Wikinger
Wikinger (auch Nordmänner, Normannen, Waräger oder Rus) waren keine geschlossene ethnische Gruppe, sondern ursprünglich küstennahe Bauern aus verschieden Gebieten Skandinaviens. Diese entwickelten einen entscheidenden Vorsprung im Schiffbau und benutzten ihre allen anderen weit überlegenen Wikingerschiffe auch für Raubzüge, wodurch sie geschichtlich in Erscheinung traten. So wurden sie nach und nach seefahrende Krieger, die primär zwischen 517 und 1066 vornehmlich Küstengebiete und Inseln Europas plünderten und teilweise kolonisierten, und ein weitreichendes Handelsnetz errichteten.

Überblick
Der Begriff Wikinger leitet sich vielleicht von dem altnordischen Verb víkingr ab (Rauben, Plündern, auf Beutezug, Seeräuber). Dennoch ist bis heute nicht eindeutig geklärt, warum sie Wikinger genannt wurden und wer den Begriff zuerst verwendete. Wikinger bezeichnet u. U. auch nur den Teil der Normannen, der auf Heerfahrt ging. (vikva = von der Stelle rücken, bewegen, sich bewegen; norw. vige = weichen; Vík ist eine kleine Bucht, wo das Ufer zurückweicht; Fritz Askeberg in "Norden och kontinenten i gammal tid" (Uppsala 1944) leitet davon víking (vom Verb víkja) als "Reise von Zuhause" ab; víkingr wäre danach einer, der eine Reise macht. [vgl. Korsar zu lat. cursus und Pirat uspr. verwandt mit "fara" = reisen]; die Viking (feminin!) wird gleichbedeutend mit hernaðr "Kriegszug, kriegerischer Überfall". Das Wort ist älter als die Wikingerzeit und bereits im angelsächsischen Wídsíð [altenglischer Text im Exeter-Book des 10. Jh.] belegt. Auch wenn sie allgemein für Raub und Zerstörung bekannt sind, siedelten und handelten sie auch ebenso friedlich und hatten eine hohe Kultur. Die Wikingerzeit bezeichnet den jüngsten Teil der skandinavischen Eisenzeit, sie endet mit der Erobung Englands durch Wilhelm und der etwa gleichzeitigen Christianisierung der letzten Nordgermanen.
Eine Neigung der staatenbildenden Wikinger zum Handel zeigt sich an Handelshäfen wie Birka, Jomsburg (Vineta), Kaupang, Ribe, Ralswiek, Seeburg oder Sigtuna, die auch zum kulturellen Austausch zwischen Skandinaviern, Slawen, Sachsen Balten und Franken beitrugen. Oder Haithabu (nahe Schleswig), bis es schließlich 1055 in einer Schlacht zwischen Harald Hardraada und Sweyn II. zerstört und 1066 von Westslawen endgültig dem Erdboden gleichgemacht wurde. Dennoch fand Handel mit Griechen, Arabern usw. statt. Ein Zentren für den Handel mit dem Baltikum und Osteuropa war auch die schwedische Insel Gotland. Eine der wichtigen wenn auch parteiischen zeitgenössischen Quellen ist die Geschichte des Erzbistums Hamburg von Adam von Bremen, anno 1076, in der erstmals die Entdeckung Amerikas (Vinland genannt) durch die Wikinger schriftlich erwähnt wird.

Der erste schriftlich bezeugte Wikingerüberfall wird von Gregor von Tours in seiner Historia Francorum beschrieben: Im Jahr 517 überfiel ein dänischer Kleinkönig mit Namen Chlochilaichum mit seiner Flotte Gallien. Er verwüstete und beraubte das Gebiet des austrasischen Frankenkönigs Theoderich I. und nahm etliche Gefangene. Die Flotte stach in See, der König blieb jedoch am Strand und musste auf die Flut warten. So konnte Theudoricus Sohn Theudobertus, der mit einem starken Heer und Flotte anrückte, den König töten, die Dänen in einem Seegefecht besiegen und die Beute zurückholen. Der zweite Bericht stammt erst wieder aus dem Jahr 793, als das Kloster Lindisfarne auf einer Insel vor der Nordostküste Englands von fremden Seefahrern geplündert wurde.
Für die nächsten 200 Jahre ist die Europäische Geschichte voll mit Berichten über die Plünderungen der Wikinger. Sie eroberten den größten Teil Finnlands und des Baltikums sowie große Teile Englands und erichteten Stützpunkte in Irland. Raubzüge führten sie jedoch auch flussaufwärts, weit ins Binnenland von Holland nach Dorestad, in Frankreich z.B. nach Paris, in das Landesinnere von Spanien und selbst nach Kiew in Zentralrussland, wo sie die Kontrolle über dortige Gebiete erlangten. Berichte erzählen außerdem von Überfällen im Mittelmeer (siehe Wikingerraubzüge ins Mittelmeer) und im Kaspischen Meer.
Sie besiedelten Island und Grönland und durch archäologische Funde und deren Auswertung ist mittlerweile belegt, dass sie Nordamerika erreichten und dort für kurze Zeit (etwa 50 Jahre) siedelten.
Ab etwa 900 n. Chr. kam es zu Reichsgründungen. In Skandinavien auf den drei Gebieten die heute in etwa denen der modernen Staaten entsprechen.
Die dänischen Wikinger
Die Dänen segelten südlich nach Friesland, Frankreich und um 900 n. Chr. ins südliche England. Knut der Große war König über Dänemark, Norwegen und Teile Englands, als sein Reich seine größte Ausdehnung erreichte. Den Grundstein für dieses Großreich hatten bereits sein Vater, Sven Gabelbart und sein Großvater, Harald Blauzahn. Ein gewisser Rollo dessen genaue Herkunft unklar ist setzte sich 911 in der Normandie fest.
Die norwegischen Wikinger
Die Norweger segelten nach Nordwesten und Westen zu den Färöern, Orkney, Shetlands und nach Irland und Nordengland. Interne Auseinandersetzungen in Norwegen führten im Jahre 970 zur Emigration nach Island, wo sie unbewohnte Gebiete vorfanden und siedelten.
Erik der Rote musste Island verlassen und segelte Richtung Westen, wo er nach einer beschwerlichen Seefahrt Grönland fand und ab 985 besiedelte. Etwa um 1000 wurde Nordamerika vermutlich von Leif Eriksson, dem Sohn Eriks des Roten, von Grönland aus entdeckt, der es Vinland nannte. Eine kleine Siedlung wurde auf der nördlichen Halbinsel von Neufundland bei L'Anse aux Meadows angelegt, aber die Gegenwehr der Ureinwohner führte innerhalb einiger Jahre zu ihrem Ende. Die archäologischen Überreste sind nun UNESCO-Weltkulturerbe.
Siehe auch Geschichte Norwegens
Die schwedischen Wikinger
Die Schweden richteten ihren Blick mitunter nach Schleswig und auf die südliche Ostseeküste primär aber nach Osten. Schon in der Vendelzeit bestand ein intensiver Austausch über Osteuropa bis ins Schwarze Meer, wovon unter anderem die Übernahme von Helmarten wie dem Spangenhelm und Nasalhelm oder dem später für die Wikinger so charakteristischen Brillenhelm zeugen, die auf byzantinische Vorbilder zurückgehen.
Die Wikinger nutzten das verzweigte Flusssystem, um sich in Osteuropa zu bewegen. So kamen sie übers Schwarze Meer nach Konstantinopel (Byzanz) und trieben selbst mit Bagdad Handel. Mit den Ostslawen tauschten sie Honig, Wachs, Bernstein, Felle, Waffen und Sklaven, und verkauften diese für Silber, Seide, Brokat, Gewürze, Helme und Rüstungen. Die Finnen und Slawen nannten diese Skandinavier Rus oder Warjagi (Waräger), von den Byzantinern wurden sie Rhos und Waragoi genannt, und die Araber bezeichneten sie als Al-Madjus, Ruser oder auch Saqaliba.
Die wikingischen Händler-Abenteurer kooperierten mit den Slawen, mitunter schwangen sich kampferfahrene Skandinavier zu lokalen Stammesfürsten auf. Manchmal kam es daher auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen. So heißt es in der Nestorchronik, die Slawen hätten die Waräger über das Meer verjagt, sie dann später zurückgerufen, um die Ordnung wiederherzustellen und über sie zu herrschen. Sie erwählten Rurik zu ihrem Fürsten. Viele Nordmänner ließen sich auf Dauer in Russland nieder. Von diesen Rus hat Russland seinen Namen (siehe Kiewer Rus).
Zusammen mit den Slawen überfielen die Rus mit ihren Schiffen ab 860 immer wieder Konstantinopel, so dass sie im Byzantinischen Reich bald gefürchtet waren. Die Byzantiner erkauften sich mit Handelsprivilegien den Frieden und sicherten sich die Dienste der Rus in der kaiserlichen Warägergarde.
Die Wikingerschiffe
Der Bau des Wikingerschiffs erfolgte ohne Pläne nur aus dem mündlich überlieferten Gedächtnis der Väter. Es werden zwei Arten von Schiffen unterschieden:
- Langschiffe, auch als Kriegs- oder Kampfschiffe bezeichnet und auf Grund ihres Stevenschmucks oft "Drachen" genannt
- und Handelsschiffe, so genannte Knorren.
Langschiffe waren die Kriegs- bzw. Kampfschiffe der Wikinger. Sie konnten mit ihnen schnell und unerwartet angreifen - sich aber wieder zurückziehen, bevor ein Vergeltungsschlag organisiert werden konnte. Dieser Schiffstyp war ein ca. 20 m langer Verdränger, deren Holzplanken überlappend in Klinkertechnik verbaut wurden. An den Überlappungen wurden die Planken mit Metallnieten zusammengehalten. Sämtliche hölzernen Schiffsteile aller Schiffstypen wurden mit verschiedenen Beilen aus Baumstämmen nach der jeweiligen Maserung gehackt. Daraus ergab sich insgesamt eine enorme Festigkeit und Belastbarkeit. Auch die Planken wurden nicht gesägt. Die Langschiffe wurden gerudert und gesegelt; sie hatten einen umlegbaren Segelmast, der in kürzester Zeit (ca. 1,5 Minuten) auf- und abgebaut werden konnte. Der Tiefgang aller Schiffe betrug nicht mehr als 1,5 m und sie erreichten eine Maximalgeschwindigkeit von ca. 20 Knoten! Neben der Möglichkeit von Fahrten über lange Entfernungen konnten die Wikinger daher mit ihren Schiffen nicht nur in flachen Gewässern segeln, sondern zusätzlich entlang der Flüsse, selbst unter Brücken hindurch, tief in das jeweilige Landesinnere vordringen.
Mit den Handelsschiffen, die breiter und hochbordiger als die Langschiffe waren, brachen die Wikinger z. B. zu ihren Entdeckungsfahrten nach Grönland und zum Handel in das heutige Russland auf.
Das Steuerruder aller Schiffstypen war auf der rechten Seite, davon leitet sich die Richtungsangabe steuerbord in der allgemeinen Schifffahrt her. Aus der Saga von Riem lässt sich entnehmen, dass die Wikinger schon damals wussten, dass die Erde eine Kugel ist. Ein archäologischer Fund lässt auf die Verwendung einer kompassähnlichen Navigationshilfe schließen. Auch die Gezeiten haben sie gekannt. Insgesamt waren die Wikinger in der Navigation und dem Schiffbau nicht nur für ihre Zeit richtungsweisend, vielmehr stammen viele noch heute verwendete Begriffe aus dem Bereich letztlich von ihnen.
Siehe auch: Geschichte des Wikingerschiffbaus, Langschiffe, Knorren
Gründe der Expansion
Den Grund für die Überfälle sehen einige, neben dem erheblichen Vorsprung im Schiffbau und den damit verbundenen Möglichkeiten, in einer Überbevölkerung, die durch die technischen Fortschritte (wie etwa die Verwendung von Eisen), aber auch durch die seit 800 n. Chr. einsetzende Klimaverbesserung hervorgerufen wurde. Eine Ursache könnten auch Notlagen gewesen sein. So verließen in Frühgeschichtlicher Zeit Kimbern und Teutonen (wahrscheinlich auch Vandalen) Jütland. Etwa zur selben Zeit gingen auch die Goten aufs Festland. Jahrhunderte später verließen Angeln, Jüten und Sachsen die Halbinsel. Ein weiterer Grund war, dass sich zu dieser Zeit einige Länder (besonders England und Irland) destabilisiert und somit leichte Beute für Überfälle waren. Das Frankenreich hatte besser verteidigte Küsten und befestigte Häfen, was die Wikinger aber nicht von ihren Raubzügen abhielt.
Mythologie und Literatur

Die germanische Mythologie und die altnordische Literatur berichten uns über ihre heidnische Religion und ihre kühnen Helden.
Das bedeutendste Beispiel für die germanische Mythologie stellt wohl die Edda (Ältere Edda und Jüngere Edda) dar.
In dieser Sammlung sind die verschiedensten Erzählungen der Wikinger zusammengefasst.
Allgemein war Thor der wichtigste Gott der Wikinger und regional hatte dieser sogar eine wichtigerere Position als Odin, der germanische Göttervater. Die Wikinger im Gebiet des heutigen Schwedens verehrten Freyr als einen ihrer wichtigsten Götter, der daher sein Hauptheiligtum im heutigen Uppsala besaß. Außerdem kannten die Wikinger keine Priester.
Sitten und Gebräuche
Sehr oft wurden bei den Wikingern alle Säuglinge kurz nach der Geburt getötet. Das hatte den Zweck, dass die Frauen bald wieder schwanger werden konnten, um eine erhoffte Missgeburt zu gebären. Für Ihre kriegerischen Raubzüge waren sie besonders auf Missgeburten angewiesen.
Ende der Wikinger
Nach Jahrzehnten des Plünderns wurde der Widerstand in allen Teilen Europas wirkungsvoller und der Druck der deutschen Kaiser förderte die Christianisierung Skandinaviens und führte zu einem milderen Verhalten. Es etablierten sich die großen Königreiche Norwegen, Dänemark und später auch Schweden und man kann annehmen, dass ihre Könige friedlichere Verhältnisse schaffen wollten. Zeitlich wird das Ende der Wikingerzeit mit der Schlacht bei Hastings im Jahre 1066 festgelegt. Weiter könnt die zu hohe Bevölkerungszahl und der damit verbundenen Ressourcenknappheit und Bodenknappheit ein Grund für das Ende der Wikinger sein.
Die Normandie
Um 911 bekamen der Wikingerfürst Rollo die Normandie als Lehen im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte vom französischen König Karl dem Einfältigen zugesprochen, nachdem sie lange das Seine-Gebiet rund um Paris verwüstet hatten.
Sie sollten nun Frankreich vor weiteren Überfallen durch Wikinger schützen.
Aufgrund ihrer Herkunft wurden sie Nordmänner oder Normannen genannt; so erhielt die Normandie ihren Namen. Die Normannen nahmen die französische Sprache an und entwickelten im Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung eine neue kulturelle Identität. Zur weiteren Geschichte, insbesondere zur Eroberung Englands 1066 durch den normannischen Herzog Wilhelm der Eroberer und zur Ausbreitung der Normannen bis nach Sizilien, siehe Normannen.
Erfinderreichtum der Wikinger
Schon die Wikinger haben die Linse erfunden. Sie war aus Bergkristall geschliffen und perfekt gearbeitet. Vermutlich hatten die Wikinger auch dafür ein eigenes Gerät entwickelt. Es wurde mit dem Fuß angetrieben und konnte den Bergristall schleifen. Mir der Linse hätten sie theoretisch auch das Fernrohr erfinden können, vielmehr wird aber vermutet dass die Linse zum ausbrennen von Krankheiten und zum Feuerzünden dienlich war. Eine weitere "Erfindung" der Wikinger war die Hochseefischerei. Die Wikinger fischten im grossen Stile auch auf dem Meer und nicht nur mit Reussen und ähnlichem vom Land aus.
Andere Bedeutungen
Der Begriff "Wikinger" ist auch unter Modelleisenbahn-Freunden bekannt : für die kleinen Automodelle im Maßstab 1 zu 87 H0 (gesprochen: "Ha-Null") als Zubehör zur Modellbahn.
- siehe auch: Wiking
Literatur
- Ian Heath, David Nicolle, Angus McBride: Wikinger und Normannen, St. Augustin, Siegler 2003. ISBN 3-87748-630-4
- Benjamin Hudson: Viking pirates and Christian princes. Dynasty, religion, and empire in the North Atlantic, Oxford, Oxford Univ. Press 2005. ISBN 0-19516-237-4
- Angus Konstam: Atlas der Wikinger. Geschichte, Eroberungen und Kultur der Wikinger, Wien, Tosa 2002. ISBN 3-85492-555-7
- Peter H. Sawyer (Hrsg.): Die Wikinger. Geschichte und Kultur eines Seefahrervolkes, Stuttgart, Theis 2001. ISBN 3-8062-1688-6
Siehe auch: Wikinger-Museum Haithabu, Berserker, Jomswikinger, Runenstein, Wickie und die starken Männer Kategorie:Wikinger