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Mohr

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Der „Freisinger Mohr“ von 1316

Der Begriff Mohr ist eine heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für einen Schwarzafrikaner.

Wortherkunft

Ursprünglich bezeichnete das Wort mōr einen Mauren (griech. μαυρος, lat.: maurus), womit zwar die Herkunft aus dem Königreich Mauretanien, nicht jedoch die Hautfarbe bezeichnet war. Mhd. mōr und hellemōr (Höllenmohr) wurden auch als Synonyme für den Teufel (den man sich oft mit schwarzer Hautfarbe vorstellte) verwendet.

Nachdem zwischen mhd. swarzer mōr (Maure mit dunkler Hautfarbe, engl. blackamoors) und mōr (Maure, engl. moor) noch differenziert wurde, erwarb das Wort Mohr im 16. Jahrhundert die allgemeinere Bedeutung, bis es im 18. Jahrhundert zunehmend durch den Begriff Neger ersetzt wurde.

Die Bezeichnung „Mohr“ für einen Menschen dunkler Hautfarbe wird heute nur noch in historischen Zusammenhängen verwendet. Wie auch der Ausdruck „Neger“ kann „Mohr“ als ein diskriminierender Ausdruck verstanden werden, selbst wenn er nicht mit rassistischer Absicht gebraucht wird.

Bekannte „Mohren“

Begegnungen zwischen Europäern nördlich der Alpen und Afrikanern hatten bis ins 18. Jahrhundert Seltenheitswert. Zwar lebten und kämpften in der Römerzeit auch dunkelhäutige Afrikaner als Soldaten der römischen Armee in Mitteleuropa, doch endete dies mit der Zeit der Völkerwanderungen. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit sind bildliche Darstellungen von Menschen schwarzer Hautfarbe nördlich der Alpen daher eine bemerkenswerte Ausnahme, während in den italienischen Staaten wie der Republik Venedig der Kontakt zu Afrika nie abriss.

Selten beruhen mitteleuropäische Darstellungen von „Mohren“ auf tatsächlichen Begegnungen, weit eher auf Reisebeschreibungen und überlieferten Darstellungen. Historische Abbildungen von „Mohren“ folgen daher oft einem Stereotyp: dunkle bis schwarze Haut, dicke Lippen, krauses Haar, oft mit großen Ohrringen oder anderen Attributen „wilder Völker“. Seit der Kolonialzeit bis weit ins 20. Jahrhundert dienten Afrikaner auch als Ausstellungsattaktionen auf Jahrmärkten und speziellen Vorführungen (beispielsweise seitens der Firma Hagenbeck, die heute für ihren Tierpark bekannt ist). Zahlreiche Wortprägungen, historische Namen und Abbildungen haben dieses Bild des „Mohren“ bis heute erhalten, auch wenn der Begriff nicht mehr gebräuchlich ist.

Namen und Wappen

Wappen von Papst Benedikt XVI. mit dem „Freisinger Mohr“, dem Bären des Hl. Korbinian und der Jakobsmuschel.
Wappen von Coburg
Wappen von Uettingen mit dem Wolffskeelschen Mohr
Flagge Korsikas
Datei:Sardinia flag.png
Flagge Sardiniens

Balthasar, einer der Heiligen Drei Könige wird seit dem Mittelalter häufig als Afrikaner dargestellt. Die dunkle Hautfarbe, die man ihm zuschrieb, entstammt wohl einer Fehldeutung eines überlieferten Textes; dennoch hat sich die Darstellung von Balthasar als „Mohr“ in der Bildenden Kunst bis heute erhalten und ist, wenn auch zunehmend weniger, an Kostümen beim Dreikönigsfest zu sehen.

Einen „Mohren“ zeigt das Stadtwappen von Coburg ebenso wie das Wappen der Familien Wolffskeel und Grumbach und die Ortswappen deren ehemaliger Besitzungen. Es handelt sich um eine Darstellung des Hl. Mauritius, neben Balthasar der einzige Heilige des europäischen Christentums, der seit dem 14. Jahrhundert mit dunkler Hautfarbe dargestellt wird.

Auch das Bistum Freising und der Landkreis Freising tragen einen „Mohren“ im Wappen. Der gekrönte Afrikaner („caput aethiopis“) erschien zum ersten Mal 1284 im Wappen des Bischofs Emicho, Wildgraf von Wittelsbach (1283–1311). Nach einer verbreiteten Interpretation entstand der Mohr aus der Fehldeutung einer Darstellung, auf der eigentlich einfach ein gekröntes Haupt dargestellt war, mit dem Bischof Emicho die Reichsunmittelbarkeit seines Gebiets anzeigen wollte. Denkbar ist, dass es sich eigentlich um ein Porträt des Rudolf von Habsburg oder von Emicho selbst handelte. Eine weitere mögliche Herleitung ist der Bezug auf eine Stelle in der Apostelgeschichte, wo ein äthiopischer Kämmerer von dem Apostel Philippus getauft wird (Apg. 8,26). In kolorierter Fassung wurde er dann im Jahr 1316 – eindeutig als „Mohr“ – auf dem Deckblatt des Haus- und Notizbuches von Bischof Konrad III. (1314–1322) abgebildet. Bis zur Auflösung des Hochstifts Freising im Jahr 1803 stand er dauerhaft im Wappen der Bischöfe von Freising. Ab 1846 durfte das neue Erzbistum München-Freising den Mohren wieder im Wappen tragen.

Den „Freisinger Mohr“ übernahm auch Papst Benedikt XVI. in sein Wappen. Damit nahm er Bezug auf seine Zeit als Erzbischof und später Kardinal der Erzdiözese München-Freising. Stadtwappen mit dem „Freisinger Mohr“ haben einige Städte, die früher dem Hochstift Freising angehörten: Lauingen (Schwaben), Schauenstein (Oberfranken), Ismaning (Oberbayern), Unterföhring (bei München), Pappenheim (Mittelfranken) und Innichen (Südtirol).

Die Herkunft des Mohren im Wappen von Ober-Mörlen ist nicht geklärt. An das Wappen angelehnt tritt der Mohr von Mörlau auch seit 1948 als Figur der Ober-Mörler Fassenacht auf; sein „orientalisches“ Fantasie-Kostüm erscheint jedoch eher an den Sarotti-Mohr (siehe unten) angelehnt als an reale Vorbilder.

Die Wappen der Inseln Korsika und Sardinien zeigen ebenfalls einen Kopf eines „Mohren“ oder Mauren (Testa Maura).

„Mohren“ finden sich auch vielfach in den Namen von Apotheken und Gasthäusern (vgl. z. B. die Erzählung Die Leute aus der Mohrenapotheke von Ernst Penzoldt) und Straßen wie die Mohrenstraße (Berlin).

Der Graubindige Mohrenfalter (Erebia aethiops), meist Waldteufel genannt, ist ein Schmetterling mit schwarzen Flügeln.

Literatur und Kunst

Der „Mohr“ im Kinderbuch Struwwelpeter von 1845

Bekanntester „Mohr“ der Weltliteratur ist wohl William Shakespeares tragischer Held Othello. Nach heutigen Interpretationen soll Othello ein Maure sein, dessen Hautfarbe im Stück jedoch als black (schwarz) beschrieben wird.

Das geflügelte Wort „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“ lautet im Original: „Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen.“ Friedrich Schiller legte diesen Satz in den Mund von Muley Hassan, dem Mohren von Tunis (Die Verschwörung des Fiesco zu Genua).

Bekannt ist auch die Moritat aus dem Kinderbuch Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann: „Es ging spazieren vor dem Tor / ein kohlpechrabenschwarzer Mohr (...)“, in der sich Kinder über einen Mohren wegen seiner Hautfarbe lustig machen, dann jedoch zur Strafe vom „großen Nikolas“ in ein Tintenfass getunkt werden. Die Geschichte dient der antirassistischen Erziehung, auch wenn der schwarze Knabe als stereotyper Schwarzafrikaner (barfuß, dicke Lippen, krauses Haar, nackt bis auf eine kurze Hose) dargestellt wird.

Nicht vergessen werden sollte auch der Mohr Monostatos aus der Zauberflöte von Mozart.

Werbung

Der Sarotti-Mohr, ausgestellt im Imhoff-Stollwerck-Museum

Der Sarotti-Mohr findet sich im Firmenlogo des Schokoladenherstellers Sarotti. Die Figur wurde 1920 von Julius Gipkens als Werbefigur erfunden, wohl in Anlehnung an die erste Adresse der Firma Sarotti in der Mohrenstraße 10, Berlin und wurde 1922 zum eingetragenen Marke. Der erste Sarotti-Mohr trat dabei noch als Dreiergrüppchen auf. Die Werbefiguren trugen einen Turban und ein Tablett und sollte wohl ursprünglich auf die traditionelle Funktion von Mohren als Bedienstete des Hochadels anspielen. Möglicherweise sollen sie auch auf den Anbau von Kakao in Afrika verweisen (der meiste Kakao kam zu der Zeit allerdings aus Südamerika). Denkbar ist auch, dass damit Sinnlichkeit und gesteigerte Genussfähigkeit assoziert werden sollen, wie sie in stereotypen Vorstellungen den Bewohnern südlicher Länder zugeschrieben werden. (Wichtig ist in diesem Kontext der Kolonialismus, der in Europa Fantasien vom „sinnlichen Süden“ anregte; siehe Exotismus). Der Mohr trat von Anfang an auf Produktverpackungen, in der Print-Werbung wie auch ab 1964 in der Fernsehwerbung auf und wurde seither in zahlreichen Formen als Souvenir vermarktet. Seit 2004 wird der Sarotti-Mohr von der Firma Stollwerck offiziell als „Sarotti-Magier aus 1001 Nacht“ bezeichnet. Die Figur wurde niedlicher gestaltet und jongliert nun mit Sternen, statt ein Tablett zu tragen.

Auch im Logo der Wiener Kaffeerösterei Julius Meinl findet sich ein „Mohr“. Der Meinl-Mohr trinkt Kaffee, trägt einen hohen roten Fez und die Uniform eines Hotelpagen oder Dienstboten. Er wurde 1924 von dem Grafikdesigner Joseph Binder entworfen und 1965 zu einer abstrakteren Darstellung modernisiert. Auch mit ihm sollten Sinnlichkeit und eine „weltoffene“ und „exotische“ Atmosphäre von südländischen Hotels oder Kolonialherren-Anwesen assoziiert werden. Für die USA hat der Meinl-Konzern das schwarze Gesicht durch Gold ersetzt und begründet dies mit der dortigen Political correctness. In Europa präsentiert sich Meinl weiterhin mit dem traditionellen „Mohren“ mit rotem Fez. Allerdings gibt die Firma offiziell an, der Mohr ähnele einem „sympathischen Barockengel“ und stehe daher für „die europäische Komponente“ der Firma.

Die südwestdeutsche Bezeichnung „Mohrenkopf“ (auch „Negerkuss“) für einen Schokoladenkuss (Schaumwaffelgebäck mit Schokoladenüberzug) stammt vermutlich ebenfalls aus den 20-er Jahren. Sie leitet sich von der dunklen Farbe der Schokolade und der damals gängigen Assoziation von „Mohren“ mit Schokolade her. Die offiziellen Namensgebungen mit rassistischer Tendenz wurden mittlerweile abgeändert; der Alltagssprachgebrauch blieb erhalten.

Literatur

  • Adolf Wilhelm Ziegler: Der Freisinger Mohr: Eine heimatgeschichtliche Untersuchung zum Freisinger Bischofswappen. München 1976
  • Eckhard Henscheid, Immanuel Kant: Der Neger (Negerl). München 1982. ISBN 3-921499-58-5
  • Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2004, ISBN 3-89771-424-8

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