Weberaufstand
Der Begriff Weberaufstand wird oftmals mit dem „schlesischen Weberaufstand“ von 1844 gleichgesetzt. Weberaufstände gab es im 18. und 19. Jahrhundert jedoch vielerorts.
Hintergrund der Weberaufstände
Bereits im ausgehenden Mittelalter ist das Verlagswesen als Handelsorganisation verbreitet. Ein Begriff, der heute nur noch im Buch- und Zeitschriftenwesen gebräuchlich ist. Der Verleger übernahm dank seiner Kapitalkraft, Marktübersicht und Organisationsfähigkeit die Beschaffung der Rohstoffe, die Lagerung und den Verkauf der Endprodukte. Mit der zunehmenden Ausweitung des Fernhandels und des anonymen Marktes war diese zeit- und kapitalaufwändige Tätigkeit aus dem Handwerk ausgegliedert worden. Der Handwerker wurde zum reinen Produzenten. Die Grenzen zur Lohnarbeit werden fließend.
Das Bevölkerungswachstum des 16. und 18. Jahrhunderts führte zudem zu einer breiten Schicht von landloser bzw. landarmer Landbevölkerung, welche das karge Einkommen durch eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit aufstocken musste. Hierzu gehörten auch Webtätigkeiten als Auftragsprodukte für die Verleger. Der Kapitalgeber hatte es im Gegensatz zum zünftischen Handwerk mit einer relativ schutzlosen Landbevölkerung zu tun.
Die wirtschaftliche Situation der verlegten Weber war sehr schlecht, vor allem weil sie nur teilweise in bar entlohnt wurden. Mindestens die Hälfte des Warenwertes wurde mit Rohstofflieferungen aufgerechnet. Ab Ende des 18. Jahrhunderts ist das Weberhandwerk von einer massenhaften Verarmung (Pauperismus) bedroht.
Der Verlust ausländischer Absatzmärkte im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre und der englischen Seeblockade, der Einbruch englischer Fabrikware nach dem Ende der Kontinentalsperre, der Ausfall binnenländischer Nachfrage im Gefolge von Agrarkrisen, die fortschreitende Industrialisierung mit ihren Billigprodukten führen zum Interessenkonflikt der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Die Kapitalgeber trachten nach einer Profitmaximierung, welche letztlich durch niedrige Produktionskosten erreicht werden soll.
Die Weberaufstände werden aus diesem Hintergrund heraus teilweise als Revolution und Klassenkampf interpretiert. In der zeitgenössischen Beschreibung jedoch mehr als Aufstand oder Revolte bezeichnet. Ein politischer Hintergrund ist im Allgemeinen noch nicht gegeben.
Augsburger Weberaufstand 1784/85 und 1794/1795

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wird das Augsburger Weberhandwerk zunehmend durch die Konkurrenz von in- und ausländischen Billiganbietern bedroht. Die ortsansässige Kaufmannschaft und Kattunfabrikanten (u.a. Schüle, Gignoux, Schöppler) kaufen insbesondere ostindische Ware. Die einheimische Ware wird zunehmend verdrängt und großteils nur im Warenwert gegen teure Wolle eingekauft.
Diese Situation führt zu erheblichen Einkommensverlusten, welche 1784/85 zu ersten Unruhen führen. Die Gesellen, welche wegen ihrer weithin ungesicherten Existenz besonders betroffen waren, verweigern die Beitragszahlungen in die Gesellenlage und zetteln einen Tumult an. Der Gesellenstreik wird zwar am 21. August 1784 friedlich beigelegt, entbrennt aber durch zwei Todesfälle neu. Es kommt zu einem Demonstrationszug von 300 Gesellen, welcher durch die Polizei niedergeschlagen wird. Die Rädelsführer werden verhaftet. Viele Gesellen verlassen die Stadt.
Während sich die Handwerksmeister an diesen Unruhen nicht beteiligten, ändert sich dies mit der zunehmend rapiden Verschlechterung des Lebensunterhaltes und der Wohnsituation. Der Rat der Stadt bleibt weitgehend untätig, so greifen die Weber zu Selbsthilfemaßnahmen und beschlagnahmen Warensendungen an die Kaufleute.
Am 11. Oktober 1785 kommt es zu einem Kompromiss zwischen den Kontrahenten, welcher jedoch nur vorübergehend für Ruhe sorgte, da sich die Fabrikanten über die Abmachungen hinwegsetzten. Die städtische Obrigkeit, welche sich vordem um eine neutrale Haltung bemühte, schlug sich immer mehr auf die Seite des Fortschritts. Im Bewusstsein der vom Rat gedulteten Existenzvernichtung stürmen am 29. Januar 1794 300 Webermeister das Rathaus und setzen einen Einfuhrstopp ausländischer Ware durch. Bereits am 25. Februar 1794 wiederholt sich die Situation, da das Einfuhrverbot bereits wieder gelockert werden soll. Dieses Mal wird der Amtsbürgermeister der Stadt als Geisel genommen. Zur Beruhigung der Massen erlässt der Rat ein Dekret, welches u.a. den Einfuhrstopp erneut bestätigt. Es stellt sich jedoch bald heraus, dass sich die Obrigkeit an die unter Zwang entstandenen Vereinbarungen nicht gebunden fühlte. Am 26. August 1794 kommt es zu einer neuen Vereinbarung zwischen den Kaufleuten, Fabrikanten und Webern, welche auf dem Kompromiss von 1785 basiert und zum Gesetz erhoben wird. Am 18. November 1794 wird dieses aufgehoben und vom Rat eine militärische Lösung des Konflikts angestebt.
Am 24. Dezember 1794 wird der Aufstand durch den Einsatz von württembergischen Soldaten endgültig niedergeschlagen. Diese beziehen für 1 1/2 Jahre Quartier, die Weber mussten die Kosten hierfür tragen.
Schlesische Weberaufstand 1844
Der schlesische Weberaufstand von 1844 war weder der erste Weberaufstand, noch der heftigste. Bereits 1785/1786, 1793 und 1798 hatte es teils größere Revolten gegeben. Die Besonderheit des Aufstandes von 1844 liegt in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die er erzielte. Zeitgenössische Publikationen und Literatur verarbeiteten und diskutierten das Thema ausgiebig. In diesem Sinne kann der schlesische Weberaufstand vom 4. Juni bis 6. Juni 1844 in einen Zusammenhang mit der 1848 einsetzenden Revolution gebracht werden, da er wesentlich zur Herausbildung von politischen Meinungsbildern beitrug. Er ist somit der erste deutsche Aufstand des sich herausbildenden Proletariats - ohne dass die beteiligten Parteien sich dessen bewusst gewesen wären.
Hintergrund des Aufstandes
Die Provinz Schlesien war 1740 vom preußischen König Friedrich II. annektiert worden. In der Folge blieben die neuen Untertanen länger als anderswo an die adeligen Grundherren gebundene Häusler. Die einsetzende kapitalistische Ausbeutung durch die Verleger traf die schlesischen Textilheimarbeiter, als diese noch von einer feudalistischen Ausbeutung gebeutelt wurden und bereits völlig verarmt waren. Die schlesischen Weber versuchten den Preisverfall ihrer Waren durch Quantität wettzumachen, doch selbst Kinderarbeit und die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit schafften keinen Ausgleich, insbesondere da die Qualität der Produkte weiter sank. Es kommt im Juni 1844 zur Hungerrevolte.
Der Aufstand
Am 3. Juni ziehen die Weber von Peterswaldau und umliegender Ortschaften, das Spottlied Blutgericht singend, vor die Firma der Gebrüder Zwanziger, welche als Verleger in Peterswaldau tätig waren. Die Fabrikanten Ernst Friedrich und August Zwanziger ließen den Weber Wilhelm Mädler verhaften und glaubten somit wieder Ruhe geschaffen zu haben.
Mit dem Ziel, die Freilassung des Wilhelm Mädler und eine Lohnerhöhung zu erreichen, bildete sich am 4. Juni 1844 ein Protestzug aus ca. 3.000 Mann, welcher nicht nur aus Webern bestand, sondern auch andere Lohnabhängige umfasste. Die Ablehnung jedlicher Verhandlungen brachte die angestaute Wut zum Ausbruch. Die Menge stürmte das Haus der Zwanziger und zerstörte die gesamte Einrichtung. Ebenso wurde im Verwaltungs-, im Lagerhaus und in der Fabrik gewütet. Die Familie Zwanziger floh nach Breslau.
Am 5. Juni 1844 zog die Schar nach Langenbielau. Das nächste Ziel stellte die Firma Dierig und zwei andere Fabrikanten (Hilbert und Andretzky). Da es den Arbeitern dort jedoch besser ging, wollten diese ihren Arbeitsplatz erhalten und stellten sich gegen die anrückenden Weber. Zudem versuchten die Gebrüder Dierig durch Geldausteilungen die Menge zu beruhigen. Trotzdem entstand auch hier ein erheblicher Schaden.
Die Behörden veranlassten das Eingreifen des preußischen Millitärs. Es werden elf Menschen (darunter Frauen und Kinder) erschossen, weitere 24 schwer verletzt. Die Einheit weicht zunächst der mit Knüppeln und Steinen bewerten Menge, nach dem Eintreffen der Verstärkung wird der Aufstand am 6. Juni 1844 niedergeschlagen.
Zahlreiche Weber werden verhaftet und zu Zuchthaus, Festungshaft bzw. Peitschenhieben verurteilt.
Künstlerische Aufarbeitung
- Gedicht Die schlesischen Weber von Heinrich Heine 1844
- Vertonung des Gedichtes durch Jörg Ermisch
- Drama Die Weber (öffentliche Uraufführung 1894 in Berlin) von Gerhart Hauptmann
- Lithographien "Der Weberaufstand" von Käthe Kollwitz 1894-1898
weitere Weberaufstände
- 1828 in Krefeld
- 1841 in Ronneburg (Thüringen)
Literatur
- Bremes, Hans E.: 140 Jahre Weberaufstand in Schlesien. - Münster : Verl. Westfäl. Dampfboot, 1985
- Hodenberg, Christina von: Aufstand der Weber. - Bonn : Dietz, 1997
- Kollwitz, Käthe: Ein Weberaufstand, Bauernkrieg, Krieg. - Berlin : Furche-Kunst-Verl., 1930
- Kronberg/Schloesser: Weber-Revolte 1844. Der schleschische Weberaufstand im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik und Literatur. - Köln : informationspresse-c.w.Leske, verlag gmbh, 1979. ISBN 3-7632-2360-6
siehe auch Maschinenstürmer, Ludditen