Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. April 2012 um 19:58 Uhr durch EHaseler(Diskussion | Beiträge)(Änderung 101542325 von 77.178.4.55 wurde rückgängig gemacht. Wer sagt das?). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Das Stundenbuch (auch Horarium; (spätlat. horarium = Uhr), Livre d'heures [livr ˈdœr], das; (frz. = Stundenbuch)) war ein dem Aufbau nach dem Brevier der römisch-katholischen Kirche sehr ähnliches Gebet- und Andachtsbuch für das Stundengebet. Bestimmt waren sie zunächst für Laien, später auch für Kleriker. Die Stundenbücher kamen im 13. Jahrhundert auf und verdrängten den Psalter aus seiner beherrschenden Rolle als Gebetbuch. Im Spätmittelalter waren sie in Kreisen des reichen, lesekundigen Adels und Stadtadels das private Andachtsbuch par excellence. Der Buchtyp erlebte seine verbreitungsmäßige und künstlerische Blütezeit im späten 14. und im 15. Jahrhundert in Frankreich und Flandern – davon zeugt der noch heute bekannte Name Livre d’heures. Später kamen sie über die Niederlande auch in das deutschsprachige Gebiet.
Inhalt und Gestaltung von Stundenbüchern
Stundenbücher waren meist aufwändig mit Buchschmuck versehen. Einzelne Exemplare gehören zu den prachtvollsten jemals hergestellten illustrierten Handschriften. Am berühmtesten und künstlerisch wertvollsten dürften die Stundenbücher des Herzogs von Berry (1340–1416) sein, darunter die Très riches heures (Chantilly, Mus. Condé, Ms. 65), die schon bei den Zeitgenossen als ein non plus ultrabibliophiler Kostbarkeit galten.
Kernstücke der Stundenbücher bildeten ein marianisches Offizium und das Totenoffizium. Die Bezeichnung Stundenbuch leitet sich ab von den darin enthaltenen, zu bestimmten Stunden zu betenden Tagzeiten. Ursprünglich beginnend um Mitternacht mit der Matutin, welche aus praktischen Gründen im Laufe der Jahre mit den Laudes um drei Uhr morgens zusammengefasst wurde, betete man im dreistündigen Rhythmus ab sechs Uhr morgens Prim, Terz, die Sext, die Non die Vesper und die Komplet. In Stundenbüchern fanden sich auch Cisiojanus-Merkverse, die bei der Datierung der beweglichen Feste des Kirchenjahres halfen.
Mit dem Beginn der Neuzeit wurden Stundenbücher weiterhin in der Tradition handschriftlich gefertigter Bücher unter Zuhilfenahme einer neuen Technologie, des Buchdrucks, aufwändig produziert. Glanzvolle und berühmte Beispiele, die mit der neuen Technik hergestellten Stundenbücher den bis dahin üblichen handschriftlichen Manuskripten zum Verwechseln ähnlich zu machen, sind u.a. das Horarium secundum usum Romanae curiae von Adriaen van Liesfelt mit Holzstöcken des Druckers Gerard Leeu, das am 22. Juni 1494 in Antwerpen erschien, oder das von Lucantonio Giunta in Venedig am 4. Mai 1506 verlegte Stundenbuch Officium Beatae Mariae Virginis secundum consuetudine romane curie.
Chantilly, Musée Condé, London, British Library, Add. 37421; New York, Metropolitan Museum; Paris, Bibliothèque nationale de France, n.a. lat. 1416; Paris, Louvre, Departement des Arts graphiques, R. F. 1679, M. I. 1093; Paris, Musée Marmottan; Upton House, Lord Bearsted (National Trust)
John Harthan: Stundenbücher und ihre Eigentümer, Stundenbuch von Marschall Jean de Boucicaut, von Giangaleazzo Visconti, Maria von Geldern, Philipp dem Kühnen, Johann ohne Furcht, Philipp dem Guten, Karl dem Kühnen, Maria von Burgund, Isabella Stuart, Peter II., Margarete de Foix, Anne de Bretagne, Lorenzo dei Medici, dem Prächtigen, Deutsche Übersetzung Regine Klett, Herder Verlag 1976. ISBN 3-451-17907-5.
Roger S. Wieck: Time Sanctified. The Book of Hours in Medieval Art and Life; New York: Braziller, 1988; ISBN 0-8076-1189-1 (Ausstellung vom 23. April 1988 bis 17. Juli 1988, Walter Art Gallery, Baltimore, Md.)