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Keltische Sprachen

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Die keltischen Sprachen sind eine Gruppe von Sprachen, die in Europa gesprochen wurden und werden.

Systematisierung

Die keltischen Sprachen werden von der Sprachwissenschaft den indogermanischen Sprachen zugeordnet; sie sind also mit den germanischen, slawischen, indischen und anderen Sprachen dieser Sprachfamilie verwandt. Früher wurde die keltische Gruppe der italischen Sprachgruppe (z. B. Latein, aber auch das Oskische, das Umbrische und andere) am nächsten gestellt. Man sprach deshalb vom hypothetischen „Italo-Keltischen“ als der Vorstufe von beiden. Diese Hypothese gilt mittlerweile als veraltet, da sie nicht ausreichend belegt werden konnte.

Untergruppen der keltischen Sprachen sind die festlandkeltischen Sprachen und die inselkeltischen Sprachen.

Abgrenzung und Merkmale

Ob es sich beim Keltischen um mehrere Einzelsprachen oder um Gruppen von Sprachen oder Dialekten handelte, ist umstritten, zumal es sich bei der Auftrennung in Einzelsprachen um einen Entwicklungsprozess handelte, der einen längeren Zeitraum beanspruchte. Das Keltische bildete jedoch innerhalb des Indogermanischen eine eigenständige Gruppe, die vermutlich durch eine geographische Trennung von den übrigen gesprochenen Sprachen entstanden war. Wann diese Trennung genau stattfand, ist wohl nicht mehr überzeugend zu rekonstruieren, möglicherweise während der Hallstattzeit ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. Die Merkmale, die das Keltische von den anderen Sprachen unterschieden, sind jedoch weitgehend unumstritten, da sie aus den belegten keltischen Sprachen gut rekonstruiert werden konnten. Alle keltischen Sprachen können auf frühere Sprachstufen zurückgeführt werden, die alle folgenden Merkmale aufwiesen:

  • Wegfall des indogermanischen Lautes */p/: altirisch athir („Vater“) aus indogermanisch *pH2tēr (jedoch Wandel zu /x/ vor Plosiven: altirisch secht („sieben“) aus indogermanisch *septm; in p-keltischen Sprachen wurde später ein „neues“ /p/ aus /kw/ gebildet, im q-keltischen Irischen ist der Laut /p/ nur in Lehnwörtern und Wörtern mit bestimmten Lautkombinationen (z. B. /b/ + /h/ > /p/) vorhanden
  • Umbau des Vokalsystems (lange „Mittelvokale“ /ē/ und /ō/ wurden zu /ī/ bzw. /ā/ oder /ū/ (je nach Position im Wort): gallisch rīx („König“, „Fürst“) aus indogermanisch *rēks; /ē/ und /ō/ wurden aus ererbten Diphthongen neu gebildet
  • Wandel des indogermanischen Lautes /gw/ zu /b/: altirisch („Kuh“) aus indogermanisch *gwous-
  • Wandel der indogermanischen silbentragenden Laute /l/ und /r/ je nach Lautumgebung zu /al/, /li/ oder /lā/ bzw. /ar/, /ri/ oder /rā/.

Die typischen Merkmale der heutigen keltischen Sprachen wie die Anlautmutationen der inselkeltischen Sprachen oder auch die phonemische Palatalisierung in den goidelischen Sprachen sind auf spätere Entwicklungen zurückzuführen. In den belegten festlandkeltischen Sprachen sind diese Entwicklungen nicht (Palatalisierung) bzw. nicht eindeutig (Mutationen) nachweisbar. Diese Merkmale können daher nicht als gemeinkeltisch betrachtet werden.

Ursprüngliche Ausbreitung und Quellen

Die Verbreitung der keltischen Sprachen folgte im Großen und Ganzen der Wanderbewegung der keltischen Völker, Kultur oder Sprache und erreichte dadurch vom Kerngebiet im südlichen Mitteleuropa aus auch die iberische Halbinsel, die britischen Inseln sowie Kleinasien. Von der kontinentalen keltischen Kultur ist aus der Archäologie viel bekannt. Da die Kelten in der frühesten Zeit noch keine Schriftkultur betrieben, ist man jedoch für die Kenntnisse ihrer hypothetischen Ursprache vor allem auf überlieferte Orts- und Personennamen sowie auf Rekonstruktionen aus den überlieferten Sprachen, auch vom Kontinent selbst, angewiesen.

In späterer Zeit hinterließen keltische Sprachen sprechende Volksgruppen hingegen sehr wohl schriftliche Zeugnisse, vor allem als steinerne Inschriften und auf Münzen. Dies geschah aber stets unter dem Antrieb anderer Völker, d. h. der Iberer in Spanien, der Römer in Gallien usw. Zusätzlich liegen griechische und römische Berichte vor, auf die sich die Forschung ebenfalls stützen kann, meist aber vor allem das äußere Erscheinungsbild und die Sitten der „Kelten“ behandelten. Diese werden in solchen Berichten jedoch meist als eine ethnische Einheit behandelt, die sie wahrscheinlich nie bildeten, zudem ist es fraglich, ob bei der Beschreibung fremder Völker immer strikt zwischen einzelnen Sprachgruppen unterschieden wurde, die wiederum mit ethnischen Gruppen nicht immer konform gingen. Die antiken Berichte sind wertvoll, aber mit Vorsicht zu lesen.

Auf dem Festland verschwanden in den ersten Jahrhunderten u. Z. sämtliche keltischen Sprachen vor allem unter dem dominierenden Einfluß des Latein des römischen Reiches sowie durch die Ausbreitung der germanischen Sprachen. Aus frühmittelalterlichen Quellen geht hervor, dass möglicherweise noch im fünften Jahrhundert in der Gegend um Trier von einem Teil der Bevölkerung ein keltischer Dialekt gesprochen wurde. Nur vier festlandkeltische Sprachen sind, zum Teil recht spärlich, überliefert: das Gallische, das Keltiberische, das Lepontische und das Galatische. Von diesen Sprachen weicht das Keltiberische am stärksten ab, die anderen drei Sprachen sind sich relativ ähnlich.

Heutige Verbreitung

Hingegen konnten sich keltische Sprachen auf den britischen Inseln halten. Diese so genannten inselkeltischen Sprachen können in zwei Gruppen unterteilt werden, die britannischen Sprachen und die goidelischen Sprachen. Diese werden häufig auch als p-keltisch und q-keltisch genannt, obwohl diese Zuordnung nicht ganz zutreffend ist. In diese Gruppierungen zerfallen nämlich alle keltischen, nicht nur die inselkeltischen Sprachen.

Die östliche inselkeltische Gruppe, das Britannische oder auch Brythonische, umfasst das heutige Bretonische, das Kornische, das weitgehend unbekannte und nur mit wenigen Wörtern überlieferte Kumbrische in Nordengland sowie das Walisische (oder Kymrische). Auch die Sprache der Pikten, die nur aus Ortsnamen Nordost-Schottlands bekannt ist, gehörte möglicherweise dieser Gruppe an. Eine gemeinsame Vorstufe dieser Sprachen ist nicht belegt, doch die frühmittelalterlichen britannischen Sprachen waren sich so ähnlich, dass man sich vielleicht ohne weiteres verstanden hat. Das Bretonische, das heute noch in der Bretagne gesprochen wird, gelangte infolge der angelsächsischen Eroberung der Britischen Inseln über Fluchtbewegungen von Cornwall nach Nordfrankreich und gehört daher zu den inselkeltischen Sprachen obwohl es heute auf dem Festland gesprochen wird. Die kornische Sprache ist seit dem 18. Jahrhundert ausgestorben, wird aber mittlerweile wieder von etwa 1.000 Menschen gesprochen (davon von 250 bis 300 fließend; Quelle: SGRÙD-Report 2000), während das Walisische mit ca. 500.000 Sprechern noch relativ stark verbreitet ist. Das Bretonische wird nach neuen Schätzungen (Broudig 1999) von ca. 250.000 Menschen gesprochen.

Die westliche inselkeltische Gruppe, das Goidelische, besteht aus dem Altirischen und den drei davon abgeleiteten modernen Sprachen, dem Irischen, dem Schottisch-Gälischen (selten – nach dem Scots-Begriff Erse – als „Ersisch“ bezeichnet) sowie dem Manx. Gälisch kam im frühen Mittelalter nach Schottland, im Zuge einer Expansion aus dem Norden Irlands (durch den Stamm der Dál Riata), die zum Untergang des piktischen Königreichs führte.

Heutige Sprachsituationen

Die Republik Irland bemüht sich, die irische Sprache (die wie alle goidelischen Sprachen auch „Gälisch“ genannt wird) zu erhalten. Schätzungen der Sprecherzahlen schwanken stark zwischen knapp 10.000 und 70.000. In Nordirland wird das Irische seit den 50er Jahren nicht mehr als Mutter- oder Erstsprache gebraucht, jedoch besitzt es dort eine starke identifikatorische und politische Bedeutung.

Weniger staatliche Unterstützung erhält das Schottisch-Gälische, das von offiziell 60.000 Personen gesprochen wird, wovon möglicherweise aber nur 20.000 Personen die Sprache auch täglich verwenden. Gälisch wird vereinzelt auch in Neuschottland (Kanada) gesprochen. Der letzte traditionelle Sprecher (nicht Muttersprachler, da er die Sprache zwar als Kind, aber erst nach dem Englischen gelernt hatte) des Manx, Ned Madrell, starb in hohem Alter im Jahre 1974, doch wird die Sprache in den Schulen fakultativ unterrichtet.

Allen keltischen Sprachen ist in verschiedenem Maße gemeinsam, dass die Alters- und Sozialpyramiden ihrer Sprecher sehr ungünstig gestaltet sind. Dies bedeutet, dass sie vorwiegend von älteren Leuten gesprochen werden, die zudem häufig aus niederen sozialen Schichten stammen. In Irland wird dies jedoch wenigstens zum Teil durch einen hohen Anteil von Nichtmuttersprachlern mit guten oder sehr guten Irischkenntnissen ausgeglichen, und auch in Wales trifft dieser Umstand nur bedingt zu. Gerade in Wales sorgt das Schulsystem (vielfach Unterricht auf Walisisch, nicht nur Walisisch als Fremdsprache) jedoch wieder für eine stärkere Verbreitung von Walisischkenntnissen in jüngeren Altersgruppen.

Auswirkungen auf andere Sprachen

Verschiedene europäische Sprachen wurden von keltischen Sprachen auf unterschiedliche Weise beeinflusst. Dieser Einfluss war zwar beschränkt, aber auch nicht zu unterschätzen. Dabei muss zwischen den Auswirkungen der altkeltischen Sprachen einerseits und den späteren Auswirkungen der inselkeltischen Sprachen andererseits unterschieden werden. Die Auswirkungen können zudem in reine Lehnwörter, Orts- und Gewässernamen sowie allgemeinere Einflüsse (Syntax, Phonetik usw.) unterteilt werden.

Da im Laufe der Zeit weite Teile Mittel-, Süd- und Westeuropas von Volksgruppen mit keltischen Sprachen besiedelt wurden, sind Überbleibsel aus diesen Sprachen in vielen Sprachen dieser Regionen zu finden.

Am häufigsten finden sich Ortsnamen, die auf keltische Ursprünge zurückzuführen sind. Dazu zählen z. B. die meisten maskulinen Flussnamen in Süddeutschland, die Flussnamen Rhône und Seine (letzterer aus Gallisch *sequan-) sowie Städtenamen wie Lyon (aus *Lugu-dunom, „Festung des (Gottes) Lugos“) und Verdun (aus *ver(o)-dunom, „oben gelegene Festung“).

Direkt aus einer keltischen Sprache (wahrscheinlich dem Gallischen) entlehnt sind die deutschen Begriffe „Amt“, „Eisen“ und „Reich“ (bzw. das Adjektiv „reich“): sie stammen aus *ambaktos „Höriger, Dienstmann“ (eigentlich: „derjenige, der herumgetrieben wird“), *isarno- und *rigjom „das zum König (rix) gehörige“). Erst am Ende des Altertums wurde über das Provinzlatein Galliens die griechisch-gallische Mischform para-veredus „Beipferd zum Postpferd“ entlehnt, vgl. dt. Pferd.

Eine interessante Entwicklung hat das keltische Wort *karros („Wagen“) genommen. Zunächst gelangte es als carrus ins Lateinische, über dieses in die romanischen Sprachen, später aus diesen in verschiedene andere Sprachen, u. a. ins Deutsche („Karre, Karrosse“) und über das Englische auch ins Irische, also wiederum in eine keltische Sprache (carr, „Auto“, neben der Eigenbildung gluaisteán, eigentl. etwa „Beweger“).

Die Auswirkungen auf den Wortschatz der verschiedenen romanischen Sprachen sind vergleichsweise gering. Alle in Frage kommenden Wörter gingen zunächst ins Provinzlatein Galliens über, so zum Beispiel *ivosEibe“, vgl. franz. if und verschiedene andere Ausdrücke meistens aus Flora und Fauna.

Die Auswirkungen der heute existenten inselkeltischen Sprachen sind recht gering, werden jedoch meist auch unterschätzt. Lehnwörter in anderen Sprachen gibt es relativ wenige. Zu diesen zählen, um nur einige zu nennen, Whisk(e)y (aus ir.-schott. uisce (beatha), „Wasser des Lebens“; vgl. frz. eau de vie mit der gleichen Bedeutung) sowie die Ausdrücke galore („viel, massenhaft“; aus schottisch-gälisch gu leor, „viel, zahlreich“ – wahrscheinlich das einzige im Englischen nachgestellte Adjektiv) und smashing („großartig, toll“; wohl aus irisch is maith sin, „das ist gut“). Ins Deutsche sind Ausdrücke aus keltischen Sprachen nur über Vermittlung anderer Sprachen, meist des Englischen gelangt. Neben dem Whisk(e)y zählt dazu das Wort Flanell. Dieses stammt ursprünglich von einer bestimmten grammatischen Form des walisischen Wortes für „Wolle“ ab: wlanen /wlanen/, von gwlân /gwla:n/, mit leniertem Initiallaut /g/ und Singularsuffix -en. Im Englischen wurden das auslautende -n und das -n- im Inlaut dissimiliert und die Endung ergab -l.

Weiterhin hatten alle inselkeltischen Sprachen starke Auswirkungen auf die jeweilige regionale Aussprache und Syntax der größeren Nachbarsprachen. Dafür ist insbesondere das Hiberno-Englische bekannt. Durch den Einfluss des Bretonischen wurde jedoch z. B. auch die Betonung der regionalen Variante des Französischen von der letzten auf die vorletzte Silbe verschoben (also wie im Bretonischen).

Diskutiert werden weiterhin allgemeinere Einflüsse wie das auf der 20 basierende Zählsystem in den inselkeltischen Sprachen, im Französischen sowie in Ansätzen im Englischen (score, „20“). Die Vermutung liegt nahe, dass dieses System aus den keltischen Sprachen stammt, da es in allen inselkeltischen Sprachen vorhanden ist bzw. war. Außerdem ist die Verlaufsform des Englischen (I am a-going, I am going) ein möglicher Kandidat für einen inselkeltischen Ursprung. Diese Verlaufsform ist ebenfalls in allen inselkeltischen Sprachen vorhanden: Irisch Tá mé ag dul („bin ich am Gehen“), Walisisch Rydw i'n mynd („bin ich am Gehen“) usw. Möglicherweise sind auch parallele Bildungen im Französischen und in den rheinischen Dialekten (indirekt) auf diese Weise entstanden.

Übersicht

P-keltische Sprachen sind die britannischen Sprachen sowie Gallisch, Lepontisch und Galatisch.

Q-keltische Sprachen sind die goidelischen Sprachen und das Keltiberische.