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Don Carlos (Verdi)

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Don Carlos ist eine Oper nach Friedrich von Schillers gleichnamigen Trauerspiel, die in verschiedenen Versionen gespielt wird. Das französische Original hat 5 Akte, meistens wird die italienische, gekürzte Fassung mit 4 Akten aufgeführt und manche Theater experimentieren mit Mischfassungen aus den beiden Versionen.

Musik: Giuseppe Verdi

Libretto: Josephe Méry, Camille du Locle

Uraufführung: am 11. März 1867 in Paris

Ort und Zeit der Handlung: Frankreich (1. Akt) und Spanien um 1560

Personen

  • König Philipp II. (Bass)
  • Elisabeth de Valois, Tochter des Königs von Frankreich, später Königin von Frankreich (Sopran)
  • Don Carlos, Infant von Spanien, sein Sohn (Tenor)
  • Prinzessin Eboli, Hofdame Elisabeths (Mezzosopran)
  • Rodrigues (Rodrigo), Marquese von Posa, später Herzog von Posa, sein Freund (Bariton)
  • Der Großinquisitor (Bass)
  • Ein Mönch, früher Karl V. (Bass)
  • Der Graf von Lerma (Tenor)
  • Tebaldo, Page (Sopran)
  • Stimme von oben (Sopran)
  • Sechs Gesandte aus Flandern (Bässe)

Chor (Hofstaat, Pagen, Wachen, Mönche, Volk)

Handlung

1. Akt: Im Wald Fontainebleau wartet der spanische Infant (Prinz) Don Carlos auf seine ihm versprochene Braut, die Prinzessin Elisabeth de Valois von Frankreich. Da die beiden sich noch nie gesehen haben, möchte er sie vor der Hochzeit inkognito kennen lernen. Als die Entourage mit ihrer Kutsche anhalten, stellt er sich als Gesandten Don Carlos' vor und verliebt sich in sie. Sie ist gespannt auf Ihren Verlobten und als er ihr ein Bild von Don Carlos zeigt, sieht sie, dass er vor ihr steht. Sie gestehen sich ihre Liebe.

Da kommt ein Bote, der die Nachricht bringt, dass der Frieden zwischen Frankreich und Spanien nur durch eine Hochzeit zwischen ihr und König Philipp, Don Carlos' Vater gesichert werden könnte. Sie müsse auf der Stelle ihre Zustimmung erteilen. Die verarmte Bevölkerung (im Wald?) fleht sie an, der Hochzeit zuzustimmen, doch ihr Herz möchte die eben gefundene Liebe zu Don Carlos behalten. Schließlich haucht sie ein stimmloses 'Oui', das Volk jubelt, aber für Elisabeth und Don Carlos bricht eine Welt zusammen.

2. Akt, 1. Bild: Vor dem Kloster St. Juste, in dem das Grab von Kaiser Karl V. liegt, bittet Don Carlos um Vergessen. Seine Verlobte Elisabeth hat seinen Vater geheiratet, er aber kann seine Liebe zu Elisabeth nicht verdrängen oder gar vergessen. Der Marquis von Posa, Rodrigue, kommt dazu und erzählt seinem Freund Don Carlos von den unsäglichen Zuständen in Flandern. Carlos erleichtert ihm sein Herz, er erzählt von seiner unerfüllbaren Liebe zu seiner Stiefmutter. Rodrigues schlägt Carlos vor, seine Sorgen in Flandern beim Kampf gegen die Unterdrückung zu vergessen. Sie schwören einander ewige Freundschaft.

2. Akt, 2. Bild: Im Garten des Kloster St. Juste vertreiben sich die Hofdamen der Königin mit der Prinzessin Eboli, die in Don Carlos verliebt ist, die Zeit mit Gesängen. Rodrigues gibt der Königin einen Brief ihrer Mutter aus Paris, dazu heimlich eine Notiz von Don Carlos. Darin bittet Carlos Elisabeth, dem Überbringer zu vertrauen, außerdem bittet er um ein Gespräch. Elisabeth stimmt zu. Don Carlos bittet Elisabeth, auf seinen Vater Einfluss zu nehmen, der ihm einen Einsatz in Flandern verweigert. Doch dann übermannt ihn seine Liebe, er fällt ihr zu Füßen, doch als er versucht, sie zu umarmen, stößt sie ihn weg und meint, er müsse seinen Vater töten, um sie zu bekommen. Philipp erscheint, nachdem Carlos verstört weggelaufen ist. Er hört sich den liberalen Rodrigues an, der mit ihm die Geschehnisse in Flandern besprechen will. Philipp beharrt auf seiner harten Hand, um die Kontrolle in Flandern zu behalten, doch er bewundert insgeheim Rodrigues für seine moderne und offene Art. Er macht sich Rodrigues zum Vertrauten und bittet ihn, ein Auge auf Don Carlos zu haben, doch warnt er ihn auch vor der (allmächtigen) Inquisition.

3. Akt, 1. Bild: Philipps Krönungsfeierlichkeiten gehen ihrem Höhepunkt entgegen. Elisabeth tauscht mit Prinzessin Eboli die Masken, um sich dem Trubel entziehen zu können. Don Carlos erscheint und gesteht der vermeintlichen Elisabeth erneut seine Liebe und ist entsetzt, als er feststellt, dass es sich um Eboli handelt. Eboli versteht die wahren Hintergründe, will ihn denunzieren, woraufhin Don Carlos versucht, sie zu töten, doch er wird von Rodrigues zurückgehalten. Rodrigues bittet Carlos, ihm verräterische Papiere zur Situation in Flandern auszuhändigen. Der zögert, weiß er doch, dass Rodrigues Vertrauter des Königs ist, lässt sich aber schließlich doch von der Treue seines Freundes überzeugen.

3. Akt, 2. Bild: In einer großen Zeremonie, dem Autodafé, werden als Höhepunkt der Feierlichkeiten Verräter und der Inquisition anheim fallende Ketzer verbrannt. Sechs flandrische Gesandte bitten um Gnade für ihr Land, die Bitte wird von Elisabeth, Rodrigues und Carlos unterstützt. Dieser erneuert seinen Wunsch, nach Flandern gehen zu dürfen. Als Philipp ablehnt, zieht Carlos das Schwert gegen den König, keiner wagt einzugreifen. Schließlich ist es Rodrigues, der Carlos die Waffe abnimmt, um Schlimmeres zu verhindern. Der König ernennt ihn zum Herzog, Don Carlos wird verhaftet. Das Autodafé beginnt.

4. Akt, 1. Bild: Im Arbeitszimmer sinniert der König über seine Sterblichkeit, seine Einsamkeit und sein Verhältnis zu seiner Frau Elisabeth, die ihn noch nie geliebt hat. Der blinde Großinquisitor erscheint und gibt dem König den Rat, Rodrigues der Inquisition zu übergeben, da dieser mit seinen liberalen Ansichten eine viel größere Gefahr darstelle als Don Carlos. Der König wehrt sich, da er Rodrigues als gleichrangigen Menschen, ja als Vertrauten, den einzigen, den er besitzt, ansieht. Doch der Großinquisitor, allem Irdischen längst entflohen, warnt Philipp, dass auch Könige sich vor der Inquisition verantworten müssen. Elisabeth beklagt sich vor dem König über den Diebstahl einer ihr wichtigen Schatulle mit persönlichen Dokumenten. Entsetzt reagiert sie, als der König ihr die Schatulle präsentiert, die er von Eboli erhalten hat. Als Philipp sie gewaltsam öffnet, findet er ein Bild von Don Carlos darin. Er beschuldigt sie der Untreue und verflucht sie. Als Rodrigues und Eboli zu Hilfe eilen, erkennt Eboli ihre Schuld, schilt Rodrigues den König ob seiner Unbeherrschtheit. Eboli gesteht der Königin nicht nur den Diebstahl, sondern auch des Ehebruchs mit dem König sowie ihre Liebe zu Don Carlos. Die Königin befiehlt ihr, den Hof am nächsten Tag zu verlassen. Allein gelassen will sie als letzte gute Tat Don Carlos retten.

4. Akt, 2. Bild: Rodrigues besucht Don Carlos im Gefängnis, um ihm Lebewohl zu sagen, denn die Papiere, die bei ihm gefunden wurden, verraten seine Schuld. Durch einen Schuss aus dem Hinterhalt wird Rodrigues tödlich getroffen. Sterbend teilt er seinem Freund noch mit, dass Elisabeth beim Kloster St. Juste auf ihn warte. Eboli hat das Volk mobilisiert, um Don Carlos freizulassen, doch der Aufstand wird durch den Großinquisitor und Philipp beendet.

5. Akt: Vor dem Grab Karls V. treffen sich Elisabeth und Don Carlos. Er hat das Träumen aufgegeben und will versuchen, Flandern zu retten. Sie sagen sich ein letztes Mal Lebewohl. Philipp und der Großinquisitor erwischen die beiden und wollen Don Carlos den Wachen übergeben, doch da öffnet sich das Grab Karls V. und er wird hineingezogen.

Entstehung und Versionen

Verdi komponierte Don Carlos zwischen 1865 und 1867 nach einem Textbuch von F. J. Mery und C. du Locle, das auf der Tragödie Don Carlos von Friedrich Schiller basiert. Uraufgeführt wurde die Oper am 11. März 1867 in Paris. Im Oktober desselben Jahres wurde sie ins Italienische übersetzt (Don Carlo) und in Bologna als aufgeführt. Doch nach einigen Kürzungen entschloss sich Verdi, einige radikale Änderungen einzuführen, und so wurde sie als vieraktige Version im Januar 1884, fast zwanzig Jahre nach dem Beginn der Komposition, in Mailand aufgeführt. Diese Version ist derzeit die meistgespielte.

Schon bei der Uraufführung 1867 musste die Oper gekürzt werden, da bei der fast fünfstündigen Oper viele Besucher die letzten Vorstadtbahnen nicht mehr erreicht hätten! So wurde u. a. die ca. 15-minütige Balletteinlage gestrichen. Dieses Ballett gehörte aber genauso wie die große Zeremonieszene des Autodafés zum guten Ton der Pariser Oper, hier war das französische Publikum an Giacomo Meyerbeer gewöhnt. Verdi konnte sich nie mit Paris und dessen Gewohnheiten anfreunden und verbrachte immer nur möglichst kurze Zeit in Frankreich. Lieber verschanzte er sich in seinem Gut Sant'Agata, wo er die nötige Ruhe zum Komponieren fand.

Analyse

Die ursprüngliche Fassung gilt als die Beste, auch wenn sie nur selten gespielt wird. Sie enthält alle wesentlichen Handlungsstränge und erklärt auch viele Beweggründe der Protagonisten, die in der vieraktigen Version unklar bleiben. Die wichtigsten Stellen, die in der vieraktigen Version gestrichen worden sind:

  • Der gesamte erste Akt, ein paar Stellen wurden in den dann neuen ersten Akt übernommen, rein aus musikalischen Gründen
  • das Ballett: kann gefahrlos gestrichen werden, da es nur zur Unterhaltung des Königs dient und die Handlung überhaupt nicht tangiert. Es ist wohl auch nicht gerade Verdis Meisterleistung.
  • eine extrem wichtige Textzeile: Ebolis Geständnis, dass sie die Mätresse des Königs war. Die gesamte psychologische Basis der Oper fehlt, wenn nicht erklärt wird, warum Don Carlos in seine Stiefmutter verliebt ist und sie aber seinen Vater geheiratet hat. Warum hat sie, die Don Carlos ja auch liebt, dann nicht ihn geheiratet, sondern den König? Aus Staatsräson, aus Vernunftgründen, um ihr Volk zu retten! Dazu muss aber der erste Akt bestehen bleiben.
  • Eboli beschuldigt sich des Diebstahls der Schatulle und der Liebe zu Don Carlos. Rechtfertigt das ihre Verbannung vom Hofe? Elisabeth hätte diese Vergehen noch entschuldigt. Aber Eboli bezichtigt sich auch noch selbst des Ehebruchs. Wen sie allerdings verführt, das bleibt ziemlich im Unklaren, da fehlen einfach vier Takte in der gekürzten Version, in der Originalfassung sagt sie, dass sie die Mätresse des Königs ist.
  • In der gekürzten Fassung fehlt die Szene, in der Elisabeth und Eboli ihre Masken tauschen, so dass absolut unklar bleibt, warum Don Carlos die beiden Frauen verwechseln kann.

Inzwischen hat übrigens die Musikwissenschaftlerin Ursula Günther herausgefunden, dass es wohl insgesamt sieben (!) Fassungen von Don Carlos gibt, allein bis zur 2. Aufführung schon vier. Diese 4., die 6. und die 7. bilden wohl die bis heute meistgespielten Versionen, davon ist die 6. die einzige vieraktige, die anderen beiden sind fünfaktig.

Psychologische Analyse

Die Handlung dieser Oper ist sowohl menschlich wie auch politisch und klerikal sehr komplex. Schiller legt Posa Worte in den Mund, die im 16. Jahrhundert niemals jemand gesagt haben konnte, die aber seine Haltung eindeutig widerspiegeln. Er sagt, nein, er schleudert dem König die Forderung nach Gedankenfreiheit entgegen. Der König wiederum glaubt, und das ist wirklich sein tiefer Glauben, dass nur eine harte Hand der staatszerstörerischen Revolution Einhalt gebieten kann. Hier treffen zwei Personen aufeinander, die sich gegenseitig hoch achten, die einander aber nicht verstehen können. Posa ist der erste und einzige Mensch, dem der einsame König sein Herz öffnet.

In einem weiteren großartigen Dialog trifft der König auf die einzige Macht, die noch höher als er steht, auf den Großinquisitor. Der steht hier nicht als Person, als Mensch, sondern als die Idee der Kirche, daher kann er auch keine Kompromisse eingehen. Er fordert vom König seinen Sohn und seinen Freund als Opfer, sonst werde auch er sich vor der Inquisition verantworten müssen.

Elisabeth muss sich gleich am Anfang zwischen Liebe und Staatsräson entscheiden, diese Entscheidung beeinflusst die gesamte Oper, ja sie bildet ihre Basis. Dass sie leidet, ist klar, aber sie schafft es, die ganze Zeit über, ihre Würde zu wahren. Niemand wird ihr vorwerfen können, ihren Gatten betrogen zu haben. Dass sie ihn nicht liebt, dafür kann sie natürlich nichts.

Interessant ist an dieser Stelle auch die historische Sicht: Elisabeth war zum Zeitpunkt der Vermählung erst 14 Jahre alt, genauso alt wie Don Carlos, Philipp war aber auch erst 32, in der Oper wird er ja immer als alter Mann dargestellt. Schiller hält es hier wie in seinen anderen Dramen nicht mit der historischen Wahrheit, sondern lässt seine künstlerische Freiheit oder gar Fantasie walten. Auch ist es eher undenkbar, dass Elisabeth und Carlos sich ineinander verliebt haben. Carlos gilt als eher hässlich, bucklig und hinkend, gewalttätig und brutal, tierquälerisch und sozial verkümmert. Philipp wird von Historikern zwar nicht als perfekter Ehemann dargestellt, aber ein solches Monstrum war er wohl auch nicht, immerhin hat er mit dem 'Vollzug der Ehe', also mit Geschlechtsverkehr wegen Elisabeths Jugend wohl über ein Jahr gewartet.

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