Kasus
Der Kasus, auch der Fall, ist in der Grammatik eine der drei Flexionen eines Nomens (=Deklination).
Die hochdeutsche Sprache kennt vier Fälle (Kasus):
Beispielsweise ist in dem Satz
- "Die Frau gibt ihrem Bruder den Hut ihres Mannes."
"Die Frau" das Subjekt (= Ergänzung im Nominativ), "ihrem Bruder" das Dativobjekt (= Ergänzung im Dativ), "den Hut" das Akkusativobjekt(= Ergänzung im Akkusativ) und "des Mannes" das Genitivattribut zu "den Hut".
Nur im Genitiv und im Dativplural findet sich noch eine Beugung des Substantives, d. h. eine Veränderung der Wortform durch das Anhängen einer Endung an den Wortstamm. Diese Beugung der Substantive ist ansonsten in der deutschen Sprache verlorengegangen. Der Dativ Singular Maskulinum und Neutrum wurde noch vor 100 Jahren in der Schriftsprache flektiert: dem Manne. Der Verlust der Endungen ist wiederum Ursache für den Zusammenfall von gleichlautenden Kasus, wie im Englischen und Niederdeutschen (s. unten). Das Deutsche ist auf lange Sicht auf dem Weg, auch den Genitiv als Objektskasus ("ich schäme mich seiner") und den Dativ zu verlieren und damit ein Kasussystem wie das Englische auszubilden. Bei den nicht mehr durch Endungen gekennzeichneten Fällen zeigen die Artikel den Kasus des entsprechenden Wortes an.
Die niederdeutschen Sprachen (Niederländisch und Niedersächsisch kennen überwiegend nur drei Kasus: Nominativ, Genitiv und Objektiv. Dies entspricht dem Kasus-System in der modernen englischen Sprache und den skandinavischen Sprachen. Der Objektiv vereint sowohl den Akkusativ als auch den Dativ.
Beispiel:
- De Fru kiekt den Mann an (Mann steht im Objektiv, im Hochdeutschen oder lateinischen würde das Wort Mann im Akkusativ stehen)
- De Fru gifft den Mann Koken. (Mann steht im Objektiv, im Hochdeutschen oder Lateinischen würde das Wort Mann im Dativ stehen)
Das Indogermanische kannte 7 Fälle:
- Nominativ
- Genetiv
- Dativ
- Akkusativ
- Ablativ / Instrumental
- Vokativ
- Lokativ
Die daraus entstandenen Sprachen (baltische, slawische Sprachen, sowie Latein oder Altgriechisch) haben diese komplett oder nur zum Teil erhalten (teilweise unter anderen Namen). Nicht-indogermanische Sprachen (z.B. die finno-ugrische Sprachen) kennen zum Teil deutlich mehr Fälle. Im Finnischen sind es beispielsweise fünfzehn! Auch das Deutsche besaß vor 1000 Jahren noch einen Instrumental-Kasus bzw. in manchen Ausdrücken hat sich bis heute der Lokativ erhalten.
Siehe auch: Ablativ, Vokativ, Lativ, Instrumentalis, Absolutiv, Ergativ, Partitiv, Rektion, Kasustheorie
Kasus | Bedeutung | Beispiel | Sprachen (Beispiele) |
---|---|---|---|
Abessiv | Abwesenheit von etwas | ohne das Haus | Finnisch |
Ablativ (1) | indirekter Fall | das Haus betreffend | Latein, Sanskrit |
Ablativ (2) | Wegbewegung | vom Haus weg | Finnisch |
Absolutiv | Subjekte intransitiver Verben; Objekte transitiver Verben | das Haus | Baskisch |
Akkusativ | direktes Object | das Haus | Deutsch, Esperanto, Latein, Russisch |
Adessiv | nahe bei | beim Haus | Finnisch |
Allativ | Hinbewegung | zum Haus | Finnisch |
Comitativ | Zusammen mit | mit dem Haus | Estnisch, Ungarisch |
Dativ | Richtung oder Empfänger; indirektes Objekt | dem Haus | Deutsch, Latein, Russisch, Hindi |
Dedativ (Respektiv) | Verwandtschaft | dem Haus verbunden | Quenya |
Elativ | Herausbewegung | aus dem Haus heraus | Finnisch, Estnisch, Ungarisch |
Ergativ | Subjekt, das ein transitives Verb ausführt | das Haus | Baskisch, Samoaisch, Tschechisch, Inuktitut |
Essiv | Kennzeichnung einer Bedingung | wie das Haus | Finnisch, Mittel-Ägyptisch |
Genitiv | Besitz, Beziehung | des Hauses | Deutsch, Latein, Russisch, Griechisch |
Illativ | Hineinbewegung | ins Haus | Finnisch |
Inessiv | Innen | im Haus | Finnisch, Estnisch, Ungarisch |
Instrumental / Instruktiv | Kennzeichnung der Nutzung | durch das Haus | Russisch, Finnisch, Sanskrit |
Lokativ | Ort | am Haus | Klingonisch, Sanskrit, Lettisch |
Nominativ | Subjekt | das Haus | nahezu jede Sprache |
Oblik | Umfassend | das Haus betreffend | Hindi |
Partitiv | Mengen | an Häusern | Finnisch |
Possessiv | Besitz | dem Haus gehörend | Quenya |
Postpositional | nachfolgendes Nomen | das Haus an | Hindi |
Prepositional | vorangehendes Nomen | an dem Haus | Russisch |
Prolativ | Bewegung auf Oberfläche | durch das Haus | Estnisch, Finnisch |
Respektiv (Dedativ) | Beziehung | bezogen auf das Haus | Quenya |
Terminativ | Ende einer Bewegung oder Zeit | bis zum Haus | Estnisch |
Translativ | Zustandswechsel | zum Haus | Finnisch, Ungarisch |
Vocativ | Anrede | Haus! | Latein, Griechisch, Sanskrit |