCP und PPS sowie im Jahre 1972 PBT. Im Jahre 2003 erreichte die Weltproduktion ca. 200 Mio. t. Hierbei ging der Anteil der Duroplaste stetig zurück, und lag im Jahre 2000 nur noch bei ca. 15 %. Der Pro Kopf-Verbrauch an Kunststoffen im Jahr 2000 bei 92 kg in West-Europa, 13 kg in Ost-Europa, 130 kg in NAFTA, 19 kg in Lateinamerika, 86 kg in Japan, 13 kg in Südost-Asien und im mittleren Osten/Afrika bei 8 kg. Die Kunststoffindustrie ist bis heute weiterhin eine Wachstumsbranche, wobei die Herstellkapazitäten in Asien etwa im Jahre 2006-2008 die führenden und etwa gleichstarken Regionen Europa und Nord-/Südamerika überholen werden.

Literatur

  • Oberbach et al. (Hrsg.): Saechtling Kunststoff-Taschenbuch. 29. Auflage. Carl Hanser Verlag, München 2004, ISBN 3-446-22670-2
  • Otto Schwarz:Kunststoffkunde ISBN 3802319176
  • Gottfried W. Ehrenstein: Polymer-Werkstoffe. 2. Auflage. Carl Hanser Verlag, München 1999, ISBN 3-446-21161-6
  • Brigitta Huckestein, Thomas Plesnivy: Möglichkeiten und Grenzen des Kunststoffrecyclings. Chemie in unserer Zeit 34(5), S. 276 - 286 (2000), ISSN 0009-2851

Kunststoffdatenbanken:

Institute und Verbände:

Fachinformationen und Branchenmedien für die Kunststoffindustrie:


Siehe auch