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Geflügelpest

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Die Geflügelpest, auch als aviäre Influenza, Vogelgrippe und seit 1981 als Hochpathogene Influenza-Virus-Infektion (HPAI) bezeichnet, ist eine durch Viren hervorgerufene anzeigepflichtige Tierseuche, von der Hühner, Puten, Gänse, Enten, wildlebende Wasservögel und andere Vögel betroffen sind. Bei einer Infektion mit den aggressiveren Virusstämmen führt sie meist zum Tod der betroffenen Vögel, wenn sie nicht zu den Reservoirwirten gehören. Einige Varianten der Geflügelpest-Viren, insbesondere die Variante A/H5N1, sind in Einzelfällen auf Menschen und Zootiere wie Leoparden übertragen worden.

Die Geflügelpest wurde erstmals 1878 in Italien beobachtet. Nach wiederholten Ausbrüchen in den 1930er Jahren in Europa, Amerika und Asien tauchte das Virus erst 1983 erneut auf; in Irland und den USA wurden damals Millionen Vögel getötet. Einen weiteren Ausbruch gab es 1992 in Mexiko und 1997 in Hongkong.

Erreger

Der Erreger der Klassischen Geflügelpest (KP) ist ein als hoch pathogenes Aviäres Influenzavirus (HPAIV) bezeichnetes Influenza-Virus (also Grippevirus) und damit ein behülltes Einzel(-)-Strang-RNA-Virus [ss(-)RNA] aus der Familie der Orthomyxoviren. Bei diesen Influenzaviren gibt es vier Gattungen: Influenza-A, Influenza-B, Influenza-C und das Thogotovirus. Vögel werden nur von Influenza-A-Viren und deren Varianten bzw. Subtypen befallen.

aviäres Influenzavirus (HPAIV), elektronenmikroskopische Aufnahme

Subtypen

Durch ständige Genveränderungen entstehen laufend neue Varianten der Grippeviren. Diese werden nach bestimmten Oberflächeneigenschaften in Subtypen eingeteilt. Zur genauen Erläuterung der Variabilität der Erreger siehe unter Influenza. Bisher wurden 15 H-Untertypen und 9 N-Untertypen erkannt. Typ A/H5N1 etwa hat auf seiner Oberfläche die 5. Variante des Hämagglutinins (H5) sowie die 1. Variante der Neuraminidase (N1). Diese Untertypen befallen üblicherweise jeweils nur bestimmte Wirte, während sie von einer weiteren Anzahl an Infektionsvektoren verbreitet werden können, ohne dass diese Tiere erkranken.

A/H5N1

Dieser Subtyp gilt als besonders aggressiv (HPAI, High Pathogenic Avian Influenza). Ein verändertes Nichtstruktur-Gen führt bei ihm dazu, dass bestimmte Botenstoffe des Immunsystems, welche normalerweise Viren abwehren, keine Wirkung mehr gegenüber dem A/H5N1-Subtyp erzielen. Deshalb tötet er befallene Vögel, die nicht zu seinem Virusreservoir gehören, sehr schnell und wird von Wissenschaftlern wegen seiner pathogenen Eigenschaften auf Interdependenzen mit anderen Stämmen und Überschreitungen der Artenbarriere aufmerksam beobachtet.

Datei:H5N1.JPG
elektronenmikroskopische Aufnahme von H4N1 (Virus ist golden angefärbt)

A/H7N2

Bei einer Epidemie in den USA 2002 wurde dieser Virussubtyp auch auf einen Menschen in Virginia übertragen sowie 2003 auf eine Person in New York.

A/H7N3

In Nordamerika wurde die Ausbreitung dieses Subtyps mehrmals bestätigt. Zuletzt im April 2004 wurden 18 Farmen in British Columbia unter Quarantäne gestellt und 2 Fälle von Übertragung auch auf Menschen dokumentiert.

A/H7N7

Zuletzt 2003 wurden in den Niederlanden auch 89 Infektionen von Menschen mit diesem (HPAI, High Pathogenic Avian Influenza) Subtyp bestätigt. Ein Fall verlief tödlich.

A/H9N2

Dieser Subtyp wurde bislang auch beim Menschen nur in einer niedrig pathogenen Form (LPAI, Low Pathogenic Avian Influenza) von Peiris et al. 1999 isoliert und dokumentiert. Bei drei Fällen in Hongkong und China (1999, 2003) erholten sich die Patienten von dieser influenzaähnlichen Infektion.

Übertragung

Die Geflügelpest kann alle Vogelarten infizieren. Als natürliches Reservoir für das Virus gelten wild lebende Enten und andere Wasservögel, die jedoch in der Regel nicht schwer erkranken, denn das Virus hat sich ihnen angepasst. Es benötigt diese Reservoirwirte für seine Vermehrung. Stärker gefährdet sind vor allem Hühner und Puten, aber auch Fasane, Wachteln, Perlhühner und Wildvögel. Wanderwasservögel, See- und Küstenvögel sind weniger anfällig zu erkranken. Sie sind jedoch Vektoren und ihr Wanderverhalten trägt zur weiten geografischen Verbreitung bei. Tauben sollen zwar selbst nicht sehr empfänglich für das Vogelgrippevirus sein, es wird jedoch befürchtet, dass sie die Erreger als mechanische Vektoren im Gefieder verbreiten. So wurde vom nordrheinwestfälischen Landesumweltministerium während einer grassierenden Geflügelpest im Jahre 2003 ein Taubenflugverbot ausgerufen.

Säugetiere sind weniger empfänglich für das Virus, werden aber - wie zum Beispiel Hausschweine - gelegentlich infiziert. Katzen gelten als Infektionsvektoren. Aus Thailand wurde berichtet, dass in zwei Zoos Tiger und Leoparden nach dem Verzehr von infiziertem Geflügel an A/H5N1 starben.

Grundsätzlich beobachtet man die gleichen Infektionswege wie bei anderen Influenzaviren. Die Viren verbreiten sich durch Tröpfcheninfektion über die eingeatmete Luft oder über Kotpartikel an der Kleidung und Geräten. Viren können im Gegensatz zu Bakterien in einem inaktiven Stadium Jahrzehnte überdauern um sich anschließend zu reaktivieren. Nach bisherigen Erkenntnissen ist eine Übertragung über durchgegarte Geflügel- und andere Fleischprodukte ausgeschlossen.

Symptome

Erkrankte Vögel bekommen Fieber, Atembeschwerden und Durchfall. Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen sind fast alle Tiere im Hühnerstall infiziert. Sie legen keine Eier mehr und sterben nach kurzer Zeit.

Ausbrüche der Krankheit in jüngerer Zeit

Datei:VogelgrippeWelt.png
Ausbreitung der aviären influenza Typ H5 in Asien im Jahr 2005

In Asien und Sibirien

Große Ausbrüche der Krankheit gab es seit 1997 wiederholt bei Nutztieren in Südost- und Ostasien, u.a. im Dezember 2003 in südkoreanischen Geflügelbeständen. Seit 2005 wurden zudem wiederholt größere Ausbrüche unter frei lebenden Vögeln beobachtet. Vogelzüge werden auch dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Seuche im Jahr 2005 in Südostasien weiträumig ausbreiten konnte.

In der Tierhaltung

Am 26. Mai 2005 berichtete die Fachzeitschrift Nature, dass offizielle Stellen in Indonesien A/H5N1 in Schweinen nachgewiesen haben und befürchten, das Virus könne in einigen Teilen des Landes die Hälfte aller Schweine infizieren, ohne bei ihnen Krankheitssymptome auszulösen. Infizierte Schweine stellen eine besondere Gefahr dar, da sie sich auch mit dem menschlichen Grippevirus infizieren können und in ihnen dann neue, noch gefährlichere Virusstämme aus der Vermischung des Erbguts beider Varianten entstehen könnten. Schweine haben daher das Potenzial vom biologischen zum genmolekularen RNA-Vektor zu werden. Zuvor hatte es bereits aus China Berichte über H5N1-Funde in Schweinen gegeben (Nature 2004, Band 430, S. 955).

Im Sommer 2005 haben Robert Webster vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis (USA) und seine Forscherkollegen aus Asien festgestellt, dass der Subtyp A/H5N1 die Hausenten in Asien inzwischen weniger stark erkranken lässt als noch vor Jahren. Damit bestehe die Gefahr, dass diese Hausenten als neue Reservoirwirte zu einem Sammelbecken für A/H5N1-Varianten werden und sie somit auch die Erreger auf andere Tierarten und den Menschen zunehmend übertragen können, denn sie scheiden die Viren ungewöhnlich lange über Kot und Atemwege aus.

Nach Angaben des indonesischen Landwirtschaftsministeriums hat sich A/H5N1 bis Mitte September 2005 in mindenstens 22 der 33 Provinzen des Landes ausgebreitet. Seit Ende 2003 verendeten in diesem Land mehr als 16 Millionen Stück Federvieh daran oder wurden notgeschlachtet. Ein Sprecher der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) erklärte am 22. September 2005, das Virus sei in Indonesien mittlerweile endemisch geworden und breite sich weiter aus.

Am 7. Oktober 2005 berichtete zunächst der schweizerische Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID) und später auch andere Quellen von einem weiteren, besonders dramatischen Ausbruch der Vogelgrippe in Russland. Betroffen war ein Betrieb in der Region Kurgan im südlichen Sibirien mit rund 460.000 Vögeln.

Unter frei lebenden Tieren

Im Mai 2005 wurde ein A/H5N1-Ausbruch bei Zugvögeln in der Provinz Qinghai, Volksrepublik China bekannt. Dort waren nach offiziellen Angaben im Frühjahr 2005 mehr als 6000 tote Zugvögel unterschiedlicher Arten aufgefunden worden (New Scientist vom 9. Juli 2005, S. 14). Nature vom 2. Juni 2005 zitierte sogar chinesische Quellen, die von mehreren Dutzend erkrankten und gestorbenen Menschen berichteten. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hatte diese Berichte zwar umgehend dementiert, zugleich aber eingeräumt, dass die Krankenhäuser der Region "spezielle Ambulanzen für fiebernde Patienten" eingerichtet hätten. Genetische Untersuchungen der Viren aus Qinghai erlauben den Schluss, dass die Zugvögel sich sehr wahrscheinlich in Südchina infizierten. Tests an Mäusen haben ergeben, dass die Qinghai-Variante von A/H5N1 für Menschen als ähnlich gefährlich einzuschätzen ist, wie die aus Vietnam und Thailand bekannten Varianten (Nature vom 7. Juli 2005).

  • Im Juni 2005 wurden in der westchinesischen Provinz Xinjiang mehrere Geflügelbestände mit H5N1 infiziert.
  • Ende Juli 2005 wurde H5N1 in Geflügelbeständen in Sibirien (Region Nowosibirsk) und in Kasachstan nachgewiesen. Als Infektionsweg wurde eine Übertragung durch Zugvögel genannt, als Folge einer gemeinsamen Gewässernutzung von Wild- und Zuchtgeflügel. Anfang August 2005 wurden an zwei Seen im Norden der Mongolei (etwas 350 Kilometer südlich des Baikalsees) verendete Wildvögel gefunden, bei denen später gleichfalls H5N1 nachgewiesen werden konnte. Zur gleichen Zeit wurde ein Ausbruch von A/H5N1 bei Geflügel in Tibet gemeldet.
  • Am 16. August 2005 gab das russische Katastrophenschutzministerium in Moskau bekannt, dass der in der Stadt Tscheljabinsk im Ural bei Zugvögeln entdeckte Erreger A/H5N1 sei. Von China aus hatte sich der Erreger über Nowosibirsk, Tjumen, Omsk, Kurgan und Altai nach Tscheljabinsk ausgebreitet, das rund 1000 Kilometer von Nowosibirsk entfernt liegt. Experten befürchten nun eine weitere Ausbreitung Richtung Europa, sobald die Zugvögel der Kälte des kommenden Winters in Sibirien nach Westen ausweichen.

In Europa

In Europa war die Seuche in jüngerer Zeit um den 3. März 2003 bei 13 Geflügelbetrieben in den Niederlanden ausgebrochen, nachdem sie in den 1980er Jahren in den USA und in Irland aufgetreten war. Am 20. April 2003 waren bereits trotz eingeleiteter Bekämpfungsmaßnahmen weit über 200 Betriebe betroffen. Über 14 Mio. Tiere wurden notgeschlachtet, davon 84.000 in Deutschland (Nordrhein-Westfalen). In den Niederlanden starb ein infizierter Veterinärmediziner.

Die Leiterin des deutschen Referenzlabors für Vogelgrippe am Friedrich-Loeffler-Institut, Ortrud Werner, wurde am 15. September 2005 von der Nachrichtenagentur dpa dahingehend zitiert, dass die von Zugvögeln ausgehende Gefahr, A/H5N1 nach Westeuropa einzuschleppen, von Experten als gering eingeschätzt werde. Die Ausbreitung der Vogelgrippe nach Russland sei eher über den Tierhandel als über den Vogelzug erfolgt. Auch für Westeuropa gehe die größte Gefahr vom illegalen Import infizierter oder erkrankter Tiere aus. Man wisse aus China und der Mongolei, dass infizierte Tiere rasch erkranken und zeitnah sterben. Bei klinisch gesunden Wildvögeln, die in der Lage seien, einen längeren Vogelzug zu überstehen, sei das Virus bisher nicht nachgewiesen worden. Diese Einschätzung steht allerdings in Widerspruch zu den Aussagen asiatischer Experten, die die Ausbreitung der H5N1-Viren in Südostasien mit Vogelzügen in Verbindung gebracht haben.

  • Am 7. Oktober 2005 wurde aus Rumänien bekannt, dass bei 3 im September verendeten Hausenten aus der Ortschaft Ceamurlia de Jos im Verwaltungskreis Tulcea im Donaudelta Antikörper gegen das Virus festgestellt worden waren. Am 15. Oktober 2005 wurden von einem Referenzlabor in London A/H5N1-Viren definitiv nachgewiesen. Schon am 14. Oktober 2005 hatten rumänische Behörden einen weiteren Verdachtsfall von Vogelgrippe bekannt gegeben, und zwar in der Nähe des ersten Auftretens, im Donaudelta-Dorf Maliuc, gelegen am Donauarm Sulina. Betroffen sei dort ein dort verendetes Huhn und ein Schwan. Am 21. Oktober 2005 wies ein Bukarester Labor Vogelgrippeviren außerhalb des Donaudeltas bei einem verendeten Fischreiher in der ostrumänischen Ortschaft Bogdanesti (Kreis Vaslui) nach, am Ufer des Flusses Prut an der Grenze zu Moldawien. Die Ergebnisse von Tests zur genaueren Typologisierung stehen noch aus.
  • Am 8. Oktober 2005 wurde bekannt, dass im Nordwesten der Türkei in der Provinz Balikesir rund 2000 Puten an der Vogelgrippe verendet waren. Als Übertragungsweg wurden Zugvögel genannt. Nach Angaben der EU vom 13. Oktober 2005 konnte A/H5N1 zweifelsfrei nachgewiesen und eine direkte Verwandtschaft mit den aus Russland, der Mongolei und China bekannten Virenfunden festgestellt werden.
  • Am 17. Oktober 2005 berichteten Experten der Universität Athen, dass man Antikörper gegen Vogelgrippe bei einem Truthahn festgestellt habe. Das Tier stamme von der Chios vorgelagerten Insel Oinousses in der Ost-Ägäis, die nur zwei Kilometer von der türkischen Küste entfernt ist. Ob es sich auch in diesem Fall um H5N1 handelt, wird derzeit in Labors untersucht.
  • Nach Angaben der EU-Kommission vom 19. Oktober 2005 gibt es auch in Mazedonien einen ersten Vogelgrippe-Verdachtsfall sowie einen Ausbruch in der russischen Region Tula, rund 300 Kilometer südlich von Moskau.
  • Am 22. Oktobober 2005 wurde in Kroatien in der Nähe des Ortes Zdenci bei mehreren wilden verendeten Schwänen das Virus H5 fesgestellt. Daraufhin verhängte die EU ein Importverbot für Geflügel aus Kroatien.

Bekämpfung

Bei Ausbrüchen der Geflügelpest in der Tierhaltung wird regelmäßig der gesamte Tierbestand der betroffenen Halter getötet. Die Kadaver werden verbrannt oder auf andere Weise unschädlich gemacht, um eine Übertragung auf andere Tierbestände zu verhindern. Daher ist die Anzahl der getöteten Tiere regelmäßig sehr viel größer als die Zahl der nachweislich infizierten Tiere. Dies wiederum hat zur Folge, dass keinerlei verlässliche Daten über die Anzahl erkrankter Tiere existieren und auch nur grobe Schätzungen zur Zahl der getöteten Tiere.

In Deutschland erfolgt die Bekämpfung der Geflügelpest nach dem Tierseuchengesetz und der Geflügelpest-Verordnung (Details hierzu siehe unten, Weblinks).

Wegen der bei vielen Vögeln vorhandenen Übertragungsmöglichkeiten des Krankheitserregers (Vektoreigenschaften) bedarf man einer behördlichen Genehmigung, wenn man zum Beispiel mit Papageien und Sittichen Handel oder Zucht betreiben will. Diese nichtheimischen Vogelspezies neigen trotz Käfighaltung zu gelegentlichem Ausbüchsen und können daher auch zu einer unkontrollierten Ausbreitung der Geflügelpest beitragen, wie zuletzt 2004/2005 in Köln geschehen.

Im Mai 2005 berichteten chinesische Forscher von zwei neuen Impfstoffen, die Geflügel vor dem Vogelgrippevirus A/H5N1 schützen sollen. Nach erfolgreichen Tests erhielten die Impfstoffe die Zulassung. Der Impfschutz gegen den Subtyp A/H5N1 liege demnach bei 100 Prozent. Die WHO warnte jedoch vor Impfstoffen, die Viren nur unauffindbar machen, sie aber nicht zerstören. Infizierte Vögel würden so zu Überträgern der Grippe, ohne Symptome zu zeigen. Dennoch gab es am 20. Oktober 2005 seitens der EU die Forderung an die Mitgliedsländer, Impfprogramme für Zootiere vorzubereiten.

Die Europäische Union und die Schweiz haben aus Sicherheitsgründen einen Importstopp für Geflügelprodukte aus den von der H5N1-Epidemie betroffenen Ländern verhängt. Ferner wurde vom 22. Oktober bis 15. Dezember 2005 für Deutschland, Österreich und die Schweiz ein Verbot der Freilandhaltung von Geflügel ausgesprochen. In Österreich und in einzelnen deutschen Bundesländern wurden zusätzlich Geflügelmärkte und Vogelbörsen verboten, seitens der EU wird hierfür eine einheitliche Regelung vorbereitet.

Übergänge von A/H5N1 auf Menschen

Übergänge von Geflügel auf den Menschen sind derzeit selten, enden aber im Falle einer Erkrankung in erschreckend hohem Maße tödlich. Einzelne Übergänge von Mensch zu Mensch sind möglicherweise vorgekommen, konnten aber nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden.

Gefährdet durch A/H5N1 sind vor allem Personen mit intensivem Kontakt zu infizierten Tieren, zum Beispiel beim Schlachten (Umgang mit Blut und Kot). Es gibt Vermutungen, dass auch die Spanische Grippe von 1918 von Geflügel auf den Menschen überging.

Risikolage für Menschen

"Die Gefahr einer Pandemie ist real und das Risiko derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr." (Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, am 18. August 2005 in der FAZ). Er erwähnte gegenüber der FAZ eine zu erwartende Infektionsrate von bis zu 30% der Bevölkerung.

Gesicherte Erkrankungs- und Todesfälle liegen derzeit aber nur aus Vietnam, Thailand, Kambodscha und Indonesien sowie (aus dem Jahr 1997) aus Hongkong vor.

Die Experten befürchten jedoch, das Vogelgrippevirus könne sich mit einem Erreger der Humangrippe kreuzen. Dies ist möglich, wenn Schweine oder Menschen gleichzeitig mit A/H5N1 und einem Erreger der Humangrippe (zumeist A/H1N1 oder A/H3N2) infiziert sind. Auf diese Weise könnte ein neuer Virussubtyp entstehen, bei dem eine Pandemie droht, wenn seine Ausbreitung nicht kontrolliert werden kann. Gestützt wird diese Theorie durch Ergebnisse US-amerikanischer Forscher, die im Herbst 2005 den Erreger der spanischen Grippe A/H1N1 rekonstruierten. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler legten nahe, dass das von ihnen rekonstruierte Virus H1N1 von einem Vogelgrippe-Virus abstammte und die Fähigkeit entwickelte, den Menschen zu befallen. Die Spanische Grippe sprang demnach nicht durch Kreuzung mit einer menschlichen Grippe über, sondern lediglich durch normale virale Mutation. Seitdem das bekannt wurde, wird die Gefahr einer erneuten Grippe-Pandemie deutlich höher eingestuft.

Sollte ein Vogelgrippe-Virus mutieren, so dass es von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wäre mit einer weltweiten Pandemie zu rechnen. Für diesen Fall erwarten einige Experten ein Szenario, das in zwei Phasen abläuft:

  1. In einer ersten Phase von 3-6 Monaten stünde noch kein Impfschutz zur Verfügung. In dieser Phase wären antivirale Medikamente neben Schutzmaßnamen und Quarantäne die einzigen Waffen gegen das Virus. Es wird daher empfohlen, für 20-25% der Bevölkerung solche Medikamente vorrätig zu halten.
  2. In einer zweiten Phase wäre zwar ein Impfschutz entwickelt, die Produktionskapazitäten würden für den großen Bedarf jedoch sehr wahrscheinlich nicht ausreichen. Daher fordern Experten, staatlich subventionierte Über-Kapazitäten bei den Arzneimittelherstellern aufzubauen. Nur so könnten im Ernstfall relativ schnell große Mengen Impfstoffs bereitgestellt werden. Weil außerdem nicht erwartet werden kann, dass Impfungen vollständigen Schutz bieten, müssen die anderen Maßnahmen der Bekämpfung auch in der zweiten Phase angewandt werden.

Empfehlungen zum Infektionsschutz für Menschen

Das Robert Koch-Institut hat Empfehlungen herausgegeben, falls das Virus tatsächlich auf den Menschen übertreten sollte. Sollte es zum Übertreten kommen, sind Personen, die in engem Kontakt zu kranken Tieren stehen, gesetzlich dazu verpflichtet, die entsprechenden Schutzmaßnamen zu ergreifen. Es gibt einen Bundesmaßnahmenkatalog dafür. Als sinnvoll ausgewiesen werden geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe, Schutzbrille und insbesondere Mundschutz.

Eine Impfung gegen A/H5N1 ist bisher nicht entwickelt oder gar erprobt worden. Eine Influenza-Schutzimpfung schützt zwar nicht vor dem Geflügelpestvirus A/H5N1, trotzdem sollte man sich gegen Influenza impfen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man in gefährdete Gebiete reist. Eine "normale" Grippeimpfung kann in der Regel eine Vermehrung der bekannten menschlichen Grippeviren unterbinden. So kann eine gleichzeitige Infektion mit beiden Grippesubtypen verhindert werden und damit eine mögliche Verschmelzung eines menschlichen Grippevirus mit einem Vogelgrippe-Virus. Ein solches neu entstandenes Virus würde das Risiko für Übergänge der Viren von Mensch zu Mensch stark erhöhen und könnte zu einer weltweiten Pandemie führen.

Besonders für Kleinkinder und für Erwachsene jenseits der 65 kann ferner eine Impfung gegen Pneumokokken sinnvoll sein. Diese Bakterien sind häufig verantwortlich für die einer Virusinfektion unmittelbar folgende Lungenentzündung: Wer sich mit einem Influenza-Virus infiziert und in der Folge stirbt, stirbt normalerweise nicht unmittelbar durch die Viren, sondern an einer Sekundärinfektion; und diese wird häufig durch Pneumokokken hervorgerufen.

Symptome beim Menschen

Bei an Vogelgrippe erkrankten Menschen sind bislang nach einer Inkubationszeit von zwei bis maximal 14 Tagen bei Krankheitsbeginn zunächst folgende grippeähnliche Anzeichen beobachtet worden (siehe Influenza):

  • extrem hohes Fieber
  • Husten
  • Atemnot
  • Halsschmerzen

teils auch Durchfall, seltener Bauchschmerzen und Erbrechen.

Im weiteren Krankheitsverlauf sehr oft:

Gelegentlich entwickelten Patienten zusätzlich eine Nierenschwäche, die sich später bis hin zum kompletten Nierenversagen steigerte. Häufig jedoch stellte sich ein tödliches Lungenversagen ein, oder die Erkrankten verstarben an einem Multiorganversagen. Laut WHO starben bislang etwa 50 % aller an der Vogelgrippe erkrankten Menschen. Diese hohe Todesrate erklärt sich dadurch, dass einerseits dieses Virus nicht an den Menschen angepasst ist und andererseits der Mensch so gut wie keine Abwehrkräfte gegen diesen Virussubtyp besitzt.

Behandlung beim Menschen

Bei erkrankten Menschen können im Frühstadium der Krankheit die antiviralen Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir (Handelsname Tamiflu®) zur Einnahme oder Zanamivir (Handelsname Relenza®) zur Inhalation helfen, sofern der Erreger gegen diese Medikamente nicht resistent ist. Nach Berichten von japanischen Medizinern in "Nature" gibt es bereits gegen Oseltamivir resistente Virenstämme von A/H5N1.

Gesicherte Übergänge auf Menschen in Asien

Bei den wiederholten Ausbrüchen der Krankheit starben seit Dezember 2003 von 118 registrierten infizierten Menschen nachweislich 61 Personen (WHO, Stand: 20. Oktober 2005). Zwar infizieren sich Menschen nicht so leicht mit der Vogelgrippe, weil deren Virus zum Eindringen in die Wirtszellen andere Rezeptoren benötigt als Humaninfluenza. Gefahr für den Menschen besteht aber vor allem bei gleichzeitiger Exposition und der damit einhergehenden Immunschwächung.

Hongkong

Bereits 1997 wurden in Hongkong 18 Menschen mit dem Vogelgrippevirus infiziert, 6 von ihnen starben. Ansteckungsgefährdet waren offenbar vor allem jene Menschen, die auf engstem Raum mit dem lebenden Geflügel umgingen.

Vietnam

Aus Vietnam wurden der WHO bisher - teils mit erheblicher Verspätung - insgesamt 91 gesicherte Erkrankungen und in deren Folge 41 Todesfälle gemeldet.

Thailand

Aus Thailand liegen der WHO gesicherte Berichte über 18 Erkrankungen und 13 Todesfälle vor.

Kambodscha

Aus Kambodscha sind 4 gesicherte Todesfälle bekannt geworden.

Indonesien

Im Juni 2005 wurde aus Indonesien - als viertem Staat seit Ende 2003 - offiziell ein erster Fall von A/H5N1-Infektion beim Menschen gemeldet, bei einem Mitarbeiter einer Geflügelfarm auf Sulawesi (Science vom 24. Juni 2005, Band 308, S. 1849 f.). Im Juli gab Indonesien drei weitere Todesfälle durch das Virus in einer Familie bekannt (1 Mann und zwei seiner Kinder), die offenbar keinen Kontakt zu infiziertem Geflügel hatten (Science, 29. Juli, S. 684).

Am 21. September 2005 gab das indonesische Gesundheitsministerium bekannt, dass der begründete Verdacht bestehe, mehrere akute, schwere Erkrankungen sowie einige Todesfälle seien auf A/H5N1 zurückzuführen. Unter den mehr als drei Dutzend Patienten, die an den folgenden Tagen ärztlich betreut wurden, seien auch zwei Mitarbeiter des Ragunan-Zoos in der Hauptstadt Jakarta sowie mehrere jugendliche Zoobesucher und Kinder. Der Tierpark war am 19. September 2005 geschlossen worden, nachdem der Erreger bei 19 Tieren, darunter Adler und Pfauen, festgestellt worden war.

Gleichwohl gelten der WHO in Indonesien derzeit nur 5 Erkrankungen und 3 Todesfälle als gesichert.

Notfallplanung in Australien

Australien wird im Fall einer Pandemie sämtliche Häfen und Flughäfen schließen. Alle Verbindungen zum Rest der Welt werden unterbrochen. Auch Schulen und Kindergärten sowie größere Versammlungen werden geschlossen. Patienten werden in besondere Fieberkliniken verbracht .

Aktivitäten der WHO

Die WHO hat in die betroffenen Gebiete Ermittler (Feld-Epidemiologen) entsandt. Diese beobachten zum Teil mit erheblichem Aufwand die aktuellen Übertragungswege und Entwicklungen des Virus.

Notfallplanung im deutschsprachigen Raum

Wie auch in anderen Ländern gilt die Notfallplanung in Deutschland als unzureichend: Kompetenz- und Finanzierungsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern sorgen in Deutschland dafür, dass, wie Kritiker argumentieren, unzureichend Vorsorge betrieben wurde. Statt für 25% (WHO-Empfehlung) oder 20% (Robert Koch-Institut) der Bevölkerung werden in einigen Bundesländern lediglich für 10% (Hamburg) bzw. 4.5% (Sachsen-Anhalt) der Bevölkerung Medikamentendosen vorrätig gehalten. Hochrechnungen des Robert Koch-Instituts prognostizieren für den Ernstfall einer Pandemie allein für Deutschland 160.000 Tote .

In der Schweiz soll das Pflichtlager mit den antiviralen Medikamenten bis Ende 2005 aufgefüllt sein, im Falle einer Pandemie wären somit ab 2006 genügend Medikamente vorhanden. Bis dahin muss man sich mit der Versorgung auf Risikogruppen beschränken. Damit sind beispielsweise Personen in der landwirtschaftlichen Industrie gemeint, die am ehesten mit dem Virus Kontakt haben könnten.


mögliche Selbstschutzmassnahmen

Die Möglichkeiten für einen effektiven Selbstschutz sind sehr begrenzt. Um die sich aus einer Grippeerkrankung heraus ergebenden Komplikationen zu minimieren, wird vereinzelt die Impfung gegen Pneumokokken empfohlen. Da im Fall einer Supergrippe die Infrastrukturen zusammen brechen werden, ist eine entsprechende Bevorratung von Lebensmitteln etc. anzuraten.

Siehe auch

Literatur

  • S. Hecker: SARS und Vogelgrippe - Die Wissenslücken. Österreichische Ärztezeitung 4/2004, S. 30 - 31 (2004), ISSN 0029-8786
  • W.A Geering, A.J. Forman and M.J. Nunn: Exotic diseases of Animals, a field guide for Australian veterinarians. Australian Government Publishing Service, Canberra, 1995.
  • Mike Davis: Vogelgrippe. Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien. Assoziation A, Berlin 2005, ISBN 3-935936-42-7 (deutsche Fassung von: The Monster at our Door. The Global Thread of Avain Flu. The New Press, New York, London 2005, ISBN 1-59558-011-5.

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