Offenbarung
Offenbarung ist ein Begriff, der vorwiegend in der Religion und Theologie gebraucht wird.
Er bezeichnet den Vorgang, durch den sich Gott (oder Götter) den Menschen kundtut. Die Vorstellungen, die hinter einer solchen Offenbarung stehen, differieren.
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist auf der einen Seite ein "sich öffnen" (aktiv) gemeint: das Bekanntgeben von eigenem Wissen und gefühlsmäßigem Befinden, das der Umwelt bis dato aus mehr oder weniger triftigen Gründen durch Schweigen vorenthalten wurde. Auf der Seite dessen, der die Information empfängt, "erschließt" sich (passiv) hingegen dieser bestimmte und mitgeteilte neue Sachgehalt und läßt einen Gegenstand bzw. eine Person in einem "neuen Licht" erscheinen. Es geschieht ein "Erschließungsereignis", welches beide Seiten, Sprecher und Hörer, umfaßt; ein derartiges Geschehen kann sich aber auch im nonverbalen Lebensvollzug (z.B. beim erstmaligen Essen von Straciatella-Eis: das Entdecken der Schokolade) oder in der Beschäftigung mit einem Gegenstand ereignen (z.B. Lesen eines (wissenschaftlichen) Buches). Dieser Sprachgebrauch ist durchaus auch auf religiöse Offenbarung anwendbar; meist wird diese aber im Sinne einer exklusiven Mitteilung von Spezialwissen verstanden, die nur eine - die göttliche Seite - im Blick hat.
Der nachfolgende Text befasst sich im Wesentlichen mit der theologischen Bedeutung.
Offenbarung durch ein spirituelles Erleben
Als Offenbarung wird der passiv erlangte Gewinn religiöser Überzeugungen durch unmittelbares spirituelles Erleben verstanden. Da dieses Erlebnis nicht für den Menschen verfügbar ist, und somit nicht als Mittel für die experimentell-wissenschaftliche Methode in Frage kommt, wird der Erkenntnisgewinn von den Naturwissenschaften nicht anerkannt oder z.B. als Wahnmanifestation eingestuft. Der Begriff der Offenbarung ist allerdings mit dem wertneutraleren, nicht unbedingt religiösen Begriff der Erleuchtung verknüpft. Im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis bestimmt und beeindruckt eine Offenbarung als religiöses Erschließungsereignis immer den ganzen Menschen; der Glaube, der sich dieser religiösen Offenbarung gewiß ist, geht von einem ´übernatürlichen´ Grund und Auslöser des Geschehens aus. Der Empfänger einer solchen Offenbarung wird mitunter als Prophet bezeichnet, gelegentlich auch als Botschafter Gottes.
Judentum
In der hebräischen Bibel wird von zahlreichen Offenbarungen an Propheten berichtet, angefangen bei Noach und Abraham, weiter über Mose, Elija, Jeremia und Jesaja bis zu Daniel. Für sie alle wird der Anspruch erhoben, dass sie göttliche Botschaften empfangen zu haben. Auch weibliche Propheten werden als Überbringer von Gottesnachrichten dokumentiert.
Christentum
Der Begriff Offenbarung läßt sich im christlichen Kontext in zwei Bereiche aufteilen: einerseits in den des literarischen Genres der "Apokalypse", hier vor allem die Offenbarung des Johannes, die in der Abfolge des Kanons des Neuen Testaments letzte Schrift. Zum zweiten der theologische Schlüsselbegriff, der als solcher erst in der Neuzeit die entsprechende Bedeutung für die christliche Theologie erlangte. Hier soll der zweite Bereich erläutert werden.
Islam
In Islam ist die Offenbarung des Korans durch den Propheten Mohammed recht gut beschrieben. Dabei werden auch die physischen und psychischen Aspekte von denen Mohammed dabei betroffen ist (Klingeln in den Ohren, trockene Kehle, Trance) geschildert.
Asiatische Religionen
In den asiatischen Religionen hat der Begriff der Offenbarung oder göttlicher Eingebungen eine wesentlich geringere Rolle als in den drei Buchreligionen.
Indirekte Offenbarung durch Erkennen der Welt
Viele Religionen, darunter der Buddhismus (in Teilen), der Hinduismus und die diversen Formen des Lamaismus, deuten die Welt anhand eines Schöpfungsmythos. Vorausgesetzt wird, dass (ein oder mehrere Götter) die Welt entweder direkt erschaffen haben oder zumindest eine bereits vorhandene, ungeordnete Masse so geformt haben, dass daraus ein Kosmos (also eine nach Gesetzen geordnete Welt) entstanden ist. Infolgedessen wäre die Beschaffenheit der Welt ein Produkt des göttlichen Willens und offenbart die Eigenschaften ihres Schöpfers.
Monotheismus
In den monotheistischen Religionen wird der Begriff Offenbarung für einen Akt Gottes benutzt, der damit dem Menschen etwas über sich bekannt gibt, seinen Willen kundtut oder zu einem Erkenntnisgewinn führen soll.
Offenbarungen (im Plural) werden durch die Religionen auf verschiedenste Weisen definiert und interpretiert. Diese Form des Kennenlernens von Gott wird unter anderem auch vom Christentum praktiziert, wobei die erkannten Wunder und Werke als Beleg für das Wirken Gottes auf Erden dienen.
Mündliche Offenbarung
Einige Menschen glauben, dass Gott direkt mit den Menschen kommunizieren kann, um ihnen so den Text einer Offenbarung direkt einzugeben, quasi zu diktieren, die sogenannte Verbalinspiration. Die Realinspiration lässt den Menschen selber den Bibeltext verfassen, der nachträglich von Gott "abgesegnet" wird. Nach der Personalinspiration hat die Bibel zwei Ursachen: Gott und den Menschen.
Rationalismus
Nach dem Rationalismus kann als Offenbarung auch die Entdeckung einer letztgültigen Wahrheit über Gott, die Menschen und den Sinn der Menschheit bezeichnet werden, die durch konsequente Anwendung von Logik bzw. allgemeiner gesagt philosophischen Mitteln entsteht.
Existenzialismus
Nach dem religiösen Existenzialismus (nicht zu verwechseln mit der Philosophie des Existenzialismus) ist eine Offenbarung keine direkte Eingebung eines Gottes. Stattdessen inspiriert die unmittelbare Erfahrung Gottes den Propheten. Die Offenbarung wird dadurch zur Aufzeichnung der Reaktion der Menschen auf ein göttliches Wirken.