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Kaiserdeputation

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Die Kaiserdeputation war die am 30. März 1849 gewählte Abordnung aus 32 Mitgliedern der Frankfurter Nationalversammlung, die am 3. April 1849 dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. in Verfolgung der kleindeutschen Lösung die deutsche Kaiserkrone anbot. Die Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm beendete die Bemühungen der gemäßigten bürgerlichen Kräfte, eine Reichseinigung von unten und eine Verfassung für Deutschland zu erreichen und führte zu einer Radikalisierung der politischen Ereignisse.

Die Kaiserdeputation in einem zeitgenössischen Holzstich

Nationalstaat und Erbmonarchie

Kleindeutsche Lösung

Im Umfeld der als Märzrevolution bezeichneten Unruhen in Deutschland hatte sich bereits am 31. März 1848 in Frankfurt am Main ein sog. Vorparlament getroffen, um die Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung und die Erarbeitung einer Reichsverfassung vorzubereiten. Diese Nationalversammlung trat am 18. Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammen und erarbeitete in der Folge ein Konzept zur Gründung eines deutschen Nationalstaates als Nachfolger des Deutschen Bundes sowie eine zugehörige Verfassung.

Zwar stimmte die Nationalversammlung noch am 27. Oktober 1848 für eine großdeutsche Lösung unter Einbeziehung der deutschen Lande Österreichs, nach der Erklärung Schwarzenbergs zur Unteilbarkeit Österreichs einen Monat später war allerdings klar, dass die Nationalversammlung maximal die staatliche Einheit einer kleindeutschen Lösung, bei der Preußen stärkste Macht war, erreichen konnte.

Erbmonarchie

Das Angebot der Kaiserkrone an Friedrich Wilhelm IV. war dann die konsequente Folge der von der Nationalversammlung in langen Verhandlungen erarbeiteten und am 28. März 1849 verabschiedeten sog. Paulskirchenverfassung. Diese sah als Ergebnis der mit einer Mehrheit von 267 gegen 263 Stimmen von den sog. Erbkaiserlichen um Heinrich von Gagern mit Unterstützung der eigentlich widerstrebenden Fraktion Westendhall um Heinrich Simon gewonnenen Abstimmung vom 27. März ein erbliches Staatsoberhaupt vor, nachdem die gleiche Lösung im Rahmen der ersten Lesung des Verfassungsentwurfs noch verworfen worden war. Hauptgrund für den Stimmungswandel war, dass alle anderen Vorschläge zu einer Wahlmonarchie noch weniger praktikabel waren und ebenfalls keine breite Unterstützung finden konnten. Vier der Stimmen kamen von dem linken Spektrum zuzurechnenden österreichischen Abgeordneten, die damit gegen die restauratorische Politik der österreicheischen Regierung stimmen wollten.

Wahl des preußischen Königs

Am 28. März wurde der preußische König als erbliches Oberhaupt mit 290 Stimmen gegen 248 Enthaltungen und Widerstand vor allem linker sowie süddeutscher und österreichischer Abgeordneter gewählt. Zwar war die preußische Politik und auch Friedrich Wilhelm IV. bei der Mehrheit der Abgeordneten wenig beliebt, auch war vielen Erbkaiserlichen bekannt, dass Friedrich Wilhelm trotz seiner Aussage "Fortan geht Preußen in Deutschland auf" starke Vorurteile gegen die Arbeit der Frankfurter Nationalversammlung hegte, allerdings hatte Friedrich Wilhelm auf Druck der preußischen Regierung am 23. Januar 1849 den deutschen Bundesstaaten mitgeteilt, dass Preußen die Ideen der Erbkaiserlichen akzeptieren würde. Auch hatte Preußen im Gegensatz beispielsweise zu Bayern, Württemberg, Sachsen und Hannover dem Verfassungsentwurf nach der ersten Lesung in einer Stellungnahme zugestimmt.

Haltung Friedrich Wilhelms

Der romatisch veranlagte und politisch wankelmütige Friedrich Wilhelm IV. war jedoch – unabhängig von den politischen Implikationen einer deutschen Einigung – keineswegs bereit, vom Prinzip des Gottesgnadentums grundsätzlich abzuweichen und dieses Angebot anzunehmen. Für ihn war es bereits eine zu weit gehende Niederlage, dass er nach dem Barrikadenaufstand und den folgenden Unruhen 1848 eine preußische Verfassung ankündigen und eine Preußische Nationalversammlung einberufen musste und somit konstitutionell-parlamentarische Einschränkungen seiner Regierungsgewalt zu erwarten hatte. Schon aus grundsätzlichen Erwägungen hatte die Kaiserkrone aus der Hand eines demokratischen Parlaments für ihn nichts mit der deutschen Königs- und Kaiserwürde zu tun, sondern war für ihn ein "imaginärer Reif aus Dreck und Letten". Bereits am 23. Dezember 1848 schrieb er an Joseph von Radowitz:

König Friedrich Wilhelm IV., 1847
"Jeder deutsche Edelmann, der ein Kreuz oder einen Strich im Wappen führt, ist hundertmal zu gut dazu, um solch ein Diadem aus Dreck und Letten der Revolution, des Treubruchs und des Hochverrats geschmiedet, anzunehmen. Die alte, legitime, seit 1806 ruhende Krone deutscher Nation, das Diadem von Gottes Gnaden, das den, der es trägt, zur höchsten Obrigkeit Deutschlands macht, der man Gehorsam schuldet um des Gewissens willen, das kann man annehmen, wenn man in sich die Kraft dazu fühlt und die angeborenen Pflichten es zulassen. Die Krone vergibt aber keiner als Kaiser Franz Joseph, ich und unseresgleichen und wehe dem! der es ohne uns versucht und wehe dem! der sie annimmt [...]"

Am 3. April 1849 empfing der bereits telegraphisch informierte Friedrich Wilhelm die aus 32 Abgeordneten bestehende Deputation in Berlin. Entgegen der von Beginn an illusorischen Hoffnung der Abgeordneten lehnte er die Kaiserkrone ab, da er diese, wie er in seiner Ansprache ausdrückte, nicht ohne "das freie Einverständnis der gekrönten Häupter, der Fürsten und der freien Städte Deutschlands" annehmen könne.

Kurz darauf schrieb er an Ernst August von Hannover:

"von einer eigentlichen Antwort könne notwendigerweise gar nicht die Rede gegenüber dieser Deputation sein. Man nähme nur das an und schlüge nur das aus, was angeboten werden könne. Die Paulskirche aber habe keine Krone anzubieten und ich folglich keine auszuschlagen und anzunehmen. Diese sogenannte Krone sei aber an sich keine Krone, wohl aber ein Hundehalsband, mit dem man mich an die Revolution von 48 ketten wolle"

In seinem Bericht über die Ereignisse an seinen Londoner Gesandten Bunsen schrieb der König:

"Das mach' ich mit meines Gleichen ab; Jedoch zum Abschied die Wahrheit: Gegen Demokraten helfen nur Soldaten."

Am 28. April wurde die Ablehnung schriftlich wiederholt und ausführlich begründet. Die Begründung geht vor allem auch auf die Frage der Haltung der anderen deutschen Fürsten ein, deren Zustimmung, künftig den preußischen König als Kaiser anerkennen zu müssen, tatsächlich nicht ohne Widerspruch zu erwarten war. Darüber hinaus wurde auch die fehlende Möglichkeit des preußischen Königs, noch wesentliche Änderungen der Reichsverfassung vornehmen zu können, moniert.

Wirkung

Die Ablehnung der Kaiserkrone markiert den Punkt des Scheiterns der Märzrevolution in Deutschland und vor allem die Niederlage und Desavouierung der gemäßigten liberalen Kräfte, die durch diese Erniedrigung nicht nur naiv und halbherzig erschienen, sondern deren Konzepte zur deutschen Einigung und zur konstitutionell-parlamentarischen Staatsform durch die Ablehnung endgültig gescheitert waren. Dies führte zum Erstarken der demokratisch-revolutionären Kräfte und hatte eine in der Reichsverfassungskampagne gipfelnde letzte aussichtslose Radikalisierung der Ereignisse und die letztlich durch preußische Truppen herbeigeführte Niederlage der Revolution zur Folge.

Die Deutsche Einigung "von unten", also durch Bürgerwillen und Parlament war damit gescheitert, die Reichseinigung erfolgte erst 1871 "von oben", nachdem Preußen sich im Krieg von 1866 zuvor als Hegemonialmacht einer kleindeutschen Lösung endgültig durchgesetzt hatte.

Mitglieder der Kaiserdeputation

Die Kaiserdeputation bestand u.a. aus Eduard von Simson (Vorsitzender), Ernst Moritz Arndt, Friedrich Daniel Bassermann, Christoph Bauer, Hermann von Beckerath, Georg Beseler, Moriz Adolph Briegleb, Friedrich Christoph Dahlmann, Albert August Wilhelm Deetz, Heinrich von Gagern, Wilhelm Krafft, Ernst Merck, Friedrich von Raumer, Theodor Reh, Gabriel Riesser, Maximilian Heinrich Rüder, Gustav Rümelin, Adolph Schoder, Alexander von Soiron, Gustav Adolf Harald Stenzel, Friedrich Zell.

Literatur

  • Wolfram Siemann: Die deutsche Revolution von 1848/49, (= Neue Historische Bibliothek Bd. 266), Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-11266-X

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