Tarnkappentechnik
Tarnkappentechnik (eng.: Stealth) bezeichnet alle Technologien oder Techniken, welche die Ortung eines Flugzeugs, Fahrzeugs oder Schiffes durch Unterdrücken der vom georteten Objekt ausgesandten oder reflektierten Emissionen erschweren. Im engere Sinne bezeichnet Stealth Techniken, welche die Radarortung ohne das Aussenden von Störsignalen (Jamming) unwirksam machen sollen.
Der englische Begriff 'Stealth' wurde geprägt, als die USA Versuche zur Abwehr der Radarortung unternahmen. Stealth berücksichtigt aber auch andere Sensoren (beispielsweise Infrarot) genauso wie die Dämpfung von Geräuschemissionen oder den Schutz gegen optische Wahrnehmung. Er bezeichnet also die militärische Tarnung.
Geschichte
Tarnkappentechniken wurden ursprünglich im Zweiten Weltkrieg in Deutschland entwickelt. Die deutsche Marine unternahm seit 1942 Versuche, die Türme von aufgetauchten U-Booten gegen Radarortung zu tarnen, und im gleichen Zeitraum verwendeten die Gebrüder Horten Kohlenstaub zur Absorption von Radarwellen in der Sandwichbauweise ihrer Nurflügler. 1975 erfolgte – ebenfalls in Deutschland – der Erstflug des Experimentalflugzeugs „Leiseflieger“ von Sportavia-Pützer und VfW. Zwei Jahre später erprobte MBB (heute EADS) den Prototypen des Stealth-Jägers Lampyridae im 75%-Maßstab bemannt im Deutsch-Niederländischen Windkanal.
Tarntechnik heute
Heute wird die Tarnkappentechnik bei der Entwicklung aller militärischen Flugzeuge berücksichtigt, auch wenn diese nicht immer so spektakulär aussehen wie die F-117 Nighthawk. Rüstsätze erlauben die relativ wirkungsvolle Verbesserung der Tarnungseigenschaften älterer Muster und Hubschrauber. Diese Rüstsätze bestehen meist aus Folien, aber auch aus Strukturteilen aus so genanntem RAM-Absorbermaterial.
Methoden der Tarnkappen-Technik
Die Tarnkappentechnik ist nicht nur eine einzelne Technologie. Vielmehr umfasst dieser Begriff ein breites Spektrum von Maßnahmen, um den sogenannten Radarquerschnitt eines Objekts drastisch zu reduzieren.
Form des Flugobjekts
Man weiß seit den 1960er Jahren, dass die Form eines Flugzeugs entscheidend dazu beiträgt, wie gut es von Radargeräten entdeckt wird (hier ist der so genannte Brewster-Winkel wichtig). Der Avro Vulcan, ein britischer Bomber der 1960er Jahre, erschien sehr schlecht auf den Radarschirmen trotz seiner ziemlichen Größe; und gelegentlich entschwand diese Maschine gar ganz der Radarkontrolle. Wir wissen heute, dass die Vulcan - einmal von seinem vertikalen Heckruder abgesehen - sozusagen das Vorbild eines Stealth-Flugzeuges ist.
Auf der anderen Seite gab es die Tupolew Tu-95 „Bear“, ein sowjetischer Langstreckenbomber, welcher sehr gut von Radarstationen entdeckt wurde. Dies geschah, weil Propeller und Turbinenschaufeln von Jet-Triebwerken ein sehr gutes Radarecho abgeben. Die Tu-95 hatte vier gegenläufige Doppelpropeller mit je 2.4 Meter Durchmesser.
Ein anderer wichtiger Faktor ist der innere Aufbau des Flugzeugs. Im Innern von Stealth-Flugzeugen gibt es eine spezielle Struktur namens „Wiedereintrittsdreiecke“, engl. „re-entrant triangles“. Radarstrahlen, welche die Außenhaut eines Flugzeugs passieren, werden von diesen Strukturen gefangen - und fast endlos von der einen Seite des Dreiecks zur anderen reflektiert. Dies schwächt die Radarstrahlen ab. Diese Technik wurde in der SR-71 „Blackbird“ zum ersten mal verwendet.
Die beste Methode, um Radarstrahlen zum Sender zurückzureflektieren ist es, zwei oder drei Metallplatten rechtwinklig zu einer Ecke zu verbinden. Dies wird - mit Spiegeln - beim Katzenauge gemacht - oder, mit Metallplatten, bei Bojen auf der See, so damit die Schiffsradars deutliche Echos zurückerhalten. Solche „Eckreflektoren“ gibt es bei Verkehrsflugzeugen - denn etwa die vertikalen und die horizontalen Bestandteile der Heckflosse sind rechtwinklig zu einander. Bei einem Stealth-Flugzeug ist das also sehr ungünstig; meistens richtet man die Heckflosse so ein, dass gar keine rechte Winkel entstehen (siehe F-117) oder man lässt diese Flosse ganz weg (B-2).
Da Radarstrahlen auch von Turbinenschaufeln reflektiert werden, versenkt man die Triebwerke ins Innere des Flügels oder des Rumpfes. Die Radarstrahlen können zwar in den Triebwerksschacht hineingelangen - aber sie werden wie beim vorhin genannten „Dreieck“ gefangen. Die Außenstruktur des Flugzeugs sollte vollständig glatt sein; Antennen zum Beispiel müssen im Innern des Flugzeugs angebracht sein. Waffen und Treibstofftanks befinden sich ebenfalls im Innenraum. Beim Abwurf oder Abschuss der Waffen muss der Bombenschacht geöffnet werden - und dann verliert das Flugzeug seine Stealth-Eigenschaften.
Weil die Form eines Stealth-Flugzeuges relativ strikt vorgegeben ist, haben solche Flugzeuge eine schlechte Aerodynamik. Die F-117 ist notorisch unstabil und kann nur mit der Hilfe eines Steuercomputers geflogen werden. Einige moderne Radargeräte profitieren von den dieser Tatsache, indem sie Schweif turbulenter Luft hinter einem Flugzeug registrieren. Radars, die Windscherungen beobachten, sind im Einsatz für die Flugsicherheit bereits auf Flughäfen im Einsatz.
Die Form eines Flugzeugs bietet aber keine Hilfe gegenüber tieffrequenten Radars, deren Wellenlänge etwa der doppelten Größe des Flugzeugs entspricht (Halbwellen-Resonanzeffekt). Allerdings sollten die Radarantennen ebenfalls der halben Wellenlänge entsprechen, was sie übergroß und schwer zu transportieren macht. Dazu sind große Wellenlängen (d. h. tiefe Frequenzen) nicht sonderlich hilfreich, wenn es um die präzise Distanz- und Geschwindigkeitsbestimmung geht. Ein anderes Problem ist der störende „Lärm“, den Tieffrequenz-Radars nebenbei empfangen, doch dem kann dank moderner computergestützten Filtermethoden entgegnet werden. Die chinesischen Nantsin-Radars und viele ältere sowjetischen Langstreckenradars wurden so aufgerüstet. Es gibt unter Radaraufklärern das Sprichwort „da gibt es nichts Unsichtbares unterhalb 2 GHz“.[1]
Neuere Militärschriffe benutzen ähnliche Techniken. Beispiele sind die britische Typ 23-Fregatte, welche keine rechten Winkel auf ihrer Außenstruktur besitzt und die französischen Fregatten der La Fayette-Klasse.
Nichtmetallische Materialien
Gewisse Komposite für den Flugzeugrumpf sind „durchsichtig“ für das Radar, während Metalle Radarstrahlen geradewegs zum Sender zurückwerfen, wenn die Oberfläche rechtwinklig zum Radar-Einfallswinkel liegt. Wenn ein Flugzeug aus Metall gebaut wird, können gewisse chemische Elemente und Legierungen dafür sorgen, dass es weniger elektromagnetische Wellen zurückwirft. Komposite für Stealth-Flugzeuge enthalten oft Ferrit als Füllung.
Radarabsorbierende Lacke
Diese Farben werden besonders auf den Ecken von metallischen Oberflächen verwendet. Diese Lacke, auch unter „iron ball paint“ („Eisenkugelfarbe“) bekannt, enthalten kleinste Kügelchen mit Carbonyl-Eisen-Ferrit. Radarwellen induzieren wechselnde Magnetfelder in diesem Material, welches dazu führt, dass deren Energie in Wärme umgewandelt wird. Frühere Versionen der F-117 wurden noch mit neoprenähnlichen, ferritkügelchenhaltigen Ziegeln bedeckt. Neuere Modelle werden direkt mit dieser „iron ball paint“ lackiert - diese Arbeit wird von Robotern getan, weil das dafür notwendige Lösungsmittel hochgiftig ist.
In einer ähnlichen Weise kann das Glas der Cockpitscheiben mit einer dünnen Goldschicht überzogen werden. Normalerweise dringen Radarstrahlen ins Cockpit ein und werden vom Cockpit-Innern ständig hin- und herreflektiert - und können durchaus zum Radargerät zurückkehren. Die Goldschicht sorgt dafür, dass eintreffende Radarstrahlen direkt an der Scheibe himmelwärts reflektiert werden. Die Goldschicht ist dünn genug, um die Sicht des Piloten nicht einzuschränken.
Vermeidung von anderen „Signaturen“
Ein Flugzeug kann auch von bloßem Auge gesehen werden. Andere verräterische Signale eines Flugzeugs sind der Lärm und die Wärmestrahlung der Triebwerke.
Alle Stealth-Flugzeuge fliegen im Unterschallbereich, damit sie nicht von ihrem Überschallknall verraten werden. Frühere „stealthige“ Beobachtungsflugzeuge hatten langsamdrehende Propeller, um möglichst ohne Lärmemissionen zu fliegen. Die meisten Flugzeugen werden mit nicht glänzenden, sondern mit matten Farben lackiert. Stealth-Flugzeuge sind dazu noch dunkel; und sie fliegen vornehmlich bei Nacht.
Um die Wärme- oder Infrarot-Strahlung zu minimieren haben Stealth-Flugzeuge keine kreisrunden Turbinenausgänge, sondern schlitzförmige. So vermischt sich die heiße Triebwerksluft schneller mit der kühleren Luft der Umgebung. Dazu kann kühle Luft in den Triebwerksausgang geleitet werden, um diesen Prozess zu beschleunigen. Ein weiterer Trick besteht darin, die Triebwerksausgänge oberhalb des Rumpfes oder der Flügel anzubringen, so dass die heißesten Partien des Flugzeugs vom Boden aus nicht gesehen werden können (z. B. Boeing YC-14). Letzterer Punkt ist relevant, weil hitzesuchende Boden-Luft-Raketen wie der Stinger auf diese Weise behindert werden.
Reduktion der Radar-Emissionen
Es gibt auch Technologien, welche verhindern, dass die eigenen Radarstrahlen des Stealth-Flugzeuges dem Feind helfen. Aus diesem Grund soll ein Stealth-Flugzeug so weit wie möglich auf Funk, Radar-Höhenmesser, Bodenradars und Zielsucheradars verzichten. Die F-117 besitzt ein passives Infrarot-System, um zu navigieren und die F-22 ein fortgeschrittenes „Low Probability of Interception“-Radar, welches gegnerische Flugzeuge anpeilen kann, ohne bei ihnen das Radarwarngerät zu aktivieren.
Optische Tarnung
Bei der optischen Ortung wird im Unterschied zum klassischen Tarnanstrich vor allem versucht, die Oberfläche eines Objekts aktiv wechselnden Hintergründen anzupassen. So wurde im ersten Weltkrieg erfolglos versucht, durch Verwendung einer transparenten Bespannung Flugzeuge gegen Sicht zu tarnen. Im zweiten Weltkrieg wurden in den USA Versuche unternommen, die Silhouette von Torpedobombern während des Anflugs auf ihr Ziel durch Scheinwerfer in den Tragflächenvorderkanten soweit aufzuhellen, dass sie vom Ziel aus gesehen mit der Hintergrundhelligkeit übereinstimmt. Auch diese Versuche führten nicht zum Erfolg.
EADS versucht heute aber, mittels Leuchtdioden eine Oberfläche herzustellen, welche sich an die Umgebung anpasst. Prinzipiell könnte die Unterseite eines Flugzeugs wie ein Flachbildschirm aufgebaut sein - welcher die ungefähren Farb- und Helligkeitswerte des Himmels darüber übernimmt.
Flugtaktik als Tarnung
Eine weitere Technik ist das so genannte „Stealth Routing“, bei dem der Weg eines Fahrzeugs oder Flugzeugs so gewählt wird, dass es sich im Radarschatten oder vor einem schützenden thermischen Hintergrund bewegt. Da es sich hier nicht um eine am georteten Objekt angewandte Technologie handelt, ist diese Benennung in übertragenem Sinne zu verstehen.
Altbekannt ist der Tiefflug, um das gegnerische Radar zu unterfliegen. Die Flughöhen betragen dann 20 bis 200 Meter.
Viele Radargeräte registrieren Objekte, die sich nicht auf das Gerät zu- oder wegbewegen, gar nicht. So müssen sie nicht speziell angepasst werden, damit sie z. B. Berge - die ja fix sind - nicht als Objekt betrachten. Ein Pilot kann also seine Flugroute wählen, dass er in der Nähe von Radarstationen stets rechtwinklig zu diesen fliegt. Dies gelingt bei Radars, welche nur den Dopplereffekt registrieren.
Gegenmaßnahmen

Die Entwicklung von Stealthtechnologie macht es für Verteidiger erforderlich, Technologien zu entwickeln, um getarnte Angreifer zu erkennen. Voraussetzung für eine effektive Stealth-Abwehr sind nicht nur Sensoren, die Ziele mit kleinem Radarquerschnitt erfassen können, sondern auch Waffen, die solche schwer zu erfassenden Angreifer bekämpfen können. Eine solche Technologie könnte Passives Radar darstellen.
Weitere Möglichkeiten wären:
- Da Stealth-Flugzeuge einen aus einer Richtung eintreffenden Radarstrahl in viele verschiedene Richtungen abstrahlen (aber bloß nicht in die Richtung der Radarstation), so könnte man das Spiel umkehren: Dutzende von Radarstationen senden gleichzeitig Signale an das Flugzeug - so dass eine einzelne Empfängerstation ein stärkeres Echo empfängt.
- Das F-117-Flugzeug hat nur den Radarquerschnitt einer Möwe. Mit genügend leistungsfähigen Computern und ausgereiften mathematischen Filtermethoden ließen sich die Radarechos von Vögeln und Tarnkappenflugzeugen unterscheiden. Heutige Radars unterdrücken schwache Signale, weil sie oft von Vögeln hervorgerufen werden.
- Radars im tieffrequenten Bereich (< 2 GHz) benutzen, welche aber heute als obsolet gelten. Beträgt die Wellenlänge in etwa die Größe des Flugzeugs, so werden Stealth-Flugzeuge viel häufiger erkannt. Dies bedingt jedoch den Einsatz von viel größeren Radarantennen - weil die Größe der Antenne idealerweise der Hälfte oder sogar der Wellenlänge selber entsprechen sollte. Solche Anlagen wären schwierig zu transportieren. Der Abschuss einer F-117 über Jugoslawien 1999 ist auf ein älteres Radargerät russischer Bauart zurückzuführen.
- Einige Länder - darunter Russland und Australien - behaupten, genügend ausgefeilte Radars entwickelt zu haben, welche die Luftturbulenzen oder Windscherungen hinter einem Flugzeug registrieren können. Solche Radargeräte scheinen aber noch nicht im Militärgebrauch zu sein.
Siehe auch: Tarnkappenbomber, Stealth-Schiff, Optische Camouflage