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Familienaufstellung

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Familienaufstellung (auch: Familienstellen) ist die bekannteste Form der sog. Systemaufstellungen und ist ein von Bert Hellinger weiterentwickeltes (siehe Ursprünge), bekannt gemachtes und praktiziertes Verfahren, das inzwischen von zahlreichen Personen angeboten wird, darunter auch Psychologen, Psychotherapeuten und Heilpraktiker.

Über 2300 Familienaufsteller soll es inzwischen im deutschsprachigen Raum geben. Andere Formen der Systemaufstellungen sind: Strukturaufstellungen, Organisationsaufstellungen bzw. Managementaufstellungen.

Ablauf

Der Aufstellende wählt unter den Gruppenmitgliedern Stellvertreter für Vater, Mutter, Geschwister und eventuell weitere Familienmitglieder. Diese versucht er nun jeweils intuitiv "passend" im Raum zu platzieren. Aufgrund der sich entwickelnden Dynamik sollen die so gestellten Stellvertreter sich nach einer gewissen Zeit der Sammlung in der Regel so fühlen wie die von ihnen dargestellten Personen. Die aufgestellten Familienmitglieder - daher der Begriff "Familienstellen" - können nun ihre Gefühle ausdrücken.

Die Gefühle und Verhaltensweisen der "echten" Familienmitglieder werden von den "gestellten Personen" übernommen, da das morphologische Feld wirkt.

Krankmachende "Verstrickungen" mit den Vorfahren und Verwandten und heilsame "Lösungen für die Seelen" der Nachkommen sollen ans Licht kommen, und mit Begleitung des Therapeuten erleichternde und lösende Haltungen und Positionen gefunden werden.

Dabei muss betont werden, dass davon auszugehen ist, dass der Proband die Lösungen seiner Konflikte und Probleme bereits weiß, sie aber durch die Aufstellung aus dem Unterbewußten oder verdrängten Zustand an die Oberfläche des Bewußten bringen kann.

Neben dem Familienaufstellen in einer Gruppe von etwa 20 Menschen gibt es auch alternativ die Möglichkeit, nur mit einem Therapeuten und Symbolen für die einzelnen Familienmitglieder aufzustellen.

Es gibt eine weitere Form, in der der Aufsteller nur eine Person für sich aufstellt und dann die Gruppe interaktiv auf diese Situation reagiert und sich zu der aufgestellten Person hinzustellt. Zwischen den Personen im "Kreis" werden dann Probleme gelöst.

Kritik

Neben der Kritik an der Person Hellingers und der Form des Familienaufstellens, wie Hellinger es praktiziert, wird auch die Methode selbst kritisiert. Kritiker sind der Ansicht, es handele sich um "gefährlichen Hokuspokus". Dass allgemein anerkannte wissenschaftliche Erklärungen für die Effekte (der "repräsentierenden Wahrnehmung"), die bei Aufstellungen beobachtet bzw. wahrgenommen werden können, fehlen, wird auch von Anhängern der Methode nicht verkannt. Das Morphogenetische Feld als theoretisches Erklärungsmodell wurde auf Fachkongressen erörtert.

Kritiker fordern eine wissenschaftliche Überprüfung der Kurzzeittherapie. Es komme bei den Beteiligten oft zu heftigen Erschütterungen, tiefer Verunsicherung bis hin zu Suizidgedanken. Von mindestens einem Menschen wird berichtet, das er sich nach einer Familienaufstellung das Leben genommen hat. Es handele sich um eine "esoterisch durchwaberte Laienspielinszenierung" (Colin Goldner) , vgl. a. soziale Rolle. Sie bemängeln, dass häufig die Kennzeichen seriöser Therapie wie Diagnostik oder Interventionslehre fehlten.

In dem Buch Familienstellen - Therapie oder Okkultismus? (Werner Haas) werden die Effekte von Familienaufstellungen als das Zusammenwirken wohlbekannter psychologischer Mechanismen erklärt. Die den stellvertretenden Rollenspielern angedichtete Fähigkeit, die seelische Wirklichkeit des zur Debatte stehenden (Familien-)Systems wahrheitsgetreu abzubilden, beruhe einerseits auf trivialen menschlichen Fähigkeiten (z. B. Einfühlungsvermögen), andererseits auf Suggestion, Illusion, Manipulation und mangelnder Internalisierung psychologischen Wissens zugunsten vulgärpsychologischer Konstrukte (s. u. Weblinks).

Kritisiert wird auch die mangelhafte Ausbildung zahlreicher Anbieter, die aus dem Bereich Esoterik kommen.

Aus diesem Grund ist es bei der Familienaufstellung wichtig, sich mit Bedacht einen Familienaufsteller zu suchen. Seriöse Anbieter des Familienstellens bieten eine Nachsorge an oder weisen darauf hin, dass man sich an sie oder an einen anderen Psychotherapeuten wenden solle, falls es zu Problemen aufgrund der Familienaufstellung kommen sollte. Zudem weisen sie gewisse charakterliche Fähigkeiten auf. Gerade bei größeren psychischen Problemen ist es sinnvoll, das Familienstellen eingebettet in eine Therapie zu begehen.

Siehe auch

Vergleichbarkeiten

Die historischen "Vorläufer" ähnlicher Aufstellungsformen sind:

  • Psychodrama, Jakob Moreno (1889-1974); österreichischer Arzt, wählte Stellvertreter für die betreffenden Personen eines zu betrachtenden Konflikts;
  • Familienskulptur, Virginia Satir (1916-1988); erkannte die Bedeutung der räumlichen Anordnung bei der Prozessarbeit bzw. für die Bedeutung der Position von Familienmitgliedern.


Familienskulptur: Das Auswählen von "Stellvertretern" ist seit 1969 in der Fachwelt unter dem Begriff Familienskulptur bekannt. Entwickelt wurde die Familienskulptur unter anderem von der amerikanischen Psychotherapeutin Virginia Satir (Palo-Alto-Schule). Satir wollte mit Hilfe dieser Technik den Klienten ermöglichen, Familienbeziehungen ohne Worte darstellen und erkennen zu können. Widersprüche oder Abweichungen zwischen dem, was körperlich gezeigt und dem, was gesagt wird, können reflektiert werden. Da die obligaten Pflichtgefühle vergessen werden, sollte so ein recht reales Abbild der Gefühlsbeziehungen innerhalb der Familie entstehen. Anhand der dargestellten Konstellation kann sich der Therapeut ein Bild von dem sozialen Gefüge machen, in dem der Klient lebt und von dem er beeinflusst wird. Gleichzeitig ist es dem Klienten möglich, innerhalb dieses dargestellten Beziehungsgeflechtes auf sein Verhalten gleich eine Reaktion zu bekommen, die auf der verbalen und gefühlsmäßigen Ebene abgefragt werden kann.

NLP und Hypnotherapie: Während Hellinger selbst mitunter die Kritik entgegengebacht wird, in seinen Aufstellungen eine Sprachgebrauch zu pflegen, der von einem konservativ, patrarchalischen Weltbild geprägt ist, orientieren sich weiterentwickelte Aufstellungsformen (insbesondere systemische Strukturaufstellungen) und Aufsteller mit entsprechenden Zusatzqualifikationen auch an einem Sprachgebrauch, der dem NLP und der Hypnotherapie entnommen ist.

Lösungsfokussiertes Arbeiten/Therapie, (engl.: solution focused therapie, SFT): Elemente der Lösungsfokussiertheit werden sowohl in Familienaufstellungen der hellingerschen Prägung (Begriffe wie: "Lösungsbild" und "Die gute Ordnung" bringen dies zum Ausdruck) als auch in weiterentwickelten Formen wie den systemischen Strukturaufstellungen (z.B.: Zielannäherungsaufstellung) verwendet. In der Aufstellungsarbeit kommen im Allgemeinen sowohl Elemente einer 'Problembetrachtung' und damit einhergehenden Katharsis als auch Elemente ziel- und lösungsorientierten Arbeitens vor.

Literatur

  • Bertold Ulsamer, Ohne Wurzeln keine Flügel. Die systemische Therapie von Bert Hellinger, Goldmann-TB, 1999, ISBN 3442141664
  • Bert Hellinger, Ordnungen der Liebe, München, Droemer Knaur, 2001, ISBN 3426775638
  • Renate Daimler, Insa Sparrer, Matthias Varga von Kibéd, Das unsichtbare Netz, München (Kösel Verlag)
  • Gert Höppner, Heilt Demut - wo Schicksal wirkt? Evaluationsstudie zu Effekten des Familien-Stellens nach Bert Hellinger, Profil, 2001, zugl. Univ. Diss. München, 2001.
  • Werner Haas, Familienstellen - Therapie oder Okkultismus? Das Familienstellen nach Hellinger kritisch beleuchtet. Asanger, 2004.

Siehe auch Systemische Familientherapie, Esoterik