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Maurice Merleau-Ponty

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Datei:Merleau-Ponty.jpg
Zeichnung von Maurice Merleau-Ponty

Maurice Merleau-Ponty (* 14. März 1908 in Rochefort-sur-Mer; † 3. Mai 1961 in Paris) war ein französischer Philosoph und Phänomenologe.

Leben

Merleau-Ponty wurde katholisch erzogen und war schon früh von der Philosophie begeistert. Er wurde ab 1926 mit Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Jean Hyppolite bekannt.

1930 legt er seine Agrégation in Philosophie ab. Er wird dabei vor allem durch Leon Brunschvicgs und Henri Bergsons Schriften beeinflusst. Aber auch Emile Bréhier und Jean Laporte prägen ihn. Von 1931-1935 wird Merleau-Ponty Lehrer in Beauvais und Chartres. Danach folgt 1935-1939 eine Arbeit als Repetitor an der Ecole Normale Supérieure. In dieser Zeit 1935-1937 arbeitet er auch an der Zeitschrift »Esprit« mit und hört 1935 Hegel-Vorlesungen bei Alexandre Kojève und beginnt mit dem Studium von Karl Marx.

Von 1939-1940 arbeitet Merleau-Ponty als Lehrer der Philosophie in Paris und promoviert endlich 1945. Danach schließt sich eine Universitätslaufbahn in Lyon an. Von 1949-1952 arbeitet er als Professor für Kinderpsychologie und Pädagogik an der Sorbonne. 1952 wird Merleau-Ponty Professor für Philosophie am Collège de France.


Philosophisches Werk

Merleau-Ponty ist neben Paul Ricoeur, Jean-Paul Sartre, Gabriel Marcel, Emmanuel Lévinas und Aron Gurwitsch einer der wichtigster Vertreter der französischen Phänomenologie.

Aufgrund seiner engen Bindung zu Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir wird er oft für einen Existenzialisten gehalten, wobei hier zu bemerken ist, dass der Existentialismus zwar in das Werk Merleau-Pontys einfließt, er aber wohl wegen seiner eher vorsichtigen Ablehnung einer Bestimmung der Existenz als absolut oder isoliert, dieser philosophischen Richtung nicht zugeordnet werden kann. Trotz aller Unterschiede, sind viele seiner phänomenologischen Analysen mit denen z.B. Jean Paul Sartres deckungsgleich.

Merleau-Pontys Philosophie lässt die Phänomenologie in einen intensiven Dialog mit den Denkstilen des Strukturalismus, der Gestalttheorie, Psychologie und verschiedenen philosophischen Denktraditionen eintreten. Der Schwerpunkt seiner äußerst vielfältigen und weit ausspannenden denkerischen Arbeiten ist dabei die Rolle des Leibes, als den der Mensch sich selbst und die Welt erfährt.


Philosophische Grundgedanken

Nach intensiver Auseinandersetzung mit Husserl und dessen Assistenten und Schüler Heidegger, bietet Merleau-Ponty einen "Dritten Weg" zur Erhellung des fundamentalen Zusammenhangs von Dasein und Welt an, indem er die grundlegende Verfaßtheit des Subjekts nicht in der Intentionalität seines Bewußtseins wie Husserl sah und auch nicht in seinem Sein als Dasein im Sinne Heideggers, sondern in seiner Leiblichkeit, die er in einem oszillierenden Gespräch zwischen Empirismus und Intellektualismus herausarbeitet. Die aus ihr zu verstehende ursprüngliche Welterfahrung setzt er gegen das weltliche Sein des Daseins bei Heidegger und gegen die Konstitution der Welt bei Husserl, die er als eine nachträgliche Rekonstruktion ansah und weit von einer phänomenologischer Deskription entfernt sah. Insbesondere an dieser Stelle zeigt sich die positive kritische Erweiterung der Phänomenologie durch Merleau-Ponty. Wichtigste Erkenntnis, die er von Husserl übernimmt und konsequent weiterführt, ist die Unmöglichkeit der vollständigen Reduktion. Wichtige Begriffe der Philosophie Merlau-Pontys und für deren Verständnis konstitutiv sind

die von dem Philosophen in der spezifischen Bedeutung der Phänomenologie Husserl gebraucht werden. Insbesondere die Ambiguität erweist sich als problematischer Begriff, den Merleau-Ponty in seinem späteren Denken noch einmal in eine gute und eine schlechte Ambiguität unterscheidet. Merleau-Ponty greift den von Husserl geprägten Begriff der fungierenden Intentionalität auf, die sich hinter der bewußten Ausrichtung auf Gegenstände vollzieht. Sie bleibt der Selbstreflexion des Ich lange verborgen, da sie Bedingung der Möglichkeit von Selbstreflexion ist. Demnach ist die fungierende Intentionalität eine fundamentale, der Natur des Menschen immanente Voraussetzung auch für die Intentionalität des Bewußtseins.


Ambiguität

Leib

Intentionalität

Philosophische Hauptwerke

Insbesondere in der "Struktur des Verhaltens" und der "Phänomenologie der Wahrnehmung" unternimmt Merleau-Ponty den Versuch die klassischen Dichotomien von Geist und Leib, Intellektualismus und Objektivismus zu überwinden. In "Das Sichtbare und das Unsichbare", einer posthum veröffentlichten Sammlung von Texten Merlau-Pontys, tritt der wahrnehmende Leib als zentraler Gedanken zurück.


Struktur des Verhaltens

Phänomenologie der Wahrnehmung

Die Phänomenologie der Wahrnehmung gilt als das Hauptwerk des Philosophen. In diesem werden die grundlegenden Konzepte einer Phänomenologie der Wahrnehmung in Auseinandersetzung mit Empirismus und Intellektualismus phänomenologisch entwickelt. Dabei geht Merleau-ponty von den grundlegenden Empfindungen aus, geht weiter über den Leib als wahrnehmendes Wesen und wendet sich dann der wahrgenommen Welt zu. Im dritten Teil finden die zuvor gemachten Überlegungen und Untersuchungen ihre Synthese in der betrachtung der Freiheit, Zeitlichkeit und dem Cogito.


Empfindungen


Leib


Welt


Cogito

Das Sichtbare und das Unsichtbare

Spätphilosophie

In der Spätphilosophie wird der Ansatz radikalisiert. Statt des Leibes tritt das "Fleisch", von Merleau-Ponty "chair" genannt, in den Mittelpunkt, wobei hier der Bergiff "Fleisch" ausdrückt, dass der Philosoph auf der Suche nach einer ursprünglichen, nicht vermittelten Erfahrung ist. Auch hier tritt, insbesondere in dem Werk "Das Sichtbare und das Unsichtbare", die Motivation Merlau-Pontys zu Tage, "der noch Stummen Erfahrung Ausdruck zu verleihen".


Wirkung

Im Gegensatz zu seinem berühmten Kollegen Jean Paul Sartre, hat Merleau-Ponty nie dessen Breitenwirkung erreicht. Sein Denken ist im wesentlichen auf den universitären Kontext bezogen, nicht zuletzt wegen der komplexen Theamtik und dem sich schwer zu erschließenden Denken. In letzter Zeit nimmt die Rezeption Merleau-Pontys in Bereichen zu, die sich thematisch mit der Leib-Seele Dualismus auseinandersetzen. Hier wären insbesondere therapeutische Richtungen wie die Gestalttherapie zu nennen. Interessante Berührungspunkte gibt es mit dem Philosophen Michel Foucault im Bereich der Körperdisziplinen. Über diesen Denkzweig gibt es auch weitere Verbindungen zur Feministischen Philosophie. Merleaus-Ponty Philosophie ist weiter Grundlage für die Wahrnehmungstheorie von Alva Noe und Kevin O'Regan. Ihrer Ansicht nach begründet sich die spezielle Erfahrung, die wir mit einer bestimmten Sinnesmodalität assoziieren, nicht auf der Aktivierung bestimmter Gehirnareale, sondern wird ausschliesslich durch die Systematizität der Veränderung des Stimulus durch die eigene Aktivität bestimmt. In diesem Kontext wird eine Modalität zu einer bestimmten Art und Weise, die Umwelt aktiv zu erforschen und ist nicht an einen bestimmten Sinnesapparat gebunden.

Politisches Engagement

Werke

  • Die Struktur des Verhaltens. Walter de Gruyter Verlag, Berlin, 1976
  • Phänomenologie der Wahrnehmung. Walter de Gruyter Verlag, Berlin, 1966
  • Humanismus und Terror. Athenäums Tb, Hain, Frankfurt, 1990
  • Sinn und Nicht-Sinn. W. Fink, München, 2000
  • Die Abenteuer der Dialektik. Suhrkamp, Frankfurt a.M., 1995
  • Das Sichtbare und das Unsichtbare. W. Fink, München, 1994
  • Das Auge und der Geist. Philosophische Essays. Felix Meiner, Hamburg, 1984
  • Vorlesungen I. Schrift für die Kandidatur am Collège de France. Lob der Philosophie. Vorlesungszusammenfassungen (Collège de France 1952-1960). Die Humanwissenschaften und die Phänomenologie. de Gruyter Verlag, Berlin, 1973
  • Die Prosa der Welt. W. Fink, München, 1993
  • Keime der Vernunft. Vorlesungen an der Sorbonne 1949–1952. W. Fink, München, 1994
  • Die Natur. Aufzeichnungen von Vorlesungen am Collège de France, 1956-1960, W. Fink, München, 2000

Literatur

  • Christian Bermes: Maurice Merleau-Ponty zur Einführung, Junius, Hamburg 2004, ISBN 3-88506-399-9
  • Regula Giuliani: Merleau-Ponty und die Kulturwissenschaften, Fink, München 2000, ISBN 3-7705-3478-6
  • Alexandre Métraux, Bernhard Waldenfels (Hrsg.): Leibhaftige Vernunft. Spuren von Merleau-Pontys Denken, Fink, München 1986, ISBN 3-7705-2315-6
  • Bernhard Waldenfels: Phänomenologie in Frankreich, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-518-28244-1
  • Bernhard Waldenfels: In den Netzen der Lebenswelt, Suhrkamp, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-518-28145-3